Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.07.2017, Az. 2 StR 220/17

2. Strafsenat | REWIS RS 2017, 8304

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:110717B2STR220.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 220/17
vom
11. Juli
2017
in der Strafsache
gegen

wegen Diebstahls

-
2
-
Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des Generalbun-desanwalts
und des Beschwerdeführers
am 11.
Juli
2017
gemäß §
349 Abs.
4
[X.] beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 14.
Februar 2017, soweit er verurteilt worden ist, mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten

nach vorläufiger Einstellung des Verfahrens hinsichtlich der Fälle 1 bis 8 gemäß §
154 Abs.
2 [X.] sowie nach Einstellung des Verfahrens durch Prozessurteil hinsichtlich der Fälle 38, 39, 41 bis 43 wegen des Verfahrenshindernisses der Spezialität (richtig: [X.], vgl. Senat, Beschluss vom 16.
November 2016

2 StR
246/16, [X.], 116 mwN)

wegen Diebstahls in drei tatein-heitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und eine Ent-scheidung über den Anrechnungsmaßstab für die in [X.] erlittene Ausliefe-rungshaft getroffen. Die dagegen gerichtete, auf die unausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg. Der Tatrichter hat die Annahme mittäterschaftlichen Handelns des Angeklagten hinsichtlich der zur
Tateinheit 1
-
3
-

52 StGB) verbundener
Diebstähle dreier Kraftfahrzeuge nicht tragfähig be-legt.
1. a) Nach den Feststellungen reiste der Angeklagte am 7.
Dezember 2015 gemeinsam mit dem gesondert verfolgten P.

und einer weiteren, un-
bekannt gebliebenen männlichen Person mit dem Zug von [X.] über [X.] Kraftfahrzeuge zu entwen-den und sie unmittelbar nach ihrer Entwendung nach [X.] zu verbringen. Die Beteiligten kamen überein, dass der Angeklagte das erste der zu entwenden-den Kraftfahrzeuge über [X.] nach [X.] fahren und hierfür eine Entlohnung in Höhe von 500,00

Angeklagte, dass der gesondert verfolgte P.

und die männliche, unbekannt
gebliebene Person die Fahrzeuge entwenden würden. Ihm war gleichzeitig [X.], dass ohne sein Mitwirken die geplante Entwendung von zwei bis drei Fahrzeugen nicht möglich sein würde. Denn jeder der drei Beteiligten sollte ei-e-usgehändigt, über das er später Anleitungen für die genaue Fahrtroute nach [X.] erhalten soll-te.
In Ausführung dieses Tatentschlusses entwendete der gesondert Ver-folgte P.

und die zweite, unbekannt gebliebene männliche Person am
8.
Dezember 2015
gegen 1.00 Uhr in W.

einen Pkw BMW
740d xDrive
im Wert von mindestens 35.000
Euro. Der Angeklagte wartete während des [X.] an einer Kreuzung in der Nähe des [X.]. Etwa zwei bis drei Minuten nach dem Diebstahl wurde dem Angekl
. Der gesondert verfolgte P.

und der
weitere Täter -

, einen [X.] sowie 2
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4
-
einen BMW
535xd
im Gesamtwert von rund 80.000,00 Euro und fuhren mit ihnen davon.
b) Das [X.] hat angenommen, dass der Angeklagte als Mittäter der drei zur Tateinheit (§
52 StGB) verbundenen [X.] anzuse-hen sei. Nach seiner teilgeständigen Einlassung
sei zu Beginn der Reise noch unklar gewesen, wer welchen konkreten Tatbeitrag erbringen solle. Daraus fol-ge, dass der Angeklagte nicht nur zum Abtransport, sondern auch zur [X.] bereit gewesen sei. Der Abtransport des [X.] durch den Angeklagten sei für den [X.] wesentlich gewesen, da oh-ne seine Mitwirkung die beiden weiteren Fahrzeuge nicht hätten entwendet
des Kraftfahrzeugdiebstahls

die Entwen--Go-t-

bekannt gewesen sei. Er habe auch ein erhebliches eigenes Interesse am [X.] gehabt, weil

Euro habe erhalten sol-len.
2. Diese Feststellungen und Erwägungen tragen die Annahme von [X.] nicht.
a) Mittäterschaft im Sinne des §
25 Abs.
2 StGB setzt einen gemeinsa-men Tatentschluss voraus, auf dessen Grundlage jeder Mittäter einen objekti-ven Tatbeitrag leisten muss. Bei der Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, ist Mittäter, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass dieser als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des [X.] erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine 4
5
6
-
5
-
Mitwirkung am [X.] selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbe-standsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs-
oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich [X.] als Teil der Tätigkeit aller [X.]. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, hat der Tatrichter aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen. Wesentliche Anhaltspunkte können dabei der Grad des eigenen Inte-resses am [X.], der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschlüsse vom 23. Mai 2017

