Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.06.2023, Az. 3 StR 151/23

3. Strafsenat | REWIS RS 2023, 5086

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 10. Januar 2023 wird

a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II. 1. der Urteilsgründe wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;

b) das vorbezeichnete Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass die Verurteilung im Fall II. 1. der Urteilsgründe wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht entfällt.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung in zwei Fällen, Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung, Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht sowie weiterer Delikte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt zu der aus der [X.] ersichtlichen Einstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO und einer hieraus resultierenden Schuldspruchänderung (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Der Senat stellt das Verfahren auf Antrag des [X.] gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO - mit der Kostenfolge des § 467 Abs. 1 StPO - aus prozessökonomischen Gründen, insbesondere zur Vermeidung einer erneuten tatgerichtlichen Hauptverhandlung, ein, soweit der Angeklagte im Fall II. 1. der Urteilsgründe eines Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht gemäß § 145a Satz 1 StGB für schuldig befunden worden ist.

3

Diesem Schuldspruch liegt zu Grunde, dass der einen Hang zu übermäßigem Alkoholkonsum aufweisende und gemäß § 67d Abs. 5 Satz 2 StGB unter Führungsaufsicht stehende Angeklagte entgegen einer ihm nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB erteilten Weisung, keinen Alkohol zu konsumieren, am 16. August 2020 in einer Gaststätte alkoholhaltiges Bier trank. Die Verurteilung wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht stößt auf rechtliche Bedenken in zweierlei Hinsicht:

4

a) Zum einen lassen die Urteilsgründe nicht erkennen, ob der [X.] einen (eindeutigen) schriftlichen Hinweis darauf enthält, dass ein Verstoß gegen die [X.] nach § 145a Satz 1 StGB strafbewehrt ist. Der [X.] wird im Urteil, anders als es sich zumindest dringend empfiehlt, nicht (im Wortlaut) mitgeteilt. Ein solcher unmissverständlicher Hinweis im [X.] ist jedoch erforderlich, damit dieser in Ausfüllung des Blankettstraftatbestandes des § 145a Satz 1 StGB die Strafbarkeit eines Weisungsverstoßes begründen kann (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschlüsse vom 2. März 2023 - 4 [X.], juris Rn. 17; vom 16. Juni 2021 - 3 StR 50/21, juris Rn. 3; vom 12. Januar 2021 - 3 StR 362/20, NStZ 2021, 733 Rn. 11; Urteil vom 24. Juni 2020 - 3 StR 287/19, NStZ-RR 2021, 44, 45). Eine Information über die Strafbarkeit von [X.] allein im Rahmen einer (mündlichen) Belehrung über die Führungsaufsicht nach § 268a Abs. 3 Satz 2 StPO beziehungsweise §§ 453a, 463 Abs. 1 StPO genügt nicht ([X.], Beschlüsse vom 2. März 2023 - 4 [X.], juris Rn. 17; vom 12. Januar 2021 - 3 StR 362/20, NStZ 2021, 733 Rn. 11; Urteil vom 24. Juni 2020 - 3 StR 287/19, NStZ-RR 2021, 44, 45).

5

b) Zum anderen bestehen erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der [X.], weil die Urteilsfeststellungen nahelegen, dass der Angeklagte alkoholkrank ist. Die Rechtmäßigkeit einer strafbewehrten Weisung nach § 68 Abs. 1 StGB ist Voraussetzung für eine Strafbarkeit; sie muss sich daher aus den Urteilsgründen in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise erkennen lassen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 25. Februar 2020 - 4 StR 590/19, [X.], 480 Rn. 4; vom 11. Februar 2016 - 2 StR 512/15, [X.]R StGB § 145a Bestimmtheit 2 Rn. 8; vom 19. August 2015 - 5 StR 275/15, [X.]R StGB § 145a Satz 1 Verstoß gegen Weisungen 3 Rn. 5; Urteil vom 7. Februar 2013 - 3 [X.], [X.]St 58, 136, 138). Zwar ist eine [X.] gemäß § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB gegenüber Alkoholabhängigen nicht ausnahmslos unzulässig; vielfach aber stellt sie unzumutbare Anforderungen an den Betroffenen, sofern dieser aufgrund einer Suchterkrankung seinem Konsumverlangen nicht widerstehen kann. In einer solchen Konstellation ist eine Weisung während der Führungsaufsicht, keine Alkoholika zu konsumieren, wenn auch nicht stets, so aber doch in der Regel unverhältnismäßig (vgl. [X.], Beschluss vom 30. März 2016 - 2 BvR 496/12, [X.], 2170 Rn. 25 f.; [X.], Beschluss vom 10. März 2022 - 1 Ws 18/22, juris Rn. 9 mwN; [X.], Beschluss vom 4. Dezember 2019 - 6 Ss 130/19, juris Rn. 18). Ob ein solcher Fall hier vorliegt, lässt sich anhand der Urteilsgründe nicht überprüfen.

6

2. Die Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO führt in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO zum Entfallen der Verurteilung nach § 145a Satz 1 StGB wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht und der für diese Tat verhängten [X.] von zwei Monaten. Der Ausspruch über die Gesamtstrafe bleibt davon unberührt. Angesichts der Anzahl und jeweiligen Höhe der übrigen Einzelstrafen ist auszuschließen, dass die [X.] ohne die entfallende Einzelstrafe auf eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.

7

3. Von einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat das [X.] rechtsfehlerfrei abgesehen. Da eine durch eine Vorverurteilung angeordnete und zum Zeitpunkt des hiesigen Urteils noch nicht lange zurückliegende frühere Unterbringung gemäß § 64 StGB bereits nach kurzer Zeit wegen fehlender Mitwirkungsbereitschaft des Angeklagten für erledigt erklärt werden musste (§ 67d Abs. 5 Satz 1 StGB) und keine Hinweise auf eine jetzige Therapiemotivation des Angeklagten erkennbar gewesen sind, hat die [X.] tragfähig die Erfolgsaussicht einer neuerlichen Maßregelanordnung verneint.

Schäfer     

      

Paul     

      

Berg   

      

[X.]     

      

Kreicker     

      

Meta

3 StR 151/23

28.06.2023

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Trier, 10. Januar 2023, Az: 8142 Js 28272/20 - 1 KLs

§ 68b Abs 1 S 1 Nr 10 StGB, § 145a S 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.06.2023, Az. 3 StR 151/23 (REWIS RS 2023, 5086)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 5086

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 StR 50/21 (Bundesgerichtshof)

Strafverurteilung wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht: Bestimmtheit der Weisungen hinsichtlich ihres strafbewehrten Charakters


206 StRR 159/23 (BayObLG München)

Revision, Schuldspruch, Berufung, Rechtsfolgenausspruch, Freiheitsstrafe, Angeklagte, Generalstaatsanwaltschaft, Aufhebung, Strafvollstreckungskammer, Anfechtung, Konsum, Strafzumessung, Wirksamkeit, Gesamtstrafenbildung, Revision …


3 StR 287/19 (Bundesgerichtshof)

Verstoß gegen strafbewehrte Weisungen während der Führungsaufsicht: Anforderungen an die Bestimmtheit der Weisung und an …


4 StR 590/19 (Bundesgerichtshof)

Verstoß gegen Weisungen in der Führungsaufsicht: Bestimmtheitsgebot für den Führungsaufsichtsbeschluss


4 StR 25/18 (Bundesgerichtshof)

Verstoß gegen Weisungen während der Führungsaufsicht: Begriff der Gefährdung des Maßregelzwecks; einmalige Missachtung der Weisung, …


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.