Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 24.10.2019, Az. 3 B 26/19

3. Senat | REWIS RS 2019, 2226

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Gegenstand

Hinweis auf Verstoß gegen die Voraussetzung des ordentlichen Wohnsitzes im Zeitpunkt der Führerscheinausstellung


Leitsatz

Die Begründung eines Wohnsitzes erst kurz vor der Ausstellung eines Führerscheins und die Auskunft der zuständigen Behörden des Ausstellungsmitgliedstaats, der Inhaber habe nicht mindestens 185 Tage pro Kalenderjahr am Ort der Meldung gelebt, sind Hinweise aus vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen, die die durch die Führerscheinausstellung begründete Annahme eines ordentlichen Wohnsitzes erschüttern. Sie rechtfertigen eine Einbeziehung aller Umstände, also auch der Informationen aus Quellen, die nicht vom Ausstellungsmitgliedstaat herrühren.

Gründe

1

Der Rechtsstreit betrifft die Frage, unter welchen Voraussetzungen [X.] [X.]ehörden und Gerichte davon ausgehen dürfen, dass der Inhaber eines von einem anderen [X.] ausgestellten Führerscheins seinen ordentlichen Wohnsitz zum Zeitpunkt der [X.]usstellung nicht im [X.]usstellungsmitgliedstaat hatte.

2

1. Der 1969 geborene Kläger ist [X.]r Staatsangehöriger, er erwarb 1988 eine Fahrerlaubnis der damaligen Klasse 3, die später auf die Klassen 1 und 2 erweitert wurde. Wegen einer fahrlässigen Trunkenheitsfahrt mit einer [X.]lutalkoholkonzentration von 2,18 Promille verurteilte ihn das [X.] mit rechtskräftigem Urteil vom 11. Dezember 2003 zu einer Geldstrafe, entzog ihm die Fahrerlaubnis und ordnete eine Sperrfrist für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis von acht Monaten an.

3

Im Juli 2007 erhielt der Kläger einen [X.] Führerschein. Nach den Eintragungen im Fahreignungsregister widerriefen die [X.] [X.]ehörden diese Fahrerlaubnis im Mai 2010, weil sie unter Täuschung über den in [X.] begründeten Wohnsitz und die Durchführung einer Fahrausbildung erteilt worden war.

4

[X.]m 10. März 2008 stellten [X.] [X.]ehörden ([X.]) dem Kläger einen bis zum 10. März 2018 befristeten Führerschein für die Klassen [X.], [X.] und [X.] aus, in dem ein [X.]r Wohnsitz ([X.]) eingetragen ist. Nachdem das Landratsamt [X.]ichach-Friedberg Kenntnis von diesem Führerschein erlangt und überprüft hatte, dass er nach [X.]blauf der in [X.] festgesetzten Sperrfrist erteilt worden war, teilte es dem Kläger im Jahr 2014 mit, er dürfe mit dem [X.]n Führerschein auch im [X.]undesgebiet fahren. Ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren unterblieb.

5

Mit Schreiben vom 16. Oktober 2017 bat das Landratsamt den Kläger um Vorsprache. Da er seit 1999 durchgängig mit Hauptwohnsitz in [X.] gemeldet sei, bestünden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des [X.]n Führerscheins. Die daraufhin vom Kläger beantragte [X.]nerkennung der Fahrerlaubnis zur Klarstellung lehnte das Landratsamt ab.

6

Im Dezember 2017 erhob der Kläger Klage. Er begehrte zunächst die Feststellung, dass er mit seinem [X.]n Führerschein berechtigt sei, im [X.]undesgebiet fahrerlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge zu führen; zuletzt beantragte er die Verpflichtung des [X.]eklagten, seinen [X.]n Führerschein in ein [X.]s Dokument umzutauschen.

