5. Senat | REWIS RS 2019, 3150
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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Innergemeinschaftliche Lieferungen
1. Steht aufgrund einer Beweiserhebung fest, dass die gelieferten Fahrzeuge zum Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet versendet wurden, kann dies nicht durch die Annahme eines fehlenden Belegnachweises in Abrede gestellt werden .
2. Der sich aus der USt-IdNr. ergebende Nachweis der Unternehmereigenschaft des Abnehmers kann nicht durch die bloße Annahme einer Briefkastenanschrift widerlegt werden .
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.]vom 10.10.2018 - 3 K 1983/17 aufgehoben.
Die Sache wird an das [X.]zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, lieferte im Streitjahr 2007 drei PKW (zwei Fahrzeuge der Marke [X.]und einen Mercedes) in das übrige Gemeinschaftsgebiet. Nach schriftlichen Kaufverträgen war Käufer jeweils die Firma N, eine GmbH nach dem Recht der Slowakischen Republik, mit Sitz in [X.]in der Slowakischen Republik. Der Klägerin lagen ein Handelsregisterauszug der [X.]vor wie auch eine bestätigte Abfrage der Umsatzsteueridentifikationsnummer (USt-IdNr.) der Firma N. Geschäftsführer der [X.]war der in [X.]ansässige A.MN. Auf ihrem Briefpapier gab die [X.]eine Telefon- und eine Telefaxnummer mit jeweils [X.]Vorwahl an. Die Klägerin nahm für die drei Fahrzeuglieferungen die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung nach § 6a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in Anspruch.
Im Rahmen einer Außenprüfung kam der Prüfer unter Berücksichtigung der Ergebnisse einer multilateralen Prüfung der deutschen, österreichischen, [X.]und [X.]Finanzbehörden zu dem Ergebnis, dass es sich bei der [X.]um eine Scheinfirma gehandelt habe. Sie habe zur Durchschleusung der Fahrzeuge gedient. Trotz der ihr erteilten USt-IdNr. habe es sich um ein Scheinunternehmen gehandelt. Am Sitzort der [X.]sei nur ein Buchhaltungsbüro tätig gewesen, das die Post entgegengenommen habe. Es habe aber keinen Lagerplatz für Fahrzeuge gegeben. Die [X.]Finanzbehörde habe die Unternehmereigenschaft am 31.10.2008 rechtskräftig versagt. Es habe an der erforderlichen wirtschaftlichen, aktiven Geschäftstätigkeit im Gründungsstaat gefehlt. Im [X.]hieran ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass diese Lieferungen steuerpflichtig seien. Einspruch und Klage zum Finanzgericht (FG) hatten keinen Erfolg.
Nach dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2019, 383 veröffentlichten Urteil des [X.]lag aufgrund einer Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO) keine Festsetzungsverjährung vor. Die Lieferungen seien zudem nicht nach § 6a UStG steuerfrei. Im Streitfall lägen zwar für alle drei Fahrzeuge die für die Steuerfreiheit nach § 6a UStG erforderlichen Belege zur Dokumentation einer Beförderung durch den Abnehmer (Abhollieferung) gemäß § 17a Abs. 2 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) durch die [X.]vor. Tatsächlich seien die Fahrzeuge aber durch einen beauftragten selbständigen Spediteur befördert worden; es habe sich nicht um eine Abhol-, sondern um eine Versendungslieferung gehandelt. Das [X.]ging somit von einer Steuerpflicht aufgrund eines fehlenden Belegnachweises nach § 10 Abs. 1 UStDV aus, obwohl der vom [X.]einvernommene Zeuge [X.]ausgesagt hatte, dass er die Fahrzeuge zum angegebenen Bestimmungsort in der [X.]befördert habe.
Zudem ging das [X.]von einem fehlenden [X.]aus, da es sich bei der [X.]um eine Scheinfirma gehandelt habe, so dass sich aus der Aufzeichnung der USt-IdNr. dieser Firma nicht deren Unternehmereigenschaft ergeben habe. Diese Feststellungen würden durch die Zeugenaussage des [X.]nicht in Frage gestellt. Denn der Zeuge habe keinen Hinweis auf Geschäftsräume oder Ähnliches dieser Firma gesehen. Die Versagung der Steuerfreiheit aufgrund eines Scheinsitzes der [X.]werde nicht durch die neue Rechtsprechung des [X.](BFH) zur "Briefkastenadresse" bei der Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs ausgeschlossen. Diese Rechtsprechung zum Vorsteuerabzug sei jedenfalls dann nicht auf die Adresse und den Sitz des Unternehmens des Empfängers einer innergemeinschaftlichen Lieferung übertragbar, wenn es sich bei diesem --wie im [X.]um ein Scheinunternehmen gehandelt habe.
