Bundessozialgericht, Beschluss vom 16.06.2016, Az. B 13 R 119/14 B

13. Senat | REWIS RS 2016, 9833

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - rechtliches Gehör - Verletzung des Rechts auf Anhörung eines Sachverständigen


Tenor

Auf die Beschwerde des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 10. Januar 2014 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Der Kläger begehrt Rente wegen voller bzw teilweiser Erwerbsminderung. Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde beanstandet er insbesondere, dass das [X.] seinem Antrag auf Anhörung eines Sachverständigen im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht entsprochen habe.

2

Der im November 1972 geborene Kläger war zuletzt als Malermeister selbstständig tätig. Er gab diese Tätigkeit auf, nachdem er im November 2003 einen Arbeitsunfall erlitten hatte. Sein Betrieb wurde zum 15.2.2007 in der Handwerksrolle gelöscht; bis dahin entrichtete der Kläger Pflichtbeiträge zur Handwerkerversicherung. Der Kläger ist als schwerbehinderter Mensch mit einem [X.]dB von 50 und Merkzeichen "[X.]" anerkannt. Die Ablehnung seines ersten Rentenantrags vom Mai 2004 wurde bestandskräftig (Bescheid vom 19.8.2004). Im Februar 2007 beantragte er erneut die [X.]ewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Der beklagte Rentenversicherungsträger lehnte den Antrag nach Beiziehung eines unfallchirurgischen [X.]utachtens ab, weil der Kläger noch in der Lage sei, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter den betriebsüblichen Bedingungen mindestens sechs Stunden täglich zu arbeiten (Bescheid vom [X.], Widerspruchsbescheid vom 6.8.2007).

3

Im Klageverfahren hat das S[X.] ein orthopädisches [X.]utachten von Prof. Dr. [X.]. vom 30.4.2008 eingeholt. Dieser attestierte dem Kläger ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte und gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten in wechselnden Körperhaltungen. Fußwege von täglich 500 m und geringfügig mehr sollten über längere Zeit gesehen vermieden, öffentliche Verkehrsmittel könnten jedoch benutzt werden. Demgegenüber hat der Orthopäde [X.] in einem [X.]utachten nach § 109 S[X.][X.] nach Untersuchung des [X.] im August 2008 nur noch eine Leistungsfähigkeit von drei bis sechs Stunden täglich angenommen. Zu vermeiden seien Wegstrecken, stehende Tätigkeiten sowie ua Tätigkeiten in Zwangshaltung, mit Bücken oder Knien, mit Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten über 5 kg. Prof. Dr. [X.]. hat in einer ergänzenden Stellungnahme vom [X.] die von [X.] befürwortete Einschränkung der zeitlichen Leistungsfähigkeit auf nur noch drei bis sechs Stunden täglich als nicht nachvollziehbar bezeichnet. Dies sei nur zutreffend, wenn die Tätigkeiten überwiegend im [X.]ehen und Stehen verrichtet werden müssten, nicht aber bei Tätigkeiten mit gelegentlichem [X.]ehen und Stehen. Das S[X.] hat daraufhin die Klage durch Urteil vom 5.5.2010 abgewiesen.

