Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.10.2013, Az. I ZR 99/12

1. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 2177

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Gegenstand

Revisionsverfahren zur markenrechtlichen Zulässigkeit des Umpackens parallelimportierter Arzneimittel


Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] - 3. Zivilsenat - vom 5. April 2012 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage auch mit dem Klageantrag zu [X.] (Umpacken von "[X.]") abgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die markenrechtliche Zulässigkeit des Umpackens parallelimportierter Arzneimittel.

2

Die Klägerin ist ein forschendes Pharmaunternehmen. Sie ist Inhaberin der für pharmazeutische Erzeugnisse registrierten Gemeinschaftswortmarken Nr. 2 409 225 "[X.]" und [X.] 707 835 "[X.]" sowie der Gemeinschaftswortmarke [X.] 072 602 "[X.]", die für pharmazeutische Erzeugnisse zur Behandlung von Erkrankungen des zentralen Nervensystems geschützt ist.

3

Das Arzneimittel "[X.]" in der [X.] 0,18 mg (Base) wird sowohl in [X.] als auch in [X.] in Packungsgrößen zu 30 und zu 100 Tabletten vertrieben. Allerdings werden in [X.] aufgrund der dortigen Verschreibungsgewohnheiten - anders als in [X.] - zu 80% Packungen mit 30 Tabletten und nur zu 20% Packungen mit 100 Tabletten abgesetzt. Das Arzneimittel "[X.]" ist in [X.] und das Mittel "[X.]" in [X.] und [X.] in der Packungsgröße 28 Tabletten erhältlich. In diesen [X.] werden die auf dem [X.] Markt neben dieser Packungsgröße weit überwiegend angebotenen Packungsgrößen von 56 ("[X.]") bzw. 98 Tabletten ("[X.]") nicht vertrieben.

4

Mit Schreiben vom 27. Februar 2008 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie beabsichtige, das Präparat "[X.]" in Packungen von 30 Tabletten (drei Blister à zehn Tabletten) der [X.] 0,18 mg (Base) aus [X.] zu importieren und in einer Packungsgröße von 100 Tabletten (zehn Blister à zehn Tabletten) in [X.] in Verkehr zu bringen. Unter dem 17. März 2008 unterrichtete die Beklagte die Klägerin über ihre Absicht, das Arzneimittel "[X.]" in Packungen von 28 Tabletten (vier Blister à sieben Tabletten) mit der [X.] 80 mg/12,5 mg aus [X.] zu importieren und in einer eigenen Umverpackung mit 98 Tabletten (14 Blister à sieben Tabletten) in [X.] zu vertreiben. Eine entsprechende Mitteilung der Beklagten an die Klägerin erfolgte für aus [X.] importierte Arzneimittel "[X.]" in der [X.] 80 mg/25 mg mit Schreiben vom 17. Dezember 2008. Unter dem 21. April 2009 teilte die Beklagte der Klägerin ihre Absicht mit, das Arzneimittel "[X.]" in der [X.] 40 mg und der Packungsgröße 28 Tabletten aus [X.] zu importieren und nicht mehr - wie bisher - in etikettierten [X.] mit insgesamt 56 Tabletten, sondern in einer eigenen Umverpackung mit 56 Tabletten in [X.] zu vertreiben.

5

Die vorgenannten, von der Beklagten im jeweiligen Ausfuhrmitgliedstaat aufgekauften Packungsgrößen der Präparate der Klägerin sind in [X.] aufgrund der im zentralisierten Verfahren durch die [X.] Zulassungsbehörde erteilten Zulassungen verkehrsfähig. Mit dieser Begründung widersprach die Klägerin jeweils dem beabsichtigten Umpacken.

6

Die Klägerin hat beantragt, der Beklagten unter Androhung von [X.] zu verbieten, wie in den Schreiben vom 27. Februar, 17. März und 17. Dezember 2008 sowie 21. April 2009 angekündigt, Arzneimittel nach [X.] zu importieren, umzupacken und in [X.] anzubieten und/ oder in Verkehr zu bringen.

