Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.02.2011, Az. I ZR 172/09

1. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 9510

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Gegenstand

Markenrecht: Vertrieb parallelimportierter Arzneimittel in neuer Verpackung unter Wiederanbringung der Marke - RENNIE


Leitsatz

RENNIE

Ist der Vertrieb eines parallelimportierten Arzneimittels im Inland in einer bestimmten Packungsgröße ohne weiteres dadurch möglich, dass die Originalverpackung mit weiteren Blisterstreifen aufgefüllt und umetikettiert wird, kann sich der Markeninhaber dem Vertrieb des Arzneimittels in einer neuen Verpackung unter Wiederanbringung der Marke widersetzen .

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 2. Oktober 2009 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als hinsichtlich des Klageantrags zu [X.] zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung und im Kostenpunkt wird das Urteil der 33. Zivilkammer des [X.] vom 3. März 2009 auf die Berufung der Klägerin abgeändert.

Die Beklagte wird unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten verurteilt, es zu unterlassen, das Arzneimittel "[X.], 680/80 mg Kautabletten" in der Packungsgröße à 96 Kautabletten aus [X.] nach [X.] zu importieren, umzupacken und in [X.] in eigenen Umverpackungen à 120 Kautabletten zu vertreiben.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 1/4 und die Beklagte zu 3/4 zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin ist Inhaberin der für pharmazeutische Erzeugnisse eingetragenen Marke "[X.]". Unter dieser Marke vertreibt die Muttergesellschaft der Klägerin ein verschreibungsfreies Arzneimittel. In [X.] bietet sie es unter anderem in Packungsgrößen mit 120 Tabletten (10 Blisterstreifen mit jeweils 12 Tabletten) an. In der [X.] wird das Arzneimittel "[X.]" in Packungen mit höchstens 96 Tabletten in Verkehr gebracht. Die Beklagte importiert das Arzneimittel aus der [X.]. Sie vertreibt es seit dem [X.] in einer auf 120 Tabletten aufgefüllten umetikettierten Packung. Im Mai 2008 kündigte die Beklagte an, das Arzneimittel in neu erstellten Umverpackungen mit 120 Tabletten in [X.] zu vertreiben.

2

Die Klägerin macht im vorliegenden Verfahren geltend, der Vertrieb des Arzneimittels zu 120 Tabletten in neu erstellten Umverpackungen statt in umetikettierten [X.] verletze die Rechte an ihrer Marke.

3

Die Klägerin hat beantragt,

[X.] die Beklagte zu verurteilen,

1. es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, das Arzneimittel "[X.], 680/80 mg Kautabletten" in der Packungsgröße à 96 Kautabletten aus [X.] nach [X.] zu importieren, umzupacken und in [X.] in eigenen Umverpackungen à 120 Kautabletten zu vertreiben;

2. an sie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.333,80 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. Oktober 2008 zu zahlen;

3. ihr Auskunft zu erteilen über den Umfang unzulässiger Handlungen gemäß Ziffer 1, und zwar unter Bekanntgabe der Namen und Anschriften der Lieferanten, der gewerblichen Abnehmer und deren Auftraggeber sowie über die Menge der bezogenen, ausgelieferten oder bestellten Arzneimittel;

I[X.] festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr jeglichen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die Handlungen gemäß Ziffer 1 entstanden ist und/oder noch entstehen wird.

4

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, ein Umpacken der importierten Arzneimittel sei erforderlich, um eine im Inland vertriebene Packungsgröße von 120 Tabletten herzustellen. Sie könne frei wählen, ob dies durch Fertigung einer neuen Verpackung oder durch Auffüllen und Umetikettieren der ursprünglichen Verpackungen geschehe.

5

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben ([X.], Urteil vom 2. Oktober 2009 - 6 U 53/09, juris).

