Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.02.2018, Az. 3 StR 629/17

3. Strafsenat | REWIS RS 2018, 14412

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Gegenstand

Betäubungsmitteldelikt: Sicherstellung der Drogen als Strafzumessungsgrund; Voraussetzungen eines Hanges


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 26. September 2017 aufgehoben

a) in den Aussprüchen über die Einzelstrafen in den Fällen 12, 13 und 14 der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe, jedoch bleiben die jeweils zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten;

b) mit den zugehörigen Feststellungen, soweit das [X.] von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.]s zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an Personen unter 18 Jahren in neun Fällen und Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt sowie [X.] getroffen. Die dagegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die Aussprüche über die in den [X.], 13 und 14 der Urteilsgründe verhängten [X.]n sowie über die Gesamtstrafe halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.

3

a) In den [X.] und 13 der Urteilsgründe, in denen das [X.] den Angeklagten jeweils wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) verurteilt und auf [X.] von einem Jahr und drei Monaten erkannt hat, hat die [X.] jeweils "die tatgegenständliche Menge Rauschgift" strafschärfend gewertet. Das stößt auf durchgreifende rechtliche Bedenken, weil die Kammer nicht erkennbar berücksichtigt hat, dass der Angeklagte ein Drittel der Betäubungsmittel zum Eigenkonsum erworben hatte, so dass sich die [X.] erheblich reduzierten. Der [X.] kann nicht ausschließen, dass das [X.] geringere [X.]n festgesetzt hätte, wenn es diesen Umstand mit in den Blick genommen hätte.

4

b) Im Fall 14 der Urteilsgründe, in dem das [X.] den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) verurteilt und eine Einzelfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verhängt hat, hat die [X.] nicht zu Gunsten des Angeklagten in die Strafzumessung eingestellt, dass die zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmten Betäubungsmittel in diesem Fall sichergestellt wurden und deshalb nicht in den Verkehr gelangten.

5

Dabei handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung des [X.] wegen des damit verbundenen Wegfalls der von Betäubungsmitteln üblicherweise ausgehenden Gefahr für die Allgemeinheit um einen bestimmenden Strafzumessungsgrund, der sowohl bei der [X.] als auch bei der konkreten Strafzumessung zu beachten ist ([X.], Beschlüsse vom 9. November 2016 - 2 StR 133/16, juris Rn. 3; vom 30. September 2014 - 2 StR 286/14, juris Rn. 2; vom 10. September 2014 - 5 [X.], juris Rn. 2 mwN) und der gemäß § 267 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 StPO in den Gründen des Strafurteils angeführt werden muss ([X.], Beschlüsse vom 5. Juni 2013 - 4 StR 169/13, [X.], 662; vom 8. Februar 2017 - 3 [X.], juris Rn. 4).

6

Das Urteil beruht auf dem Rechtsfehler, denn der [X.] kann mit Blick auf die Höhe der verhängten [X.] nicht ausschließen, dass das [X.] zu einer milderen Ahndung gelangt wäre, wenn es die Sicherstellung der Betäubungsmittel zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt hätte.

7

c) Die Aufhebung der [X.] in den [X.], 13 und 14 der Urteilsgründe zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich.

8

d) Die von der [X.] zur Strafzumessung getroffenen Feststellungen werden von den aufgezeigten [X.] nicht berührt und können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit sie zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.

9

2. Auch die Entscheidung des [X.]s, von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abzusehen, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Nach den Feststellungen des [X.]s konsumierte der Angeklagte seit seinem Jugendalter gelegentlich Cannabis und rauchte vor seiner Inhaftierung auch hin und wieder Heroin. Seinen Handel mit Betäubungsmitteln betrieb er unter anderem zur Finanzierung seines eigenen Drogenkonsums.

b) Die sachverständig beratene [X.] hat bereits einen Hang des Angeklagten verneint, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass eine den Angeklagten treibende oder beherrschende Neigung, Rauschmittel "in einem Umfang zu konsumieren, durch welchen Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt werden", nicht festzustellen sei.

Diese Ausführungen stoßen auf rechtliche Bedenken, weil sie besorgen lassen, dass das [X.] die Voraussetzungen eines Hanges gemäß § 64 Satz 1 StGB verkannt hat. Ein solcher liegt nicht nur - wovon die [X.] möglicherweise ausgegangen ist - im Falle einer chronischen, auf körperlicher Sucht beruhenden Abhängigkeit vor; vielmehr genügt bereits eine erworbene intensive Neigung, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, wobei noch keine psychische Abhängigkeit bestehen muss ([X.], Beschlüsse vom 4. April 1995 - 4 [X.], [X.]R StGB § 64 Abs. 1 Hang 5; vom 13. Januar 2011 - 3 [X.], juris Rn. 4). Die Beeinträchtigung der Gesundheit oder der Arbeits- und Leistungsfähigkeit durch den [X.] indiziert zwar einen Hang im Sinne des § 64 Satz 1 StGB, ihr Fehlen schließt diesen indes nicht aus ([X.], Urteil vom 15. Mai 2014 - 3 [X.], juris Rn. 10; Beschlüsse vom 3. Februar 2016 - 1 [X.], juris Rn. 11; vom 19. April 2016 - 3 StR 566/15, juris Rn. 7).

c) Da das Vorliegen der übrigen Unterbringungsvoraussetzungen nicht von vornherein ausscheidet, muss über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt deshalb - wiederum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - neu verhandelt und entschieden werden. Dem steht nicht entgegen, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; [X.], Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR 9/90, [X.]St 37, 5, 9; Beschluss vom 19. Dezember 2007 - 5 [X.], [X.], 107); er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen.

3. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

[X.]   

        

Ri[X.] Gericke befindet sich
im Urlaub und ist daher
gehindert zu unterschreiben.

        

[X.]

                 

[X.]

                 
        

Tiemann   

        

   Hoch   

        

Meta

3 StR 629/17

06.02.2018

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Kleve, 26. September 2017, Az: 170 KLs 3/17

§ 29 Abs 1 S 1 Nr 1 BtMG, § 46 StGB, § 64 S 1 StGB, § 267 Abs 3 S 1 Halbs 2 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.02.2018, Az. 3 StR 629/17 (REWIS RS 2018, 14412)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 14412

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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