Bundesfinanzhof, Urteil vom 04.05.2011, Az. XI R 10/09

11. Senat | REWIS RS 2011, 7049

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Gegenstand

Belegnachweis bei innergemeinschaftlicher Lieferung im Versendungsfall - CMR-Frachtbrief als Versendungsbeleg - Angabe des Bestimmungsorts


Leitsatz

Soll bei einer innergemeinschaftlichen Lieferung die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet belegmäßig durch einen CMR-Frachtbrief nachgewiesen werden, ist es grundsätzlich erforderlich, die für die Ablieferung vorgesehene Stelle (Bestimmungsort) anzugeben .

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der W-[X.] ([X.]). Die [X.] war als Großhändlerin vorwiegend im Handel mit Getränkedosen tätig. Die von ihr in das [X.] Ausland verkaufte Ware wurde von Spediteuren, die von den Abnehmern in anderen Mitgliedstaaten der [X.] beauftragt worden waren, aus einem inländischen Lager abgeholt. Der jeweilige Fahrer quittierte auf dem gemäß dem Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr ([X.], [X.] 1961, 1120) ausgestellten Frachtbrief ([X.]), die Ware in Empfang genommen zu haben. Die Aufträge der ausländischen Kunden erfolgten per Telefon oder Telefax. Die Ware wurde bei Abholung bar bezahlt.

2

Die [X.] meldete mit Umsatzsteuer-Voranmeldungen für Januar, Februar und Juni 2005 überwiegend innergemeinschaftliche Lieferungen an und machte jeweils [X.] geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) erklärte zu den Voranmeldungen für Januar und Februar 2005 seine Zustimmung. Im August 2005 teilte er der [X.] mit, eine Zustimmung für die Voranmeldung Juni 2005 komme nicht in Betracht. Hiergegen legte die [X.] noch im August 2005 Einspruch ein.

3

Das [X.] änderte mit Bescheiden vom November 2005 die [X.] für Januar und Februar 2005 und setzte mit Bescheid vom Dezember 2005 die [X.] für Juni 2005 abweichend von der Voranmeldung mit dem Hinweis fest, dass sich hierdurch der Einspruch vom August 2005 erledigt habe. Gegen die [X.] für Januar und Februar 2005 vom November 2005 legte die [X.] Einspruch ein. Eine Einspruchsentscheidung ist nicht ergangen. Mit Bescheid vom Januar 2006 änderte das [X.] die [X.] für Februar 2005 erneut.

4

Den [X.] lagen die Ermittlungen der Steuerfahndung zugrunde, wonach von der [X.] als innergemeinschaftliche Lieferungen erklärte Umsätze nicht an die genannten Unternehmen ausgeführt worden seien, sondern an Abnehmer in Deutschland.

5

Die [X.] erhob im März 2006 Klage und begehrte, die im Laufe des finanzgerichtlichen Verfahrens mit Bescheiden vom Oktober 2006 erneut geänderten [X.] für Januar, Februar und Juni 2005 unter Berücksichtigung steuerfreier innergemeinschaftlicher Lieferungen zu ändern.

6

Das Finanzgericht ([X.]) wies die Klage ab. Die als Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zulässige Klage sei unbegründet. Die i.S. des § 6a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) als innergemeinschaftliche Lieferungen angemeldeten Umsätze seien nicht steuerfrei. [X.]e seien keine i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1 der [X.] ([X.]) als Versendungsbelege geeigneten Dokumente. Dies gelte insbesondere, wenn sie wie im Streitfall unvollständig ausgefüllt seien, weil sie ganz überwiegend keine Angaben zum Ort und Zeitpunkt des Empfangs der Lieferung in Feld 24, zu Name und Anschrift des Frachtführers oder zum Ort der Lieferung in Feld 3 enthielten. Einen Nachweis über die Versendung auf andere Weise habe die [X.] nicht geführt. Die Lieferungen seien bereits mangels vollständig erfüllter Nachweispflichten nicht nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG als steuerfrei zu behandeln. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2008, 653 veröffentlicht.

7

Nachdem die [X.] wegen Nichtzulassung der Revision gegen die Vorentscheidung Beschwerde eingelegt hatte, wurde über ihr Vermögen im August 2008 das Insolvenzverfahren eröffnet. Das unterbrochene Beschwerdeverfahren wurde durch den Kläger aufgenommen und mit Beschluss des Senats vom April 2009 wurde die Revision zugelassen.

