Bundessozialgericht, Beschluss vom 10.03.2016, Az. B 4 AS 699/15 B, B 4 AS 700/15 B

4. Senat | REWIS RS 2016, 14704

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Anforderungen an die Darlegung bei Entscheidung mit Mehrfachbegründung


Tenor

Die Verfahren zu den Aktenzeichen [X.] [X.]/15 [X.] und [X.] [X.]/15 [X.] werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden. Das Aktenzeichen [X.] [X.]/15 [X.] ist führend.

Die [X.]eschwerden der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revisionen in den [X.]eschlüssen des [X.] vom 13. Juni 2014 werden als unzulässig verworfen.

Die [X.]eteiligten haben einander für die [X.]eschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Im Streit stehen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] II.

2

Der Beklagte lehnte die Anträge der Klägerin auf [X.] durch Bescheide vom 13.4.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.9.2006 sowie vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.2.2008 ab. In den sich hieran anschließenden Klageverfahren war zunächst fraglich, ob sich die Klägerin durch [X.] als Prozessbevollmächtigten vertreten lassen könne, weil dieser nicht zum Personenkreis der in § 73 [X.]G benannten Personen gehört. Nachdem sie in beiden Verfahren im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem [X.] im Beistand mit [X.] erschienen war, hat das [X.] die Klagen - ohne weitere Thematisierung der Vertretungsbefugnis - abgewiesen und die Urteile vom [X.] an die gemeinsame Anschrift von Klägerin und [X.] zugestellt.

3

[X.] hat alsdann - unter Angabe der bisherigen Anschrift der Klägerin - gegen diese Urteile Berufungen zum L[X.] eingelegt. Nachdem er in einem anderen Verfahren mitgeteilt hatte, die Klägerin sei in die [X.] verzogen, ist er vorliegend der Aufforderung des L[X.] eine ladungsfähige Anschrift der Klägerin zu benennen nicht nachgekommen. Er hat ausgeführt, die Klägerin wolle in [X.] keine Post von einem [X.] Gericht erhalten und habe ihn für die Zustellung bevollmächtigt. Das L[X.] hat daraufhin [X.] als Bevollmächtigten zurückgewiesen und seine Bestellung zum besonderen Vertreter abgelehnt sowie zugleich die öffentliche Zustellung dieser Entscheidungen beschlossen. Auch im Hinblick auf die Anhörung der Klägerin zu Entscheidungen durch Beschluss nach § 158 [X.] [X.]G hat es die öffentliche Zustellung beschlossen. Die Berufungen hat es am 13.6.2014 (Beschluss) als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es sich darauf gestützt, dass bereits Zweifel an wirksamen Berufungseinlegungen im Auftrag der Klägerin durch [X.] bestünden. Es könne nicht überprüft werden, ob [X.] hierzu bevollmächtigt gewesen sei. Zudem fehle es an einem formal ordnungsgemäßen prozessualen Begehren, denn in [X.] einer Anschrift könne die Zuständigkeit des L[X.] nicht festgestellt werden. Auch hinsichtlich dieser Beschlüsse hat das L[X.] am 13.6.2014 die öffentliche Zustellung beschlossen.

4

Durch Schreiben vom 15.9.2014 hat [X.] die ladungsfähige Anschrift der Klägerin in [X.] mitgeteilt sowie Schreiben der Klägerin übersandt, mit denen sie die Berufungseinlegung genehmigt sowie beantragt, [X.] als Zustellungsbevollmächtigten und besonderen Vertreter zu bestellen. Das L[X.] hat [X.] sodann darauf hingewiesen, dass die Verfahren rechtskräftig abgeschlossen seien und auf Bitten des im Rubrum bezeichneten Rechtsanwalts diesem die Beschlüsse in anonymisierter Form übersandt. Durch eidesstattliche Versicherung vom 15.1.2015 hat [X.] bekundet, die Beschlüsse erst am 29.12.2014 zur Kenntnis erhalten zu haben.

5

[X.]it ihren Beschwerden an das B[X.] gegen die Nichtzulassung der Revisionen in den Beschlüssen des L[X.] macht die Klägerin am 30.12.2015, also rund 1 1/2 Jahre nach den Beschlussfassungen durch das L[X.] geltend, dass die Erklärungen und das Verhalten des L[X.] nicht hinzunehmen seien. Dem Gericht habe eine Vollmacht von [X.], eine Zustimmungserklärung, Anträge auf Bestellung von [X.] zum Zustellungsbevollmächtigten und besonderen Vertreter vorgelegen. Zudem habe sie ihre [X.] Anschrift nachgereicht. Eine Angabe der Wohnungsanschrift bedürfe es entgegen der Auffassung des L[X.] für dessen Entscheidung nicht. Eine Kommunikation zwischen Gericht und Klägerin habe über [X.] stattfinden können. Die [X.]itteilungen des Gerichts über die Absicht der öffentlichen Zustellung könnten daher nicht nachvollzogen werden. Sodann folgen Ausführungen der Klägerin zur materiell-rechtlichen Rechtslage und deren Bewertung aus ihrer Sicht, unter Berücksichtigung von weiteren Sachverhaltsdarlegungen.

