Bundespatentgericht, EuGH-Vorlage vom 08.03.2013, Az. 33 W (pat) 103/09

33. Senat | REWIS RS 2013, 7542

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - "abstrakte Farbmarke (ROT)" – Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union – zur Verkehrsdurchsetzung – maßgeblicher Zeitpunkt – Beweislast


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 302 11 120

hat der 33. Senat ([X.]) des [X.] durch den Vorsitzenden [X.], die Richterin [X.] und [X.] am [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 22. Januar 2013

beschlossen:

I.

Dem Gerichtshof der [X.] werden zur Auslegung von Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 der Richtlinie 2008/95/[X.] und des [X.] über die Marken vom 22. Oktober 2008 ([X.]. [X.] Nr. L 299 vom 8.11.2008, [X.]) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Steht Art. 3 Abs. 1 und 3 der Richtlinie einer Auslegung des nationalen Rechts entgegen, wonach bei einer abstrakten Farbmarke (hier: [X.]), die für Dienstleistungen des Finanzwesens beansprucht wird, eine Verbraucherbefragung einen bereinigten Zuordnungsgrad von mindestens 70 % ergeben muss, damit angenommen werden kann, dass die Marke infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangt hat?

2. Ist Art. 3 Abs. 3 S. 1 der Richtlinie dahin auszulegen, dass es auch dann auf den Zeitpunkt der Anmeldung der Marke - und nicht auf den Zeitpunkt ihrer Eintragung - ankommt, wenn der Markeninhaber im Rahmen der Verteidigung gegen einen Antrag auf Ungültigerklärung der Marke geltend macht, dass die Marke jedenfalls über drei Jahre nach der Anmeldung, aber noch vor der Eintragung infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangt habe?

3. Für den Fall, dass es auch unter den oben genannten Voraussetzungen auf den Zeitpunkt der Anmeldung ankommt:

Ist die Marke bereits dann für ungültig zu erklären, wenn ungeklärt ist und nicht mehr geklärt werden kann, ob sie zum Zeitpunkt der Anmeldung infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangt hat? Oder setzt die Ungültigerklärung voraus, dass durch den Nichtigkeitsantragsteller nachgewiesen wird, dass die Marke zum Zeitpunkt der Anmeldung keine Unterscheidungskraft infolge ihrer Benutzung erlangt hat?

II.

Das Beschwerdeverfahren wird bis zur Erledigung des Vorabentscheidungsersuchens zu 1. ausgesetzt.

Gründe

I.

1

Gegenstand des beim [X.] anhängigen Verfahrens ist ein Antrag auf Ungültigerklärung einer abstrakten (konturlosen) Farbmarke.

2

1. Wortlaut des anwendbaren nationalen Rechts:

3

§ 8 Abs. 2 Nr. 1 des [X.] Markengesetzes (im Folgenden nur als "[X.]" bezeichnet) hat folgenden Wortlaut:

4

"Von der Eintragung ausgeschlossen sind Marken, denen für die Waren oder Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt."

5

Damit ist Art. 3 Abs. 1 b) der Richtlinie 2008/95/[X.] und des [X.] über die Marken vom 22. Oktober 2008 (im Folgenden nur als "die Richtlinie" bezeichnet) in nationales Recht umgesetzt worden.

6

§ 8 Abs. 3 [X.] hat folgenden Wortlaut:

7

"Absatz 2 Nr. 1 (…) findet keine Anwendung, wenn die Marke sich vor dem [X.]punkt der Entscheidung über die Eintragung infolge ihrer Benutzung für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist, in den beteiligten Verkehrskreisen durchgesetzt hat."

8

Damit ist Art. 3 Abs. 3 S. 1 der Richtlinie in nationales Recht umgesetzt worden. Die "Verkehrsdurchsetzung" entspricht der "Erlangung von Unterscheidungskraft durch Benutzung".

9

§ 37 Abs. 2 [X.] lautet wie folgt:

"Ergibt die Prüfung, dass die Marke zwar am Anmeldetag (§ 33 Abs. 1) nicht den Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Nr. 1, 2 oder 3 entsprach, dass das Schutzhindernis aber nach dem Anmeldetag weggefallen ist, so kann die Anmeldung nicht zurückgewiesen werden, wenn der Anmelder sich damit einverstanden erklärt, dass ungeachtet des ursprünglichen [X.] und einer etwa nach § 34 oder § 35 in Anspruch genommenen Priorität der Tag, an dem das Schutzhindernis weggefallen ist, als Anmeldetag gilt und für die Bestimmung des [X.]rangs im Sinne des § 6 Abs. 2 maßgeblich ist."

§ 50 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 [X.] haben folgenden Wortlaut:

"(1) Die Eintragung einer Marke wird auf Antrag wegen Nichtigkeit gelöscht, wenn sie entgegen § (…) 8 eingetragen worden ist.

(2) Ist die Marke entgegen (…) 8 Abs. 2 Nr. 1 (…) eingetragen worden, so kann die Eintragung nur gelöscht werden, wenn das Schutzhindernis auch noch im [X.]punkt der Entscheidung über den Antrag auf Löschung besteht."

Die in dieser Vorschrift vorgesehene Löschung der Marke wegen Nichtigkeit entspricht der Ungültigerklärung der Marke, wie sie in Art. 3 Abs. 1 und 3 der Richtlinie vorgesehen ist.

2. Eintragung der verfahrensgegenständlichen Marke

Der Markeninhaber, der [X.], hat am 7. Februar 2002 eine konturlose Farbmarke

Rot ([X.] 13)

für eine Reihe von Waren und Dienstleistungen als Kollektivmarke angemeldet.

Das [X.] (im Folgenden: "[X.]") hat mit Beschluss vom 4. September 2003 die Anmeldung zurückgewiesen, da die Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.] gegeben seien. Der Markeninhaber hat Erinnerung eingelegt, ein demoskopisches Gutachten der [X.] GmbH vom 24. Januar 2006 über eine Ende November und Anfang Dezember 2005 durchgeführte Verkehrsbefragung vorgelegt und die Anmeldung auf bestimmte Dienstleistungen der Klasse 36 beschränkt.