4

Im anschließenden Berufungsverfahren hat die Beklagte mitgeteilt, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung seien letztmals im März 2009 erfüllt. Das [X.] hat ein [X.]utachten durch den Neurologen und Psychiater [X.] erstellen lassen, der auf neurologischem Fachgebiet ein HWS-Syndrom ohne neurologische Ausfälle mit Spannungskopfschmerzen und in psychiatrischer Hinsicht eine Anpassungsstörung mit kompensierter depressiver Symptomatik, Schlafstörungen und Somatisierungsneigung diagnostiziert hat. Er hat den Kläger im [X.]utachten vom [X.] für fähig erachtet, vollschichtig leichte und gelegentlich mittelschwere Arbeiten als Dauerbelastung ständig bzw häufig im Sitzen sowie im Wechsel von [X.]ehen, Stehen und Sitzen zu verrichten. Nachdem sich Anhaltspunkte für eine Verschlechterung ergeben hatten, hat das [X.] ein weiteres [X.]utachten des Orthopäden Prof. Dr. H. eingeholt. Dieser hat den Kläger nach ambulanter Untersuchung im Dezember 2012 zu einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit in Form einer beaufsichtigenden Tätigkeit oder Pförtnertätigkeit in der Lage gesehen. Er sei leichten Arbeiten als Dauerbelastung ohne weiteres gewachsen und könne Lasten bis 10 kg zeitweilig auch ohne mechanische Hilfsmittel anheben und tragen. Die Arbeiten könne er sechs bis acht Stunden täglich ausüben, wenn man [X.], dass er während einer üblichen achtstündigen Arbeitsschicht auf ein bis zwei außerordentliche Arbeitspausen angewiesen sei. Ihm sollten eventuell in einer Arbeitsschicht zwei Arbeitspausen von 30 Minuten Dauer angeboten werden. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 5.2.2013 hat Prof. Dr. H. dies damit begründet, dass der Kläger als schwerbehinderter Mensch möglicherweise unter auch nur rein subjektiv stärker empfundenen Schmerzen leide. So seien insbesondere die mit übergroßflächiger Vernarbung einhergehende Oberschenkeltrümmerfraktur rechts mit mehreren Korrekturoperationen ebenso wie die in [X.] verheilte Tibiafraktur rechts und der Zustand nach [X.] rechts nicht nur bei [X.] nachgewiesener posttraumatischer Arthroseentwicklung schmerzhaft, sondern auch aufgrund der Einschränkung von Dorsal- und Plantarflexion, die insbesondere bei Tätigkeiten im Wechsel zwischen Stehen, [X.]ehen und Sitzen gravierend sei.

5

Der Kläger hat Einwendungen gegen das [X.]utachten des Prof. Dr. H. erhoben und beantragt, von diesem eine weitere Stellungnahme einzuholen bzw ihn zur mündlichen Verhandlung zur Erläuterung seines [X.]utachtens zu laden. Das [X.] hat Prof. Dr. H. erneut schriftlich angehört. Dieser hat unter dem [X.] weitere Ausführungen gemacht, welche die Frage zusätzlicher Pausen nicht betrafen, und seine Aussagen zur Leistungsfähigkeit des [X.] im [X.]utachten vom [X.] bzw in der Stellungnahme vom 5.2.2013 aufrechterhalten.

6

Nach Auswechslung seines Prozessbevollmächtigten hat der Kläger im Schriftsatz vom [X.] vorgetragen, er könne keiner Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachgehen, weil es an der erforderlichen Wegefähigkeit fehle und er zudem nach den Feststellungen von Prof. Dr. H. auf ein bis zwei außerordentliche Arbeitspausen angewiesen sei. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am [X.] hat die Prozessbevollmächtigte des [X.] dem [X.]ericht einen Schriftsatz vom 8.1.2014, zwei Schriftsätze vom [X.] sowie zwei handschriftlich im Termin verfasste Schreiben vom [X.] überreicht. Sie hat darin ua beantragt, Prof. Dr. H. zur mündlichen Erläuterung seines [X.]utachtens und Beantwortung diverser Fragen zu laden. Insbesondere wollte der Kläger erläutert haben, ob er noch an fünf Tagen in der Woche regelmäßig mit betriebsüblichen Pausen arbeiten könne oder ob zusätzliche Pausen oder Arbeitsunterbrechungen aus medizinischer Sicht erforderlich seien.

7

Das [X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen, ohne dessen Anträge zu berücksichtigen (Urteil vom [X.]). Der Kläger könne trotz qualitativer Leistungseinschränkungen noch zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Zu den im Tatbestand des Urteils wiedergegebenen Beweisanträgen des [X.] hat das [X.] ausgeführt, die vorliegenden Sachverständigengutachten reichten aus, um die entscheidungserheblichen Tatsachen festzustellen. Zu der Frage, ob der Kläger noch an fünf Tagen in der Woche regelmäßig mit betriebsüblichen Pausen arbeiten könne oder ob aus medizinischer Sicht weitere Pausen oder Arbeitsunterbrechungen erforderlich seien, habe der Sachverständige Prof. Dr. [X.] [X.]utachten vom 11.01.2013 und ergänzend unter Ausführungen zu diesen Feststellungen" gemacht. Die Frage, ob die Schmerzen und Funktionseinschränkungen des [X.] am [X.] vergleichbar oder schwerwiegender gewesen seien als diejenigen zum Zeitpunkt der Untersuchung am 10.12.2012, sei geklärt, weil feststehe, welche Funktionseinschränkungen am [X.] vorhanden gewesen seien. Die Fragen des Vorliegens einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung seien als Rechtsfragen nicht vom Sachverständigen zu beantworten. Ob der Kläger noch mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sein könne, habe nicht ein berufskundiger Sachverständiger zu klären, weil dies eine medizinische und zudem bereits geklärte Frage sei.