7

Das [X.] hat der Klage hinsichtlich des Umpackens von "[X.]" in die Packungsgröße 100 Tabletten (Unterlassungsantrag zu [X.]) stattgegeben, weil die Beklagte sich 100er-Packungen dieses Arzneimittels in [X.] beschaffen könne. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und auf die Anschlussberufung der Beklagten die Klage insgesamt abgewiesen ([X.], [X.] 2012, 455).

8

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre ursprünglichen Anträge weiter.

Entscheidungsgründe

9

A. Das Berufungsgericht hat die Markenrechte der Klägerin an den von der Beklagten importierten Arzneimitteln als erschöpft angesehen. Dazu hat es ausgeführt:

Art. 13 Abs. 2 [X.] stehe dem weiteren Vertrieb der mit der jeweiligen Klagemarke gekennzeichneten umgepackten Arzneimittel nicht entgegen. Die in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] entwickelten fünf Erschöpfungsvoraussetzungen seien erfüllt. Für die ersten vier Voraussetzungen sei dies unstreitig. Es liege aber auch eine künstliche [X.] vor. Die Versagung des [X.] der importierten Präparate "[X.]" und "[X.]" in eigene Umverpackungen der Beklagten in den Packungsgrößen 56 Tabletten ("[X.]") und 98 Tabletten ("[X.]") schließe die importierte Ware jeweils von diesen Teilmärkten in [X.] aus. Die damit verbundene künstliche [X.] habe zur Folge, dass die Klägerin sich dem weiteren Vertrieb der umgepackten Arzneimittel nicht widersetzen könne. Für das Arzneimittel "[X.]" führe es zu keinem abweichenden Ergebnis, dass es im [X.] ([X.]) in der Packungsgröße 100 Tabletten in ausreichenden Mengen verfügbar sei. Denn die Beklagte könne nicht darauf verwiesen werden, die Teilmärkte des [X.] durch Ankauf passender Packungsgrößen in den [X.]en zu bedienen. Die Klägerin dürfe sich daher dem Umpacken des in der Packungsgröße 30 Tabletten importierten Präparats "[X.]" in eigene Umverpackungen der Beklagten mit der [X.] (100 Tabletten) nicht widersetzen.

B. Die Revision der Klägerin hat hinsichtlich der Importe von "[X.]" aus [X.] und [X.] sowie von "[X.]" aus [X.] (Klageanträge zu [X.] bis I 4) keinen Erfolg. Das Berufungsgericht ist insoweit rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Markenrechte der Klägerin erschöpft sind und dem Umpacken der Arzneimittel in größere eigene Verpackungen durch die Beklagte nicht entgegenstehen (unten I). Hingegen reichen die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht aus, um für das Mittel "[X.]" die Erforderlichkeit des [X.] der aus [X.] eingeführten Packungen mit 28 Tabletten in eigene Packungen der Beklagten mit 56 Tabletten zu bejahen (unten II).

I. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Markenrechte der Klägerin seien erschöpft, hält hinsichtlich des [X.] der Arzneimittel "[X.]" und "[X.]" rechtlicher Nachprüfung stand.

1. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] beeinträchtigt das Umpacken mit einer Marke versehener Arzneimittel als solches den spezifischen Gegenstand der Marke, der darin besteht, die Herkunft der mit ihr gekennzeichneten Ware zu garantieren. Der Widerspruch des Markeninhabers gegen den Vertrieb umgepackter Arzneimittel nach Art. 13 Abs. 2 [X.] ist jedoch nicht zulässig, wenn die Ausübung dieses Rechts eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten im Sinne des Art. 36 Satz 2 AEUV darstellt (vgl. [X.], Urteil vom 26. April 2007 - [X.]/04, [X.]. 2007, [X.] = [X.], 586 Rn. 15 f. - [X.]/[X.]). Eine solche verschleierte Beschränkung liegt vor, wenn der Markeninhaber durch die Ausübung seines Rechts, sich dem Umpacken zu widersetzen, zur künstlichen Abschottung der Märkte zwischen den Mitgliedstaaten beiträgt und der Parallelimporteur das Umpacken unter Beachtung der berechtigten Interessen des Markeninhabers vornimmt. Der Markeninhaber kann sich dem weiteren Vertrieb eines Arzneimittels, das der Importeur umgepackt und wieder mit der Marke versehen hat, nach Art. 7 Abs. 2 [X.] nicht widersetzen, wenn die fünf in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] entwickelten Erschöpfungsvoraussetzungen vorliegen (vgl. [X.], Urteil vom 11. Juli 1996, C-427/93, [X.]/93 und [X.]/93, [X.]. 1996, [X.] = [X.]. 1996, 1144 Rn. 79 - [X.]; [X.], [X.], 586 Rn. 21 - [X.]/[X.]; [X.], Urteil vom 10. Februar 2011 - [X.], [X.], 817 Rn. 16 = [X.], 1164 - [X.]).

2. Das Berufungsgericht hat angenommen, von diesen Voraussetzungen stehe zwischen den Parteien allein in Streit, ob der Widerspruch der Klägerin gegen das Umpacken durch die Beklagte zu einer künstlichen [X.] führe. Dagegen erhebt die Revision keine Einwände. Das Berufungsgericht ist aber zu Recht davon ausgegangen, dass im Streitfall auch die Erschöpfungsvoraussetzung der künstlichen [X.] erfüllt ist.

Von einer künstlichen [X.] ist auszugehen, wenn im Zeitpunkt des Vertriebs bestehende Umstände den Parallelimporteur objektiv zu einem Umpacken des Arzneimittels zwingen, um die betreffende Ware im [X.] in Verkehr bringen zu können. Ein Fall der künstlichen [X.] liegt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] auch dann vor, wenn der Parallelimporteur nur von einem Teilmarkt im [X.] ausgeschlossen wird. Das ist auch dann anzunehmen, wenn im [X.] nur eine Packungsgröße eines Arzneimittels in Verkehr gebracht worden ist, während im [X.] neben dieser Packungsgröße eine weitere Packungsgröße vom Markeninhaber vertrieben wird. Dadurch wird der Parallelimporteur vom Vertrieb der weiteren Packungsgröße im [X.] ausgeschlossen. Dies begründet eine Zwangslage des [X.], die ein Umpacken rechtfertigt (vgl. [X.], [X.]. 1996, 1144 Rn. 52 bis 54 - [X.]; [X.], Urteil vom 23. April 2002 - [X.]/99, [X.]. 2002, [X.] = [X.]. 2002, 745 Rn. 26 f. - [X.], [X.]; [X.], Urteil vom 5. Juni 2008 - [X.], [X.], 1089 Rn. 34 = [X.], 1554 - [X.] PRO; [X.], [X.], 817 Rn. 16 - [X.]).

3. In Anwendung dieser Maßstäbe hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen, dass die Beklagte ohne ein Umpacken vom Teilmarkt der im Inland bei "[X.]" weit überwiegend nachgefragten Packungsgröße zu 98 Tabletten tatsächlich ausgeschlossen wird (vgl. [X.], [X.], 817 Rn. 17 - [X.]). Die von der Revision gegen diese Beurteilung erhobenen Einwände greifen nicht durch.

a) Vergeblich macht die Revision geltend, der freie Handel zwischen den Mitgliedstaaten werde durch eine Untersagung des [X.] nicht beschränkt, wenn eine im [X.] verkehrsfähige Arzneimittelpackung im [X.] ebenso verkehrsfähig sei. Der [X.] hat in Anwendung der vom Gerichtshof der [X.] entwickelten Grundsätze bereits entschieden, dass der Ausschluss eines eingeführten Arzneimittels von den durch weitere Packungsgrößen im [X.] gebildeten Teilmärkten eine künstliche [X.] darstellt, ohne dass es auf die Möglichkeit ankommt, das eingeführte Arzneimittel in unveränderter Form auch im [X.] vertreiben zu können ([X.], [X.], 1089 Rn. 34 - [X.] PRO).