8

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts sowie Verfahrensmängel. Die [X.] habe mit den vorliegenden [X.]en trotz des Fehlens einer gesonderten Empfängerbestätigung in Feld 24 den [X.] über die Versendung i.S. der §§ 17a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, 10 Abs. 1 Nr. 1 [X.] erbracht. Die [X.] könne Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG beanspruchen. Sie habe trotz beachteter kaufmännischer Sorgfaltspflicht nicht erkennen können, dass die Angaben der Abnehmer unrichtig gewesen seien und die Ware das Inland nicht verlassen habe. Das [X.] habe entgegen § 76 [X.]O den Sachverhalt unvollständig ermittelt, den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt und gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens verstoßen.

9

Der Kläger beantragt,

das Urteil des [X.] Hamburg vom 5. Dezember 2007  7 [X.]/06 aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Das [X.] beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Das [X.] habe in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass die [X.] den nach § 17a [X.] erforderlichen [X.] nicht erbracht habe, und rechtsfehlerfrei entschieden, dass die Lieferungen nicht nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG als steuerfrei zu behandeln seien. Die vom Kläger geltend gemachten Verfahrensmängel seien nicht gegeben oder könnten infolge [X.] nicht mehr gerügt werden.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des [X.] ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]O).

1. Das [X.] hat die Klage zu Recht als zulässig behandelt. Die Voraussetzungen einer Untätigkeitsklage i.S. des § 46 Abs. 1 [X.]O liegen vor. Darüber besteht auch kein Streit zwischen den Beteiligten.

2. Entgegen der Auffassung des [X.] kann im Rahmen des Nachweises einer innergemeinschaftlichen Lieferung ein [X.] ein geeigneter [X.]S. des § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. § 17a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und § 10 Abs. 1 UStDV sein.

Versendet wie im Streitfall der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet, soll der Unternehmer den Nachweis hierüber durch das Doppel der Rechnung i.S. der §§ 14, 14a UStG und durch einen Beleg entsprechend § 10 Abs. 1 UStDV führen (§ 17a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 UStDV).

a) Diesen [X.] soll der Unternehmer durch einen [X.], insbesondere durch Frachtbrief, Konnossement, Posteinlieferungsschein (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 UStDV) oder sonstigen handelsüblichen Beleg, insbesondere durch eine Spediteurbescheinigung oder eine Versandbestätigung des Lieferers (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV) erbringen.

b) Ein [X.] ist entgegen der Vorentscheidung als [X.] von § 10 Abs. 1 Nr. 1 UStDV anzusehen (vgl. Urteil des [X.] --[X.]-- vom 12. Mai 2009 [X.], [X.], 264, [X.], 511, unter [X.]). Auch die Finanzverwaltung erkennt nunmehr einen [X.] als belegmäßigen Nachweis an (Schreiben des [X.] --BMF-- vom 5. Mai 2010 IV D 3 - S 7141/ 08/10001, 2010/0334195, [X.], 508, Rz 37).

c) Entgegen der Ansicht des [X.] scheidet ein [X.] nicht bereits deshalb als geeigneter [X.] aus, weil das Formular in Feld 24 nicht oder unvollständig ausgefüllt ist. Für die Anerkennung eines [X.]s als [X.] nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 UStDV kommt es nicht darauf an, dass dieser die in Feld 24 vorgesehene Empfängerbestätigung aufweist (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 264, [X.], 511, unter [X.]; a.A. BMF-Schreiben in [X.], 508, Rz 38).

3. Das [X.] ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Seine Entscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Den tatsächlichen Feststellungen des [X.] lässt sich nicht entnehmen, in welchem Umfang die vorgelegten [X.]e --abgesehen von dem Feld 24-- ausgefüllt waren.

a) Wie das [X.] zutreffend erkannt hat, ist die Angabe des [X.] grundsätzlich erforderlich, um die Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet belegmäßig nachzuweisen. Denn die für die Ablieferung vorgesehene Stelle muss sowohl nach § 408 Abs. 1 Nr. 4 des Handelsgesetzbuchs als auch nach Art. 6 Nr. 1 Buchst. d CMR-Übereinkommen aus einem Frachtbrief hervorgehen. Ob ausnahmsweise bei einem Reihengeschäft zum Schutz der Geschäftsbeziehungen auch die Angabe des Bestimmungslandes ausreichend sein kann (vgl. [X.] Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Oktober 2010  6 K 1643/08, E[X.] 2011, 670, Revision eingelegt, [X.]. [X.]/10), kann im Streitfall offenbleiben. Denn einen solchen Fall hat das [X.] nicht festgestellt.

