Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.10.2008, Az. XII ZB 90/08

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 1665

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.][X.]/08
vom 1. Oktober 2008 in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO §§ 623 Abs. 2 Satz 3, 628 Satz 1 Nr. 4 a) § 623 Abs. 2 Satz 3 ZPO (Abtrennung einer [X.]) ist zur Vermeidung eines Widerspruchs zu § 628 Satz 1 Nr. 4 ZPO einschränkend auszulegen. b) Das [X.] hat eine nach § 623 Abs. 2 Satz 3 ZPO beantragte Ab-trennung abzulehnen, wenn diese unter den Umständen des Falles nur [X.] dienen kann, eine Vorabentscheidung über die Scheidung zu ermögli-chen. [X.], Beschluss vom 1. Oktober 2008 - [X.]/08 - [X.]
- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 1. Oktober 2008 durch die Vorsitzende [X.]in [X.], den [X.] [X.], die [X.]in Dr. Vézina sowie die [X.] Dose und [X.] beschlossen: Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 12. Zivilsenats - Familiensenat - des [X.] vom 30. April 2008 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen. [X.]: 1.000 • Gründe: [X.] Die Parteien sind getrenntlebende Eheleute. Sie sind die Eltern des am 12. Dezember 1995 geborenen [X.], der bei der Antragsgegnerin lebt. 1 Der Scheidungsantrag des Antragstellers ist seit September 2007 rechtshängig. [X.]m Anhörungstermin vom 8. Februar 2008 hat der Antragsteller zur elterlichen Sorge erklärt, es bestehe Einverständnis damit, dass der An-tragsgegnerin das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das gemeinsame Kind übertragen werde. Er ist dem weitergehenden Antrag auf Übertragung der ge-samten elterlichen Sorge entgegengetreten. Er hat beantragt, die [X.] elterliche Sorge abzutrennen. [X.]m selben Termin hat die Antragsgegnerin einen Stufenantrag auf Auskunft, Vorlage von Belegen und Zahlung nachehelichen 2 - 3 - Unterhalts anhängig gemacht. Der Antragsteller hat daraufhin auch die [X.] beantragt. 3 Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom selben Tag die [X.] el-terliche Sorge abgetrennt. Die Abtrennung der [X.] "nachehelicher [X.]" hat es abgelehnt, weil die [X.]n in keinem engen sachlichen Zu-sammenhang stünden und die Abtrennung der [X.] eine unzu-lässige Umgehung von § 628 Satz 1 Nr. 4 ZPO darstellen würde. Mit seiner gegen den Beschluss eingelegten Beschwerde hat der [X.] geltend gemacht, die Abtrennung sei zwingend anzuordnen. Er hat ferner auf einen nunmehr seinerseits gestellten [X.] verwiesen und erklärt, dass er sich an seine im Anhörungstermin abgegebene Erklärung nicht mehr gebunden fühle. 4 Das [X.] hat die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die - vom [X.] zugelassene - Rechtsbeschwerde des Antragstellers. 5 [X.][X.] Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. 