Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.12.2012, Az. 5 StR 407/12

5. Strafsenat | REWIS RS 2012, 339

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Nachschlagewerk: ja

[X.]St : nein

Veröffentlichung : ja

StGB § 266

Zu den Anforderungen an die Annahme einer faktischen [X.]stellung gegenüber einem abhängigen Unter-nehmen.

[X.], Beschluss vom 13. Dezember 2012

5 [X.]12

LG [X.]

5 [X.]12

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

vom 13. Dezember 2012
in der Strafsache
gegen

wegen Untreue

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Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 13. Dezember 2012
beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten

[X.]
wird das Urteil des [X.] [X.] vom 12. Dezember 2011 gemäß §
349 Abs. 4 StPO aufgehoben, soweit es ihn betrifft; die Feststellungen hierzu

mit Ausnahme derjenigen zum [X.] des Angeklagten zur Gesellschafterin der A

GmbH

bleiben bestehen.

Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.]s zurückverwiesen.

[X.]e

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Untreue in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstre-ckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Wegen rechtsstaatswidriger Verfah-rensverzögerung hat es von der Gesamtfreiheitsstrafe drei Monate als voll-streckt erkannt. Die Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschluss-formel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des §
349 Abs. 2 StPO.

1. Nach den Feststellungen des [X.] errichtete der [X.]. nd die 1
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Sanierung und Vermarktung von Immobilien war. Im Tatzeitraum war er [X.] der V.
A.
GmbH, die als Komplementärin in [X.] und für jedes Bauvorhaben gesondert gegründeten [X.] (nachfolgend: Bauherren--beauftragten als Generalübernehmer für Sanierungsarbeiten die A.

GmbH, deren bestellte Geschäftsführerin im Tatzeitrum die Mitangeklagte [X.].
war. Gesellschafterin der A.
GmbH war die C.

GmbH mit im Tatzeitraum wechselnden Alleingesellschaftern.

Zur Durchführung der Bauvorhaben beauftragte die A.
GmbH ih-rerseits Generalunternehmer und verschiedene Subunternehmer, wobei sie

[X.] der unbezahlten oder nur zum Teil bezahlten Leistungserbringer abzufangen. Sie erteilte teilweise Aufträge, ohne dass die Absicht bestand, diese vollständig zu bezahlen. Überdies veranlasste die A.
GmbH kleine und unerfahrene Handwerksunternehmen dazu, trotz Ausbleibens ihrer [X.] weitere Leistungen zu erbringen. Die [X.] Vorhaben durch Darlehen, die auf der Grundlage von Abschlagsrechnun-gen der A.
GmbH direkt an die Generalübernehmerin ausgezahlt [X.]. Von diesen Beträgen überwies die Mitangeklagte [X.].
auf Veranlas-sung des Angeklagten und einem gemeinsamen Tatplan entsprechend grö-ßere Summen aufgrund rechtsgrundloser Stornierungen der [X.] direkt an die [X.] der stornierte Betrag nicht ausgeglichen werden würde und die Stornie-rung deshalb einen Verzicht auf die Forderung bedeutete. Durch die so ver-anlassten Stornierungen geriet die A.
GmbH selbst zunehmend in [X.] und konnte Handwerksleistungen nicht mehr bezahlen; letztlich führten sechs Stornierungen bzw. Rücküberweisungen der [X.] im Zeitraum vom 13. April 2004 bis 23. August 2005 über einen Betrag Insolvenz der A.
GmbH, was die Angeklagten zumindest billigend in Kauf nahmen.
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Das [X.] ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte fakti-scher Geschäftsführer der A.
GmbH war und seine [X.] ihr gegenüber verletzt habe, indem er die Mitangeklagte [X.].

zu den rechtsgrundlosen Stornierungen (Taten 1 bis 6) angewiesen habe. Er Geschäftsführers tatsächlich eingenommen, indem er den wesentlichen Teil t-sächliche Verfügungsmacht habe sich daraus ergeben, dass die Mitange-klagte [X.].

wie er gewusst habe

seinen Anweisungen stets loyal ge-folgt sei (vgl. [X.]).

2. Die Verurteilung wegen Untreue hält sachlich-rechtlicher Nachprü-fung nicht stand. Die Feststellungen tragen nicht die Annahme, dass der An-geklagte gegenüber der A.
GmbH vermögensbetreuungspflichtig nach §
266 Abs. 1 StGB war.