6

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe

7

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stünden die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Erstattung von Anwaltskosten und Feststellung der Schadensersatzpflicht aus Markenrecht nicht zu. Dazu hat es ausgeführt:

8

Das Umpacken des von der [X.]n importierten Arzneimittels der Marke "[X.]" in Packungen zu jeweils 120 Tabletten verletze nicht die Markenrechte der Klägerin. Die Markenrechte der Klägerin an den in der [X.] in Verkehr gebrachten Arzneimitteln seien erschöpft. Das Umpacken der in Rede stehenden Arzneimittel sei erforderlich, um in [X.] Zugang zu einem relevanten Teilmarkt zu erhalten. Sei die [X.] danach zum Umpacken berechtigt, könne ihr nicht untersagt werden, neue eigene Faltschachteln zu verwenden. Sie müsse nicht eine Aufstockung der [X.] vornehmen. Die Frage, ob eine neue Verpackung oder eine Aufstockung vorgenommen werde, betreffe nicht die Erforderlichkeit des [X.], sondern nur die Art und Weise, in der das Umpacken erfolge.

9

II. Die Revision hat teilweise Erfolg. Die Klage ist mit dem Unterlassungsantrag zu [X.] begründet. Dagegen sind der [X.] zu [X.], der Auskunftsantrag zu [X.] und der [X.] zu II unbegründet.

1. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Klägerin stehe aufgrund der Erschöpfung kein Unterlassungsanspruch nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 5 [X.] gegen die [X.] zu, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Die Arzneimittel, die die [X.] mit einer neuen Verpackung versieht, auf der sie die [X.] anbringt, hat ein zum Konzern der Klägerin gehöriges Unternehmen in der [X.] unter dieser Bezeichnung in Verkehr gebracht. Hinsichtlich der Markenrechte der Klägerin sind in Bezug auf diese Waren die Voraussetzungen der Erschöpfung nach § 24 Abs. 1 [X.] gegeben. Die Erschöpfung erstreckt sich - vorbehaltlich der Anwendung des § 24 Abs. 2 [X.] - auf alle Handlungen, die nach § 14 Abs. 3 [X.] eine Markenverletzung darstellen können. Auch das Recht, die Marke auf einer neuen Verpackung anzubringen und die Ware mit dieser Verpackung zu vertreiben (§ 14 Abs. 3 Nr. 1 und 2 [X.]), unterliegt der Erschöpfung (vgl. [X.], Urteil vom 11. Juli 1996 - C-427/93, [X.]/93 und [X.]/93, [X.]. 1996, [X.] = [X.]. 1996, 1144 Rn. 34 bis 37, 49 f. - [X.]; [X.], Urteil vom 14. Juni 2007 - [X.], [X.], 1075 Rn. 14 = [X.], 1472 - Stilnox; Urteil vom 12. Juli 2007 - I ZR 147/04, [X.]Z 173, 217 Rn. 15 - [X.]).

b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann sich die Klägerin jedoch dem weiteren Vertrieb der mit der [X.] gekennzeichneten umverpackten Arzneimittel aus berechtigten Gründen im Sinne von § 24 Abs. 2 [X.] widersetzen.

aa) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] beeinträchtigt das Umpacken mit einer Marke versehener Arzneimittel als solches den spezifischen Gegenstand der Marke, der darin besteht, die Herkunft der mit ihr gekennzeichneten Ware zu garantieren. Ein Umpacken der Ware durch einen Dritten ohne Zustimmung des Markeninhabers kann tatsächliche Gefahren für diese Herkunftsgarantie begründen (vgl. [X.], Urteil vom 23. April 2002 - [X.]/00, [X.]. 2002, [X.] = [X.], 879 Rn. 29 - [X.]/[X.]; Urteil vom 26. April 2007 - [X.]/04, [X.]. 2007, [X.] = [X.], 586 Rn. 15, 30 - [X.]/[X.]I).