Das [X.] hat daraufhin mit Beschluss vom 28. Juni 2007 den angefochtenen Beschluss aufgehoben. Es hat ausgeführt, dass für die noch verbleibenden Dienstleistungen aufgrund des vorgelegten Gutachtens davon auszugehen sei, dass sich die Marke mit einem Grad von 67,9 % im Verkehr durchgesetzt habe (§ 8 Abs. 3 [X.]).

Die Marke ist am 11. Juli 2007 für die Dienstleistungen der Klasse 36

Finanzwesen, nämlich Retail - Banking (Bankdienstleistungen für Privatkunden), insbesondere Kontoführung, Durchführung des Zahlungsverkehrs (Girogeschäft), Ausgabe von Debit- und Kreditkarten, Abwicklung von Geldgeschäften mit Debit- und Kreditkarten, Anlage- und Vermögensberatung, Beratung zu und Vermittlung von Geldanlagen, Wertpapiergeschäft, Depotgeschäft, allgemeine Geldberatung, Vermittlung von Versicherungen, Beratung zu und Vermittlung von Bausparverträgen, Kreditberatung, Kreditgeschäft, Kreditvermittlung

eingetragen worden.

3. Löschungsverfahren vor dem [X.]:

Am 15. Januar 2008 hat die [X.]in, die [X.], die vollständige Löschung der Marke beantragt.

Die [X.]in hat die Auffassung vertreten, dass es schon an der Markenfähigkeit fehle. Die herkunftshinweisende Verwendung einer abstrakten konturlosen Farbe für eine Dienstleistung erscheine logisch nicht möglich, da Dienstleistungen unkörperlich und ohne Farbe seien.

Die Farbe Rot sei im Bereich der Finanzdienstleistungen nicht originär unterscheidungskräftig, da sie von zahlreichen Anbietern verwendet werde. Einzelne Farben seien grundsätzlich Allgemeingut; zudem sei Rot "die" Reklamefarbe schlechthin. Die strengen Voraussetzungen, unter denen eine Farbe als Herkunftshinweis verstanden werden könne, seien nicht erfüllt. Insbesondere liege kein "sehr spezifischer Markt" im Sinne der [X.]-Rechtsprechung vor; es gebe nicht nur einige wenige, an "ihrer Farbe" erkennbare Wettbewerber.

Die Marke habe auch durch Benutzung keine Unterscheidungskraft erlangt. Da für die Farbe Rot ein besonders starkes Freihaltebedürfnis bestehe, sei eine Verkehrsdurchsetzung von 67,9 % keineswegs ausreichend. Vielmehr sei eine nahezu einhellige Durchsetzung erforderlich, wie sie vorliegend zu keinem [X.]punkt gegeben gewesen sei. Aber auch von einem [X.] von 67,9 % könne nicht ausgegangen werden; das Gutachten vom 24. Januar 2006 sei fehlerhaft.

Der Markeninhaber ist dem Löschungsantrag entgegengetreten.

Er hat die Meinung vertreten, dass die Markenfähigkeit [X.] mit Bezug auf Dienstleistungen in der Rechtsprechung längt anerkannt sei.

Die Farbe Rot ([X.] 13) sei im Bereich des Retail - Banking unterscheidungskräftig. Zudem habe die Marke durch Benutzung Unterscheidungskraft erlangt; das sei hinreichend nachgewiesen. Der nachgewiesene [X.] reiche aus. Die in der vorgelegten Verbraucherbefragung gewählte Fragestellung sei weder suggestiv noch sonst fehlerhaft. Die Annahme der Verkehrsdurchsetzung werde auch dadurch gestützt, dass die Farbe Rot ([X.] 13) von den Sparkassen bereits seit über 50 Jahren verwendet werde. Das rote Sparkassenbuch, das historische Kernprodukt der Sparkassen, werde seit 1940 in der Werbung immer wieder in roter Farbe abgebildet. Seit den 60er Jahren werde die Farbe Rot zur großflächigen Gestaltung von Werbeträgern verwendet. Für die auf die Farbe Rot abstellenden Werbemaßnahmen seien stets erhebliche finanzielle Aufwendungen eingesetzt worden. Auch im Verhältnis zum Werbeaufwand anderer Wettbewerber seien erhebliche Mittel für diese Werbemaßnahmen aufgewendet worden.

Die [X.]in hat gemeint, dass die Eintragung der Marke ein begünstigender Verwaltungsakt sei, der nur unter engen Voraussetzungen zurückgenommen werden könne. Diese engen Voraussetzungen seien nicht erfüllt.

Die Markenabteilung hat den Löschungsantrag mit Beschluss vom 16. Juni 2009 zurückgewiesen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass die angegriffene Marke nicht unterscheidungskräftig sei. Eine Farbe könne für sich genommen nur unter außergewöhnlichen Umständen unterscheidungskräftig sein, wie sie hier nicht gegeben seien.

Die Verkehrsdurchsetzung sei jedoch durch die Verbraucherbefragung und die übrigen vom Markeninhaber vorgelegten Unterlagen nachgewiesen. Die verwendete Fragestellung sei nicht zu beanstanden; der nachgewiesene Zuordnungsgrad sei als ausreichend anzusehen.

4. Beschwerdeverfahren vor dem [X.]:

Die [X.]in wendet sich mit der Beschwerde gegen den Beschluss des [X.].

Sie stimmt der Markenabteilung zwar darin zu, dass die angegriffene Marke keine Unterscheidungskraft habe. Dagegen wiederholt und vertieft sie ihre Auffassung, wonach die Verkehrsdurchsetzung nicht nachgewiesen sei. Das Gutachten vom 24. Januar 2006 leide an etlichen Mängeln. Außerdem sei eine Verkehrsdurchsetzung von weit über 50 % zu fordern, da es um einen besonders gängigen und werbewirksamen Farbton gehe.

Die [X.]in beantragt,

den Beschluss des [X.]es vom 16. Juni 2009 mit dem Aktenzeichen 302 11 120.4/36 - S 26/08 Lösch aufzuheben und die Löschung der [X.] Marke 302 11 120 "Farbmarke Rot [X.] 13)" anzuordnen.