Grundlage einer Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs.
1 StGB kann neben Gesetz, behördlichem Auftrag oder Rechtsgeschäft t-sächliches

f-fende die organschaftlichen Aufgaben eines Geschäftsführers übernommen und diese ausgeführt hat [X.], StGB, 60. Aufl., § 266 Rn. 40, 42;
[X.], 12. Aufl., § 266 Rn. 61, 65). Daneben kann aus einer tat-sächlichen Übernahme eines nicht ganz unbedeutenden Pflichtenkreises

ohne dass eine faktische Organstellung vorliegen muss

eine [X.] auch dadurch begründet werden, dass der Betreffen-de diese Interessen wahrnimmt und der [X.] auf die pflicht-gemäße Wahrnehmung vertrauen darf (vgl. [X.], Urteil vom 14. Juli 1999

3 [X.], [X.], 558). Dass eine der beiden vorgenannten Vo-raussetzungen hier vorliegt, belegen die Feststellungen indes nicht.

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a) Nach der Rechtsprechung des [X.] ist als [X.] auch derjenige anzuerkennen, der die Geschäftsführung mit Einverständnis der Gesellschafter ohne förmliche Bestellung faktisch über-nommen hat, tatsächlich ausübt und gegenüber dem formellen [X.] eine überragende Stellung einnimmt oder zumindest das deutliche [X.] hat (vgl. [X.], Urteile vom 24. Juni 1952

1 [X.], [X.]St 3, 32, 37 f., vom 22. September 1982

3 StR 287/82, [X.]St 31, 118, 122, und vom 10. Mai 2000

3 [X.], [X.]St 46, 62, 64 f.).

Den Urteilsgründen lässt sich zwar entnehmen, dass der Angeklagte tatsächlich einen erheblichen Einfluss gegenüber der bestellten Geschäfts-führerin der A.
GmbH hatte, die nahezu keine eigenständigen Entschei-dungen getroffen hat. Dies reicht aber für sich genommen nicht aus, um eine faktische Organstellung zu begründen. Im vorliegenden Fall fehlten dem [X.] nämlich die für eine organschaftliche Stellung typischen Befugnis-se. Die Feststellungen ergeben
nicht, dass er etwa eine Bankvollmacht hatte, oder im Außenverhältnis Pflichten übernahm, die typischerweise mit der Stel-lung eines Organs verbunden sind (wie etwa gegenüber [X.] oder Finanzbehörden). Sind dem Betreffenden solche Kompe-tenzen nicht übertragen, spricht dies indiziell gegen die Annahme einer fakti-schen Geschäftsführung, weil sie zu den Essentialien einer Organstellung zählen (vgl. [X.], Urteil vom 27. Juni 2005

[X.], [X.], 1414).

Die Urteilsgründe legen nicht dar, dass dem Angeklagten entspre-chende auf das Außenverhältnis bezogene Befugnisse jedenfalls faktisch übertragen wurden. Die insoweit pauschale Feststellung, der Angeklagte ha--GmbH von Anfang an die Stel-lune-gründet. Die Urteilsgründe ergeben zwar, dass der Angeklagte die [X.]in der A.
GmbH eingestellt hat ([X.], 54) und die Gesell-schafterin keinen Einfluss auf die Geschäftsführung der A.
GmbH ge-nommen, sondern die Mitangeklagte [X.].
zu Fragen der Geschäftsfüh-7
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rung auf den Angeklagten verwiesen hat ([X.]). Die Feststellungen [X.] sich indes nicht dazu, in welchem Verhältnis der Angeklagte zu der Gesellschafterin der A.
GmbH stand und aus welchen Gründen und in welchem Umfang ihm eine derartige Machtposition

möglicherweise auch gegenüber der Gesellschafterin

eingeräumt worden sein soll. Dies wäre auch deshalb erörterungsbedürftig gewesen, weil das [X.] die [X.] des Angeklagten zu den rechtgrundlosen Stornierungen als pflichtwidrig gewertet hat, für die kein Einverständnis der [X.] bestanden hat (vgl. [X.]).

Allerdings hat die Rechtsprechung es im Einzelfall auch ausreichen lassen, wenn der faktische Geschäftsführer den förmlich bestellten [X.] anweisen kann und er durch ihn die Geschäftspolitik des [X.] tatsächlich bestimmt (vgl. [X.], Urteil vom 11. Dezember 1997

4 [X.], [X.], 416; vgl.
auch [X.], Urteil vom 25. Februar 2002

[X.], [X.]Z 150, 61). Beruht die Macht des [X.] allein darauf, dass er sich gegenüber dem formellen Geschäftsführer in den wesentlichen unternehmerischen Fragen durchsetzen kann, bedarf das Verhältnis zur Ge-sellschafterebene vertiefter Betrachtung. Diesem Erfordernis werden die [X.] gleichfalls nicht gerecht. Dass ein außenstehender Dritter, der weder Mitgesellschafter noch Angestellter ist, sondern vielmehr auf der Seite des