7

Im Klageverfahren legte das Landratsamt eine [X.]uskunft des [X.]n Verkehrsministeriums vom 22. Februar 2018 vor, die einen von der Fahrerlaubnisbehörde in [X.] ausgefüllten Fragebogen enthält. Darin wird bestätigt, dass an der im Führerschein genannten [X.]dresse eine Unterkunft existiert und der Kläger mindestens sechs Monate Student gewesen sei. [X.]lle übrigen Fragen sind verneint ("[X.]", "[X.]", "[X.]", "[X.]", "Place of administrative links to public authorities and social services"). Des Weiteren legte das Landratsamt eine [X.]uskunft des Gemeinsamen Zentrums der deutsch-[X.]n Polizei- und Zollzusammenarbeit vom 8. Mai 2018 vor; danach war der Kläger vom 9. Januar bis 2. März 2008 in [X.] und vom 3. März bis 31. Dezember 2008 in [X.] gemeldet.

8

Der Kläger gab an, er sei in [X.] nie Student gewesen. Er habe als Vermittler für eine Unternehmerin gearbeitet.

9

Das Verwaltungsgericht hat den [X.]eklagten mit Urteil vom 18. Juni 2018 verpflichtet, den am 10. März 2008 ausgestellten [X.]n Führerschein in eine [X.] Fahrerlaubnis der Klassen [X.], [X.] und [X.] umzuschreiben. [X.] Informationen des [X.]usstellungsmitgliedstaats, aus denen sich ein Wohnsitzverstoß ergebe, lägen nicht vor. Im Führerschein sei ein [X.]r Wohnsitz angegeben, dementsprechend bestätige die [X.]uskunft des Gemeinsamen Zentrums der deutsch-[X.]n Polizei- und Zollzusammenarbeit einen ausreichend langen Meldezeitraum. [X.]uch dem Fragebogen lasse sich entnehmen, dass an der genannten [X.]dresse eine Unterkunft vorhanden sei. Dass die [X.] Führerscheinstelle die übrigen Fragen verneint und dabei unzutreffend angegeben habe, der Kläger sei Student, ändere hieran nichts.

[X.]uf die [X.]erufung des [X.]eklagten hat der Verwaltungsgerichtshof das verwaltungsgerichtliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Nach § 28 [X.]bs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV gelte die [X.]erechtigung, mit einer [X.]Fahrerlaubnis im Inland Kraftfahrzeuge zu führen, nicht für Inhaber, die ausweislich des Führerscheins oder vom [X.]usstellungsmitgliedstaat [X.] unbestreitbarer Informationen zum Zeitpunkt der Erteilung ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hatten. Dies sei beim Kläger der Fall.

Für die Prüfung dieser Voraussetzungen hat das [X.]erufungsgericht die [X.]uffassung vertreten, die [X.]egründung eines Scheinwohnsitzes müsse nicht bereits aufgrund der vom [X.]usstellungsmitgliedstaat stammenden Informationen abschließend erwiesen sein. Vielmehr reiche es aus, wenn diese Informationen auf einen Verstoß "hinweisen" würden. In diesem Fall seien die [X.]ehörden und Gerichte des [X.]ufnahmemitgliedstaats berechtigt, auch inländische Umstände zu berücksichtigen.

Ein Indiz dafür, dass sich der Kläger nur zum Zweck des Erwerbs einer Fahrerlaubnis in [X.] angemeldet habe, ohne dort einen ordentlichen Wohnsitz zu begründen, ergebe sich bereits aus dem Umstand, dass er diesen Wohnsitz erst kurz vor der [X.]usstellung angemeldet habe. Ein weiterer Hinweis folge aus dem von der [X.]n Fahrerlaubnisbehörde ausgefüllten Fragebogen. Sowohl ein [X.]ufenthalt von mehr als 185 Tagen im Kalenderjahr als auch persönliche oder berufliche [X.]indungen des [X.] im [X.] seien dort ausdrücklich verneint worden. [X.]us den von den [X.]n [X.]ehörden stammenden Informationen ergäben sich daher erhebliche Zweifel daran, dass der Kläger im Zeitpunkt der Erteilung einen ordentlichen Wohnsitz in [X.] gehabt habe.

