Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.09.2017, Az. 2 StR 161/17

2. Strafsenat | REWIS RS 2017, 5430

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:130917B2STR161.17.1

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 161/17
vom
13. September 2017
in der Strafsache
gegen

wegen schwerer Körperverletzung u.a.

-
2
-
Der 2. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers
am 13.
September
2017
gemäß §
349 Abs.
4
StPO beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 21.
Dezember 2016, soweit es ihn betrifft,
mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere [X.] -
Jugendkammer -
des [X.].

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen gemeinschaftlichergefährlicher
Körperverletzung in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung
ausgesetzt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

1
-
3
-
I.
Nach den Feststellungen trafen am Abend des 20.
Dezember 2015 der Mitangeklagte D.

S.

, der ältere Bruder des Angeklagten,
und der stark
alkoholisierte
Nebenkläger an der U.

in S.

aufeinander.
Möglicherweise
kam es zwischen den beiden Männern zu einer verbalen [X.].
In der Folge erhielt der Angeklagte von D.

S.

einen Anruf, in dem
dieser ihn aufforderte, ihm den Baseballschläger zu bringen, den er, D.

S.

,
im Ankleidezimmer seiner Wohnung aufbewahre. Der Angeklagte
folgte
dem Ansinnen und begab sich mit dem Baseballschläger zu dem wenige Meter entfernten Kinderspielplatz an der U.

. Er traf dort, wie verabredet, auf
seinen Bruder und übergab ihm den Baseballschläger, damit dieser ihn gegen den Nebenkläger verwenden
konnte. Über den geplanten Einsatz des Base-ballschlägers hatte D.

S.

den Angeklagten zuvor am Telefon informiert.
Nachdem der Angeklagte seinem Bruder den Baseballschläger überge-ben hatte, schlug dieser mit voller Wucht einmal auf den Kopf des Nebenklä-gers, der sofort zu Boden ging. Der Angeklagte und sein Bruder verließen den [X.]. D.

S.

veranlasste kurze Zeit später die Zeugin [X.]

, einen
Krankenwagen
zu verständigen.
Der Schlag
mit dem Baseballschläger war potentiell lebensgefährlich. Der Nebenkläger erlitt durch den Schlag
eine Trümmerfraktur des Gehirn-
und Gesichtsschädels sowie den dauerhaften Verlust des linken Augenlichts. Er
musste längere Zeit stationär behandelt und mehrfach operiert werden. Bis heute
leidet er physisch und psychisch unter den Folgen der Tat.

2
3
4
5
-
4
-
II.
Der Schuldspruch wegen Körperverlet-zung in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung (§§
223 Abs.
1, 224 Abs.
1 Nr.
2, 4 und 5, 226 Abs.
1 Nr.
1, 1.
Var., 25 Abs.
2, 52 StGB) hält
rechtlicher
Nachprüfung nicht stand.
1.
Mittäterschaft im Sinne des §
25 Abs.
2 StGB setzt einen gemeinsa-men Tatentschluss voraus, auf dessen Grundlage jeder Mittäter einen objekti-ven Tatbeitrag leisten muss. Bei der Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, ist Mittäter, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass
dieser als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen
Tatanteils erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am [X.] selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung
fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs-
oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich [X.] als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, hat der Tatrichter aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen. Wesentliche Anhaltspunkte können dabei der Grad des eigenen Interesses am [X.], der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft
oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betroffenen
abhängt (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschluss vom 11.
Juli 2017 -
2
StR 220/17, juris Rn.
6; [X.], Beschlüsse
vom 23.
Mai 2017 -
4
[X.], juris Rn.
13; vom 22.
März 2017 -
3
StR
475/16, juris Rn.
12; vom 2.
Juli 2008
-
1
StR
174/08, [X.], 25, 26; Urteil vom 17.
Oktober 2002 -
3
StR
153/02, [X.], 253, 254).
6
7
-
5
-
2.
Gemessen hieran begegnet die Annahme mittäterschaftlichen Handelns
des Angeklagten durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar weist die [X.] zutreffend darauf hin, dass in dem Überbringen und der Über-gabe des als Tatwerkzeug verwendeten [X.] durch den Angeklagten
ein wesentlicher Tatbeitrag zu sehen ist, der die anschließende Tatausführung durch D.

S.

überhaupt erst ermöglichte und maßgeblich
prägte. Zudem war der Angeklagte am [X.] anwesend. Beides vermag aber, auch unter Berücksichtigung des tatrichterlichen Beurteilungsspielraumes (vgl. [X.], Beschluss vom 23.
Mai 2017 -
4 [X.], juris Rn.
13), die Annahme von Mittäterschaft nicht zu rechtfertigen. Denn
der Angeklagte hat weder die Tat initiiert, noch hat er an der unmittelbaren Tatausführung mitgewirkt. Auf die Auswahl des [X.] bzw. die Art der Tatausführung hatte er keinen Einfluss. Ein maßgebliches Tatinteresse ist nicht festgestellt.