Der Markeninhaber beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er vertritt die Auffassung, dass die angegriffene Marke - entgegen der Meinung der Markenstelle - unterscheidungskräftig sei.

Soweit es um die durch Benutzung erlangte Unterscheidungskraft geht, verteidigt der Markeninhaber die angefochtene Entscheidung; außerdem legt er eine weitere Verbraucherbefragung der [X.] GmbH vom 20. Juni 2011 vor.

Vor dem Senat ist ein weiteres, gegen dieselbe Marke gerichtetes Löschungsverfahren anhängig, in dem die dort Beteiligten weitere demoskopische Gutachten über durchgeführte Verbraucherbefragungen vorgelegt haben (33 W (pat) 33/12).

II.

Die Entscheidung der Sache hängt von der Beantwortung der oben im Entscheidungstenor formulierten gemeinschaftsrechtlichen Auslegungsfragen ab ([X.] vom 21.2.2013, [X.]/11 (Nr. 26 und 27) - FCI, noch nicht in der Sammlung).

Markenfähigkeit:

Bei der angegriffenen Marke handelt es sich um eine abstrakte Farbmarke; geschützt wird also eine Farbe als solche ohne räumliche Begrenzung. Eine solche Marke kann im Sinne des Art. 2 der Richtlinie grundsätzlich abstrakt unterscheidungskräftig sein, wenn sie nach einem international anerkannten Kennzeichnungscode bezeichnet ist ([X.] Slg. 2003, [X.] - [X.]). Das trifft hier zu, weil die Farbe nach dem anerkannten [X.]-Farbfächer mit dem Farbton "[X.] 13" (entspricht [X.] 3020 "[X.]") ausreichend bezeichnet ist.

Originäre Unterscheidungskraft:

Eine abstrakte Farbmarke ist nur unter außergewöhnlichen Umständen originär unterscheidungskräftig, namentlich dann, wenn die Zahl der Waren oder Dienstleistungen, für die die Marke angemeldet wird, sehr beschränkt und der maßgebliche Markt sehr spezifisch sind ([X.] a. a. [X.] ([X.]) - [X.]). Das trifft hier nicht zu. Auf dem Markt für Finanzdienstleistungen, die gegenüber Privatkunden erbracht werden, sind zahlreiche Banken tätig. Die wichtigsten Farben (namentlich Rot, Blau und Gelb) werden jeweils von mehreren Banken verwendet, auch von solchen Banken, die wirtschaftlich nicht miteinander verbunden sind. Ob die Behauptung des Markeninhabers zutrifft, wonach nur einige wenige Banken besonders bekannt sind und vom angesprochenen Publikum an ihren Farben erkannt werden, ist eine Frage, die die Erlangung von Unterscheidungskraft durch Benutzung betrifft. Die originäre Unterscheidungskraft der Marke kann mit dieser Erwägung nicht bejaht werden.

Unterscheidungskraft durch Benutzung:

Es kommt deshalb darauf an, ob die angegriffene Marke durch Benutzung Unterscheidungskraft erlangt hat.

Allgemeine Grundsätze zur Ermittlung des [X.]es:

Ob eine Marke durch Benutzung Unterscheidungskraft erlangt hat, ist aufgrund einer Gesamtschau der Gesichtspunkte zu beantworten, die zeigen können, dass die Marke über die Eignung verfügt, die fraglichen Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Dienstleistung damit von den Leistungen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Neben dem von der Marke gehaltenen Marktanteil, der Intensität, Dauer und Verbreitung der Benutzung und dem einschlägigen Werbeaufwand können auch die Ergebnisse von Verkehrsbefragungen berücksichtigt werden (vgl. [X.] Slg. 1999, [X.] ([X.] ff.) - [X.]).

Nach [X.] Rechtsprechung ist in der Regel eine Verbraucherbefragung erforderlich. Ohne eine solche kann nur in eng begrenzten Ausnahmefällen angenommen werden, dass die Marke durch Benutzung Unterscheidungskraft erlangt habe. Insbesondere bei Farbmarken, die ihrer Natur nach stets nur zusammen mit anderen Kennzeichen benutzt werden, wird eine Verbraucherbefragung für erforderlich gehalten.

[X.] ist nach den in der [X.] Rechtsprechung und Literatur anerkannten Grundsätzen ([X.] GRUR 2004, 652, 654 ff.; [X.]/[X.], [X.], 3. Auflage § 8 Rn. 350; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 10. Auflage § 8 Rn. 547 ff.) in drei Stufen aufzubauen: Erstens wird gefragt, ob das Zeichen den befragten Personen bekannt ist. Zweitens werden diejenigen Personen, die das Zeichen kennen, weiter gefragt, ob das Zeichen als Hinweis auf die Herkunft einer Ware oder Dienstleistung von irgendeinem bestimmten Unternehmen verstanden wird oder nicht. Um welches Unternehmen es sich handelt, wird an dieser Stelle noch nicht gefragt. Schließlich wird an diejenigen Personen, die das Zeichen als betrieblichen Herkunftshinweis verstehen, eine dritte Frage gerichtet: Es wird gefragt, wie das Unternehmen heißt, auf welches das Zeichen hinweist.

Die Antwort auf die erste Frage ergibt den sogenannten Bekanntheitsgrad des Zeichens. Die Antwort auf die zweite Frage ergibt den Kennzeichnungsgrad; und mit der dritten Frage wird der Zuordnungsgrad ermittelt.

Für die Frage, ob das Zeichen durch Benutzung Unterscheidungskraft erlangt hat, ist der Kennzeichnungsgrad maßgeblich. Von dem ermittelten Kennzeichnungsgrad werden aber diejenigen Personen abgezogen, die auf die dritte Frage das Zeichen einem konkreten dritten Unternehmen zugeordnet haben, das zu dem Anmelder bzw. Markeninhaber nicht in Verbindung steht (sogenannte Fehlzuordnungen). Aus dieser Korrektur ergibt sich der bereinigte Zuordnungsgrad (im Folgenden auch als "[X.]" bezeichnet), der nach der in [X.] herrschenden Auffassung für die Anwendung des § 8 Abs. 3 [X.] maßgeblich ist.

