Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 18.09.2019, Az. 5 AZB 20/19

5. Senat | REWIS RS 2019, 3478

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Gegenstand

Sofortige Beschwerde wegen verspäteter Absetzung des Berufungsurteils - Unterschriften der mitwirkenden Richter - vorschriftsmäßige Besetzung


Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 19. Dezember 2018 - 8 [X.]/17 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die [X.]arteien streiten darüber, ob die beklagte Rechtsanwältin [X.]orderungen gegen die Staatskasse aus einer Tätigkeit als [X.]flichtverteidigerin an die Klägerin, ihre vormalige Arbeitgeberin, abtreten muss.

2

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat in der Berufungsverhandlung am 7. [X.]ebruar 2018 Beweis erhoben zum Zeitpunkt des [X.] der Berufungsbegründung in den Nachtbriefkasten des Gerichts durch Zeugeneinvernahme und sodann mit - inzwischen rechtskräftigem - Zwischenurteil vom 2. [X.]ärz 2018 entschieden, dass die Berufung der Beklagten zulässig ist. Nach einer weiteren Berufungsverhandlung am 5. Dezember 2018 hat das [X.] mit Urteil vom 19. Dezember 2018, das der Beklagten am 27. [X.]ai 2019 zugestellt worden ist, deren Berufung zurückgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen.

3

[X.]it einem am 17. Juni 2019 beim [X.] eingegangenen Schriftsatz hat die Beklagte sofortige Beschwerde nach § 72b ArbGG wegen verspäteter Absetzung des Berufungsurteils erhoben. Sie hat vorgebracht, das Berufungsurteil sei nicht binnen fünf [X.]onaten nach der Verkündung mit den Unterschriften sämtlicher [X.]itglieder der Kammer versehen der Geschäftsstelle übergeben worden. Neben dem [X.] habe ein [X.] unterschrieben, als [X.] an der Berufungsverhandlung am 5. Dezember 2018 habe jedoch [X.] teilgenommen. Die dritte Unterschrift lasse nicht erkennen, ob es sich dabei um [X.] A [X.] handele. Schließlich hätten die zu der Berufungsverhandlung am 7. [X.]ebruar 2018 herangezogenen ehrenamtlichen Richter - [X.]err [X.] und [X.]err [X.] - mittelbar, wenn nicht sogar unmittelbar auch an der Entscheidung vom 19. Dezember 2018 mitgewirkt. Ihre Unterschriften fehlten auf dem anzufechtenden Berufungsurteil.

4

II. Die frist- und formgerecht eingelegte sofortige Beschwerde (§ 72b Abs. 2 und Abs. 3 ArbGG) der Beklagten ist nicht begründet.

5

1. Nach § 72b Abs. 1 ArbGG kann das Urteil eines [X.]s durch sofortige Beschwerde angefochten werden, wenn es nicht binnen fünf [X.]onaten nach Verkündung vollständig abgefasst und mit den Unterschriften sämtlicher [X.]itglieder der Kammer versehen der Geschäftsstelle übergeben worden ist. Die Vorschrift erfordert lediglich ein formal vollständig abgefasstes Urteil, also ein Urteil, das den Anforderungen der §§ 313 bis 313b Z[X.]O, § 69 ArbGG entspricht ([X.] 20. Dezember 2006 - 5 [X.] - Rn. 4, [X.]E 120, 358; vgl. auch G[X.][X.]/[X.] 9. Aufl. § 72b Rn. 21 ff.; [X.]WK/[X.] 8. Aufl. § 72b ArbGG Rn. 6, jeweils mwN). Dazu gehört, dass das Urteil des [X.]s von sämtlichen [X.]itgliedern der Kammer unterschrieben ist (§ 69 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Erforderlich sind die Unterschriften derjenigen [X.]itglieder der Kammer, die an der Entscheidung mitgewirkt haben ([X.] 19. Dezember 2012 - 2 [X.] - Rn. 7 mwN).

6

2. Diesen Anforderungen genügt das anzufechtende Urteil.

7

a) Nach Aktenlage ist das Urteil des [X.]s vom 19. Dezember 2018, so wie es sich im Original in der Berufungsakte befindet, nicht erst nach Ablauf von fünf [X.]onaten der Geschäftsstelle übergeben worden. Zwar fehlt ein entsprechender Eingangsvermerk, jedoch ist auf dem Original des Urteils vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle konstatiert, dass eine beglaubigte und einfache Abschrift vor [X.]ristablauf am 17. [X.]ai 2019, einem [X.]reitag, an die [X.]arteivertreter mit [X.] zur [X.]ost gegangen ist. Von der Richtigkeit der Konstatierung ist auszugehen, nachdem dem [X.]rozessbevollmächtigten der Klägerin laut dessen [X.] eine beglaubigte Abschrift des Urteils vom 19. Dezember 2018 bereits am [X.]ontag, dem 20. [X.]ai 2019 zugestellt worden ist.

8

b) Dementsprechend stützt die Beschwerdeführerin eine verspätete Übergabe des anzufechtenden Urteils an die Geschäftsstelle allein darauf, es sei nicht - wie von § 72b Abs. 1 Satz 1 ArbGG verlangt - mit allen erforderlichen Unterschriften versehen. Dies ist indes nicht der [X.]all.