Soweit die [X.] die Mittäterschaft mit dem gemeinsamen Tat-plan

begründet, wird diese Annahme nicht durch die Feststellungen belegt. Denn der Mitangeklagte D.

S.

hatte
im Zeitpunkt des Anrufes beim
Angeklagten
den [X.] bereits gefasst und begehrte lediglich die Unterstüt-zung seines Bruders
durch Übergabe des Tatwerkzeugs.
Die Annahme der Kammer
ein weiterer,
die bisherige Tathandlung ergänzender, mittäterschaftlicher Tatbeitrag des Angeklagten habe darin gelegen, seinen Bruder am [X.] psychisch zu unterstützen, wird durch die Feststellungen
ebenfalls nicht getragen. Die psychische Unterstützung eines Tatgenossen setzt voraus, dass die Tatbegehung objektiv gefördert oder erleichtert
wird und dass dies dem unterstützenden Tatgenossen bewusst ist (vgl. [X.], Beschluss vom 24.
März 2014 -
5 [X.], [X.], 351, 352; vom 30.
April 2013 -
3
StR 85/13, [X.], 249; Senat, Beschluss vom 17.
März 1995 -
2 StR 84/95, [X.]R StGB §
27 Abs.
1 Hilfeleisten
14). Zum 8
9
10
-
6
-
Beleg einer psychischen Unterstützung bedarf es genauer Feststellungen, insbesondere
zur objektiv fördernden Funktion der Handlung sowie zu der entsprechenden
Willensrichtung des Tatgenossen (vgl. [X.], Beschluss vom 24.
März 2014 -
5
[X.], [X.], 351, 352; vom 25.
Oktober 2011
-
3
StR 206/11, [X.], 316).
Den Feststellungen ist weder zu entnehmen, dass die Anwesenheit des Angeklagten am [X.] die Tathandlung seines Bruders psychisch förderte, noch, dass der Angeklagte mit einer entsprechenden Willensrichtung am [X.] verblieb. Es versteht sich keineswegs von selbst, dass D.

S.

von seinem
jüngeren Bruder jenseits der Übergabe des [X.] eine weitere Unterstützung erbeten hätte.
Denn der mit einem Baseballschläger bewaffnete
D.

S.

brauchte angesichts des hochgradig alkoholisierten [X.],

körperliche
Attacke erkennbar
keine weitergehende Unterstützung.
Letztlich wird
auch die Annahme der Kammer, der Angeklagte habe ein , nicht durch die Feststellungen getragen.
,
hat die Kammer nicht rechtsfehlerfrei festge-h-te im Zusammenhang mit [X.] belegen weder, dass der Nebenkläger gegenüber einem Familienmitglied noch gegenüber den Hunden der Familie S.

übergriffig geworden ist. Hinsicht-

st lediglich festgestellt, dass es im Dezember 2015 zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen dem Nebenkläger auf der einen und den Zeuginnen De.

S.

-
der Schwes-
ter des Angeklagten
-
und deren Freundin

L.

-C.

auf der
11
12
-
7
-
anderen
Seite
gekommen war, in deren Folge der Nebenkläger mindestens einer

Ob der
nachtatlichen Behauptung des Angeklagten gegenüber der Zeugin
[X.]

, der Nebenkläger habe
nach dem Hund des D.

S.

getreten,
ein realer Tritt gegen den Hund zu Grunde lag, bleibt offen. Mit der naheliegen-den Möglichkeit, dass diese Behauptung falsch war und allein zur Rechtferti-gung der Tat
vor der Zeugin [X.]

diente, hat die [X.] sich nicht ausei-
nandergesetzt. Dies hätte aber nahegelegen, zumal keiner der beiden Ange-klagten im Rahmen der Einlassung einen tatsächlichen Tritt des [X.] gegen den Hund des D.

S.

geschildert hat.
3. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Schuldspruchs. Die rechts-fehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen zwar eine Beihilfe des Angeklagten zu einer gefährlichen Körperverletzung in den festgestellten drei Tatmodalitäten sowie zu einer tateinheitlich hierzu begangenen schweren Körperverletzung durch den Mitangeklagten D.

S.

(§§
223 Abs.
1, 224 Abs.
1 Nr.
2, 13
14
-
8
-
2.
Var., 4 und 5, 226 Abs.
1 Nr.
1, 25 Abs.
2, 27 StGB). Eine Schuldspruchbe-richtigung kommt gleichwohl nicht in Betracht, da nicht auszuschließen ist, dass bei erneuter Verhandlung der Sache weitere Feststellungen getroffen werden können, die möglicherweise die Annahme von Mittäterschaft rechtfertigen.

Appl

Krehl

Zeng

Grube

Schmidt

Meta

2 StR 161/17

13.09.2017

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.09.2017, Az. 2 StR 161/17 (REWIS RS 2017, 5430)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 5430

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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