Im vorliegenden Fall erforderlicher [X.]:

Im vorliegenden Fall liegen Besonderheiten vor, die dafür sprechen, für die Annahme einer durch Benutzung erlangten Unterscheidungskraft einen überragenden [X.] von deutlich mehr als zwei Dritteln, somit von über 70 % zu fordern.

Geringe Eignung eines Farbtons als Herkunftshinweis im Zusammenhang mit Finanzdienstleistungen:

Die Anforderungen an den Nachweis der Verkehrsdurchsetzung sind umso höher, je weniger sich das betreffende Zeichen nach seinem spezifischen Charakter als Herkunftshinweis eignet ([X.] a. a. [X.] (Nr. 50) - [X.]; [X.], 138 (Nr. 41) - Rocher).

Vorliegend könnte zu berücksichtigen sein, dass die verfahrensgegenständliche konturlose Farbmarke im Bereich der hier relevanten Finanzdienstleistungen besonders schwer als Herkunftshinweis durchzusetzen ist. Eine (konturlose) Farbe wird am ehesten dort als Herkunftshinweis verstanden werden, wo der Verbraucher keine Wortzeichen benötigt, um zwischen verschiedenen Angeboten zu wählen. Das trifft beispielsweise auf Waren zu, die an ihrer Form und ihrem Aussehen erkannt werden können und deren Kauf keine genaueren Informationen über ihre Eigenschaften voraussetzt. Der Verbraucher kann eine solche Ware unter Umständen aufgrund der Farbe auswählen und kaufen, ohne den auf die Ware oder auf die Verpackung aufgedruckten Text lesen zu müssen. Dasselbe ist auch bei Dienstleistungen möglich, wenn sie mit der Verwendung bestimmter, ohne Schriftzeichen erkennbarer Gegenstände verbunden sind.

Dagegen liegt die Annahme eher fern, dass eine konturlose Farbmarke für Dienstleistungen des Finanzwesens als Herkunftshinweis verstanden wird.

Einmal sind solche Dienstleistungen in der Regel nicht mit der Verwendung bestimmter Gegenstände verbunden, die für den Verbraucher erkennbar sind und ihn auf die Art der angebotenen Dienstleistung hinweisen. Außerdem sind Finanzdienstleistungen in der Regel komplex gestaltet und werden deshalb zusammen mit ausführlichen, mündlichen oder schriftlichen Informationen angeboten. Wer Geld anlegen oder ein Darlehen aufnehmen will, wer einen Bausparvertrag oder eine Versicherung abschließen will, wird grundsätzlich kein Angebot annehmen, ohne sich über nähere Einzelheiten zu informieren. In diesem Bereich wird der Verbraucher also in der Regel keine Auswahlentscheidung allein aufgrund einer Farbe treffen. Vielmehr ist er auf ausführliche schriftliche oder mündliche Informationen angewiesen. Deshalb liegt die Annahme nahe, dass das Publikum in diesem Bereich vor allem auf schriftliche Informationen achtet und eine konturlose Farbe nicht als Herkunftshinweis versteht, sondern als Gestaltungsmittel, wie es von jedem Anbieter verwendet werden kann.

Geringe Eignung des in Frage stehenden Farbtons als Herkunftshinweis:

Bei dem Farbton [X.] 13

Abbildung

handelt es sich nicht um eine außergewöhnliche und seltene Farbe, die geeignet wäre, dem Publikum besonders aufzufallen und aus diesem Grund als Herkunftshinweis verstanden zu werden. Vielmehr ist es weithin und in vielen Waren- und Dienstleistungsbereichen üblich, diesen Farbton und verwechselbar ähnliche rote Farbtöne in der Werbung zu verwenden. In [X.] geschieht das beispielsweise in erheblichem Umfang durch große und bekannte Anbieter wie die [X.], die [X.], [X.], [X.], [X.]’s, [X.], [X.] und [X.]. Auch dieser Umstand spricht dafür, dass das Publikum daran gewöhnt ist, den Farbton als reines Gestaltungsmittel wahrzunehmen, und dass deshalb der Erlangung von Unterscheidungskraft durch Benutzung besondere Schwierigkeiten entgegenstehen. Es kommt nicht darauf an, dass die dargestellten Beispiele aus anderen Waren- und Dienstleistungsbereichen stammen; denn auch die Kennzeichnungsgewohnheiten aus anderen Bereichen können die Vorstellung des Publikums beeinflussen und eine Gewöhnung an Farben als Gestaltungsmittel bewirken.

Besondere Bedeutung der Ergebnisse von Verbraucherbefragungen:

Bei der gebotenen Gesamtwürdigung ist zwar - neben dem [X.] als Ergebnis der Verbraucherbefragung - zu berücksichtigen, dass die mit dem Markeninhaber verbundenen Sparkassen über einen erheblichen Marktanteil verfügen und bereits seit mehreren Jahrzehnten mit erheblichem Aufwand Werbung treiben, wobei sie ganz überwiegend den hier relevanten Rotton [X.] 13 verwendet haben und weiter verwenden. Die für diese Werbung verwendeten Geldbeträge haben nach dem Vortrag des Markeninhabers auch im Verhältnis zu dem Werbeaufwand anderer Unternehmen ein erhebliches Ausmaß erreicht.

Diese Umstände können jedoch deshalb unerheblich sein, weil sich dieser Aufwand auf Werbemaßnahmen bezieht, in denen der Farbton Rot ([X.] 13) nicht allein, sondern ganz überwiegend, wenn nicht immer zusammen mit dem Schriftzug "Sparkasse" oder mit dem "[X.]" verwendet worden ist, also in Kombination mit einem anderen, auf die Sparkassen hinweisenden Zeichen. Der für solche Werbemaßnahmen betriebene Aufwand sagt nichts darüber aus, ob es den Sparkassen gelungen ist, den Farbton Rot ([X.] 13) auch für sich allein, also ohne die Kombination mit anderen Zeichen, als Marke für ihre Dienstleistungen durchzusetzen. Deshalb können hier die Ergebnisse der von den Beteiligten vorgelegten Verbraucherbefragungen von entscheidender Bedeutung sein, da sich diese Befragungen allein auf den Farbton ([X.] 13) beziehen, und nicht auf die Kombination des Farbtons mit einem anderen Zeichen.