Die Voraussetzungen für einen Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG lägen nicht vor. Es fehle bereits an einem [X.]in der erforderlichen Art. Zudem sei die Klägerin nicht gutgläubig gewesen. Die Klägerin sei vor Abwicklung der Lieferungen von den in [X.]ansässigen ihr bekannten [X.]und [X.]gefragt worden, "ob sie für den genannten Dr. S drei Autos besorgen könnte". Die Klägerin habe dies zugesagt und auf die weitere Frage der [X.]und C, ob der Kauf über eine [X.]Firma abgewickelt werden könne, geäußert, "dass ihr dies nichts ausmache, sofern sämtliche erforderlichen Bestätigungen und Nachweise vorliegen würden". Die Klägerin habe gewusst, dass die [X.]nur "zwischengeschaltet" werden sollte. Auf einem Schreiben der Klägerin vom 22.02.2007 an [X.]finde sich ein ausdrücklich so bezeichnetes "Angebot" für den hier streitigen [X.]mit dem handschriftlichen Zusatz: "[X.]hat am 23.2.07 telefonisch bestellt". Die Bestellung sei erkennbar nicht durch die [X.]erfolgt. Auf einem Auszug eines Bankkontos der Klägerin bei der E-Bank vom 16.04.2007 (zehn Tage vor Abholung des Mercedes) über einen Geldeingang finde sich der handschriftliche Vermerk "B Anzahlung", obwohl hier laut [X.]eine Bestellung dieses Fahrzeugs der [X.][X.]vom 01.02.2007 vorgelegen habe. Aus einer "Info an die Buchhaltung" der Klägerin vom 08.05.2007 über den Verkauf des [X.]sowie den [X.]sei ersichtlich gewesen, dass von den insgesamt sechs Teilzahlungen für die zwei Kfz nur eine als Barzahlung der [X.]erfasst worden sei. Die übrigen Zahlungen seien durch die genannten [X.]Beteiligten sowie (unbar) durch eine im Übrigen bei den streitgegenständlichen Lieferungen unbekannte "M Limited" erfolgt. Der Kaufpreis sei durch Dritte und nicht durch die [X.]bezahlt worden. Dies sei ungewöhnlich, da die Käuferin [X.]damit noch vor Lieferung der Ware ihren Abnehmer aus dem angeblichen Folgegeschäft offengelegt habe.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision. Es sei Festsetzungsverjährung eingetreten. Die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit als innergemeinschaftliche Lieferung lägen vor. Der [X.]für eine Beförderung durch den Abnehmer liege vor. Für sie sei zunächst nicht erkennbar gewesen, dass es sich bei dem [X.]nicht um einen Beauftragten der [X.]gehandelt habe. Die Beweiserhebung habe eindeutig eine Beförderung zum Sitzort der [X.]ergeben. An den Nachweis, dass ein Ausnahmefall i.S. des § 10 Abs. 2 UStDV vorliege, seien keine hohen Anforderungen zu stellen. Dass es sich bei der [X.]um eine Scheinfirma gehandelt habe, habe das [X.]nicht belegt. Das [X.]habe insoweit die Zeugenaussage widerrechtlich gewürdigt. Die [X.]Autohändler hätten die Lieferungen nur vermittelt und angebahnt. Es lägen schriftliche Kaufverträge und der übersetzte Gesellschaftsvertrag der [X.]mit Handelsregisterauszug vor. Diese sei Unternehmer gewesen, eine spätere Aberkennung sei ohne Bedeutung. Der [X.]erkenne in seiner neueren Rechtsprechung Briefkastenanschriften an. Ihr sei zumindest Vertrauensschutz zu gewähren. Sie habe zwar gewusst, dass die [X.]zwischengeschaltet gewesen sei. Der Zwischenhandel mit PKW sei aber üblich. Die internen Vermerke ihrer Mitarbeiter seien nur laienhaft und daher rechtlich unzutreffend angefertigt worden. Auf Teilzahlungen anderer Personen als der [X.]komme es nicht an.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des [X.]aufzuheben und unter Änderung des [X.]vom 21.05.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.07.2017 die Umsatzsteuer 2007 um ... € herabzusetzen.