Der Widerspruch des Markeninhabers gegen den Vertrieb umgepackter Arzneimittel nach Art. 7 Abs. 2 [X.] (§ 24 Abs. 2 [X.]), der eine Abweichung vom Grundsatz des freien Warenverkehrs darstellt, ist jedoch nicht zulässig, wenn die Ausübung dieses Rechts durch den Markeninhaber eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten im Sinne des Art. 36 Satz 2 AEUV (Art. 30 Satz 2 [X.]) darstellt (vgl. [X.], [X.], 586 Rn. 16 - [X.]/[X.]I; Urteil vom 22. Dezember 2008 - [X.]/05, [X.]. 2008, [X.] = [X.], 154 Rn. 23 - [X.]/[X.]). Eine solche verschleierte Beschränkung liegt vor, wenn der Markeninhaber durch die Ausübung seines Rechts, sich dem Umpacken zu widersetzen, zur künstlichen Abschottung der Märkte zwischen den Mitgliedstaaten beiträgt und der Parallelimporteur das Umpacken unter Beachtung der berechtigten Interessen des Markeninhabers vornimmt. Der Markeninhaber kann danach die Veränderung, die mit jedem Umpacken eines mit seiner Marke versehenen Arzneimittels verbunden ist und die ihrem Wesen nach die Gefahr einer Beeinträchtigung des [X.] des Arzneimittels schafft, verbieten, es sei denn, das Umpacken ist für die Vermarktung der parallel importierten Ware erforderlich und die berechtigten Interessen des Markeninhabers sind gewahrt ([X.], [X.], 586 Rn. 19 - [X.]/[X.]I; [X.]Z 173, 217 Rn. 18 - [X.]). Der Markeninhaber kann sich dem weiteren Vertrieb eines Arzneimittels nach Art. 7 Abs. 2 [X.] widersetzen, wenn der Importeur es umgepackt und die Marke wieder angebracht hat, es sei denn, es liegen die fünf in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] entwickelten Erschöpfungsvoraussetzungen vor (vgl. [X.], [X.]. 1996, 1144 Rn. 79 - [X.]; [X.], 586 Rn. 21 - [X.]/[X.]I).

bb) Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass im Streitfall von einer künstlichen [X.] auszugehen ist.

(1) Ob eine künstliche [X.] vorliegt, beurteilt sich nach objektiven Kriterien und nicht danach, ob der Parallelimporteur eine darauf gerichtete Absicht des Markeninhabers nachweist. Von einer künstlichen [X.] ist auszugehen, wenn im Zeitpunkt des Vertriebs bestehende Umstände den Parallelimporteur objektiv zu einem Umpacken des Arzneimittels zwingen, um die betreffende Ware in diesem Mitgliedstaat in Verkehr bringen zu können. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ist von einer künstlichen [X.] auch auszugehen, wenn der Parallelimporteur nur von einem Teilmarkt im [X.] ausgeschlossen wird. Das ist auch anzunehmen, wenn im Ausfuhrmitgliedstaat nur eine Packungsgröße eines Arzneimittels in Verkehr gebracht worden ist, während im [X.] neben dieser Packungsgröße eine weitere Packungsgröße vom Markeninhaber vertrieben wird. Dadurch wird der Parallelimporteur vom Vertrieb der weiteren Packungsgröße im [X.] ausgeschlossen. Dies begründet eine Zwangslage des [X.], die ein Umpacken rechtfertigt (vgl. [X.], [X.]. 1996, 1144 Rn. 52 bis 54 - [X.]; [X.], Urteil vom 5. Juni 2008 - [X.], [X.], 1089 Rn. 34 = [X.], 1554 - [X.]). Dagegen begründen rein wirtschaftliche Vorteile, die sich der Parallelimporteur etwa durch eine werbewirksame und absatzfördernde Verwendung einer anderen Verpackung verspricht, grundsätzlich keine das Umpacken rechtfertigende Zwangslage (vgl. [X.], [X.], 879 Rn. 46 bis 48 - [X.]/[X.]; [X.]Z 173, 217 Rn. 22 - [X.]).

(2) Von diesen Maßstäben ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat zutreffend angenommen, dass die [X.] ohne ein Umpacken von einem Teilmarkt tatsächlich ausgeschlossen wird, der in dem Vertrieb von im Inland üblichen Packungsgrößen mit 120 Tabletten besteht.

Entgegen der Ansicht der Revision steht der Annahme einer künstlichen [X.] nicht der Umstand entgegen, dass die [X.] im Inland die aus der [X.] importierte Packungsgröße mit 96 Tabletten vertreiben könnte. Diese Möglichkeit ändert - unabhängig von der Frage, welcher Absatz sich mit Packungen von 96 Tabletten erzielen lässt - nichts daran, dass die [X.] ohne Umpacken im Inland von dem Teilmarkt der Packungen mit 120 Tabletten ausgeschlossen ist.

