Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.04.2023, Az. V ZB 56/22

5. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 3317

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Gegenstand

WEG: Kostenfestsetzung bei Beschlussanfechtungsklage


Leitsatz

Die Vorschrift des § 50 WEG a.F. ist analog § 48 Abs. 5 WEG auch dann anzuwenden, wenn die Kostenfestsetzung zwar nach dem 30. November 2020 beantragt wurde, der Kostentitel aber aus einem vor dem 1. Dezember 2020 anhängig gewordenen Beschlussklageverfahren herrührt und deshalb gegen die übrigen Wohnungseigentümer gerichtet ist.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Kläger wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des [X.] vom 15. September 2022 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 3.862,39 €.

Gründe

I.

1

Die Parteien bilden eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ([X.]). Die Kläger reichten im Oktober 2020 verschiedene Beschlussanfechtungsklagen gegen die übrigen Eigentümer ein, die das Amtsgericht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verband. Die Beklagten zu 1 (die übrigen Eigentümer mit Ausnahme der Kläger und der Beklagten zu 2) beauftragten mit ihrer Vertretung einen Rechtsanwalt. Die Beklagte zu 2 beauftragte ihrerseits einen anderen Rechtsanwalt. Der Rechtsstreit endete im Jahr 2021 in erster Instanz mit einem Vergleich, der auch die Tragung der Verfahrenskosten regelte.

2

Mit Beschluss vom 9. März 2022 hat das Amtsgericht die von den Klägern an die Beklagte zu 2 zu erstattenden Kosten auf 3.862,39 € nebst Zinsen festgesetzt. Die sofortige Beschwerde der Kläger hat das [X.] zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die Beklagte zu 2 beantragt, wollen die Kläger die Zurückweisung des [X.]s der Beklagten zu 2 erreichen.

II.

3

Das Beschwerdegericht meint, die Kläger seien für die Kosten beider Rechtsanwälte erstattungspflichtig. Es stehe jedem Streitgenossen frei, einen eigenen Anwalt zu mandatieren. Die Regelung des § 50 [X.] in der bis zum 30. November 2020 geltenden Fassung sei nicht anwendbar, da mangels einer Übergangsvorschrift nach dem aktuell geltenden Recht zu entscheiden sei.

III.

4

Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde (§ 575 ZPO) ist begründet. Der angefochtene Beschluss beruht auf einer Rechtsverletzung (§ 576 Abs. 1 ZPO). Entgegen der Auffassung des [X.] ist § 50 [X.] hier anzuwenden.

5

1. Nach § 50 [X.] in der bis zum 30. November 2020 geltenden Fassung sind Wohnungseigentümern zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung als notwendige Kosten nur die Kosten eines bevollmächtigten Rechtsanwalts zu erstatten, wenn nicht aus Gründen, die mit dem Gegenstand des Rechtsstreits zusammenhängen, eine Vertretung durch mehrere bevollmächtigte Rechtsanwälte geboten war. Diese Vorschrift stellte eine Sonderregelung gegenüber § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO dar (vgl. [X.], Beschluss vom 13. Oktober 2011 - [X.], NJW 2012, 319 Rn. 6) und wurde eingeführt, um insbesondere in Beschlussanfechtungsverfahren, bei denen nach § 46 Abs. 1 Satz 1 [X.] aF sämtliche übrigen Wohnungseigentümer zu verklagen waren, das Kostenrisiko des anfechtenden Wohnungseigentümers zu begrenzen ([X.]. 16/3843 [X.]). Denn nach der allgemeinen Regelung des § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO steht es der Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltskosten nicht entgegen, dass jeder Streitgenosse einen eigenen Anwalt beauftragt (vgl. [X.], Beschluss vom 16. Mai 2013 - [X.]/11, [X.], 2826 Rn. 10).

6

2. Der [X.] hat bereits entschieden, dass dann, wenn die Kostenfestsetzung vor dem 1. Dezember 2020 beantragt wurde, im Kostenfestsetzungsverfahren § 50 [X.] gemäß der Übergangsvorschrift des § 48 Abs. 5 [X.] weiterhin anzuwenden ist (vgl. [X.], Beschluss vom 1. Juli 2021 - [X.]/20, NJW-RR 2021, 1598 Rn. 5). Für Verfahren, die schon vor dem 1. Dezember 2020 anhängig waren, bestimmt § 48 Abs. 5 [X.] nämlich die Anwendbarkeit der Vorschriften des dritten Teils dieses Gesetzes in ihrer bis dahin geltenden Fassung und damit auch des § 50 [X.].