Das [X.]beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es liege keine Festsetzungsverjährung vor. Die Lieferungen seien nicht steuerfrei. Der Beleg- und [X.]sei zwingend zu erbringen, fehle aber. Die Prüfungsfeststellungen hätten Beweisqualität. Die Beweiskraft des [X.]sei entkräftet. Auf die Frage der [X.]komme es mangels Unternehmerstellung der [X.]nicht an. Die Klägerin habe nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gehandelt.
II.
Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des [X.]ist aufzuheben und die Sache an das [X.]zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das [X.]hat die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferungen zu Unrecht verneint. Die Sache ist nicht spruchreif, da das [X.]nicht geprüft hat, wer Abnehmer der Lieferungen war und ob die den Lieferungen zugrunde liegenden Vereinbarungen mit der Firma [X.]als Scheingeschäft unbeachtlich sind.
a) Die Steuerfreiheit setzt voraus, dass "der Unternehmer oder der Abnehmer … den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet" hat (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG). Der Abnehmer muss "ein Unternehmer [sein], der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a UStG) oder "eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UStG). Bei "der Lieferung eines neuen Fahrzeuges [kann] auch jeder andere Erwerber" sein (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c UStG). Zudem muss "der Erwerb des Gegenstands der Lieferung … beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung" unterliegen (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG).
b) [X.]beruht die Steuerfreiheit auf Art. 138 der Richtlinie 2006/112/[X.]über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Danach befreien die Mitgliedstaaten die Lieferungen von Gegenständen, die durch den Verkäufer, den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb ihres jeweiligen Gebiets, aber innerhalb der [X.]versandt oder befördert werden von der Steuer, wenn diese Lieferung an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt wird, der/die als solche/r in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns der Versendung oder Beförderung der Gegenstände handelt.
2. Das [X.]ist zu Unrecht vom fehlenden Nachweis einer Versendung in die [X.]und einer widerlegten Unternehmereigenschaft des Abnehmers [X.]ausgegangen.
a) Die vom Unternehmer beizubringenden Nachweise ergeben sich im nationalen Recht auf der Grundlage von § 6a Abs. 3 UStG nach §§ 17a ff. UStDV. Erforderlich ist danach ein Beleg- und ein Buchnachweis.
Die unionsrechtliche Grundlage hierfür ergibt sich aus Art. 131 MwStSystRL. Danach wird die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung nur "unter den Bedingungen angewandt, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung dieser Befreiung[en] sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen".
b) Die Versendung in die [X.]ist nachgewiesen. Steht aufgrund einer Beweiserhebung fest, dass die gelieferten Fahrzeuge zum Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet versendet wurden, kann dies nicht durch die Annahme eines fehlenden Belegnachweises in Abrede gestellt werden.
aa) Für den sog. [X.]muss "der Unternehmer im Geltungsbereich dieser Verordnung durch Belege nachweisen, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat", was "sich aus den Belegen eindeutig und leicht nachprüfbar" zu ergeben hat (§ 17a Abs. 1 UStDV). Dabei bestanden gemäß § 17a Abs. 2 und 4 UStDV unterschiedliche Belegregelungen für die Fälle der Beförderung und der Versendung.
bb) Im Streitfall ist das [X.]zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Versendung zum Bestimmungsort in die [X.]nicht nachgewiesen ist. Zwar ist das [X.]bei einem fehlenden [X.]zur Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet nicht verpflichtet, eine Beweiserhebung durchzuführen (BFH-Urteil vom 19.03.2015 - V R 14/14, BFHE 250, 248, [X.]2015, 912). Hat das [X.]aber --wie im [X.]eine Beweiserhebung durchgeführt, bei der sich aus einer Zeugeneinvernahme eindeutig die Versendung zum angegebenen Bestimmungsort ergibt, muss es dieses Beweisergebnis seinem Urteil auch zugrunde legen. Anders ist es nur, wenn es die Zeugenaussage als nicht glaubhaft ansieht.
c) Der sich aus der USt-IdNr. der Firma [X.]ergebende Nachweis der Unternehmereigenschaft des Abnehmers kann nicht durch die bloße Annahme einer Briefkastenanschrift widerlegt werden.
aa) Für den [X.]muss "der Unternehmer im Geltungsbereich dieser Verordnung die Voraussetzungen der Steuerbefreiung einschließlich Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers buchmäßig nachweisen". Dies musste "eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sein" (§ 17c Abs. 1 UStDV).