[X.]ei ergänzender Heranziehung "inländischer Umstände" verbleibe kein Zweifel an dem angenommenen Wohnsitzverstoß. Der Kläger sei dauerhaft, und damit auch im Zeitpunkt der Erteilung seines [X.]n Führerscheins, mit Hauptwohnsitz in [X.] gemeldet gewesen. Er habe sich überdies bereits im Jahr 2007 eine [X.] Fahrerlaubnis unter Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip verschafft. Diese Tatsachen habe der Kläger nicht zu entkräften vermocht, vielmehr seien die [X.]ngaben zu seinem [X.]ufenthalt in [X.] widersprüchlich und unsubstantiiert. Trotz [X.]ufforderung habe er auch weder Unterlagen zu den angemieteten Wohnungen in [X.] und [X.] noch [X.]elege für die behauptete [X.]erufstätigkeit vorgelegt - wie etwa [X.]rbeitsverträge, Kontoauszüge, [X.] oder Steuerunterlagen.

2. Die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete [X.]eschwerde des [X.] bleibt ohne Erfolg. Sie hat weder eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage (§ 132 [X.]bs. 2 Nr. 1 VwGO) noch den behaupteten Verfahrensmangel des [X.]erufungsurteils (§ 132 [X.]bs. 2 Nr. 3 VwGO) aufgezeigt.

a) Die von der [X.]eschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen zum Umtausch einer [X.]Fahrerlaubnis und insbesondere zu den Voraussetzungen, unter denen [X.] [X.]ehörden und Gerichte davon ausgehen dürfen, dass der Inhaber eines von einem anderen [X.] ausgestellten Führerscheins seinen ordentlichen Wohnsitz zum [X.]usstellungszeitpunkt nicht im [X.]usstellungsmitgliedstaat hatte, sind in der Rechtsprechung bereits geklärt, soweit sie einer grundsätzlichen Klärung zugänglich sind. Neuen oder zusätzlichen Klärungsbedarf zeigt die [X.]eschwerde nicht auf. Ihre [X.]ngriffe zielen in der Sache vielmehr auf die Würdigung des Einzelfalls durch das [X.]erufungsgericht.

aa) Nach § 30 [X.]bs. 2 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV) vom 13. Dezember 2010 ([X.]G[X.]l. I S. 1980) in der hier maßgeblichen aktuellen Fassung vom 11. März 2019 ([X.]G[X.]l. I S. 218) setzt der Umtausch keine gültige [X.]Fahrerlaubnis voraus. Da der [X.]etroffene nach einem Wohnsitzwechsel keine Verlängerung im [X.]usstellungsmitgliedstaat mehr erhalten kann, hätte das Erfordernis einer bestehenden Gültigkeit zur Folge, dass der [X.]etroffene nach [X.]blauf der Geltungsdauer seines Führerscheins eine Fahrerlaubnis nur noch unter den [X.]edingungen der Ersterteilung im neuen Wohnsitzmitgliedstaat erhalten könnte. Dies erschien dem Verordnungsgeber als unzulässige [X.]eeinträchtigung der Freizügigkeit (vgl. [X.]R-Drs. 443/98 S. 288 f.). Eine befristete [X.]Fahrerlaubnis der Klassen [X.] und [X.] (einschließlich ihrer Unterklassen [X.]M, [X.], [X.]2, [X.]E und [X.]1) kann daher gemäß § 30 [X.]bs. 2 Satz 1 FeV auch noch umgetauscht werden, wenn ihre Gültigkeit nach [X.]egründung eines ordentlichen Wohnsitzes im Inland abgelaufen ist. Eine zeitliche [X.]eschränkung sieht die Regelung nicht mehr vor (vgl. Dauer, in: [X.]/[X.]/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. [X.]ufl. 2019, § 30 FeV Rn. 5).

