Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.12.2022, Az. 6 StR 366/22

6. Strafsenat | REWIS RS 2022, 7703

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Tenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 22. April 2022 aufgehoben bezüglich

a) des Angeklagten T.

aa) im Strafausspruch zu Fall 15/16 der Urteilsgründe und im [X.], wobei die zugehörigen Feststellungen Bestand haben,

[X.]) im Ausspruch über die Einziehung des [X.], Modell Ninja;

b) des Angeklagten B.

aa) im Strafausspruch zu den [X.], 3, 5, 9, 10, 11, 12 und 13/14 und im [X.], wobei die zugehörigen Feststellungen Bestand haben,

[X.]) soweit eine Entscheidung über die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]        wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis (Fall 15/16 der Urteilsgründe), zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Den Angeklagten B.     hat es wegen „Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an eine Person unter 18 Jahren“ in zwölf Fällen (Fälle 1 bis 12 der Urteilsgründe) und wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall 13/14 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat das [X.] Einziehungsentscheidungen getroffen. Die auf die [X.] der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten [X.]       erzielt, ebenso wie das auf die Sachrüge gestützte Rechtsmittel des Angeklagten B.    , den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen sind beide Revisionen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2

Während die von dem Angeklagten [X.]       erhobenen Verfahrensrügen aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] versagen, hält das Urteil der sachlich-rechtlichen Nachprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.

3

1. Die Strafzumessung im Fall 15/16 und die Entscheidung über die Einziehung des Motorrades [X.] halten rechtlicher Prüfung nicht stand.

4

Der [X.] hat hierzu zutreffend ausgeführt:

„Doch hat die [X.] im Rahmen der Strafzumessung rechtsfehlerhaft den (bislang nicht festgestellten) Wert der eingezogenen ‚[X.] (…)‘ unberücksichtigt gelassen. Eine entsprechende Berücksichtigung wäre hier aber, gegebenenfalls unter näherer Darlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten, zur Erzielung eines gerechten Schuldausgleichs geboten gewesen (vgl. [X.], Beschluss vom 20. September 1988 – 5 [X.]; Urteil vom 12. Oktober 1993 – 1 StR 585/93, jeweils mit weiteren Nachw.), weil die auf § 74 Abs. 1 (und 3 Satz 1) StGB gestützte Einziehungsanordnung als Nebenstrafe angesichts des möglicherweise nicht unbeträchtlichen Wertes des Motorrads einen bestimmenden Strafzumessungsgesichtspunkt darstellt [X.]/[X.]/[X.], Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl. 2017, Rn. 369 und krit. 725).“

5

Daher kann auch die Einziehungsentscheidung keinen Bestand haben, zumal die [X.] ihr Ermessen nicht erkennbar ausgeübt hat (§ 74 Abs. 1 StGB).

6

2. Dem [X.] ist wegen des Wegfalls einer der beiden Freiheitsstrafen die Grundlage entzogen. Die Feststellungen zum Strafausspruch können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO) und durch neue, ihnen nicht widersprechende ergänzt werden.

II.

7

Die Revision des Angeklagten B.     ist ebenfalls teilweise begründet.

8

1. Der Strafausspruch hält in den [X.], 3, 5, 9, 10, 11, 12 und 13/14 rechtlicher Überprüfung nicht stand.

9

Das [X.] hat bei der [X.] betreffend Fall 13/14 und im Übrigen im Rahmen der Strafzumessung (Fälle 1, 3, 5, 9, 10, 11, 12) zum Nachteil des Angeklagten rechtsfehlerhaft in die Abwägung eingestellt, dass er mit der „harten Droge“ Ecstasy Handel trieb beziehungsweise diese an Minderjährige abgab (vgl. [X.], Beschluss vom 26. März 2014 – 2 [X.], Rn. 20; Urteil vom 28. März 2019 – 4 StR 463/18, [X.], 419 [dort nicht abgedruckt]).

Dem [X.] ist damit die Grundlage entzogen. Die Feststellungen zu den jeweiligen Strafaussprüchen können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO) und durch neue, ihnen nicht widersprechende ergänzt werden.

2. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet es auch, dass das [X.] nicht geprüft hat, ob gegen den Angeklagten B.      die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) anzuordnen ist, obwohl die zu seiner Person getroffenen Feststellungen hierzu Anlass gaben. Danach „will der Angeklagte einige Jahre Betäubungsmittel konsumiert haben, Speed und dann bis zu seiner Inhaftierung hauptsächlich Kokain, fast täglich bis zu fünfmal am Tag“.

Auf dieser Grundlage ist das Vorliegen eines Hangs im Sinne von § 64 StGB nicht auszuschließen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 8. September 2021 – 3 StR 251/21 und vom 27. Juli 2021 – 6 StR 307/21). Das [X.] hat indessen offengelassen, ob es dieser Einlassung des Angeklagten, der keine „Grammzahlen“ genannt habe, folgt. Zwar legt die Wendung, der Angeklagte „hatte bei seiner Inhaftierung allerdings kein gesundheitliches Problem wegen seines angeblich übermäßigen Konsums und begab sich folglich auch nicht in ärztliche Behandlung“ nahe, dass die [X.] der Einlassung insoweit nicht hat folgen wollen. Indessen hätte das [X.] damit nicht erkennbar bedacht, dass auch ohne eine erhebliche Beeinträchtigung der Gesundheit sowie der Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betreffenden ein Hang vorliegen kann (vgl. [X.], Beschluss vom 19. Februar 2020 – 3 StR 415/19, NStZ-RR 2020, 168); gleiches gilt für das Fehlen von Entzugserscheinungen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 23. März 2021 – 6 [X.], und vom 19. Februar 2020 – 3 StR 415/19, aaO), zumal sich die Feststellungen hierzu ohnehin nur auf den Zeitpunkt „bei seiner Inhaftierung“ beschränken.

Da das Vorliegen der übrigen Unterbringungsvoraussetzungen nach den Urteilsgründen nicht von vornherein ausscheidet, muss über die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neu verhandelt (§ 246a StPO) und entschieden werden.

[X.]     

  

Feilcke     

  

Fritsche

  

von Schmettau     

  

Arnoldi     

  

Meta

6 StR 366/22

15.12.2022

Bundesgerichtshof 6. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Rostock, 22. April 2022, Az: 11 KLs 168/21 (2)

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.12.2022, Az. 6 StR 366/22 (REWIS RS 2022, 7703)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 7703

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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