Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.05.2011, Az. V ZB 167/10

V. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 6435

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB
167/10
vom

19. Mai
2011

in der Abschiebungshaftsache

-
2
-
Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 19. Mai 2011 durch den
Vorsitzenden [X.] Prof.
Dr.
Krüger, die [X.]in [X.], den [X.] Dr.
[X.] und die [X.]innen Dr. [X.] und Weinland
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 8.
Zivilkammer des [X.] vom 17.
Mai
2010 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsge-richts Hannover
vom 11.
Januar 2010
und der Beschluss des [X.] vom 17.
Mai
2010 den Betroffenen in sei-nen Rechten verletzt haben.
Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die
Landeshauptstadt

H.
trägt die notwendigen Auslagen des Betroffenen
aller Instan-zen.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 3.000

Gründe:
I.
Mit Verfügung der Beteiligten zu 2 vom 25.
April 2005 wurde der Be-troffene, ein [X.] Staatsangehöriger, aus dem [X.] [X.]. Die verwaltungsgerichtliche Anfechtung dieser Entscheidung blieb ohne Erfolg. Der Betroffene kam seiner Ausreisepflicht nicht nach und tauchte unter. Am 11.
Januar 2010 wurde er bei einer Polizeikontrolle in [X.]
-
3
-
men. Auf Antrag der Beteiligten zu 2 hat das Amtsgericht noch am selben Tag durch einen -
nach Auffassung des Betroffenen nach den Vertretungsregelun-gen des Geschäftsverteilungsplans
nicht zuständigen
-
[X.] die Haft zur Si-cherung der Abschiebung angeordnet. Im Rahmen der Anhörung hatte der Be-troffene angegeben, er habe einen in [X.] lebenden zweijährigen [X.]. Im Beschwerdeverfahren hat er dies dahin konkretisiert, entsprechend der mit seiner Lebensgefährtin abgesprochenen Arbeitsteilung habe er das Kind, das die [X.] Staatsangehörigkeit habe, vom [X.] an ver-sorgt, gefüttert, gewindelt und mit ihm täglich gespielt. Aufgrund der Inhaftie-rung sei das Kind hochgradig irritiert, weine häufig und suche den Vater. Mit Beschluss vom 1. Februar 2010 hat das Amtsgericht die [X.] [X.]. Den darauf gerichteten Antrag hatte die Beteiligte
zu 2 damit begründet, es liege nunmehr ein Abschiebungshindernis vor. Das ändere allerdings nichts daran, dass der Feststellungsantrag zurückzuweisen sei, weil bisher nicht [X.] gewesen sei, dass der Betroffene Vater eines [X.]n Kindes sei.

In seiner Nichtabhilfeentscheidung vom 8.
März 2010
hat das Amtsge-richt
-
nunmehr jedenfalls in regulärer Besetzung
-
den Feststellungsantrag des Betroffenen
für unbegründet erachtet. Das [X.] hat die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betroffene seinen [X.] weiter.

II.
Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, die Voraussetzungen für die [X.] hätten vorgelegen. Dem stehe nicht entgegen, dass der Be-troffene Vater eines in [X.] lebenden Kindes sei. [X.] seien im vorliegenden Fall nicht vom Haftrichter zu prüfen. Verfahrensfeh-2
3
-
4
-
ler lägen nicht vor oder verletzten den Betroffenen jedenfalls nicht in seinen Rechten.
Insbesondere sei die vermeintliche Unzuständigkeit des die Haft
an-ordnenden [X.]s nach der Regelung des §
22d [X.] ohne Bedeutung.

III.
Die auch nach Erledigung der Hauptsache statthafte
(Senat, Beschluss vom 25.
Februar 2010 -
V
ZB 172/09, [X.] 2010, 150, 151) und auch im
Übrigen zulässige