6 1. Das [X.] hat in seiner in [X.] 2008, 478 veröffentlichten Entscheidung den Zweck der Abtrennung nach § 623 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO darin gesehen, dass eine einheitliche Vorabentscheidung über das Sorgerecht ermöglicht werden solle. Dass mit der Abtrennung die Möglichkeit gegeben sein solle, unabhängig gerade von einem Sorgeverfahren und einem damit zusammenhängenden Unterhaltsverfahren eine schnelle 7 - 4 - Scheidung entgegen der in § 628 ZPO zu Tage tretenden [X.]ntention des [X.] zu ermöglichen, sei nicht erkennbar. Davon, dass der Gesetzgeber von den Zwecken des [X.] durch die Neuregelung des § 623 Abs. 2 ZPO abrücken wollte, sei nicht auszugehen. Die [X.] "nacheheli-cher Unterhalt" habe daher nicht abgetrennt werden können, da nicht davon auszugehen sei, dass auf diese Weise beschleunigt darüber entschieden wer-den könne, denn in dieser Sache könne ohnehin erst frühestens mit Rechtskraft der Scheidung entschieden werden. Der Begründung des vom Antragsteller gestellten [X.]s sei nicht zu entnehmen, dass er das Kind zu sich nehmen wolle. [X.]hm stehe es frei, zu gegebener [X.] ein Trennungsunterhalts-verfahren einzuleiten. 2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand. 8 a) Die zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft. Der die Abtrennung nach § 623 Abs. 2 Satz 3 ZPO ablehnende Beschluss ist nach § 567 ZPO an-fechtbar. Anders als bei der nach der Rechtsprechung des Senats (Senatsbe-schluss vom 20. Oktober 2004 - [X.] ZB 35/04 - FamRZ 2005, 191) nicht geson-dert anfechtbaren Abtrennung nach § 628 ZPO erfolgt die Abtrennung gemäß § 623 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO nicht von Amts wegen, sondern auf Antrag ei-nes Ehegatten. Der die Abtrennung ablehnende Beschluss ist daher als Zu-rückweisung eines das Verfahren betreffenden Gesuchs nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO gesondert anfechtbar (Senatsbeschluss vom 20. Oktober 2004 - [X.] ZB 35/04 - FamRZ 2005, 191, 192; [X.] FamRZ 2005, 1495; [X.]/[X.] ZPO 26. Aufl. § 623 [X.]. 32 i; [X.]/[X.]/[X.] ZPO 29. Aufl. § 623 [X.]. 20; a.[X.]/[X.] ZPO 6. Aufl. § 623 [X.]. 39). 9 b) [X.]n der Sache bleibt die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg. Amtsgericht und [X.] haben die nach § 623 Abs. 2 Satz 3 ZPO beantragte 10 - 5 - Abtrennung der [X.] zu Recht und mit zutreffender [X.] abgelehnt. 11 Aus dem nach § 623 Abs. 1 und 2 ZPO bestehenden Verbund von [X.] und [X.] trennt das Gericht nach § 623 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf Antrag eines Ehegatten (u.a.) eine [X.] nach § 621 Abs. 1 Nr. 1 (elterliche Sorge) von der [X.] ab. Nach § 623 Abs. 2 Satz 3 ZPO kann ein Antrag auf Abtrennung einer [X.] Sorge-recht mit einem Antrag auf Abtrennung einer [X.] nach § 621 Abs. 1 Nr. 5 ZPO (nachehelicher Unterhalt) verbunden werden. Die Abtrennung steht nach der gesetzlichen Regelung sowohl bei der [X.] als auch bei der [X.] nicht im Ermes-sen des Gerichts. Das Gericht ist an den Abtrennungsantrag gebunden. Ob und unter welchen Umständen das [X.] eine Abtrennung der [X.] vom [X.] dennoch ablehnen kann, ist streitig (verneinend etwa [X.], 554; FamRZ 2001, 1229 - zur [X.] Sor-gerecht; [X.] NJW-RR 2003, 795; weitgehend ebenso OLG Bremen OLGR 2005, 121; [X.]/[X.] ZPO 26. Aufl. § 623 [X.]. 32 f, 32 g). Die überwiegende Meinung geht indessen dahin, dass auch für die Abtrennung nach § 623 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO die allgemeine Schranke des [X.] zu beachten ist und missbräuchlich gestellte Abtrennungsanträge vom [X.] abgelehnt werden können, wobei über die Grenze des Rechts-missbrauchs unterschiedliche Vorstellungen bestehen ([X.] FamRZ 2002, 1570 m.w.N.; [X.] FamRZ 2005, 467 m.w.N.; [X.] 2000, 386; [X.] 2001, 66; [X.]