Bedenken, die sich aus den vorgelegten Verbraucherbefragungen ergeben:

Der Markeninhaber hat zwar insgesamt vier Verbraucherbefragungen (zwei Befragungen der [X.] GmbH und zwei Befragungen der [X.] Rechtsforschung) vorgelegt, aus denen sich jeweils ein [X.] von über 60 % ergibt. Dagegen haben die [X.]innen zwei Verbraucherbefragungen des [X.] vorgelegt, von denen eine einen [X.] von 47 % ergibt, und die andere einen [X.] von nur 1 %. Soweit diese Verkehrsbefragungen nicht in dem vorliegenden Verfahren, sondern in dem Parallelverfahren 33 W (pat) 33/12 vorgelegt worden sind, hat sie der Senat aufgrund seiner Amtsaufklärungspflicht auch im vorliegenden Verfahren zu berücksichtigen. Dasselbe gilt für die gegen die Befragungen vorgebrachten Einwände der Beteiligten und für den sonstigen Vortrag aus dem Parallelverfahren.

Die Unterschiede in den Befragungsergebnissen sind durch die unterschiedliche Formulierung der Fragen begründet, was (unter starker Verkürzung der Befragungen und der von den Beteiligten hierzu vorgebrachten Argumente) wie folgt zusammengefasst werden kann:

Hinweis" entweder auf ein bestimmtes Geldinstitut oder auf die Gesamtheit der von einem Geldinstitut üblicherweise angebotenen Dienstleistungen verstanden wird. Dabei hat sich ein [X.] von mehr als 60 % ergeben.

- In einer von den [X.]innen vorgelegten Befragung ist gefragt worden, ob Dienstleistungsangebote eines Geldinstituts, die in dem Farbton Rot ([X.] 13) gestaltet sind, von einem bestimmten Anbieter "stammen". Dabei hat sich ein [X.] von 47 % ergeben.

- In einer von den [X.]innen vorgelegten Befragung ist nicht allgemein nach den Dienstleistungen eines Geldinstituts, sondern konkret nach [X.] gefragt worden. Dabei hat sich ein [X.] von 1 % ergeben.

Hinweis" auf einen bestimmten Anbieter und bei der Frage, ob die Dienstleistungen von einem bestimmten Anbieter "stammen", sehr unterschiedliche Werte ergeben haben, so ist das auf den Umstand zurückzuführen, dass ein "Hinweis" auch ein vages, für sich genommen nicht verlässliches Indiz sein kann. Die Befragten, die den Farbton für einen "Hinweis" auf einen bestimmten Anbieter gehalten haben, können damit gemeint haben, dass angesichts der Farbe eine gewisse Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass das Angebot einem bestimmten Unternehmen zuzuordnen ist. Dagegen werden die Befragten, für die Angebote in dem Farbton von einem bestimmten Anbieter "stammen", den Farbton als sicheren und verlässlichen Herkunftshinweis verstanden haben. Die zuerst genannte Möglichkeit würde nicht ausreichen, um der Marke eine durch Benutzung erlangte Unterscheidungskraft zuzusprechen; denn eine Marke soll dem Verbraucher "sofort und mit Gewissheit" den Schluss auf die Herkunft der Ware oder Dienstleistung von einem bestimmten Anbieter gestatten (vgl. [X.], Urteil vom [X.], [X.]/11 (Nr. 40) - Schokoladenmaus).

Es dürfte nicht möglich sein, diese Fragen durch eine weitere Verbraucherbefragung aufzuklären; denn eine solche Befragung darf nicht mit zu vielen Fragen und Nachfragen überladen werden. Vielmehr müssen die bereits vorliegenden Befragungen ausgewertet werden. Alle oben genannten Verbraucherbefragungen haben eine gewisse Aussagekraft. In ihrer Gesamtheit sind sie dahingehend zu bewerten, dass zwar über 60 % der Verbraucher den Farbton als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen verstehen, dass jedoch Zweifel daran, ob damit ein sicherer und verlässlicher Hinweis oder nur ein mehr oder weniger vages Indiz gemeint ist, nicht ausgeräumt werden können.

konkreter Dienstleistungen von einem bestimmten Unternehmen versteht, oder ob sie den Farbton nur als Hinweis auf ein Unternehmen (und damit notwendigerweise auch auf das von solchen Unternehmen üblicherweise angebotene "Dienstleistungsbündel") wahrnimmt. Im zuletzt genannten Fall wäre der Farbton möglicherweise ein Unternehmenskennzeichen. Dagegen wäre er wohl keine Marke, weil es die Funktion einer Marke ist, auf die Herkunft konkreter einzelner Dienstleistungen hinzuweisen. Auch bei diesen Zweifeln ist nicht ersichtlich, wie sie durch eine erneute, anders formulierte Verbraucherbefragung geklärt werden können.

Ein [X.] von über 60 % könnte nicht ausreichen, um ein ausreichendes Gegengewicht zu den dargestellten Zweifeln zu bilden; auch deshalb könnte ein wesentlich höherer [X.] zu fordern sein.

Vergleich mit dem sonst auf dem konkreten Markt erreichbaren [X.]:

Der zu fordernde [X.] könnte davon abhängen, was sonst auf dem in Frage stehenden Markt möglich und von anderen Marken erreicht worden ist. Auf dem Markt für Privatkunden-Bankdienstleistungen werden die Anbieter üblicherweise an ihrem Namen oder an bestimmten, häufig verwendeten Bildzeichen erkannt. Solche Bildzeichen sind beispielsweise

für die Sparkassen das "[X.]":

Abbildung

für die Volksbanken ein stilisiertes "V":

Abbildung

für die [X.] ein Schrägstrich im Quadrat:

Abbildung

für die [X.] das "gelbe Band":

Abbildung

für die [X.] ein Flammensymbol:

Abbildung

Der Markt wird von wenigen großen Anbietern geprägt, auch wenn es daneben viele kleinere Wettbewerber gibt. Die Dienstleistungen sind für die gesamte Bevölkerung von großer praktischer Bedeutung, und für sie wird umfassend und intensiv geworben. Die oben dargestellten Bildzeichen haben deshalb einen sehr hohen Bekanntheitsgrad und dürften nahezu der gesamten [X.] Bevölkerung als Herkunftshinweise bekannt sein. Soll ein Farbton - trotz der soeben dargestellten Hindernisse - gleichrangig neben diesen Bildzeichen als Herkunftshinweis etabliert werden, dann kann erwartet werden, dass er einen damit vergleichbaren [X.] erreicht.