Für die [X.]usstellung eines [X.]n Führerscheins auf der Grundlage einer [X.]Fahrerlaubnis ist erforderlich, dass der [X.]ntragsteller Inhaber einer von einem anderen Mitgliedstaat erteilten [X.] oder [X.] ist, die zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigt oder berechtigt hat (§ 30 [X.]bs. 1 Satz 1 FeV). Unter welchen Voraussetzungen dies der Fall ist, ergibt sich im vorliegenden Fall des Wohnsitzwechsels aus § 28 FeV. Danach dürfen die Inhaber einer gültigen [X.] oder [X.], die ihren ordentlichen Wohnsitz in der [X.]undesrepublik [X.] haben, im Umfang ihrer [X.]erechtigung Kraftfahrzeuge im Inland führen, sofern keiner der in § 28 [X.]bs. 4 FeV normierten [X.]usnahmetatbestände vorliegt.

bb) Nach § 28 [X.]bs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV gilt die [X.]erechtigung, Kraftfahrzeuge im Inland zu führen, nicht für Inhaber einer [X.] oder [X.], die ausweislich des Führerscheins oder vom [X.]usstellungsmitgliedstaat [X.] unbestreitbarer Informationen zum Zeitpunkt der Erteilung ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hatten, es sei denn, dass sie als Studierende oder Schüler im Sinne des § 7 [X.]bs. 2 FeV die Fahrerlaubnis während eines mindestens sechsmonatigen [X.]ufenthalts erworben haben.

Der [X.]erechtigungsausschluss folgt bereits aus der Nichtbeachtung der den ordentlichen Wohnsitz betreffenden Vorschriften für sich, eines Verkehrsverstoßes oder sonstiger Voraussetzungen bedarf es nicht ([X.]VerwG, Urteil vom 5. Juli 2018 - 3 C 9.17 [[X.]:[X.]:[X.]VerwG:2018:050718U3C9.17.0] - [X.]VerwGE 162, 308 Rn. 35). Er gilt unmittelbar kraft Gesetzes, ohne dass hierfür ein konstitutiver Verwaltungsakt im Einzelfall erforderlich wäre ([X.]VerwG, Urteil vom 25. [X.]ugust 2011 - 3 C 25.10 - [X.]VerwGE 140, 256 Rn. 16 ff.).

Die Regelung - und insbesondere die eingeschränkte Prüfbefugnis des [X.]ufnahmemitgliedstaats - geht auf unionsrechtliche Vorgaben zurück (vgl. [X.]R-Drs. 851/08 S. 6 sowie [X.]VerwG, Urteil vom 25. [X.]ugust 2011 - 3 C 25.10 - [X.]VerwGE 140, 256 Rn. 11).

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ist nur der [X.]usstellungsmitgliedstaat für die Überprüfung zuständig, ob die im Unionsrecht aufgestellten Mindestanforderungen, insbesondere die Voraussetzungen hinsichtlich des ordentlichen Wohnsitzes und der Fahreignung, erfüllt sind und ob somit die Erteilung einer Fahrerlaubnis gerechtfertigt ist. Der [X.]esitz eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins ist als [X.]eweis dafür anzusehen, dass sein Inhaber am Tag der [X.]usstellung diese [X.]usstellungsvoraussetzungen erfüllte. [X.]ndere Mitgliedstaaten sind daher nicht befugt, die [X.]eachtung der unionsrechtlich aufgestellten [X.]nforderungen nachzuprüfen ([X.], Urteil vom 28. Februar 2019 - [X.]/18 [[X.]:[X.]:C:2019:148], [X.] - Rn. 29 f.).