Mit dieser Auffassung, dass sich die für die Ablieferung vorgesehene Stelle aus dem Frachtbrief ergeben muss, weicht der Senat nicht von der Rechtsprechung des [X.] [X.] ab. Dieser hat es in [X.] unter Hinweis auf das Fehlen handelsüblicher Belege nicht beanstandet, dass das [X.] für die Angabe des [X.] die Rechnungsanschrift als ausreichend angesehen hat (vgl. [X.]-Urteil vom 7. Dezember 2006 [X.], [X.]E 216, 367, [X.], 420, unter II.2.c). Dagegen gibt es in Fällen einer Versendung mit einem Frachtbrief einen handelsüblichen Beleg, in dem --wie dargelegt-- der Bestimmungsort anzugeben ist.

b) Deshalb vermag der Senat auch der in der Literatur zum Nachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen in [X.] nach § 17a Abs. 2 Nr. 2 UStDV vertretenen Ansicht, die Angabe des [X.] dürfe in den nationalen Nachweis- und Kontrollregeln nicht maßgebend sein, weil sie kein Kriterium nach Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der [X.]/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern --nunmehr Art. 138 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/[X.] vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ([X.] 347/1)-- sei (vgl. Wagner, Haufe Steuer Office, Haufe-Index 1969513, Stand 8. November 2007), nicht zu folgen. Im Übrigen ist es Sache der Mitgliedstaaten, unter Beachtung der allgemeinen Rechtsgrundsätze der [X.] zu bestimmen, welche Beweise die Steuerpflichtigen vorlegen müssen, um in den Genuss der Mehrwertsteuerbefreiung zu gelangen, eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu verhindern (vgl. z.B. Urteil des Gerichtshofs der [X.] vom 7. Dezember 2010 Rs. [X.]/09 --R--, [X.], 2572, [X.] 2011, 15, Rz 43 f., m.w.N.).

c) Da es sich bei § 17a Abs. 4 Satz 1 UStDV um eine Sollvorschrift über die an den Nachweis nach § 17a Abs. 1 UStDV zu stellenden Anforderungen handelt (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 216, 367, [X.], 420, unter II.2.c), bleibt es dem Unternehmer allerdings unbenommen, einen geeigneten Ersatzbeleg vorzulegen, soweit sich der Ort der voraussichtlichen Auslieferung der vom Frachtführer in Empfang genommenen Ware nicht aus dem Frachtbrief ergibt.

d) Soweit das [X.] danach im zweiten Rechtsgang, den Beleg- und [X.] als geführt ansehen sollte, wird es nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]O) zu entscheiden haben, ob Vertrauensschutz zu gewähren ist. Der Senat sieht entgegen dem Begehren des [X.] im gegenwärtigen Verfahrensstadium auf der Grundlage des bisher festgestellten Sachverhalts keinen Anlass, der insoweit ggf. erforderlichen Gesamtwürdigung aller Umstände vorzugreifen.

Meta

XI R 10/09

04.05.2011

Bundesfinanzhof 11. Senat

Urteil

vorgehend FG Hamburg, 5. Dezember 2007, Az: 7 K 71/06, Urteil

§ 46 Abs 1 FGO, § 96 Abs 1 S 1 FGO, § 6a Abs 3 UStG 2005, § 6a Abs 4 S 1 UStG 2005, § 10 Abs 1 Nr 1 UStDV 2005, § 10 Abs 1 Nr 2 UStDV 2005, § 17a Abs 1 UStDV 2005, § 17a Abs 4 UStDV 2005, § 408 Abs 1 Nr 4 HGB, Art 28c Teil A Buchst a UAbs 1 EWGRL 388/77, Art 138 Abs 1 EGRL 112/2006

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 04.05.2011, Az. XI R 10/09 (REWIS RS 2011, 7049)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7049

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

7 U 3545/18

Zitiert

XI R 42/10

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