cc) Das Berufungsgericht hat angenommen, die [X.] könne das Umpacken in eigene Verpackungen unter [X.] der [X.] vornehmen. Sie sei nicht gehalten, das Umpacken durch Verwendung der Originalverpackungen vorzunehmen, indem diese mit zwei weiteren Blisterstreifen aufgefüllt und umetikettiert würden. Die Wahl zwischen dem Umpacken durch [X.] einschließlich dem Wiederanbringen der Marke und dem Auffüllen der Originalverpackung mit Umetikettierung betreffe nur die Art und Weise des [X.], für die es nicht auf die Erforderlichkeit der Maßnahme ankomme. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

(1) Das Erfordernis, dass das Umpacken notwendig ist, um die Ware im [X.] vermarkten zu können, gilt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] für das Umpacken der Ware als solche sowie für die Wahl zwischen [X.] und Überkleben im Hinblick darauf, den Vertrieb dieser Ware auf dem Markt des [X.]es zu ermöglichen (vgl. [X.], [X.], 586 Rn. 38 - [X.]/[X.]I). Dementsprechend schließt das Kriterium der Erforderlichkeit auch die Frage ein, ob das Umpacken durch [X.] oder durch Umetikettierung der Originalverpackung zu geschehen hat (vgl. [X.], [X.]. 1996, 1144 Rn. 55 - [X.]; [X.], Urteil vom 23. April 2002 - [X.]/99, [X.]. 2002, [X.] = EuZW 2002, 542 Rn. 28 f. - [X.], [X.]/[X.]; [X.], [X.], 879 Rn. 49 f. - [X.]/[X.]; hierzu auch Schlussanträge des Generalanwalts [X.] vom 12. Juli 2001 in der Rechtssache [X.]/99, [X.]. 2002, [X.] Rn. 111 - [X.], [X.]/[X.]; [X.], Urteil vom 11. Juli 2002 - I ZR 219/99, [X.], 1059, 1062 = [X.], 1163 - [X.]/[X.]; Urteil vom 11. Juli 2002 - [X.], [X.], 1063, 1066 = [X.], 1273 - Aspirin I), während die Gestaltung einer neuen Umverpackung eine Frage der Art und Weise des [X.] ist (vgl. [X.], [X.], 154 Rn. 25 - [X.]/[X.]; vgl. hierzu auch [X.], Urteil vom 11. Juli 1996 - [X.] bis 73/94, [X.]. 1996, [X.] = [X.], 867 Rn. 38 - [X.]). Das Umpacken in neu hergestellte Kartons und die [X.] der Marke sind objektiv nicht erforderlich, um einen Zugang des [X.] zum Markt zu gewährleisten, wenn dieser mit neuen Etiketten überklebte Originalkartons verwenden kann, in die weitere Blisterstreifen gefüllt werden. In einer solchen Fallkonstellation sind durch eine Verwendung einer neu gestalteten Verpackung mit [X.] der Marke statt der umetikettierten [X.] nur wirtschaftliche Interessen des [X.] in Gestalt werbewirksamerer oder absatzfördernder Maßnahmen betroffen, die den an sich gegebenen Eingriff in die Rechte des Markeninhabers nicht rechtfertigen.

Hierzu bedarf es keines Vorabentscheidungsersuchens an den Gerichtshof der [X.]. Ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht geboten, wenn der Lösung der Rechtsfrage eine gesicherte Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] zugrunde liegt (vgl. [X.], Urteil vom 30. September 2003 - [X.]/01, [X.]. 2003, [X.] = NJW 2003, 3539 Rn. 118 - [X.]). Davon ist im Streitfall aufgrund der zahlreichen Entscheidungen des Gerichtshofs der [X.] zu umgepackten Arzneimitteln auszugehen. Die Umsetzung dieser Entscheidungspraxis im konkreten Fall ist Aufgabe der Gerichte der Mitgliedstaaten (vgl. Schlussanträge der Generalanwältin [X.] vom 6. April 2006 in der Rechtssache [X.]/04, [X.]. 2007, [X.] Rn. 3 - [X.]/[X.]I).