Zusammenfassung:

Es bedarf besonders aussagekräftiger Nachweise, um die angedeuteten Schwierigkeiten zu überwinden und den Schluss zu gestatten, dass sich die verfahrensgegenständliche konturlose Farbmarke als Hinweis auf die Herkunft von Finanzdienstleistungen bei den Verbrauchern durchgesetzt hat. Ein [X.] von über 50 % wird unter diesen Umständen nicht ausreichen. Stattdessen wird eine überragende, den Wert von zwei Dritteln noch deutlich übersteigende Durchsetzung erforderlich sein, also eine Durchsetzung zu mindestens 70 %.

Diese Frage betrifft nicht nur eine Beweisregel, die dem nationalen Recht vorbehalten bleibt. Der [X.] hat zwar ausgesprochen, dass das Vorliegen von Unterscheidungskraft nach Maßgabe des nationalen Rechts durch eine Verbraucherbefragung geklärt werden könne ([X.] a. a. [X.] (Nr. 53) - [X.]). Die hier gestellte Frage betrifft jedoch nicht nur die Art und Weise, wie eine Verbraucherbefragung einzuholen und zu würdigen ist. Vielmehr kann ein einheitlicher Standard für die Ungültigerklärung von Marken nur dann gewährleistet werden, wenn die Frage im Anwendungsbereich der Richtlinie einheitlich beantwortet wird.

In der Sache gibt es zu der Frage, welcher [X.] vorliegen muss, damit eine konturlose Farbmarke als unterscheidungskräftig angesehen werden kann, keine gefestigte Rechtsprechung.

Der [X.] hat ausgesprochen, dass es nicht nur auf generelle und abstrakte Angaben, wie bestimmte Prozentsätze ankomme ([X.] a. a. [X.] (Nr. 52) - [X.]). Danach kann es möglicherweise zwar nicht nur, aber auch - neben den anderen Kriterien - auf bestimmte, im Einzelfall zu bestimmende Prozentsätze ankommen.

Nach der Rechtsprechung des [X.]s wird es nicht zulässig sein, die Höhe des Prozentsatzes nach dem Grad des Freihaltebedürfnisses zu bestimmen, also für besonders freihaltebedürftige Zeichen einen hohen Prozentsatz zu fordern und für weniger freihaltebedürftige Zeichen einen geringen Prozentsatz ausreichen zu lassen ([X.] a. a. [X.] (Nr. 44 bis 48) - [X.]). Daher wird es nicht darauf ankommen, ob Rot für die Wettbewerber in dem relevanten Markt eine "besonders wichtige" und deshalb besonders freihaltebedürftige Farbe ist. Umgekehrt kann nicht deshalb ein besonders geringer [X.] ausreichen, weil die Marke im [X.] nur einen geringen Schutzumfang habe.

Dagegen kann es möglich und geboten sein, die Höhe des geforderten Prozentsatzes von tatsächlichen Besonderheiten des Zeichens und der geschützten Dienstleistungen abhängig zu machen, wie sie nach Auffassung des [X.] hier vorliegen (oben II. 3. b)). Zur Höhe solcher Prozentsätze und zu der Frage, welche Argumente in diesem Zusammenhang maßgeblich sein können, hat sich der [X.] - soweit ersichtlich - noch nicht geäußert.

Maßgeblicher [X.]punkt:

Die Entscheidung über den Löschungsantrag hängt weiter davon ab, ob das Zeichen zum [X.]punkt seiner Anmeldung Unterscheidungskraft durch Benutzung erlangt haben muss, oder ob es auf den [X.]punkt ihrer Eintragung ankommt.

Nationale [X.] Regelung:

Nach der nationalen [X.] Regelung ist die Eintragung der Marke zu löschen,

- wenn die Marke vor dem [X.]punkt der Entscheidung über die Eintragung keine Unterscheidungskraft durch Benutzung erlangt hat (§§ 8, 50 Abs. 1 [X.]);

- und wenn sie im [X.]punkt der Entscheidung über den Löschungsantrag keine Unterscheidungskraft durch Benutzung erlangt hat (§ 50 Abs. 2 S. 1 [X.]).

Das zuerst genannte Erfordernis entspricht der Regelung in Art. 3 Abs. 3 S. 1 der Richtlinie. Die [X.] gesetzliche Regelung ist dahin auszulegen, dass [X.] von der Befugnis des Art. 3 Abs. 3 S. 2 der Richtlinie, wonach eine erst nach der Anmeldung oder Eintragung erworbene Unterscheidungskraft ausreichen kann, keinen Gebrauch gemacht hat.

Der Wortlaut des § 8 Abs. 3 [X.] spricht zwar dafür, dass es nach [X.]m Recht auf den [X.]punkt der Entscheidung über die Eintragung ankommt, dass also eine erst nach der Anmeldung, aber noch vor der Eintragung erworbene Unterscheidungskraft ausreicht. Die Vorschrift ist jedoch im Zusammenhang mit § 37 Abs. 2 [X.] zu verstehen. § 37 Abs. 2 [X.] setzt voraus, dass eine angemeldete Marke nur dann eingetragen werden kann, wenn sie zum [X.]punkt der Anmeldung unterscheidungskräftig gewesen ist. Für den Fall, dass die Marke erst nach der Anmeldung Unterscheidungskraft erworben hat, sieht § 37 Abs. 2 [X.] ausdrücklich eine Verschiebung des [X.]rangs vor, die das Einverständnis des Anmelders voraussetzt. Die Verschiebung des [X.]rangs entspricht im Ergebnis einer Zurücknahme der Anmeldung und einer erneuten, späteren Anmeldung der Marke. Soll die Marke mit dem [X.]rang des [X.] eingetragen werden, so muss sie also am Anmeldetag unterscheidungskräftig gewesen sein ([X.] a. a. [X.] § 8 Rn. 534). Insgesamt ist die [X.] Gesetzeslage deshalb dahin auszulegen, dass die Marke dem Art. 3 Abs. 3 S. 1 der Richtlinie entsprechend bis zur Anmeldung Unterscheidungskraft erworben haben muss. Das gilt für das Anmeldeverfahren ebenso wie für das Löschungsverfahren, da es keinen Grund für eine unterschiedliche Behandlung gibt.