/[X.]/[X.] ZPO 29. Aufl. § 623 [X.]. 20; [X.]. § 623 [X.]. 34; [X.]/Kamm Unter-haltsrecht 10. Aufl. [X.]. 7115). 12 - 6 - Der Senat hält eine einschränkende Auslegung für geboten (vgl. Senats-urteil vom 1. Oktober 2008 - [X.] ZR 172/06 - zur [X.] bestimmt). 13 14 Gegen die einschränkende Auslegung des § 623 Abs. 2 Satz 3 ZPO wird allerdings - im Ansatz zu Recht - das Bedenken erhoben, dass sich die gesetz-liche Regelung bei konsequenter Anwendung der Missbrauchsschranke als in vollem Umfang sinnwidrig erweisen könnte (in diesem Sinne [X.] FamRZ 2003, 583, 584; [X.]/[X.] NJW 2003, 2492, 2500, jeweils für Abtrennungsanträge des auf Unterhalt verklagten Ehegatten) und dann [X.] oder weitgehend leerliefe ([X.], 554). Das trifft insoweit zu, als der [X.] die gesetzliche Verfahrensvorschrift grundsätzlich auch dann zu beachten und anzuwenden hat, wenn er diese für nicht zweck-mäßig oder nicht sinnvoll hält. Dagegen ist es aber methodisch zulässig und sogar geboten, eine Gesetzesvorschrift auf ihren Sinn und Zweck zurückzufüh-ren, wenn sie im Widerspruch zu anderen im Zusammenhang stehenden ge-setzlichen Regelungen - hier § 628 Satz 1 Nr. 4 ZPO - steht, von denen fest-steht, dass der Gesetzgeber sie mit der fraglichen Neuregelung nicht außer [X.] setzen oder einschränken wollte. Davon ist im Hinblick auf die auch nach dem Kindschaftsrechtsreformge-setz vom 16. Dezember 1997 ([X.] [X.] S. 2942) unverändert aufrechterhaltene Schutzfunktion des [X.] auszugehen. Sinn der Abtrennung nach § 623 Abs. 2 Satz 2 ZPO und Motiv des Gesetzgebers ist, vor dem [X.] der Vereinheitlichung des Sorgerechtsverfahrens und der Abschaffung der [X.] wegen eine Vorabentscheidung über die Sorgerechtssache zu ermöglichen (BT-Drucks. 13/4899 [X.]). 15 Die gleichzeitige Abtrennung der [X.]n nach § 623 Abs. 2 Satz 3 ZPO beruht demgegenüber nach den Vorstellungen des Gesetz-16 - 7 - gebers auf dem häufig bestehenden Zusammenhang zwischen Sorgerechts- und [X.] (BT-Drucks. 13/4899 [X.]). An welchen konkreten Zusammenhang hier gedacht war und welchen konkreten Zweck die gleichzei-tige Abtrennung auch der [X.] haben soll, lässt sich allerdings nur vermuten. Das gilt vor allem deswegen, weil sich die [X.], um überhaupt im Scheidungsverbund geführt werden zu können, nur auf die [X.] ab Rechtskraft der Scheidung beziehen kann und eine Vorabentscheidung anders als bei der Sorgerechtssache nicht sinnvoll ist. Hierfür stehen vielmehr die [X.] auf Kindesunterhalt (vor der Scheidung) und Trennungsunterhalt zur Verfügung, die ohnedies außerhalb des [X.] geltend zu ma-chen sind. Aufgrund des Zusammenhangs von Sorgerecht und Kindesunterhalt bzw. Betreuungsunterhalt ist es aber jedenfalls nahe liegend, dass es dem Ge-setzgeber hier um das Kindeswohl ging und in diesem Zusammenhang um die Sicherstellung des Kindesunterhalts und des Unterhalts des Elternteils, der das Kind betreut ([X.]/[X.]/[X.] Handbuch des Scheidungsrechts 5. Aufl. [X.] [X.]. 