Bundesverfassungsgericht, Gegenstandswertfestsetzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren vom 23.11.2015, Az. 1 BvR 1795/08

1. Senat 1. Kammer | REWIS RS 2015, 1963

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Festsetzung des Gegenstandswertes und Anordnung der Auslagenerstattung nach Erledigung der Verfassungsbeschwerde


Tenor

Die [X.] hat dem Beschwerdeführer zwei Drittel, das [X.] ein Drittel seiner notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 13.000 € (in Worten: dreizehntausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Der Beschwerdeführer lehnt aus ethischen Gründen die Jagd ab. Seine Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen behördliche und verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, durch die ihm die jagdrechtliche Befriedung eines Grundstücks versagt wurde. Er rügte eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 (bzw. Art. 2 Abs. 1), Art. 4 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1, Art. 103 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG.

2

Nach Erhebung der Verfassungsbeschwerde entschied der [X.] ([X.]) in einem die [X.] betreffenden Fall, dass die Zwangsmitgliedschaft in Jagdgenossenschaften und die damit verbundene Pflicht des Grundeigentümers, die Ausübung der Jagd durch Dritte auf seinem Grundstück trotz entgegenstehender ethischer Motive ausnahmslos zu dulden, gegen Artikel 1 des Zusatzprotokolls (Schutz des Eigentums) der [X.] ([X.]) verstößt (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2012 - [X.]. 9300/07 - [X.] ./. [X.], juris). Daraufhin wurde mit dem neuen § 6a BJagdG die Möglichkeit der Befriedung von Grundstücken aus ethischen Gründen für natürliche Personen als Grundstückseigentümer geschaffen. Nachdem die zuständige Behörde auf dieser Rechtsgrundlage sein Grundstück für befriedet erklärt hatte, hat der Beschwerdeführer die Verfassungsbeschwerde für erledigt erklärt.

3

Der Beschwerdeführer beantragt nun, die Erstattung seiner notwendigen Auslagen anzuordnen und den Gegenstandswert festzusetzen. Die Äußerungsberechtigten hatten Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen.

4

1. Dem Beschwerdeführer sind seine durch das Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

5

a) Über die Auslagenerstattung ist, nachdem der Beschwerdeführer die Verfassungsbeschwerde für erledigt erklärt hat, gemäß § 34a Abs. 3 [X.] nach [X.] zu entscheiden (vgl. [X.] 85, 109 <114>). Dabei prüft das [X.] nicht die Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde, da eine kursorische Prüfung der Erfolgsaussichten der Aufgabe des [X.]s widerspräche, verfassungsrechtliche Zweifelsfragen mit bindender Wirkung inter omnes zu klären (vgl. [X.] 33, 247 <264 f.>). Wesentliche Bedeutung kann aber insbesondere dem Grund zukommen, der zur Erledigung geführt hat. Beseitigt die öffentliche Gewalt von sich aus den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Akt oder hilft sie der Beschwer auf andere Weise ab, kann, wenn keine anderweitigen Gründe ersichtlich sind, davon ausgegangen werden, dass sie das Begehren des Beschwerdeführers selbst für berechtigt erachtet hat. In diesem Fall ist es billig, die öffentliche Hand ohne weitere Prüfung an ihrer Auffassung festzuhalten und sie zu verpflichten, die Auslagen des Beschwerdeführers in gleicher Weise zu erstatten, wie wenn der Verfassungsbeschwerde stattgegeben worden wäre (vgl. [X.] 85, 109 <114 ff.>; 87, 394 <397 f.>; 133, 37 <38>).

6

b) Nach diesen Grundsätzen entspricht es vorliegend der Billigkeit, der [X.] und dem [X.] die Erstattung der dem Beschwerdeführer entstandenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Entscheidend fällt dabei ins Gewicht, dass sich der Bundesgesetzgeber aufgrund des Urteils des [X.] vom 26. Juni 2012 ([X.]. 9300/07 - [X.] ./. [X.], juris) veranlasst gesehen hat, der dort festgestellten Verletzung von Artikel 1 des Zusatzprotokolls (Schutz des Eigentums) der [X.] abzuhelfen. Die Schaffung der jagdrechtlichen Befriedungsmöglichkeit durch den zum 6. Dezember 2013 in [X.] getretenen § 6a BJagdG sollte der Umsetzung dieses Urteils dienen (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung jagdrechtlicher Vorschriften, BTDrucks 17/12046, [X.], 7). Eine entsprechende jagdrechtliche Befriedung aus ethischen Gründen war zuvor weder im [X.] noch im [X.] vorgesehen. Damit ist der Bundesgesetzgeber im Ergebnis dem Anliegen des Beschwerdeführers nachgekommen. Das führt zu der Billigkeitsentscheidung über die Auslagenerstattung zugunsten des Beschwerdeführers (vgl. [X.] 85, 109 <116>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 4. November 2010 - 1 BvR 661/06 -, Rn. 7 ff., juris). Anderweitige Gründe, die darauf schließen ließen, dass der Bundesgesetzgeber solchen Begehren wie dem des Beschwerdeführers nicht hätte Rechnung tragen wollen, sind nicht ersichtlich. Auf eine Beurteilung der Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde, die das [X.] im Rahmen einer Auslagenerstattungsentscheidung grundsätzlich nicht vornimmt, kommt es demnach nicht an.

7

c) Von den Auslagen des Beschwerdeführers hat die [X.] mit Blick auf die für die Erledigung maßgebliche Neuregelung des § 6a BJagdG zwei Drittel und das [X.] ein Drittel zu tragen, da Entscheidungen seiner Behörden und Gerichte Gegenstand der Verfassungsbeschwerde sind. Die notwendigen Auslagen sind in vollem Umfang zu erstatten.

8

2. Die Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit beruht auf § 37 Abs. 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. [X.] 79, 365 <366 ff.>).

Meta

1 BvR 1795/08

23.11.2015

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 1. Kammer

Gegenstandswertfestsetzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren

Sachgebiet: BvR

vorgehend Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 28. Mai 2008, Az: 1 L 26/08, Beschluss

Art 14 Abs 1 GG, § 34a Abs 3 BVerfGG, § 6a BJagdG, Art 1 MRKZProt, § 14 Abs 1 RVG, § 37 Abs 2 S 2 RVG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Gegenstandswertfestsetzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren vom 23.11.2015, Az. 1 BvR 1795/08 (REWIS RS 2015, 1963)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 1963

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1 BvR 661/06

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