Die [X.] Regelung bedarf der richtlinienkonformen Auslegung.

Ist der [X.]punkt der Eintragung (hier: Juli 2007) maßgeblich, so ist festzustellen, dass der wohl erforderliche [X.] von 70 % (oben II. 3 b)) nicht erreicht worden ist. Das dürfte sich aus den vorgelegten Gutachten sicher ergeben. Diese Gutachten sind nach vorläufiger Bewertung des [X.] nicht so fehlerhaft, dass sie gar nicht geeignet wären, Aussagen über den [X.] des in Frage stehenden Zeichens zu stützen.

Kommt es dagegen auf den [X.]punkt der Anmeldung (hier: Februar 2002) an, so ist weiter zu prüfen, ob aus den vorgelegten Gutachten Rückschlüsse auf den Anmeldezeitpunkt gezogen werden können. Ein solcher Rückschluss soll zwar grundsätzlich möglich sein. Er ist hier aber problematisch, weil von der Anmeldung der Marke bis zur ersten Verkehrsbefragung rund dreieinhalb Jahre vergangen sind. In diesem [X.]raum könnten sich erhebliche Veränderungen vollzogen haben. Insbesondere könnten infolge der Liberalisierung des Bankwesens weitere Geldinstitute in den [X.] Markt eingetreten sein und denselben Farbton oder ähnliche Farbtöne verwendet haben. Die Wahrnehmung des Zeichens durch das Publikum könnte sich deshalb verändert haben; die Bekanntheit und Verkehrsgeltung des Zeichens könnten geschwächt worden sein. Aus diesem Grund kann möglicherweise aus dem Umstand, dass der erforderliche [X.] im November 2005 und danach nicht erreicht worden ist, nicht geschlossen werden, dass ihn die Marke auch zum [X.]punkt ihrer Anmeldung nicht erreicht hat.

Gemeinschaftsrecht:

Für das [X.] nach der Verordnung ([X.]) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke ([X.]) hat der [X.] entschieden, dass es nicht auf den [X.]punkt der Entscheidung über die Eintragung ankommt. Vielmehr ist maßgeblich, ob zum [X.]punkt der Anmeldung [X.] vorgelegen haben ([X.] vom 5.10.2004, [X.]/03 P, Slg. 2004 [X.] (Nr. 40) - [X.]; [X.] vom [X.], [X.]/09; Slg. 2010 [X.] (Nr. 41 ff.) - FLUGBÖRSE).

Das könnte auf die [X.] zu übertragen sein. Sind am Anmeldetag die Eintragungsvoraussetzungen erfüllt, dann verdient der Anmelder Schutz und darf nicht dadurch benachteiligt werden, dass diese Voraussetzungen im Lauf des Anmeldeverfahrens entfallen. Sind die Eintragungsvoraussetzungen dagegen am Anmeldetag nicht gegeben, und treten sie erst später ein, so darf der Anmelder nicht dadurch begünstigt werden, dass die Marke mit der Priorität des [X.] eingetragen wird, obwohl die Voraussetzungen zu jenem [X.]punkt nicht vorgelegen haben. In einem solchen Fall kann er seine Anmeldung zurücknehmen und die Marke erneut anmelden. Nach [X.]m Recht kann er von der Möglichkeit der [X.]rangverschiebung nach § 37 Abs. 2 [X.] Gebrauch machen; die Rechtsfolgen entsprechen denjenigen einer Rücknahme des [X.] in Verbindung mit einer neuen Anmeldung.

[X.]:

Die Entscheidung hängt weiter davon ab, wie zu entscheiden ist, wenn bestimmte, entscheidungserhebliche Tatsachen nicht mehr geklärt werden können ([X.]).

Entscheidungserheblichkeit:

Kommt es auf den [X.]punkt der Markenanmeldung an, so dürfte der Sachverhalt ungeklärt und eine Aufklärung nicht mehr möglich sein. In diesem Fall ist über die [X.] zu entscheiden.

Ist dagegen der [X.]punkt der Eintragung der Marke maßgeblich, dann dürfte durch die vorgelegten Gutachten geklärt sein, welchen Grad an Verkehrsdurchsetzung die Marke erreicht hat. In diesem Fall ist, wenn ein [X.] von mindestens 70 % zu fordern ist, der Beschwerde stattzugeben und die Löschung der Marke anzuordnen. Denn es dürfte feststehen, dass dieser [X.] nicht erreicht worden ist. [X.] dagegen ein [X.] von unter 70 % aus, dann dürfte der Löschungsantrag unbegründet sein.

Gemeinschaftsrecht:

Die Frage nach der [X.] ist durch Auslegung der Richtlinie in Verbindung mit dem primären Gemeinschaftsrecht zu beantworten, wie sie dem [X.] im Rahmen seiner Kompetenz nach Art. 267 AEUV zusteht.

Bestimmungen über die Art und Weise der Feststellung der Verwechslungsgefahr, insbesondere über die Beweislast, sollen zwar Sache nationaler Verfahrensregeln sein, die von der Richtlinie nicht berührt werden sollten (so Erwägungsgrund 11 Satz 5 der Richtlinie). Daraus kann jedoch nicht allgemein geschlossen werden, dass die Regelung der Beweislast den Mitgliedstaaten vorbehalten bleibt. Vielmehr ist die genannte Begründungserwägung einschränkend auszulegen.

Beweislastregeln gehören dann zum nicht von der Richtlinie geregelten Verfahrensrecht, wenn sie nur die Art und Weise der Beweisführung betreffen. Das Verfahrensrecht kann Bestimmungen darüber enthalten, welche Partei die Beweismittel zu bezeichnen hat, welche Beweismittel in Betracht kommen, wie genau diese bezeichnet werden müssen und ob das Gericht dafür eine Frist setzen kann, nach deren Ablauf keine weiteren Beweisangebote berücksichtigt werden. Ebenso kann geregelt werden, ob sich eine Partei vor Gericht äußern muss, und welche Folgen ihr Schweigen hat. Das sind Regeln über die Art und Weise des Verfahrens, wie sie nicht von der Richtlinie vorgegeben werden.