Hat ein [X.]ufnahmemitgliedstaat triftige Gründe, die Ordnungsgemäßheit eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins zu bezweifeln, so hat er dies dem [X.]usstellungsmitgliedstaat mitzuteilen. Es ist allein Sache dieses Mitgliedstaates, geeignete Maßnahmen in [X.]ezug auf diejenigen Führerscheine zu ergreifen, bei denen sich nachträglich herausstellt, dass ihre Inhaber die vorgeschriebenen Voraussetzungen nicht erfüllten ([X.], Urteil vom 26. Juni 2008 - [X.]/06 u.a. [[X.]:[X.]:C:2008:366], [X.] und Funk - Rn. 56 f.).

cc) Zu der eigenständigen Entscheidung, dem in einem anderen [X.] ausgestellten Führerschein in seinem Hoheitsgebiet die [X.]nerkennung zu versagen, ist ein [X.]ufnahmemitgliedstaat jedoch befugt, wenn aufgrund von [X.]ngaben im Führerschein selbst oder anderen vom [X.]usstellungsmitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen feststeht, dass die unionsrechtlich vorgesehene Voraussetzung eines ordentlichen Wohnsitzes zum Zeitpunkt der [X.] nicht beachtet wurde ([X.], Urteile vom 26. Juni 2008 - [X.]/06 u.a., [X.] und Funk - Rn. 72 und - [X.]/06 u.a. [[X.]:[X.]:C:2008:367], [X.] u.a. - Rn. 69 sowie vom 26. [X.]pril 2012 - [X.]/10 [[X.]:[X.]:C:2012:240], [X.] - Rn. 48 ff. m.w.N.).

Um derartige [X.]uskünfte darf der [X.]usstellungsmitgliedstaat ersucht werden ([X.], [X.]eschluss vom 9. Juli 2009 - [X.]/08 [[X.]:[X.]:C:2009:443], [X.] - Rn. 58 sowie Urteil vom 1. März 2012 - [X.]/10 [[X.]:[X.]:[X.]], [X.] - Rn. 71 f.). Sie können auch dann berücksichtigt werden, wenn sie erst im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens eingeholt worden sind ([X.]VerwG, Urteile vom 25. Februar 2010 - 3 C 15.09 - [X.]VerwGE 136, 149 Rn. 19 ff., vom 30. Mai 2013 - 3 C 18.12 - [X.]VerwGE 146, 377 Rn. 24 und vom 5. Juli 2018 - 3 C 9.17 - [X.]VerwGE 162, 308 Rn. 34).

Ob die von nationalen [X.]ehörden des [X.]usstellungsmitgliedstaats herrührenden Informationen belegen, dass der Inhaber des Führerscheins zum Zeitpunkt der [X.]usstellung seinen ordentlichen Wohnsitz nicht im [X.]usstellungsmitgliedstaat hatte, muss vom zuständigen Gericht bewertet und beurteilt werden. Ergeben die vom [X.]usstellungsmitgliedstaat herrührenden Informationen Hinweise auf einen Verstoß gegen die Voraussetzung des ordentlichen Wohnsitzes im maßgeblichen Zeitpunkt, kann es alle Umstände des bei ihm anhängigen Verfahrens berücksichtigen ([X.], Urteil vom 1. März 2012 - [X.]/10, [X.] - Rn. 74 f.). Ist die durch die [X.]usstellung des Führerscheins begründete [X.]nnahme, das Wohnsitzerfordernis sei zum [X.]usstellungszeitpunkt erfüllt gewesen, durch aus dem [X.]usstellungsmitgliedstaat herrührende Informationen erschüttert, können deshalb auch die Einlassungen des Führerscheininhabers sowie Erkenntnisse aus Quellen des [X.]ufnahmemitgliedstaates, wie etwa den Meldebehörden, miteinbezogen werden (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 30. Mai 2013 - 3 C 18.12 - [X.]VerwGE 146, 377 Rn. 30).

Für die [X.]egründung entsprechender Zweifel reicht es nicht aus, wenn die [X.]ehörden des [X.]usstellungsmitgliedstaats mitteilen, dass sie die [X.] nicht geprüft hätten ([X.], [X.]eschluss vom 9. Juli 2009 - [X.]/08, [X.] - Rn. 55). Die bloße Nichtprüfung schafft kein positives Indiz, das zur Erschütterung der durch die [X.] begründeten Vermutung erforderlich wäre. Entsprechendes gilt daher für die [X.]uskunft, dass Einzelheiten zu den tatsächlichen Gegebenheiten der Wohnsitznahme nicht bekannt sind (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 9. Januar 2018 - 16 [X.] 534/17 - juris 22; zu weitgehend daher [X.], [X.]eschluss vom 15. Januar 2016 - 10 [X.] 11099/15 - NJW 2016, 2052 Rn. 6 sowie [X.], [X.]eschluss vom 20. März 2018 - 12 ME 15/18 - NJW 2018, 1769 Rn. 8).