(2) Danach ist das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, auf die Erforderlichkeit der [X.] und [X.] der Marke komme es im Streitfall nicht an, weil bei der Verwendung der Originalverpackung ein Auffüllen mit zwei Blisterstreifen und damit ein Umpacken erforderlich sei. Nach den vorstehenden Grundsätzen bezieht sich das Kriterium der Erforderlichkeit auch auf die Frage der [X.] im Verhältnis zur Umetikettierung der Originalverpackung, die im Streitfall ohne weiteres möglich ist. Zwischen den [X.]en ist nicht umstritten, dass die Packung mit 96 Tabletten ohne weiteres mit zwei zusätzlichen Blisterstreifen auf eine Packungsgröße von 120 Tabletten aufgestockt werden kann. Die [X.] ist in der Vergangenheit auch entsprechend verfahren. Dass die Verbraucher eine Abneigung gegen derart aufgefüllte Packungen haben, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Die Revisionserwiderung hat auch nicht gerügt, dass entsprechender Vortrag der [X.]n übergangen worden wäre.

Andere Maßstäbe ergeben sich entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung auch nicht aus der jüngeren [X.]srechtsprechung. In dem der Entscheidung "[X.]" ([X.], [X.], 1075) zugrunde liegenden Sachverhalt vertrieb die Markeninhaberin im Ausfuhrmitgliedstaat eine Packung mit drei Blisterstreifen zu je 10 Tabletten, während sie im [X.] Packungen mit 10 und 20 Tabletten in Verkehr brachte. Bei dieser Konstellation hat der [X.] die Erforderlichkeit des [X.] durch [X.] für den gesamten Inhalt der importierten [X.] bejaht. Damit ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar, weil für keinen der Blisterstreifen eine [X.] notwendig ist. Entsprechendes gilt für die Entscheidung "[X.]" ([X.], Urteil vom 12. Juli 2007 - I ZR 148/04, [X.]Z 173, 230), in der der Vertrieb des im Ausfuhrmitgliedstaat in der Packungsgröße zu 60 Tabletten in Verkehr gebrachten Produkts in der Originalverpackung im [X.] nicht in Rede stand. Auch in dem der Entscheidung "[X.]" ([X.], Urteil vom 13. Dezember 2007 - [X.], [X.], 707 = [X.], 944) zugrunde liegenden Sachverhalt bestand die Alternative zur [X.] mit [X.] der Marke nicht in der Verwendung der umetikettierten Originalverpackung.

2. Die Revision ist dagegen unbegründet, soweit sie sich gegen die Abweisung des [X.]s zu [X.], des [X.] zu [X.] und des Antrags auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung wendet.

a) Der mit dem Klageantrag zu II dem Grunde nach geltend gemachte Schadensersatzanspruch steht der Klägerin nicht zu, weil nicht festgestellt ist, dass die [X.] den bislang nur angekündigten Vertrieb von neuen Umverpackungen mit 120 Tabletten aufgenommen hat. Der Schadensersatzanspruch nach § 14 Abs. 6 [X.] setzt eine gegen § 14 Abs. 2 [X.] verstoßende Verletzungshandlung voraus, für die von der Revision nichts aufgezeigt und auch sonst nichts ersichtlich ist.

b) Die Zahlung von Rechtsanwaltskosten kann die Klägerin ebenfalls nicht beanspruchen. Ein Schadensersatzanspruch nach § 14 Abs. 6 [X.], der auch die Erstattung von Rechtsverfolgungskosten umfassen kann (vgl. [X.], Urteil vom 29. Juli 2009 - [X.], [X.], 239 Rn. 51 = [X.], 384 - BTK), besteht nicht. Ein Aufwendungsersatzanspruch nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 670, 677, 683 BGB ist ebenfalls nicht gegeben. Mit der Entgegennahme der Information und der Inanspruchnahme von anwaltlichen Beratungsleistungen, für die die Klägerin vorliegend Ersatz beansprucht, hat sie kein Geschäft der [X.]n geführt.

c) Der Auskunftsanspruch (Klageantrag zu [X.]) ist nicht begründet. Ein unselbständiger Auskunftsanspruch nach § 242 BGB zur Vorbereitung eines Schadensersatzanspruchs besteht nicht, weil die [X.] der Klägerin nicht zum Schadensersatz nach § 14 Abs. 6 [X.] verpflichtet ist. Der Anspruch auf Drittauskunft nach § 19 [X.] setzt ebenfalls eine Verletzungshandlung voraus (vgl. [X.]/[X.]/[X.], Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht, Medienrecht, 2. Aufl., § 19 [X.] Rn. 4; Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 19 Rn. 21; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., § 19 Rn. 9), die vorliegend nicht gegeben ist.