Davon ist jedoch die Frage zu unterscheiden, welche Partei die Verantwortung dafür trägt, dass ein bestimmter, materiellrechtlich relevanter Sachverhalt nicht aufgeklärt werden kann. Diese Frage geht über die Art und Weise des Verfahrens hinaus; sie ist aus dem Sinn und Zweck und aus dem Zusammenhang des materiellen Rechts (also hier der Richtlinie) zu beantworten. Somit steht sie in einem engen, untrennbaren Zusammenhang mit dem materiellen Recht. Aus diesem Grund wird die Beweislast im [X.] überwiegend als Frage des materiellen Rechts qualifiziert ([X.], Internationales Zivilprozessrecht, 6. Auflage Rn. 2340; [X.]/[X.], Internationales Privatrecht, 9. Auflage S. 1058 f.; Nagel/[X.], Internationales Zivilprozessrecht, 6. Auflage § 9 Rn. 62). Das ist nicht nur im [X.] Internationalen Privatrecht, sondern im Recht der meisten Länder, beispielsweise [X.] und [X.], anerkannt (Nagel/[X.] a. a. [X.] § 9 Rn. 62 ff.). Ebenso vertritt die herrschende Meinung für das UN-Kaufrecht, dass es - zumindest implizit - auch Fragen der Beweislast regle, diese also nicht dem nationalen Verfahrensrecht überlasse ([X.] in [X.], UN-Kaufrecht, 5. Auflage CISG Art. 4 Rn. 49 m. w. N.).

Vorliegend bestimmt die Regelung der [X.] mit über die Reichweite des einer Marke gewährten Schutzes und ist deshalb - dem Sinn der Richtlinie entsprechend - in allen Mitgliedstaaten einheitlich zu gestalten. Erwägungsgrund 11 Satz 5 der Richtlinie ist einschränkend dahin zu verstehen, dass es sich bei einer solchen Regelung nicht um eine den Mitgliedstaaten vorbehaltene "Bestimmung über die Art und Weise" der Feststellung der in Frage stehenden normativen Voraussetzungen handelt.

Dem entspricht es, dass der [X.] die Frage nach der Beweislast bereits als zulässigen Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchens erkannt hat, weil nur so ein einheitlicher Schutz in den Mitgliedstaaten gewährleistet werden könne ([X.] vom 8.4.2003, [X.]/00 (Nr. 31 ff.) , Slg. 2003, [X.] - [X.]; [X.] vom 18.10.2005, [X.]/03 ([X.]), Slg. 2005, [X.] - Class International/Colgate-Palmolive).

Zudem ergibt sich die Zuständigkeit des [X.]s auch aus primärem Gemeinschaftsrecht. Wird die [X.] in Fällen wie dem vorliegenden dem [X.] auferlegt, so führt dies zu einer rechtserheblichen Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit (Art. 56, 57 AEUV; vgl. zur Warenverkehrsfreiheit [X.] vom 8.4.2003, [X.]/00 (Nr. 37 f.), a. a. [X.] - van Doren; ausführlich Generalanwältin [X.], Schlussantrag vom [X.] zu [X.]/00 ([X.] ff.), Slg. 2003, [X.] - van Doren). Wenn auch zu Unrecht eingetragene Marken den registerrechtlichen Schutz behalten, weil die Voraussetzungen der Unrechtmäßigkeit von dem [X.] nachzuweisen sind und wegen [X.]ablaufs nicht mehr nachgewiesen werden können, dann könnte damit ein Hindernis für den Marktzugang errichtet werden.

In der Sache hat der [X.] zur [X.] entschieden, dass eine angemeldete Marke erst dann eingetragen werden kann, wenn der Nachweis erbracht ist, dass sie durch Benutzung Unterscheidungskraft erlangt hat ([X.] vom 22.6.2006, [X.]/05 ([X.]) - Wicklerform, Slg. 2006, [X.]; [X.] vom 24.5.2012, [X.]/11 ([X.]) - [X.]). Auch im [X.] nach Art. 52 der [X.] ist es Sache des Markeninhabers, geeignete und hinreichende Beweismittel zum Nachweis dafür vorzulegen, dass die Marke Unterscheidungskraft durch Benutzung erlangt hat (EuG vom 9.3.2011, [X.]/09 ([X.]), Slg. 2011, [X.] HTP).

Auch diese Rechtsprechung könnte auf die [X.] zu übertragen sein. Nach Art. 3 Abs. 1 und 3 der Richtlinie sind die Nichteintragung einer Marke und die Ungültigerklärung einer eingetragenen Marke von denselben Voraussetzungen abhängig. Daher ist es konsequent, die [X.] sowohl im Eintragungsverfahren als auch im Löschungsverfahren denselben Regeln zu unterwerfen. Beruft sich der Anmelder im Eintragungsverfahren oder der Markeninhaber im Löschungsverfahren darauf, dass seine originär nicht unterscheidungskräftige Marke durch Benutzung Unterscheidungskraft erlangt habe, dann ist es angemessen, ihm dafür die [X.] aufzuerlegen. Im Löschungsverfahren wird er dadurch auch unter Berücksichtigung der seit der Eintragung verstrichenen [X.] nicht unangemessen benachteiligt. Hat er bereits im Eintragungsverfahren ausreichende Beweismittel vorgelegt, so werden diese im Regelfall auch im Löschungsverfahren als Nachweis ausreichen. Hat er im Eintragungsverfahren keine ausreichenden Nachweise vorgelegt, und ist die Marke dennoch eingetragen worden, so fällt das in den Verantwortungsbereich des Markeninhabers.

Meta

33 W (pat) 103/09

08.03.2013

Bundespatentgericht 33. Senat

EuGH-Vorlage

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, EuGH-Vorlage vom 08.03.2013, Az. 33 W (pat) 103/09 (REWIS RS 2013, 7542)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7542

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