8

Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger insbesondere das Vorliegen eines [X.] geltend, weil das [X.] seinem Antrag, Prof. Dr. H. zur Erläuterung seines [X.]utachtens zu laden, nicht nachgegangen sei. Der Sachverständige habe angegeben, er - der Kläger - könne nur noch sechs bis acht Stunden täglich arbeiten, wenn man [X.], dass er auf ein bis zwei außerordentliche Arbeitspausen angewiesen sei, und dies dahingehend konkretisiert, dass die zusätzlichen Pausen eventuell so ausgestaltet werden müssten, dass er zwei betriebsunübliche zusätzliche Pausen von jeweils 30 Minuten in einer Arbeitsschicht angeboten bekommen sollte. Die ergänzende schriftliche Beweisfrage des [X.] vom 23.1.2013 habe der Sachverständige am 5.2.2013 dahingehend beantwortet, dass er - der Kläger - aufgrund der bei ihm vorhandenen Schmerzen auf ein bis zwei betriebsunübliche Pausen in einer sechs bis achtstündigen Verweisungstätigkeit angewiesen sei. Nachdem das [X.] in der mündlichen Verhandlung jedoch erklärt habe, dass Prof. Dr. H. diese Pausen nur eventuell und nicht sicher für erforderlich halte, habe er beantragt, den Sachverständigen zur Erläuterung seines [X.]utachtens, insbesondere auch zur Notwendigkeit der betriebsunüblichen Pausen, zu laden. Wäre das [X.] diesem Antrag nachgekommen, hätte die gute Möglichkeit bestanden, dass Prof. Dr. H. auch anhand der in der Akte vorhandenen radiologischen Bildgebung über die multimorbiden [X.]elenke zur Überzeugung des [X.]erichts hätte darlegen können, dass aufgrund der vorhandenen Schmerzen die Notwendigkeit von ein bis zwei betriebsunüblichen Pausen bereits seit Februar 2007 bestehe. Das [X.] hätte dann nicht mehr von einem vollschichtigen Leistungsvermögen zu betriebsüblichen Bedingungen ausgehen können. Als weitere Verfahrensmängel rügt der Kläger die Unrichtigkeit und nicht ordnungsgemäße Unterzeichnung des Protokolls über die mündliche Verhandlung vor dem [X.].

9

II. Die Beschwerde des [X.] ist zulässig und im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht auch begründet.

Der Kläger rügt insbesondere eine Verletzung seines Fragerechts gegenüber einem Sachverständigen (§ 116 [X.], § 118 Abs 1 S 1 S[X.][X.] iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO) und damit seines Anspruchs auf [X.]ewährung rechtlichen [X.]ehörs (§ 62 S[X.][X.], Art 103 Abs 1 [X.][X.]). Diese [X.]ehörsrüge hat er hinreichend bezeichnet (§ 160a Abs 2 S 3 S[X.][X.]; zu den Anforderungen im Einzelnen s BS[X.] Beschluss vom 26.5.2015 - B 13 R 13/15 B - Juris Rd[X.] 10; BS[X.] Beschluss vom [X.] - B 5 R 366/15 B - JurionR[X.]016, 18167 Rd[X.] 9).

Die Rüge ist auch begründet. Das [X.] hat den Sachverständigen Prof. Dr. H. zu Unrecht nicht erneut angehört. Darin liegt ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 [X.] 3 S[X.][X.]).

Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BS[X.], dass - unabhängig von der nach § 411 Abs 3 ZPO im pflichtgemäßen Ermessen des [X.]erichts liegenden Möglichkeit, zur weiteren Sachaufklärung von Amts wegen das Erscheinen des Sachverständigen zur mündlichen Verhandlung anzuordnen - jedem Beteiligten gemäß § 116 [X.], § 118 Abs 1 S 1 S[X.][X.] iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO das Recht zusteht, einem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die er zur Aufklärung der Sache für dienlich erachtet (BS[X.] Beschluss vom 27.11.2007 - [X.]/5 R 60/07 B - [X.] 4-1500 § 116 [X.] 1 Rd[X.] 7; BS[X.] Beschluss vom 24.4.2008 - B 9 SB 58/07 B - [X.] 4-1500 § 116 [X.] 2 Rd[X.] 5; BS[X.] Beschluss vom 7.8.2014 - B 13 R 439/13 B - Juris Rd[X.] 10; s auch BVerf[X.] Beschluss vom 3.2.1998 - 1 BvR 909/94 - NJW 1998, 2273; BVerf[X.] Beschluss vom 24.8.2015 - 2 BvR 2915/14 - Juris Rd[X.] 17 ff). Das Fragerecht soll unabhängig davon, ob das [X.]ericht selbst ein [X.]utachten für erläuterungsbedürftig hält, es dem Antragsteller erlauben, im Rahmen des [X.] die Ausführungen eines Sachverständigen zu hinterfragen, um hierdurch zumindest auf die [X.]rundlagen der als solche nicht überprüfbaren gerichtlichen Beweiswürdigung (§ 160 Abs 2 [X.] 3 Teils 2 iVm § 128 Abs 1 S 1 S[X.][X.]) Einfluss nehmen zu können (vgl BS[X.] Beschluss vom 7.8.2014 - B 13 R 439/13 B - Juris Rd[X.] 12).

Sachdienliche Fragen iS von § 116 [X.] S[X.][X.] liegen immer dann vor, wenn sie sich im Rahmen des [X.] halten und nicht abwegig oder bereits eindeutig beantwortet sind (vgl BS[X.] Beschluss vom 27.11.2007 - [X.]/5 R 60/07 B - [X.] 4-1500 § 116 [X.] 1 Rd[X.] 10). An der Sachdienlichkeit fehlt es nur, wenn der Antrag auf Anhörung des Sachverständigen rechtsmissbräuchlich gestellt ist, insbesondere wenn die Notwendigkeit einer Erörterung überhaupt nicht begründet wird oder nur beweisunerhebliche Fragen angekündigt werden (vgl BVerf[X.] Beschluss vom 29.8.1995 - 2 BvR 175/95 - NJW-RR 1996, 183, 184 mwN zur Rechtsprechung des B[X.]H).

Der Kläger hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom [X.] hilfsweise die Befragung des Sachverständigen Prof. Dr. H. beantragt und gemessen an vorstehenden Anforderungen sachdienliche Fragen an den Sachverständigen angekündigt. Er durfte es trotz bereits eingeholter schriftlicher Ergänzungen vom 5.2.2013 und [X.] zu dem [X.]utachten vom [X.] im Hinblick auf deren Relativierung durch das [X.]ericht erstmals in der mündlichen Verhandlung für erforderlich halten, durch eine erneute Befragung des Sachverständigen weiter aufzuklären, ob dessen Beurteilung dahin geht, er könne noch an fünf Tagen in der Woche regelmäßig mit betriebsüblichen Pausen arbeiten oder ob und weshalb aus medizinischer Sicht zwei zusätzliche Arbeitspausen von je 30 Minuten Dauer erforderlich sind.