7

3. Die Vorschrift des § 50 [X.] ist analog § 48 Abs. 5 [X.] auch dann anzuwenden, wenn die Kostenfestsetzung zwar nach dem 30. November 2020 beantragt wurde, der [X.] aber aus einem vor dem 1. Dezember 2020 anhängig gewordenen [X.]verfahren herrührt und deshalb gegen die übrigen Wohnungseigentümer gerichtet ist.

8

Zwar ist das Kostenfestsetzungsverfahren ein selbständiges Verfahren (vgl. [X.], Beschluss vom 6. April 2005 - [X.], NJW 2005, 2233; [X.], Beschluss vom 6. Dezember 2007 - [X.], [X.], 2040 Rn. 6; Beschluss vom 15. Mai 2012 - [X.], [X.], 625 Rn. 6), das erst mit dem [X.] anhängig wird. Deswegen ist § 48 Abs. 5 [X.], der auf die Anhängigkeit des Verfahrens vor dem 1. Dezember 2020 abstellt, dann, wenn der Antrag auf Kostenfestsetzung - wie hier - nach dem 30. November 2020 gestellt wurde, nach seinem Wortlaut für das Kostenfestsetzungsverfahren nicht einschlägig; nach Sinn und Zweck ist die Übergangsvorschrift aber auch hier anzuwenden. Denn bei [X.] und Beschlussersetzungsklagen, die - wie hier - vor dem 1. Dezember 2020 anhängig wurden, sind nach § 48 Abs. 5 [X.] i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 [X.] aF die übrigen Wohnungseigentümer unverändert richtige Klagegegner (vgl. [X.], Urteil vom 16. September 2022 - [X.], [X.], 58 Rn. 5 zur Beschlussanfechtungsklage; [X.], Urteil vom 25. Februar 2022 - [X.], NJW-RR 2022, 883 Rn. 15 zur Beschlussersetzungsklage). Grund für die Streichung des § 50 [X.] war aber gerade, dass nach neuem Recht [X.]n nicht mehr gegen die übrigen Wohnungseigentümer, sondern gegen die [X.] und damit nur eine Beklagte zu richten sind (§ 44 Abs. 2 Satz 1 [X.]), weswegen das [X.], das Grund für die Sonderregelung war (s.o. Rn. 5), nicht mehr besteht (vgl. [X.]. 19/18791 [X.]). Mit diesem Verständnis des § 50 [X.] wäre es nicht zu vereinbaren, wenn in einem Fall, in dem aufgrund der Übergangsregelung des § 48 Abs. 5 [X.] die übrigen Wohnungseigentümer weiter Beklagte der [X.] bleiben, bei der Ermittlung der erstattungsfähigen Kosten mit § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO eine Vorschrift angewendet würde, die nach der Vorstellung des Gesetzgebers voraussetzt, dass die [X.] Beklagte ist. Gelten für die [X.] noch die bisherigen Verfahrensvorschriften, ist deshalb analog § 48 Abs. 5 [X.] auch für das Kostenfestsetzungsverfahren das bisherige Recht und damit § 50 [X.] anzuwenden.

IV.

9

Der Beschluss des [X.] ist aufzuheben. Der [X.] kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif ist. Das Beschwerdegericht hat von seinem Ausgangspunkt folgerichtig keine Feststellungen dazu getroffen, inwieweit - was die Beschwerdeerwiderung geltend macht - ein Ausnahmefall im Sinne des § 50 [X.] vorliegt. Die Sache ist daher zur erneuten Entscheidung - auch unter Berücksichtigung der Schriftsätze im Rechtsbeschwerdeverfahren - an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Dabei wird das Beschwerdegericht zu beachten haben, dass unterschiedliche Rechtsauffassungen der einzelnen beklagten Wohnungseigentümer nicht genügen, um die Notwendigkeit einer Mehrfachvertretung i.S.d. § 50 [X.] zu begründen (vgl. [X.], Beschluss vom 1. Juli 2021 - [X.]/20, NJW-RR 2021, 1598 Rn. 6).

Brückner     

      

Göbel     

      

Haberkamp

      

Laube     

      

Grau     

      

Meta

V ZB 56/22

20.04.2023

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Bremen, 15. September 2022, Az: 4 T 162/22

§ 48 Abs 5 WoEigG, § 50 WoEigG vom 26.03.2007, § 91 Abs 1 S 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.04.2023, Az. V ZB 56/22 (REWIS RS 2023, 3317)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 3317

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