9

aa) Dass das anzufechtende Urteil mit der Unterschrift des Vorsitzenden der erkennenden Berufskammer abschließt, stellt die Beschwerdeführerin nicht in Abrede und ist nach Aktenlage offensichtlich.

bb) Außerdem muss nach § 69 Abs. 1 Satz 1 ArbGG das Urteil des [X.]s von [X.]n unterschrieben werden, die an der Entscheidung mitgewirkt haben, also Teil der Besetzung sind, in der die Berufungskammer tätig geworden ist (§ 35 Abs. 2 ArbGG). Das waren ausweislich des [X.]rotokolls der Berufungsverhandlung vom 5. Dezember 2018 und des Rubrums des anzufechtenden Urteils [X.] und [X.] Diese haben nach Aktenlage das Urteil auch tatsächlich unterschrieben.

(1) [X.]ür die Unterschrift [X.] erforderlich, aber auch ausreichend ist die Unterzeichnung mit vollem [X.]amiliennamen, wobei ein individualisierbarer Schriftzug erkennbar sein muss ([X.], vgl. nur G[X.][X.]/Schleusener ArbGG 9. Aufl. § 69 Rn. 4; [X.]/[X.] 19. Aufl. ArbGG § 69 Rn. 2; [X.]WK/[X.] 8. Aufl. § 69 ArbGG Rn. 2; [X.]/[X.] ArbGG 8. Aufl. § 69 Rn. 2).

(2) Dem genügen die Unterschriften [X.] [X.] und [X.]

(a) Die Unterschrift des ehrenamtlichen Richters [X.] ist sowohl auf dem Original des Urteils als auch auf dem noch am 5. Dezember 2018 gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 60 Abs. 3 Satz 2 ArbGG verfassten und unterschriebenen Tenor des anzufechtenden Urteils nicht nur ein individualisierbarer Schriftzug, sondern deutlich lesbar. Dass er seinem [X.]amiliennamen als Vornamen „[X.]“ hinzugefügt hat, wäre entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nur dann von Belang, wenn es am [X.] [X.] [X.] mit dem Nachnamen [X.] gäbe, von denen der eine den Vornamen „J“, der andere den Vornamen „[X.]“ trüge. Das ist aber weder nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin noch nach den von ihr eingereichten Geschäftsverteilungsplänen des [X.]s [X.] der [X.]all. Im Übrigen ist es - worauf die Beschwerdegegnerin mit Recht hinweist - erstaunlich, dass der in [X.] wohnhaften Beschwerdeführerin die im täglichen Leben häufig gleichsam synonyme Verwendung von „J“ und „[X.]“ gerade im [X.] verborgen geblieben ist.

(b) Die Unterschrift des ehrenamtlichen Richters [X.] ist im Nachnamen ein individualisierbarer Schriftzug, der sich trotz leichter Abschleifung als Wiedergabe eines Namens darstellt und - mit etwas gutem Willen - sogar lesbar ist (vgl. auch - zu den Voraussetzungen einer Unterschrift bei Rechtsmitteln - [X.] 25. [X.]ebruar 2015 - 5 [X.] - Rn. 19, [X.]E 151, 66). Dass [X.] bei der Unterschriftsleistung seinen Vornamen A mit einem deutlich lesbaren „A.“ abgekürzt hat, ist unschädlich, weil für die nach § 72b Abs. 1 Satz 1 iVm. § 69 Abs. 1 Satz 1 ArbGG erforderlichen Unterschriften die Unterzeichnung mit dem Nachnamen jedenfalls dann genügt, wenn - wie hier - keine Verwechslungsgefahr besteht.

cc) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin musste das anzufechtende Urteil nicht von [X.]n [X.] und [X.] mitunterschrieben werden. Die Kammern des [X.]s entscheiden nach § 35 Abs. 2 ArbGG stets in der Besetzung mit einem (berufsrichterlichen) Vorsitzenden und [X.] aus den Kreisen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Dementsprechend haben [X.] und [X.] (nur) an dem Zwischenurteil vom 2. [X.]ärz 2018, nicht jedoch an dem Urteil vom 19. Dezember 2018 mitgewirkt. Sie haben ausweislich des [X.]rotokolls an der Berufungsverhandlung, aufgrund derer das anzufechtende Urteil ergangen ist, auch nicht teilgenommen. Ob sie nach dem Geschäftsverteilungsplan für das [X.] [X.] statt [X.] [X.] und [X.] heranzuziehen gewesen wären, ist für die sofortige Beschwerde wegen verspäteter Absetzung des Berufungsurteils ohne Belang, § 72b Abs. 1 Satz 2 ArbGG (vgl. nur G[X.][X.]/[X.] 9. Aufl. § 72b Rn. 20a). [X.]at das [X.] die Revision nicht zugelassen und soll die vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts gerügt werden, kann darauf (nur) eine Nichtzulassungsbeschwerde gestützt werden, § 72a Abs. 3 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG iVm. § 547 Nr. 1 Z[X.]O.

III. Die Entscheidung des Senats ist ohne [X.]inzuziehung [X.] ergangen (§ 72b Abs. 4 Satz 1 ArbGG).

IV. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 Z[X.]O die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

        

    [X.]    

        

    Berger    

        

    [X.]    

        

        

        

             

        

             

                 

Meta

5 AZB 20/19

18.09.2019

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AZB

vorgehend ArbG München, 22. Februar 2017, Az: 20 Ca 8699/16, Urteil

§ 69 ArbGG, § 72b Abs 1 S 1 ArbGG, § 72b Abs 1 S 2 ArbGG, § 313 ZPO, § 313b ZPO, § 547 Nr 1 ZPO, § 72a Abs 3 Nr 3 Alt 1 ArbGG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 18.09.2019, Az. 5 AZB 20/19 (REWIS RS 2019, 3478)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 3478

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