369). Demgegenüber bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Ge-setzgeber daran gelegen war, entgegen den [X.]nteressen des Kindes und des betreuenden Elternteils die beschleunigte Scheidung zu ermöglichen, während die [X.] ungeregelt bleibt. Dies würde auch zu einem deutlichen Wertungswiderspruch zu anderen Fällen führen, in denen es nicht um solch elementare [X.]nteressen wie den Kindesunterhalt und den Betreuungsunterhalt geht und die Abtrennung von [X.]n dennoch nur unter wesentlich enge-ren Voraussetzungen möglich ist. So wäre etwa bei dem Scheidungsverfahren eines kinderlosen Ehepaares die Abtrennung einer [X.] Zugewinnaus-gleich nach § 628 Satz 1 Nr. 4 ZPO nur bei außergewöhnlicher Verzögerung des Verfahrens möglich, während - zum Vergleich - die Abtrennung beim [X.] oder Betreuungsunterhalt auf Antrag des auf Unterhalt verklagten Ehegatten sogar voraussetzungslos und zwingend anzuordnen wäre. - 8 - Der vorliegende Fall belegt, dass die Abtrennung bei uneingeschränkter Anwendung des § 623 Abs. 2 Satz 3 ZPO sogar anzuordnen wäre, wenn - wie vom [X.] rechtsfehlerfrei festgestellt worden ist - der Aufenthalt des Kindes beim Unterhalt begehrenden Ehegatten unstreitig ist und ein Zu-sammenhang, der eine Abtrennung der [X.] erfordern könnte, somit schlechthin nicht denkbar ist. Der Abtrennungsantrag ist dann von dem nach den Vorstellungen des Gesetzgebers bestehenden Zweck des § 623 Abs. 2 Satz 3 ZPO ersichtlich nicht mehr gedeckt und läuft der Schutzvorschrift gemäß § 628 Satz 1 Nr. 4 ZPO zuwider. 17 Der Gesetzgeber hat inzwischen erkannt, dass die weite Fassung des § 623 Abs. 2 Satz 3 ZPO die Gefahr missbräuchlicher Abtrennungsanträge mit sich bringt, und hat dem in dem Entwurf eines [X.] ([X.], BT-Drucks. 16/6308) vorgebeugt. Nach § 140 Abs. 3 FamFG-E (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit = Art. 1 [X.]-E) kann das Gericht auf Antrag eines Ehegat-ten eine [X.] (nur noch) abtrennen, "wenn dies wegen des [X.] mit der Kindschaftsfolgesache geboten erscheint". Die [X.] (BT-Drucks. 16/6308 S. 231) verweist hierfür darauf, dass Abtrennungen von [X.]n, die vom Zweck der Vorschrift nicht gedeckt sind, vermieden werden sollen. Die Begründung zeigt, dass der Zweck der Vorschrift nach den Vorstellungen des Gesetzgebers unverändert bleiben soll und eine sachliche Änderung gegenüber den Vorstellungen des [X.] damit nicht verbunden ist. Das bestätigt, dass schon für das geltende Recht eine einschränkende Auslegung des § 623 Abs. 2 Satz 3 ZPO geboten ist. 18 Das [X.] ist demnach auch aufgrund der bestehenden Rechtslage zur Vermeidung von Widersprüchen im Zusammenhang mit der 19 - 9 - Regelung des [X.] gemäß §§ 623 ff. ZPO befugt und gehalten, einen Abtrennungsantrag bezüglich der [X.] zurückzuweisen, wenn dieser unter den Umständen des Falles nur dazu dienen kann, zur Um-gehung der engen [X.] gemäß § 628 Satz 1 Nr. 4 ZPO eine Vorabentscheidung über die Scheidung zu ermöglichen. [X.] [X.] Vézina Dose [X.] Vorinstanzen: AG Mühldorf a. [X.]nn, Entscheidung vom 29.02.2008 - 1 F 599/07 - [X.], Entscheidung vom 30.04.2008 - 12 WF 921/08 -

Meta

XII ZB 90/08

01.10.2008

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.10.2008, Az. XII ZB 90/08 (REWIS RS 2008, 1665)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 1665

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.