Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.06.2023, Az. 2 StR 156/23

2. Strafsenat | REWIS RS 2023, 4351

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Adhäsionsantrag im Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern: Feststellungsantrag bei noch nicht abgeschlossener therapeutischer Behandlung des Tatopfers


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 17. Januar 2023 im Adhäsionsausspruch

a) aufgehoben, soweit seine Ersatzpflicht für entstandene immaterielle Schäden festgestellt worden ist,

b) dahin ergänzt, dass im Übrigen von einer Entscheidung abgesehen wird.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Neben- und Adhäsionsklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen sowie die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 63 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

Die Adhäsionsentscheidung hält rechtlicher Prüfung nicht uneingeschränkt stand.

3

1. Wie der [X.] in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, hat der Feststellungsausspruch hinsichtlich der Ersatzpflicht des Angeklagten für bereits entstandene immaterielle Schäden der Adhäsionsklägerin keinen Bestand, weil die Strafkammer dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes nicht gerecht geworden ist (vgl. [X.], Beschluss vom 4. April 2023 – 6 StR 122/23, juris Rn. 3 mwN). Danach werden von dem Schmerzensgeld, das die Geschädigte für erlittene Verletzungen verlangt, alle Schadensfolgen erfasst, die entweder bereits eingetreten und objektiv erkennbar sind oder deren Eintritt jedenfalls vorhergesehen und bei der Entscheidung berücksichtigt werden können. Weder der Antragsbegründung noch den Urteilsgründen lässt sich indes entnehmen, dass es bereits eingetretene immaterielle Schadensfolgen geben könnte, die nicht objektiv erkennbar sind.

4

2. Entgegen der Auffassung des [X.]s hat die Adhäsionsentscheidung aber insoweit Bestand, wie festgestellt ist, dass der Angeklagte zur Erstattung aller bereits entstandenen materiellen Schäden aus den gegenständlichen Taten verpflichtet ist.

5

Die von der Adhäsionsklägerin in Anspruch genommene therapeutische Behandlung ist noch nicht abgeschlossen, so dass die Behandlungskosten noch nicht vollständig beziffert werden können. Bei noch nicht abgeschlossener Schadensentwicklung besteht jedoch kein Vorrang der Leistungsklage; die Klägerin kann in vollem Umfang Feststellung der Ersatzpflicht begehren (vgl. Senat, Beschluss vom 24. Mai 2022 – 2 [X.], juris Rn. 3 mwN).

6

Der Senat kann in dieser Konstellation ungeachtet des Antrags des [X.]s nach § 349 Abs. 2 StPO verfahren (vgl. Senat, Beschluss vom 20. November 2019 – 2 StR 266/18, juris Rn. 11).

7

3. Das [X.] hat dem [X.] nur teilweise entsprochen. Es hat Zinsen erst seit dem 17. Januar 2023 zuerkannt, obwohl die beantragten Prozesszinsen ab dem Tag zu entrichten waren, der auf die – hier am 14. Januar 2023 eingetretene – Rechtshängigkeit des [X.]s folgt (vgl. [X.], Beschluss vom 4. April 2023 – 6 StR 122/23, juris Rn. 4). Nach § 406 Abs. 1 Satz 3 StPO wäre deshalb im [X.] zum Ausdruck zu bringen gewesen, dass hinsichtlich des nicht zuerkannten Teils der geltend gemachten Zinsen von einer Entscheidung abgesehen worden ist (vgl. [X.], aaO). Der Senat ergänzt den Tenor entsprechend § 354 Abs. 1 StPO.

[X.]     

  

Eschelbach     

  

     Zeng

  

Meyberg     

  

Ri[X.] [X.] ist wegen
Urlaubs an der Unterschrift
gehindert.     

  

  

  

  

[X.]

  

Meta

2 StR 156/23

22.06.2023

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Gera, 17. Januar 2023, Az: 9 KLs 430 Js 2665/20 jug

§ 403 StPO, §§ 403ff StPO, § 253 Abs 2 Nr 2 ZPO, § 249 BGB, § 253 Abs 2 BGB, § 176 StGB, §§ 176ff StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.06.2023, Az. 2 StR 156/23 (REWIS RS 2023, 4351)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 4351

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 StR 346/23 (Bundesgerichtshof)


1 StR 252/22 (Bundesgerichtshof)

Adhäsionsverfahren: Bindung des Gerichts an den Adhäsionsantrag


6 StR 484/22 (Bundesgerichtshof)


1 StR 135/21 (Bundesgerichtshof)

Adhäsionsverfahren: Schmerzensgeldverlangen eines Vergewaltigungsopfers wegen erlittener Verletzungen; Voraussetzungen für die Feststellung einer weitergehenden Ersatzpflicht hinsichtlich …


5 StR 217/23 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

1 StR 346/23

1 StR 444/23

Zitiert

6 StR 122/23

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.