71 Abs.
1 und 2 FamFG)
Rechtsbeschwerde ist begrün-det.
1. Bedenken begegnet die Beschwerdeentscheidung schon deshalb, weil §
22d [X.] lediglich besagt, dass richterliche Entscheidungen auch dann gültig sind, wenn ein nach der Geschäftsverteilung unzuständiger [X.] tätig
geworden ist; die Anfechtbarkeit der Entscheidung wegen eines Verstoßes ge-gen die Verfassungsgarantie des Art.
101 Abs. 1 GG bleibt hiervon jedoch un-berührt (vgl. nur [X.]/[X.], 3.
Aufl., §
22d [X.] Rn.
4; [X.]/Lückemann, ZPO, 28.
Aufl., §
22d [X.] Rn.
1; jeweils mwN). Die sich hieran anschließenden Fragen, ob der die Haft anordnende [X.] -
wozu das Beschwerdegericht keine Feststellungen getroffen hat
-
objektiv willkürlich seine Vertretungszuständigkeit nach dem Geschäftsverteilungsplan angenommen hat (zum Willkürmaßstab bei der Anwendung und Auslegung von Geschäftsvertei-lungsplänen vgl. nur [X.], NJW 2005, 2689, 2690; [X.]/Lückemann, aaO,
mwN)
und ob der darin liegende Verstoß gegen Art.
101 Abs.
1 GG durch die nachfolgenden Bestätigungen der [X.] im Abhilfe-
und Beschwerde-verfahren geheilt worden ist, bedürfen hier keiner Klärung, weil der [X.] aus anderen Gründen gerechtfertigt ist.
4
5
-
5
-
2.
Der Betroffene ist jedenfalls deshalb in seinen Rechten verletzt, weil die [X.] unverhältnismäßig war. Der Haftrichter hat zu prüfen, ob die Wirkungen der Haft in einem angemessenen Verhältnis zu der angestrebten Sicherung der Abschiebung stehen (vgl. nur [X.],
[X.] 1994, 342, 344; Senat, Beschluss vom 17.
Juni 2010
-
V
ZB 127/10, NVwZ
2010, 1318, 1319). Dem werden die Entscheidungen der Vorinstanzen nicht gerecht.
Wie die Rechtsbeschwerde in diesem Zusammenhang zu Recht rügt, ist der entscheidungserhebliche Sachverhalt
unter Verstoß gegen §
26 FamFG nicht hinreichend aufgeklärt worden; die Haft hätte bei [X.] nicht angeordnet werden dürfen. Denn nicht nur bei der Entschei-dung über die Abschiebung, sondern auch bei der diese vorbereitenden Siche-rungshaft hat der [X.] unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit einer gelebten [X.] (Art.
6 GG) Rechnung zu tragen (zu Art.
8 EMRK
vgl. auch Senat, aaO). Der Betroffene hat im Rahmen der Anhörung vor dem Amtsgericht auf sein in [X.] lebendes minderjähriges Kind [X.]. Schon vor diesem Hintergrund musste sich dem Haftrichter eine weite-re Sachaufklärung zunächst durch schlichtes Nachfragen dahin aufdrängen, ob eine gelebte [X.] vorlag. Wie der weitere Verfahrensverlauf zeigt, hätte die Behörde in Kenntnis der durch eine sachgerechte Anhörung zutage geförderten Umstände den Haftantrag bei einer Rückfrage durch den Haftrichter nicht aufrechterhalten. Die Haft wäre dann nicht angeordnet worden. Davon abgesehen ist die Anordnung von [X.] unter dem Blickwinkel des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei gelebten Beziehungen von Eltern zu minderjährigen Kindern nur im äußersten Fall zulässig (vgl. Senat, aaO; für die Abschiebung von Familien vgl. auch
Art.
17 Abs.
1 der Richtlinie 2008/115/[X.] vom 16. Dezember 2008 -
ABl. L 348/98). Umstände, die die An-nahme eines solchen Falles tragen könnten, sind nicht ersichtlich. Die
Sache ist daher zur Endentscheidung reif

74 Abs.
6 Satz
1 FamFG).
6
7
-
6
-
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
81 Abs.
1 Satz
1 und 2 FamFG, §
128c Abs.
3 Satz
2 KostO. Unter Berücksichtigung der Regelung in Art.
5 Abs.
5 EMRK entspricht es billigem Ermessen, die Beteiligte
zu
2 zur Erstattung
der notwendigen außergerichtlichen Anlagen des Betroffenen zu verpflichten (Senat, Beschluss vom 6.
Mai 2010 -
V
ZB 223/09, [X.] 2010, 212
f. Rn.
19).
Krüger
[X.]
[X.]

[X.]
Weinland
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 11.01.2010 -
43 [X.] B -

LG Hannover, Entscheidung vom 17.05.2010 -
8 T 3/10 -

8

Meta

V ZB 167/10

19.05.2011

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.05.2011, Az. V ZB 167/10 (REWIS RS 2011, 6435)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6435

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