Das [X.] ist dem Antrag auf Befragung des Sachverständigen nicht gefolgt, obwohl es selbst angenommen hat, dass die Erforderlichkeit der Beachtung zusätzlicher betriebsunüblicher Pausen in der ergänzenden schriftlichen Stellungnahme des Prof. Dr. H. vom 5.2.2013 noch nicht widerspruchsfrei geklärt war. Es hat einerseits die vom Kläger angegebenen Schmerzempfindungen, die der Sachverständige zur Begründung der Notwendigkeit zusätzlicher Pausen angeführt hatte, als glaubhaft angesehen. Andererseits hat es gerade die von Prof. Dr. H. mitgeteilte Beobachtung, der Kläger habe problemlos die Fahrt zur Begutachtung 2,5 Stunden lang fortgesetzt sitzend zurücklegen können, als Beleg dafür angeführt, dass der Einschätzung des [X.]utachters hinsichtlich zusätzlich erforderlicher Pausen nicht zu folgen sei. In diesem Zusammenhang hat das [X.] zudem auf die den Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst zugestandenen Verteilzeiten (Kurzpausen von weniger als 15 Minuten alle zwei Stunden) verwiesen, ohne zuvor beim Sachverständigen nachzufragen, ob die von ihm für erforderlich gehaltenen [X.] ohne negative Auswirkungen auf das Leistungsvermögen des [X.] überhaupt derart "verteilt" werden können. Schließlich lässt auch die vom [X.] gegebene Begründung für die Ablehnung des Beweisantrags ("Zu der Frage … hat der Sachverständige Prof. Dr. H. in seinem [X.]utachten vom 11.01.2013 und ergänzend unter Ausführungen zu diesen Feststellungen" - [X.] S 17 unten) nicht erkennen, dass die vom Kläger angesprochene Frage zusätzlicher Pausen bereits durch die schon vorliegenden Stellungnahmen des Prof. Dr. H. hinreichend klar beantwortet war.

Damit hat das [X.] das Recht des [X.] auf Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. H. verletzt. Es hätte den bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung aufrechterhaltenen und im Urteil wiedergegebenen Hilfsantrag, den genannten Sachverständigen zur Erforderlichkeit zusätzlicher Pausen anzuhören, nachkommen müssen. Denn dies war auch nach der Rechtsauffassung des [X.] entscheidungserheblich dafür, ob der Kläger unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann (§ 43 Abs 3 S[X.]B VI).

Auf dem aufgezeigten Verfahrensmangel kann die Entscheidung des [X.] beruhen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das [X.] nach weiterer Befragung des Prof. Dr. H. zu einer anderen Beweiswürdigung hinsichtlich der Erforderlichkeit zusätzlicher Pausen (und damit hinsichtlich des Eintritts von Erwerbsminderung zu einem Zeitpunkt, zu dem die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung noch vorlagen) gekommen wäre bzw insoweit zusätzliche Sachaufklärung für notwendig gehalten hätte.

Da die Beschwerde bereits aus den dargelegten [X.]ründen erfolgreich ist, bedarf es keiner Entscheidung des Senats zu den weiteren vom Kläger erhobenen Verfahrensrügen.

Der Senat macht von der bei Vorliegen eines [X.] eröffneten Möglichkeit [X.]ebrauch, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 160a Abs 5 S[X.][X.]).

Die Entscheidung über die Kosten unter Einbeziehung der Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der abschließenden Entscheidung des [X.] vorbehalten.

Meta

B 13 R 119/14 B

16.06.2016

Bundessozialgericht 13. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Münster, 5. Mai 2010, Az: S 9 R 171/07, Urteil

§ 62 SGG, § 116 S 2 SGG, § 118 Abs 1 S 1 SGG, § 128 Abs 1 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160a Abs 5 SGG, § 397 ZPO, § 402 ZPO, § 411 Abs 3 ZPO, § 411 Abs 4 ZPO, Art 103 Abs 1 GG, § 43 SGB 6

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 16.06.2016, Az. B 13 R 119/14 B (REWIS RS 2016, 9833)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 9833

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 13 R 209/13 B (Bundessozialgericht)

rechtliches Gehör - berufskundliche Sachkunde - Äußerungsmöglichkeit des Klägers


B 13 R 170/17 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - vermeintliche Verletzung rechtlichen Gehörs aufgrund einer Überraschungsentscheidung des …


L 13 R 160/14 (LSG München)

Kein Anspruch auf Erwerbsminderungsrente trotz bestehender Funktionsbeeinträchtigung am Arm


B 13 R 325/13 B (Bundessozialgericht)

Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - mangelhafte gerichtliche Sachaufklärung - Rente wegen Erwerbsminderung


B 13 R 189/14 B (Bundessozialgericht)

Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - Antrag auf Ladung eines Gutachters - mündliche Erläuterung des Gutachtens


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

2 BvR 2915/14

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.