4
StR 617/16, juris
Rn.
13; vom 22.
März 2017

3
StR 475/16, juris Rn.
12; Urteil vom 17.
Oktober 2002

3
StR 153/02, [X.], 253, 254; Beschluss vom 2.
Juli 2008

1
StR 174/08, [X.], 25, 26).
b) Gemessen hieran begegnet die Annahme mittäterschaftlichen
Han-delns des Angeklagten durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Allein die fest-gestellte vorherige Kenntnis des Angeklagten von der Tat und sein Wille, diese als gemeinsame anzusehen, kann eine Mittäterschaft nicht begründen (vgl. [X.], Beschluss vom 29.
September 2015

3
StR 336/15, [X.], 6, 7; vgl. aber auch [X.], Urteil vom 15. Juli 1999

5 [X.], [X.], 609, 610; MüKoStGB/[X.], 3.
Aufl., §
25 Rn.
27 ff.). Soweit das [X.] in den festgestellten Tatbeiträgen
des Angeklagten

der
im Vorfeld der Tat erfolgten
Zusage, das erste der entwendeten Kraftfahrzeuge zu übernehmen und nach [X.] zu überführen sowie der unmittelbar nach der Entwendung des ersten Fahrzeugs erfolgten
Übernahme und des Fahrtantritts
in Richtung [X.]

die Tatbestandsverwirklichung fördernde Tatbeiträge angesehen hat, begegnet dies zwar für sich genommen keinen Bedenken. Das [X.] hat jedoch nicht erkennbar geprüft, ob der an einer Kreuzung in [X.] wartende [X.]
-
6
-
geklagte
Tatherrschaft oder jedenfalls den Willen zur Tatherrschaft hatte. Dies verstand sich vorliegend in Ansehung aller Umstände des Einzelfalls nicht von selbst. Hinzu tritt, dass der Tatrichter nicht erkennbar in seine Erwägungen [X.] hat, dass der Angeklagte sich nach Übergabe des ersten Fahrzeugs mit diesem vom Tatort entfernt
hat und die Ausführung der weiteren Diebstähle

soweit ersichtlich

seinem Einfluss und seinem Willen entzogen
waren. Zwar hat das [X.]

im rechtlichen Ansatzpunkt zutreffend

in seine Erwä-gungen eingestellt, dass der Angeklagte ein erhebliches eigenes Tatinteresse hatte,

ersten
Fahr-in Höhe von 500,00
Euro erhalten sollte. Damit ist ein erhebliches Eigeninteresse des Angeklagten an der Entwendung auch der bei-den weiteren
Kraftfahrzeuge jedoch nicht belegt. Darüber hinaus hat das [X.] nicht erkennbar in seine Erwägungen eingestellt, dass der Angeklagte von P.

und dem unbekannt gebliebenen weiteren Täter ein so genanntes
Arbeitshandy ausgehändigt erhielt, über das ihm Anweisungen für die [X.] erteilt werden sollten; dies hätte in die gebotene umfassende Abwägung aller für und gegen eine Mittäterschaft sprechenden Umstände eingestellt werden müssen.
Schließlich ist die tatrichterliche Annahme, dass die drei Diebstähle im Verhältnis der Tateinheit zueinander stehen, nicht tragfähig belegt. Das [X.] hat seine Auffassung nicht näher begründet. Zwar kommt die Annahme von drei im Verhältnis der Tateinheit zueinander stehender Taten des Dieb-stahls in Betracht, wenn zwischen allen drei Taten ein unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang bestand, aufgrund dessen sich das gesamte Tä-tigwerden bei natürlicher Betrachtungsweise als [X.] erweist ([X.], Beschluss vom 31. Mai 2016

3 StR 54/16, [X.], 274, 275; Beschluss vom 27. Juni 1996

4 [X.], [X.], 493, 494). [X.] dafür, dass der Angeklagte
und die beiden weiteren Täter alle drei [X.]
-
7
-
zeuge vorab als Tatobjekte
ausgekundschaftet und sich zur Entwendung dieser Kraftfahrzeuge entschlossen hatten, sind

ungeachtet des Umstands, dass dies in Ansehung der organisiert wirkenden Gesamtumstände der Tat nicht fern liegt

nicht festgestellt. Darüber hinaus ist den Urteilsgründen zwar zu entneh-men, dass, allerdings
nur die beiden
ersten Kraftfahrzeuge,
in ein und [X.] entwendet worden sind. Ob damit in räumlicher und in zeitlicher Hinsicht ein ausreichend enger Zusammenhang hinsichtlich aller drei Diebstäh-le gegeben ist, der die Annahme von Tateinheit belegt, hätte jedoch näherer Feststellung und Erörterung bedurft. Die Annahme von Tateinheit kann sich in der vorliegenden Fallkonstellation zum Nachteil des Angeklagten auswirken und deshalb nicht zu seinen Gunsten unterstellt werden.
Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.

Appl

Ri[X.] Prof. Dr. Krehl

Zeng

ist wegen Urlaubs an der

Unterschrift gehindert.

Appl

Bartel

R[X.] Dr. Grube ist

wegen Urlaubs an der

Unterschrift gehindert.

Appl
9

Meta

2 StR 220/17

11.07.2017

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.07.2017, Az. 2 StR 220/17 (REWIS RS 2017, 8304)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 8304

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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