Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.07.2017, Az. 2 StR 220/17

2. Strafsenat | REWIS RS 2017, 8260

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Gegenstand

Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe beim Kraftfahrzeugdiebstahl


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 14. Februar 2017, soweit er verurteilt worden ist, mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten - nach vorläufiger Einstellung des Verfahrens hinsichtlich der Fälle 1 bis 8 gemäß § 154 Abs. 2 StPO sowie nach Einstellung des Verfahrens durch Prozessurteil hinsichtlich der Fälle 38, 39, 41 bis 43 wegen des Verfahrenshindernisses der Spezialität (richtig: [X.], vgl. Senat, Beschluss vom 16. November 2016 - 2 StR 246/16, [X.], 116 mwN) - wegen Diebstahls in drei tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und eine Entscheidung über den Anrechnungsmaßstab für die in [X.] erlittene Auslieferungshaft getroffen. Die dagegen gerichtete, auf die unausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg. Der Tatrichter hat die Annahme mittäterschaftlichen Handelns des Angeklagten hinsichtlich der zur Tateinheit (§ 52 StGB) verbundener Diebstähle dreier Kraftfahrzeuge nicht tragfähig belegt.

2

1. a) Nach den Feststellungen reiste der Angeklagte am 7. Dezember 2015 gemeinsam mit dem gesondert verfolgten [X.]und einer weiteren, unbekannt gebliebenen männlichen Person mit dem Zug von [X.] über [X.] nach [X.] ein, um „zwei bis drei“ wertvolle Kraftfahrzeuge zu entwenden und sie unmittelbar nach ihrer Entwendung nach [X.] zu verbringen. Die Beteiligten kamen überein, dass der Angeklagte das erste der zu entwendenden Kraftfahrzeuge über [X.] nach [X.] fahren und hierfür eine Entlohnung in Höhe von 500,00 Euro erhalten sollte. Aufgrund dieser Abrede „wusste der Angeklagte, dass der gesondert verfolgte [X.]und die männliche, unbekannt gebliebene Person die Fahrzeuge entwenden würden. Ihm war gleichzeitig bewusst, dass ohne sein Mitwirken die geplante Entwendung von zwei bis drei Fahrzeugen nicht möglich sein würde. Denn jeder der drei Beteiligten sollte eines der zu Stehlen beabsichtigten Fahrzeuge nach [X.] fahren“. Der Angeklagte erhielt von einem seiner Begleiter ein „Arbeitshandy“ ausgehändigt, über das er später Anleitungen für die genaue Fahrtroute nach [X.] erhalten sollte.

3

In Ausführung dieses Tatentschlusses entwendete der gesondert Verfolgte [X.]und die zweite, unbekannt gebliebene männliche Person am 8. Dezember 2015 gegen 1.00 Uhr in [X.]einen Pkw BMW 740d xDrive im Wert von mindestens 35.000 Euro. Der Angeklagte wartete während des [X.] an einer Kreuzung in der Nähe des [X.]. Etwa zwei bis drei Minuten nach dem Diebstahl wurde dem Angeklagten das „bereits gestartete“ Fahrzeug übergeben. Er stieg in das Fahrzeug ein und fuhr davon. Der gesondert verfolgte [X.]und der weitere Täter entwendeten „im unmittelbaren [X.]“ noch zwei weitere Kraftfahrzeuge, einen [X.] sowie einen [X.] im Gesamtwert von rund 80.000,00 Euro und fuhren mit ihnen davon.

4

b) Das [X.] hat angenommen, dass der Angeklagte als Mittäter der drei zur Tateinheit (§ 52 StGB) verbundenen [X.] anzusehen sei. Nach seiner teilgeständigen Einlassung sei zu Beginn der Reise noch unklar gewesen, wer welchen konkreten Tatbeitrag erbringen solle. Daraus folge, dass der Angeklagte nicht nur zum Abtransport, sondern auch zur Entwendung der Fahrzeuge bereit gewesen sei. Der Abtransport des [X.] durch den Angeklagten sei für den [X.] wesentlich gewesen, da ohne seine Mitwirkung die beiden weiteren Fahrzeuge nicht hätten entwendet werden können. Dies, so das [X.], habe dem Angeklagten „bewusst sein müssen“, da ihm die Technik des Kraftfahrzeugdiebstahls - die Entwendung von mit einem so genannten „[X.]“ ausgestatteten Kraftfahrzeugen unter Einsatz eines „[X.]“ - bekannt gewesen sei. Er habe auch ein erhebliches eigenes Interesse am [X.] gehabt, weil er „für den Abtransport des ersten Fahrzeugs“ 500,00 Euro habe erhalten sollen.

5

2. Diese Feststellungen und Erwägungen tragen die Annahme von Mittäterschaft nicht.

6

a) Mittäterschaft im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB setzt einen gemeinsamen Tatentschluss voraus, auf dessen Grundlage jeder Mittäter einen objektiven Tatbeitrag leisten muss. Bei der Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, ist Mittäter, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass dieser als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen [X.] erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am [X.] selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich [X.] als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, hat der Tatrichter aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen. Wesentliche Anhaltspunkte können dabei der Grad des eigenen Interesses am [X.], der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschlüsse vom 23. Mai 2017 - 4 StR 617/16, juris Rn. 13; vom 22. März 2017 - 3 [X.], juris Rn. 12; Urteil vom 17. Oktober 2002 - 3 [X.], [X.], 253, 254; Beschluss vom 2. Juli 2008 - 1 [X.], [X.], 25, 26).