Im Streitfall liegt hinsichtlich des Arzneimittels "[X.]" der vom Gerichtshof der [X.] als Beispiel einer künstlichen [X.] angeführte Fall vor. In den [X.]en [X.] und [X.] ist jeweils nur die Packungsgröße 28 Tabletten in Verkehr gebracht worden, während im [X.] [X.] neben dieser Packungsgröße weit überwiegend die Packungsgröße 98 Tabletten vom Markeninhaber vertrieben wird ([X.], [X.], 1089 Rn. 34 - [X.] PRO, unter Hinweis auf [X.], [X.]. 1996, 1144 Rn. 52 bis 54 - [X.]; [X.]. 2002, 745 Rn. 26 f. - [X.], [X.]).

b) Um einen Teilmarkt handelt es sich danach nicht nur bei einem regional abgrenzbaren Markt, sondern auch dann, wenn ein Präparat im [X.] in einer anderen Packungsgröße angeboten wird ([X.], [X.]. 1996, 1144, Rn. 54 - [X.]; [X.]. 2002, 745 Rn. 26 f. - [X.], [X.]). Entgegen der Ansicht der Revision kommt es nicht darauf an, ob ein solcher Teil des Marktes nach dem im Kartellrecht maßgeblichen Bedarfsmarktkonzept einen eigenständigen Produktmarkt darstellt.

c) Die Revision wendet ferner vergeblich ein, Art. 34 AEUV könne nicht dazu herangezogen werden, einem Parallelimporteur etwas zu erlauben, was ihm in einem tatsächlich voll integrierten Markt versagt wäre. Eine Beschränkung der Markenrechte durch Zulassung des [X.] kommt in einem tatsächlich voll integrierten Markt von vornherein nicht in Betracht, weil es dort keine künstliche [X.] durch regional unterschiedlich verwendete Packungsgrößen geben kann. Im Binnenmarkt der [X.], in dem es nach wie vor und insbesondere auch bei Arzneimitteln nationale Absatzmärkte gibt, verhält es sich anders. Parallelimporte sind dementsprechend wirtschaftlich auch nur so lange interessant, wie es an einem voll integrierten Binnenmarkt fehlt.

d) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die Beklagte bezwecke mit der [X.] der importierten Packungen des Arzneimittels "[X.]-Plus" mit 28 Tabletten allein wirtschaftliche Vorteile, was keine die [X.] rechtfertigende Zwangslage darstellen könne.

Für eine tatsächliche Behinderung des Marktzugangs reicht es aus, wenn das Hindernis für eine der vom Markeninhaber im [X.] verwendeten Packungen besteht. Diesem Fall, in dem das Umpacken berechtigt ist, steht der Fall gegenüber, dass es dem Parallelimporteur ausschließlich darum geht, einen wirtschaftlichen Vorteil zu erlangen, was das Umpacken nicht rechtfertigt (vgl. [X.], [X.]. 2002, 745 Rn. 26 f. - [X.], [X.]). Aus dieser vom Gerichtshof der [X.] gewählten Gegenüberstellung des berechtigten [X.] zur Beseitigung eines Hindernisses für den Marktzugang einerseits und einem allein zum wirtschaftlichen Vorteil des [X.] erfolgenden Umpacken andererseits folgt, dass ein Umpacken, das erforderlich ist, um den Vertrieb in einer im [X.] gängigen Packungsgröße zu ermöglichen, nicht als ein ausschließlich zum wirtschaftlichen Vorteil des [X.] erfolgendes Umpacken angesehen werden kann. Aus den von der Revision angeführten Urteilen des Gerichtshofs der [X.] ergibt sich nichts Abweichendes (vgl. [X.], Urteil vom 12. Oktober 1999 - C-379/97, [X.]. 1999, [X.] = [X.]. 2000, 159 Rn. 44 - Upjohn; [X.], [X.], 586 Rn. 37 - [X.]/[X.]).