Die Klägerin hat im Streitfall den Erwerb durch die Firma [X.]als Unternehmer für ihr Unternehmen mit Verpflichtung zur [X.](§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und Nr. 3 UStG) buchmäßig durch die Aufzeichnung der USt-IdNr. der Firma [X.]nachgewiesen.
bb) Die bloße Annahme einer Briefkastenanschrift ist zur Widerlegung des sich aus der USt-IdNr. ergebenden Nachweises der Unternehmerstellung des Abnehmers nicht geeignet.
(1) Zum Erfordernis, in Rechnungen "den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers" anzugeben (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG), hat der [X.]nach Vorabentscheidung durch den [X.]--EuGH-- ([X.]und [X.]vom 15.11.2017 - C-374/16 und C-375/16, EU:C:2017:867) entschieden, dass eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung nicht voraussetzt, dass die wirtschaftlichen Tätigkeiten des leistenden Unternehmers unter der Anschrift ausgeübt werden, die in der von ihm ausgestellten Rechnung angegeben ist und dass jede Art von Anschrift und damit auch eine Briefkastenanschrift ausreicht, sofern der Unternehmer unter dieser Anschrift erreichbar ist (BFH-Urteil vom 21.06.2018 - V R 25/15, BFHE 262, 248, [X.]2018, 809, Leitsätze 1 und 2).
Dabei folgt aus der Rechtsprechung zur Anerkennung von Briefkastenanschriften als Rechnungsangabe auch, dass die Angabe einer bloßen Briefkastenanschrift mit postalischer Erreichbarkeit für sich allein nicht zur Annahme einer fehlenden Unternehmereigenschaft berechtigt, wie der erkennende [X.]bereits entschieden hat (BFH-Urteil vom 21.06.2018 - V R 28/16, BFHE 262, 253, [X.]2018, 806, Rz 31).
(2) Dementsprechend rechtfertigt auch bei der innergemeinschaftlichen Lieferung die bloße Angabe einer Briefkastenanschrift nicht den Schluss auf eine fehlende Unternehmereigenschaft des Abnehmers.
Gegenteiliges ergibt sich entgegen dem Urteil des [X.]auch nicht aus besonderen Identifizierungserfordernissen. Zwar geht das [X.]insoweit zu Recht davon aus, dass der Person des Abnehmers und seiner Identität für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung entscheidende Bedeutung zukommt. Hieraus folgt aber entgegen dem [X.]nicht, dass eine bloße "Briefkastenadresse" zur Identifizierung eines Abnehmers nicht ausreichen kann. Denn dieses Identifizierungserfordernis besteht ebenso beim Vorsteuerabzug und wird dort nach der EuGH-Rechtsprechung (EuGH-[X.]und Butin, EU:C:2017:867, Rz 43) durch die Angabe der USt-IdNr. des Leistenden in der Rechnung ausgefüllt. Daher hat das [X.]zu Unrecht unberücksichtigt gelassen, dass dem Identifizierungserfordernis im hier vorliegenden Zusammenhang durch die Aufzeichnung der USt-IdNr. des Abnehmers nach § 17c Abs. 1 Satz 1 UStDV in Verbindung mit den Angaben zum Namen und der Anschrift des Abnehmers (§ 17c Abs. 2 Nr. 1 UStDV) Rechnung getragen wird.
3. Die Sache ist nicht spruchreif. Der [X.]kann nicht über die Steuerfreiheit der drei Lieferungen entscheiden, da unklar ist, wer nach dem der jeweiligen Lieferung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis Abnehmer war.
a) Die Abnehmereigenschaft bestimmt sich bei innergemeinschaftlichen Lieferungen --wie sonst auch-- nach dem der Lieferung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (BFH-Urteil vom 25.04.2013 - V R 28/11, BFHE 242, 77, [X.]2013, 656, unter II.2.c aa).