III. Das Berufungsurteil kann daher nicht aufrechterhalten werden, soweit das Berufungsgericht hinsichtlich des Unterlassungsantrags zu [X.] zum Nachteil der Klägerin erkannt hat (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der [X.] kann auch im Umfang der Aufhebung des Berufungsurteils in der Sache selbst entscheiden, weil weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind und die Sache nach den getroffenen Feststellungen zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Eine Zurückverweisung ist nicht geboten, um der [X.]n Gelegenheit zu geben, dazu Stellung zu nehmen, ob bei Verbrauchern eine Abneigung dagegen besteht [X.] abzunehmen, die mit zwei Blisterstreifen aufgefüllt sind. Eine Verletzung der Hinweispflicht nach § 139 ZPO liegt entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht vor. Das Berufungsgericht war nicht verpflichtet, die [X.] darauf hinzuweisen, sie habe nichts dazu vorgetragen, dass das Publikum auf 120 Tabletten aufgefüllte Packungen nicht akzeptiere. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, einen [X.]n durch Fragen oder Hinweise zu neuem Verteidigungsvorbringen zu veranlassen, das in seinem bisherigen Vortrag nicht einmal andeutungsweise eine Grundlage hat. Eine Zurückverweisung ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des fairen Verfahrens geboten. Das Revisionsgericht ist nicht gehalten, einer [X.] durch Zurückverweisung der Sache in die Berufungsinstanz zu ermöglichen, neue Verteidigungsmittel vorzubringen, die sie im Hinblick auf den Sach- und Streitstand ohne weiteres in den Tatsacheninstanzen hätte geltend machen können (vgl. [X.], Urteil vom 2. November 1982 - [X.], NJW 1983, 624, 625; Urteil vom 21. September 2000 - [X.], [X.], 352, 354 = [X.], 394 - Kompressionsstrümpfe; Beschluss vom 2. Oktober 2003 - [X.], [X.]Z 156, 269, 270). Danach ist auf die Berufung der Klägerin das Urteil des [X.] teilweise abzuändern und die [X.] nach dem Unterlassungsantrag zu verurteilen.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 5 [X.] zu. Die [X.] hat angekündigt, unter der Marke "[X.]" im Inland Arzneimittel zu vertreiben. Das in Aussicht genommene Verhalten erfüllt den Tatbestand einer Markenverletzung im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 1 [X.]. Der Vertrieb eines Arzneimittels unter dem Zeichen "[X.]" im Inland ist eine Benutzung eines mit der [X.] identischen Zeichens für Waren, die mit denjenigen identisch sind, für die die Marke Schutz genießt.

Die Erschöpfung der Marke nach § 24 Abs. 1 [X.] kommt im Streitfall nicht in Betracht, weil die Klägerin sich dem Vertrieb neuer Verpackungen mit der [X.] aus berechtigten Gründen im Sinne von § 24 Abs. 2 [X.] widersetzen kann (dazu oben Rn. 10 ff.).

Die für den vorbeugenden Unterlassungsanspruch erforderliche Erstbegehungsgefahr nach § 14 Abs. 5 Satz 2 [X.] folgt aus der in Rede stehenden Ankündigung der [X.]n, das Arzneimittel im Inland in neuen mit der [X.] gekennzeichneten Verpackungen zu vertreiben.

IV. [X.] beruht auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Bornkamm                                        Büscher                                  Schaffert

                         [X.]                                        Koch

Meta

I ZR 172/09

10.02.2011

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Köln, 2. Oktober 2009, Az: 6 U 53/09, Urteil

§ 14 Abs 2 Nr 1 MarkenG, § 14 Abs 5 MarkenG, § 14 Abs 6 MarkenG, § 24 Abs 1 MarkenG, § 24 Abs 2 MarkenG, Art 7 Abs 2 EWGRL 104/89

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.02.2011, Az. I ZR 172/09 (REWIS RS 2011, 9510)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9510


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. I ZR 172/09

Bundesgerichtshof, I ZR 172/09, 10.02.2011.


Az. 6 U 53/09

Oberlandesgericht Köln, 6 U 53/09, 02.10.2009.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

VIII ZR 101/22

I ZR 263/15

I ZR 99/12

I ZR 239/14

I ZR 172/09

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