Der Einwand der Revision, bei diesem Verständnis verbliebe für den Ausschluss bloß wirtschaftlicher Vorteile kein Anwendungsbereich, greift nicht durch. Können etwa durch das Anbringen neuer Etiketten vertriebsfähige Verpackungen geschaffen werden, begründen rein wirtschaftliche Vorteile, die sich der Parallelimporteur beispielsweise durch eine werbewirksamere und absatzfördernde Gestaltung der Verpackung verspricht, keine zur Verwendung neuer Kartons nötigende Zwangslage (vgl. [X.], Urteil vom 11. Juli 2002 - I ZR 219/99, [X.], 1059, 1062 = [X.], 1163 - [X.]/[X.], unter Hinweis auf die Schlussanträge des Generalanwalts [X.] vom 12. Juli 2001 in den Rechtssachen [X.]/99 - [X.], [X.] und - [X.]/00 - [X.]/[X.], [X.]. 2002, [X.] Rn. 106 und 115). Dasselbe gilt, wenn der Parallelimporteur die vom Markeninhaber im [X.] benutzte Marke durch eine wirksamere und absatzfördernde Marke ersetzen will (vgl. [X.], [X.], 1089 Rn. 30 - [X.] PRO).

e) Auf die Frage, ob gesetzliche Bestimmungen in [X.] bei "[X.]" der Abgabe von zwei Packungen mit 28 Tabletten anstelle einer verschriebenen Packung mit 56 Tabletten entgegenstehen, kommt es nicht an. Für eine künstliche Abschottung der Märkte zwischen Mitgliedstaaten genügt die tatsächliche Behinderung des Zugangs der eingeführten Erzeugnisse zum Markt des [X.]. Solche tatsächlichen Hindernisse können sich etwa aus nationalen Praktiken in Bezug auf die Verpackung oder aus festen ärztlichen Verschreibungsgewohnheiten ergeben ([X.], [X.]. 1996, 1144 Rn. 53 - [X.]; [X.]. 2002, 745 Rn. 25 f. - [X.], [X.]). Dementsprechend kann das Umpacken von Arzneimitteln erforderlich sein, wenn in [X.] nicht die eingeführten Originalpackungen, sondern Packungen abweichender Größe verschreibungsüblich sind ([X.], Urteil vom 14. Juni 2007 - [X.], [X.], 1075 Rn. 25 f. = WRP 2007, 1472 - [X.]; [X.], [X.], 817 Rn. 17 - [X.]). Auf die vom Berufungsgericht angestellten Erwägungen zur Zulässigkeit eines Absatzes kleinerer anstelle größerer Packungen kommt es daher nicht an.

f) Allerdings darf die Befugnis des Inhabers einer in einem Mitgliedstaat geschützten Marke, sich dem Vertrieb umgepackter Waren unter dieser Marke zu widersetzen, nur insoweit beschränkt werden, als das Umpacken durch den Importeur erforderlich ist, um die Ware im [X.] vertreiben zu können. Der Markeninhaber darf dem Umpacken der Ware in eine neue äußere Verpackung daher entgegentreten, wenn der Importeur eine im [X.] vertriebsfähige Packung schaffen kann, indem er zum Beispiel auf der äußeren und inneren Originalverpackung neue Etiketten in der Sprache des [X.] anbringt, neue [X.] oder [X.] in der Sprache des [X.] beilegt oder einen zusätzlichen Artikel, der im [X.] nicht zugelassen werden kann, gegen einen vergleichbaren zugelassenen Artikel austauscht ([X.], [X.]. 1996, 1144 Rn. 55 f. - [X.]). Eine [X.] ist danach auch nicht notwendig, wenn die eingeführten Packungen ohne weiteres durch zusätzliche Blisterstreifen auf die im Inland angebotene Packungsgröße aufgestockt werden können (vgl. [X.], [X.], 817 Rn. 20, 22 - [X.]).