6

II. Die Beschwerden sind unzulässig. Ihre Begründungen genügen nicht den gesetzlichen Anforderungen. Selbst wenn angenommen werden sollte, die Beschwerden vom 30.12.2015 gegen die Beschlüsse des L[X.] vom 13.6.2014 wären fristgerecht eingelegt, so ist es dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin jedoch nicht gelungen, Gründe für eine Zulassung der Revisionen formgerecht darzulegen (§ 160a Abs 2 S 3 [X.]G).

7

[X.]it dem eingangs dargelegten Vorbringen, insbesondere dem Hinweis auf die Erklärungen und das Verhalten des L[X.], rügt die Klägerin ersichtlich ein verfahrensfehlerhaftes Vorgehen des Berufungsgerichts. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde jedoch darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G), so müssen bei der Bezeichnung des [X.] (§ 160a Abs 2 S 3 [X.]G) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden (vgl B[X.] SozR 1500 § 160a [X.], 24, 34, 36). Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des L[X.] ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem [X.]angel beruhen kann, dass also die [X.]öglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (vgl B[X.] SozR 1500 § 160a [X.], 36). Diesen Erfordernissen werden die Beschwerdebegründungen nicht gerecht.

8

Soweit die Klägerin darlegt, dass [X.] beauftragt gewesen sei die Berufung für sie einzulegen, setzt sie sich bereits nicht damit auseinander, dass das L[X.] in Ermangelung einer bekannten Anschrift der Klägerin keine [X.]öglichkeit sah, dies zu überprüfen. Dies vermag sie nicht durch den Hinweis auf die rund drei [X.]onate nach dem Beschluss über die öffentliche Zustellung nachgereichte [X.]oskauer Anschrift zu entkräften. Denn insoweit rügt sie zum einen keine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs durch die öffentliche Zustellung, etwa weil diese nicht hätte erfolgen dürfen oder nicht ordnungsgemäß erfolgt sei. Zum zweiten macht sie auch keine Ausführungen dazu, dass sie in ihren Rechten durch den Erlass eines Prozess- anstatt eines [X.] verletzt worden sei. Ihre Ausführungen beziehen sich allein auf die ordnungsgemäße Vertretung durch [X.] sowie die Bewertung der materiellen Rechtslage aus ihrer Sicht.

9

Daher kann auch dahinstehen, ob das L[X.] mit dem zweiten [X.] des [X.]angels an einem formal-ordnungsgemäßen prozessualen Begehren der Klägerin diese in ihren [X.] verletzt haben könnte. Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht hierauf nicht. Die Klägerin hat insoweit nicht erkannt, dass das L[X.] seine Entscheidung auf zwei selbstständig tragende Gründe gestützt hat, die eingangs behandelte unwirksame Berufungseinlegung und in Ermangelung einer Anschrift das seiner Ansicht nach nicht formal-ordnungsgemäße prozessuale Begehren der Klägerin. Soweit es ihr nicht gelungen ist, im Hinblick auf den ersten [X.] einen Verfahrensfehler formgerecht darzulegen, kann sie eine Zulassung der Revision nicht mit [X.], die den zweiten [X.] betreffen, bewirken. Ist ein Urteil nebeneinander auf mehrere Begründungen gestützt, so kann eine Nichtzulassungsbeschwerde nur dann zur Zulassung der Revision führen, wenn im Hinblick auf jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund vorliegt und formgerecht gerügt wird (B[X.] Beschluss vom 6.2.2003 - [X.] [X.] 32/02 B - RdNr 6; B[X.] Beschluss vom [X.] - Rd[X.]; B[X.] Beschluss vom [X.] - B 2 U 153/97 B - Rd[X.] f).

Die nicht formgerecht begründete Beschwerde war daher nach § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 [X.]G ohne Zuziehung [X.] als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 [X.]G.

Meta

B 4 AS 699/15 B, B 4 AS 700/15 B

10.03.2016

Bundessozialgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Darmstadt, 25. April 2013, Az: S 20 AS 1057/12, Urteil

§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160a Abs 2 S 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 10.03.2016, Az. B 4 AS 699/15 B, B 4 AS 700/15 B (REWIS RS 2016, 14704)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 14704

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