7

b) Gemessen hieran begegnet die Annahme mittäterschaftlichen Handelns des Angeklagten durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Allein die festgestellte vorherige Kenntnis des Angeklagten von der Tat und sein Wille, diese als gemeinsame anzusehen, kann eine Mittäterschaft nicht begründen (vgl. [X.], Beschluss vom 29. September 2015 - 3 StR 336/15, [X.], 6, 7; vgl. aber auch [X.], Urteil vom 15. Juli 1999 - 5 StR 155/99, [X.], 609, 610; MüKoStGB/[X.], 3. Aufl., § 25 Rn. 27 ff.). Soweit das [X.] in den festgestellten Tatbeiträgen des Angeklagten - der im Vorfeld der Tat erfolgten Zusage, das erste der entwendeten Kraftfahrzeuge zu übernehmen und nach [X.] zu überführen sowie der unmittelbar nach der Entwendung des ersten Fahrzeugs erfolgten Übernahme und des [X.] in Richtung [X.] - die Tatbestandsverwirklichung fördernde Tatbeiträge angesehen hat, begegnet dies zwar für sich genommen keinen Bedenken. Das [X.] hat jedoch nicht erkennbar geprüft, ob der an einer Kreuzung in [X.] wartende Angeklagte Tatherrschaft oder jedenfalls den Willen zur Tatherrschaft hatte. Dies verstand sich vorliegend in Ansehung aller Umstände des Einzelfalls nicht von selbst. Hinzu tritt, dass der Tatrichter nicht erkennbar in seine Erwägungen einbezogen hat, dass der Angeklagte sich nach Übergabe des ersten Fahrzeugs mit diesem vom [X.] entfernt hat und die Ausführung der weiteren Diebstähle - soweit ersichtlich - seinem Einfluss und seinem Willen entzogen waren. Zwar hat das [X.] - im rechtlichen Ansatzpunkt zutreffend - in seine Erwägungen eingestellt, dass der Angeklagte ein erhebliches eigenes Tatinteresse hatte, und dies damit begründet, dass er „für den Abtransport des ersten Fahrzeugs“ eine Entlohnung in Höhe von 500,00 Euro erhalten sollte. Damit ist ein erhebliches Eigeninteresse des Angeklagten an der Entwendung auch der beiden weiteren Kraftfahrzeuge jedoch nicht belegt. Darüber hinaus hat das [X.] nicht erkennbar in seine Erwägungen eingestellt, dass der Angeklagte von P.   und dem unbekannt gebliebenen weiteren Täter ein so genanntes Arbeitshandy ausgehändigt erhielt, über das ihm Anweisungen für die Rückreise erteilt werden sollten; dies hätte in die gebotene umfassende Abwägung aller für und gegen eine Mittäterschaft sprechenden Umstände eingestellt werden müssen.

8

Schließlich ist die tatrichterliche Annahme, dass die drei Diebstähle im Verhältnis der Tateinheit zueinander stehen, nicht tragfähig belegt. Das [X.] hat seine Auffassung nicht näher begründet. Zwar kommt die Annahme von drei im Verhältnis der Tateinheit zueinander stehender Taten des Diebstahls in Betracht, wenn zwischen allen drei Taten ein unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang bestand, aufgrund dessen sich das gesamte Tätigwerden bei natürlicher Betrachtungsweise als [X.] erweist ([X.], Beschluss vom 31. Mai 2016 - 3 StR 54/16, [X.], 274, 275; Beschluss vom 27. Juni 1996 - 4 StR 166/96, [X.], 493, 494). Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte und die beiden weiteren Täter alle drei Fahrzeuge vorab als Tatobjekte ausgekundschaftet und sich zur Entwendung dieser Kraftfahrzeuge entschlossen hatten, sind - ungeachtet des Umstands, dass dies in Ansehung der organisiert wirkenden Gesamtumstände der Tat nicht fern liegt - nicht festgestellt. Darüber hinaus ist den Urteilsgründen zwar zu entnehmen, dass, allerdings nur die beiden ersten Kraftfahrzeuge, in ein und derselben Straße entwendet worden sind. Ob damit in räumlicher und in zeitlicher Hinsicht ein ausreichend enger Zusammenhang hinsichtlich aller drei Diebstähle gegeben ist, der die Annahme von Tateinheit belegt, hätte jedoch näherer Feststellung und Erörterung bedurft. Die Annahme von Tateinheit kann sich in der vorliegenden Fallkonstellation zum Nachteil des Angeklagten auswirken und deshalb nicht zu seinen Gunsten unterstellt werden.

9

Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.

Appl   

        

Ri[X.] Prof. Dr. Krehl
ist wegen Urlaubs an der
Unterschrift gehindert.

        

   Zeng

                 

Appl   

                 
        

Bartel   

        

R[X.] Dr. Grube ist
wegen Urlaubs an der
Unterschrift gehindert.

        
                          

Appl   

        

Meta

2 StR 220/17

11.07.2017

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Darmstadt, 14. Februar 2017, Az: 500 Js 52378/15 - 15 KLs

§ 25 Abs 2 StGB, § 27 Abs 1 StGB, § 242 Abs 1 StGB, § 261 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.07.2017, Az. 2 StR 220/17 (REWIS RS 2017, 8260)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 8260

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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