Ein solcher Fall liegt hier hinsichtlich des Arzneimittels "[X.]" indes nicht vor. Die Revision zeigt nicht auf, wie die aus [X.] und [X.] eingeführten Packungen "[X.]" in der Packungsgröße von 28 Tabletten ohne Verwendung einer eigenen Umverpackung der Beklagten in einer Packungsgröße mit 98 Tabletten vertrieben werden könnten. Eine Bündelung mehrerer Packungen mit 28 Tabletten kommt dafür nicht in Betracht (vgl. [X.], Urteil vom 11. Juli 2002 - [X.], juris Rn. 32). Die Klägerin hat auch nicht geltend gemacht, die aus [X.] eingeführten Packungen könnten durch Hinzufügung von zehn weiteren Blistern mit je sieben Tabletten von 28 auf 98 Tabletten aufgestockt werden (vgl. [X.], [X.], 817 Rn. 20 - [X.]).

g) Eine Vorlage an den Gerichtshof der [X.] nach Art. 267 AEUV ist nicht geboten. In der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist geklärt, dass der Ausschluss des [X.] von einem Teilmarkt eine künstliche [X.] begründen kann. Ob die Voraussetzungen einer künstlichen [X.] eines Teilmarkts im Streitfall vorliegen, ist dagegen eine Tatfrage, deren Beantwortung den nationalen Gerichten obliegt (vgl. [X.], [X.], 586 Rn. 46 - [X.]/[X.]; [X.], [X.], 1089 Rn. 35 - [X.] PRO).

4. Zu Recht hat das Berufungsgericht auch den [X.] ("[X.]") auf die Anschlussberufung der Beklagten abgewiesen.

Der maßgebliche Sachverhalt bei diesem Arzneimittel unterscheidet sich von dem zuvor behandelten Fall der Einfuhr von "[X.]" allein dadurch, dass die in [X.] weit überwiegend nachgefragte Packungsgröße mit 100 Tabletten auch in [X.] verkehrsfähig und in für Zwecke des Parallelimports ausreichenden Mengen zu beschaffen ist. Für die Frage der Erforderlichkeit des [X.] ist aber nur auf das konkrete im [X.] in Verkehr gebrachte [X.] abzustellen ([X.], Urteil vom 12. Juli 2007 - I ZR 148/04, [X.]Z 173, 230 Rn. 33 - [X.] unter Hinweis auf [X.], Urteil vom 1. Juli 1999 - [X.]/98, [X.]. 1999, [X.] = [X.]. 1999, 870 Rn. 19 f. - [X.]). Wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, ist ein Umpacken dann zulässig, wenn die konkret importierte Ware andernfalls vom Vertrieb auf einem Teilmarkt des [X.] ausgeschlossen wäre. Dementsprechend darf der Parallelimporteur nicht darauf verwiesen werden, die (auch) durch die Packungsgröße bestimmten Teilmärkte des [X.] durch den Ankauf passender Packungen in den [X.]en zu bedienen.

Folglich steht der Klägerin auch kein Unterlassungsanspruch gegen das Umpacken aus [X.] eingeführter "[X.]"-Tabletten der Packungsgröße 30 Tabletten in die Packungsgröße 100 Tabletten für den [X.] Markt zu.

II. Hinsichtlich der Einfuhr des Arzneimittels "[X.]" hat das Berufungsgericht die Erforderlichkeit des [X.] in eigene Verpackungen der Beklagten indes nicht rechtsfehlerfrei festgestellt.