wenngleich wirtschaftlich einflussreichen

Auftraggebers steht, über seine wirtschaftliche Macht als Auftraggeber hinaus ermächtigt ist, die Ge-schäfte seines Vertragspartners zu führen und damit auch verpflichtet ist, dessen Vermögensinteressen zu schützen, erklärt sich aufgrund der bloß faktischen Einflussnahme nicht selbst. Vielmehr wird in solchen Fällen der Abhängigkeit des Geschäftspartners die übermächtige Vertragsgegenseite häufig die Geschäftstätigkeit des abhängigen Geschäftspartners bestimmen können. Dies genügt abes-s-pflichten, nämlich für den Vertragspartner und das eigene Unternehmen, ausgesetzt wäre. Derjenige, der im Rahmen von schuldrechtlichen Bezie-10
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hungen jedoch eigene Interessen im Wirtschaftsleben verfolgt, kann nicht die Vermögensinteressen der anderen Vertragspartei wahrnehmen. Deshalb sollen grundsätzlich auch nur [X.] typisierte Schuldverhältnisse mit Geschäftsbesorgungscharakter Treuepflichten begründen können (vgl.
[X.], aaO Rn. 75 f.; [X.], aaO Rn. 38 und vgl. auch [X.], Urteil vom 13. Mai 2004

5 [X.]; [X.]St 49, 147, 155, und Beschluss vom 2. April 2008

5 [X.], [X.]St 52, 182, 186 f.).

Um vorliegend ber-.
GmbH faktisch geführt hat, hätte es einer eingehenden Darlegung der Hintergründe sowie aßgeblich ist, dass der Angeklagte in die [X.] hinein über ein solches Machtpotential verfügt, das ihn in die Lage versetzt, die [X.] zu determinieren. Eine solche weitgehende Beherrschung wird regelmäßig gegeben sein, wenn die Gesellschafterin der A.
GmbH für ihn handelt. Dies setzt grundsätzlich entweder eine persönliche Abhängigkeit oder aber ein aus anderen Gründen einverständliches Zusammenwirken mit ihr voraus, die es rechtfertigen, die A.
GmbH als gleichsam abhängige und unselbständige Strohmannfirma für das Unternehmen des Angeklagten zu sehen. Nur dann kann dem Angeklagten auch eine weitere Vermögensbe-treuungspflicht auferlegt werden (vgl. zu
den Pflichtenstellungen im fakti-schen GmbH-Konzern: [X.], Urteil vom 10. Juli 1996

3 StR 50/96, [X.]R StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 25). Ob eine entsprechende Abhängigkeit der Gesellschafterin der A.
GmbH oder ein Zusammenwir-ken mit ihr vorlag, bleibt indes unerörtert und kann ohne nähere Kenntnis der Beziehungen des Angeklagten zur [X.] der A.
GmbH nicht beurteilt werden.

b) Unabhängig davon, ob dem Angeklagten aufgrund der Reichweite seiner Einflussnahme tatsächlich eine faktische Organstellung innerhalb der A.
GmbH zukam, genügen die bisher getroffenen Feststellungen auch im 11
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Übrigen nicht zur Annahme einer Vermögensbetreuungspflicht. Zwar knüpft der Treubruchtatbestand des § 266 Abs. 1 StGB nicht an die formale Position als Geschäftsführer, sondern an die tatsächliche Verfügungsmacht über ein bestimmtes Vermögen an, wenn damit ein schützenswertes Vertrauen in die pflichtgemäße Wahrnehmung der Vermögensinteressen verbunden ist (vgl. [X.], Urteile vom 10. Juli 1996

3 StR 50/96 aaO,
und vom 14. Juli 1999

3 [X.], [X.], 558, [X.] aaO
Rn. 33). Feststellungen dazu, ob und inwieweit dem Angeklagten das Vermögen der A.
GmbH von Sei-worden ist und eine Vermögensbetreuungspflicht besteht, hat das [X.] indes nicht getroffen. Es kann aus den bereits unter a) angeführten Gründen nicht beurteilt werden, ob dem Angeklagten von Gesellschafterebe-ne faktisch eine weitgehende Betriebsführung eingeräumt worden ist oder ob lediglich in einer Vielzahl von Einzelentscheidungen seiner wirtschaftlichen Machtstellung als Organ des praktisch einzigen Geschäftspartners jeweils nachgegeben wurde.

3. [X.] bedarf deshalb insgesamt neuer tatgerichtlicher Sach-aufklärung und Prüfung. Die Feststellungen

mit Ausnahme derjenigen zum Verhältnis des Angeklagten zur Gesellschafterin der A.
GmbH

können bestehen bleiben. Das neue Tatgericht kann weitere Feststellungen treffen, soweit sie den aufrechterhaltenen nicht widersprechen.

Raum für den wegen Urlaubs Schneider

an der Unterschriftsleistung

gehinderten Ri[X.] Schaal

Raum

Dölp Bellay

13

Meta

5 StR 407/12

13.12.2012

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.12.2012, Az. 5 StR 407/12 (REWIS RS 2012, 339)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 339

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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5 StR 407/12

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