Die zivilrechtlichen Vereinbarungen sind der Abnehmerbestimmung allerdings nicht zugrunde zu legen, wenn es sich bei diesen um [X.][X.]von § 41 AO handelt (BFH-Urteil vom 11.08.2011 - V R 50/09, BFHE 235, 32, [X.]2012, 151, unter II.2.b aa). Ein Scheingeschäft liegt --wie sonst auch-- bei der Abnehmerbestimmung von innergemeinschaftlichen Lieferungen vor, wenn die Parteien eines Rechtsgeschäftes einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäftes nicht zwischen ihnen, sondern zwischen nur einer Vertragspartei und einem Dritten eintreten sollen. Verdeckt das Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft, ist nach § 41 Abs. 2 Satz 2 AO das verdeckte Rechtsgeschäft für die Besteuerung maßgeblich (BFH-Urteil vom 17.02.2011 - V R 28/10, BFHE 233, 331, unter II.2.b).
b) Im Streitfall liegen zwar schriftliche Kaufverträge mit der Firma [X.]vor. Das [X.]ist jedoch nicht der Frage nachgegangen, ob es sich hierbei um [X.]im vorstehenden Sinn gehandelt hat, die Lieferbeziehungen zu anderen Abnehmern verdecken sollten.
Für [X.]zwischen der Klägerin und der Firma N, die tatsächlich gewollte Rechtsgeschäfte zwischen der Klägerin und Käufern in [X.]verdecken sollten, könnten dabei im Streitfall die Umstände der Geschäftsanbahnung und der Kaufpreiszahlung sprechen, aufgrund derer das [X.]die Unternehmerstellung der Firma [X.]und einen der Klägerin zu gewährenden Gutglaubensschutz verneint hat. Im Hinblick darauf, dass sich z.B. auf dem Schreiben der Klägerin an [X.]vom [X.]ein ausdrücklich so bezeichnetes "Angebot" für den [X.]sowie der handschriftliche Zusatz "[X.]hat am 23.2.07 telefonisch bestellt" finden, liegt ein Vertragsschluss zwischen der Klägerin und B und damit der Scheincharakter einer "Weiterlieferung" an die Firma [X.]nahe. Das [X.]hat diese Umstände nicht im Hinblick auf die sich hieraus ergebenden Folgerungen für die Bestimmung der Person des Abnehmers gewürdigt. Dem erkennenden [X.]ist es verwehrt, dies im Revisionsverfahren nachzuholen.
c) Zur Frage der Festsetzungsverjährung weist der [X.]vorsorglich auf Folgendes hin:
aa) Nach den Feststellungen des [X.]nahm der Prüfer erste Prüfungshandlungen am 14.02.2008 vor, so dass es gemäß § 171 Abs. 4 Satz 1 AO zu einer Ablaufhemmung kam.
bb) Wie das [X.]dabei entgegen der Auffassung der Klägerin zutreffend entschieden hat, steht dem § 171 Abs. 4 Satz 2 AO nicht entgegen. Danach kommt es nicht zur Ablaufhemmung, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat.
Dies konnte das [X.]schon im Hinblick auf die vom Prüfer am 06.03.2008 gefertigte Aktennotiz verneinen. Damit fehlt es bereits an einer Prüfungsunterbrechung unmittelbar nach Prüfungsbeginn. Auf die Dauer der Prüfungsunterbrechung kommt es dann nach der Rechtsprechung des [X.]nicht mehr an (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 26.06.2014 - IV R 51/11, BFH/NV 2014, 1716).
4. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
Meta
26.09.2019
Urteil
vorgehend FG München, 10. Oktober 2018, Az: 3 K 1983/17, Urteil
§ 6a UStG 2005, § 17a UStDV, § 17c UStDV, Art 138 EGRL 112/2006, § 41 AO
Zitiervorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 26.09.2019, Az. V R 38/18 (REWIS RS 2019, 3150)
Papierfundstellen: REWIS RS 2019, 3150
Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.
FG München, Gerichtsbeschluss vom 28.01.2021, Az. 3 K 1983/17 (REWIS RS 2021, 9087)
FG München, Urteil vom 10.10.2018, Az. 3 K 1983/17 (REWIS RS 2018, 2970)
Bundesfinanzhof, Urteil vom 26.09.2019, Az. V R 38/18 (REWIS RS 2019, 3150)
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
Vorliegen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung
Feststellungslast des Finanzamt für das Vorliegen der Voraussetzungen von Scheingeschäften
Innergemeinschaftliche Lieferung: Steuerfreiheit im Reihengeschäft - Unschädlichkeit der Angabe eines unzutreffenden Bestimmungsorts - Keine Ausnahme …
Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen aus Vertrauensschutzgründen
(Beleg- und Buchnachweis bei innergemeinschaftlicher Lieferung - Keine Anwendung des § 6a Abs. 4 UStG …