1. Das Umpacken in neu hergestellte Packungen ist objektiv nicht erforderlich, um einen Zugang des [X.] zum Markt zu gewährleisten, wenn dieser mit neuen Etiketten überklebte Originalkartons verwenden kann, in die weitere Blisterstreifen gefüllt werden ([X.], [X.], 817 Rn. 20 - [X.]). Ob das der Fall ist, hat das Berufungsgericht für das Mittel "[X.]" nicht geprüft. Dazu hätte Anlass bestanden, weil die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts "[X.]" in [X.] zuvor in etikettierten [X.] mit insgesamt 56 Tabletten vertrieben hatte. Nach den Feststellungen des [X.], auf die das Berufungsgericht verweist, war und ist das Aufstocken von Packungen mit 28 Tabletten auf 56 Tabletten aufgrund des [X.] der importierten Packungen möglich. Auch in ihrer Mitteilung vom 21. April 2009, mit der die Beklagte die Klägerin darüber informiert hat, dass sie in Zukunft "[X.]" in neu erstellten Umverpackungen in Verkehr bringen werde, gibt die Beklagte keinen Grund an, warum sie an der bisherigen Praxis, "[X.]" in [X.] zu vertreiben, nicht festhält.

Unter diesen Umständen hatte die - insoweit darlegungs- und beweisbelastete - Beklagte nicht dargelegt, dass eine [X.] auch bei "[X.]" erforderlich ist.

2. Dennoch kann der Klage beim derzeitigen Verfahrensstand auch hinsichtlich des [X.] von "[X.]" (Klageantrag zu [X.]) nicht stattgegeben werden. Das [X.] hatte die Klage insoweit abgewiesen, obwohl es festgestellt hatte, dass ein Auffüllen der importierten Packungen auf 56 Tabletten möglich war. Die Klägerin hatte diesen Umstand zwar mit der Klage vorgetragen, sich darauf aber bei ihren Rechtsausführungen zu keinem Zeitpunkt gestützt. Vor diesem Hintergrund hat die Beklagte ihre bisherige Auffüllpraxis erkennbar für unerheblich gehalten.

Unter diesen Umständen hätte das Berufungsgericht dem Klageantrag zu [X.] nicht stattgeben dürfen, ohne der Beklagten durch einen Hinweis Gelegenheit zu geben, zur Frage der Erforderlichkeit der [X.] bei "[X.]" ergänzend vorzutragen (§ 139 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 ZPO). Dementsprechend ist hier im Hinblick auf den Anspruch der Parteien auf ein faires Verfahren von einer Verurteilung der Beklagten nach dem Antrag zu [X.] in der Revisionsinstanz abzusehen. Der Beklagten ist im wiedereröffneten Berufungsverfahren Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben.

III. Bei der erneuten Verhandlung wird das Berufungsgericht gegebenenfalls auch zu prüfen haben, ob sich eine [X.] bei dem Arzneimittel "[X.]" als nicht erforderlich erweist, weil zwei aus [X.] importierte Packungen mit 28 Tabletten durch eine entsprechend gekennzeichnete Banderole zu einer Verkaufseinheit mit 56 Tabletten verbunden werden können (vgl. [X.], Urteil vom 11. Juli 2002 - [X.], juris Rn. 32).

Bornkamm     

Schaffert     

     [X.]

Ri[X.] Dr. Löffler ist in Urlaub und
kann daher nicht unterschreiben.

Grabinski     

Bornkamm

Meta

I ZR 99/12

09.10.2013

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 5. April 2012, Az: 3 U 38/10, Urteil

§ 139 Abs 1 S 2 ZPO, § 139 Abs 2 S 1 ZPO, Art 13 Abs 2 EGV 40/94, Art 34 AEUV, Art 36 S 2 AEUV, Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.10.2013, Az. I ZR 99/12 (REWIS RS 2013, 2177)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2177

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

I ZR 263/15

I ZR 239/14

I ZR 99/12

Zitiert

I ZR 172/09

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