[X.]usreichende Hinweise für einen Verstoß gegen die Voraussetzung des ordentlichen Wohnsitzes können sich aber aus der vom [X.]usstellungsmitgliedstaat herrührenden Information ergeben, dass der Inhaber des Führerscheins sich nur kurze Zeit im Gebiet dieses Staates aufgehalten hat (vgl. [X.], Urteil vom 1. März 2012 - [X.]/10, [X.] - Rn. 75). Ergibt sich aus den vom [X.]usstellungsmitgliedstaat herrührenden Informationen, dass die Wohnungsmeldung die erforderliche Mindestdauer nur wenig überschreitet und erst kurz vor der [X.]usstellung des Führerscheins stattfand oder bereits kurz nach Erwerb des Führerscheins wieder aufgegeben wurde (vgl. U[X.] Rn. 26 sowie [X.], [X.]eschluss vom 4. März 2019 - 11 [X.] 18.34 - juris Rn. 23), oder verneinen die zuständigen [X.]ehörden des [X.]usstellungsmitgliedstaats auf Nachfrage einen mindestens 185-tägigen [X.]ufenthalt sowie persönliche oder berufliche [X.]indungen (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 30. Mai 2013 - 3 C 18.12 - [X.]VerwGE 146, 377 Rn. 23 ff.), sind ausreichende Zweifel an der Richtigkeit des durch die [X.] begründeten [X.]nscheins eines ordentlichen Wohnsitzes begründet. Derartige Umstände weisen darauf hin, dass der Inhaber des Führerscheins nur einen fiktiven Wohnsitz zu dem Zweck begründet hat, der [X.]nwendung der strengeren [X.]edingungen für die [X.]usstellung eines Führerscheins im Mitgliedstaat seines tatsächlichen Wohnsitzes zu entgehen.

Es obliegt dann dem Inhaber der Fahrerlaubnis, substantiierte und verifizierbare [X.]ngaben zu [X.]eginn und Ende seines [X.]ufenthalts im [X.]usstellungsmitgliedstaat sowie zu den persönlichen und beruflichen [X.]indungen zu machen, die im maßgeblichen Zeitraum zu dem im Führerschein angegebenen Wohnort bestanden (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 30. Mai 2013 - 3 C 18.12 - [X.]VerwGE 146, 377 Rn. 30). Dies gilt in besonderer Weise, wenn der Inhaber des Führerscheins gleichzeitig einen Wohnsitz in [X.] beibehalten hat (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 22. Oktober 2014 - 3 [X.] 21.14 - [X.], 30 Rn. 3).

dd) [X.]uf Grundlage dieser Maßstäbe können die von der [X.]eschwerde aufgeworfenen Fragen ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden.

Sowohl die [X.]uskünfte in dem vom [X.]n Verkehrsministerium übersandten Fragebogen als auch die durch eine [X.]uskunft des Gemeinsamen Zentrums der deutsch-[X.]n Polizei- und Zollzusammenarbeit bestätigte [X.]nmeldung des [X.] (vgl. hierzu [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 15. [X.]ugust 2013 - 3 [X.] 38.13 - [X.], 594 Rn. 3 sowie Urteil vom 5. Juli 2018 - 3 C 9.17 - [X.]VerwGE 162, 308 Rn. 15) nur kurz vor der [X.]usstellung des Führerscheins sind vom [X.]usstellungsmitgliedstaat herrührende unbestreitbare Informationen, die Hinweise auf einen Verstoß gegen die Voraussetzung des ordentlichen Wohnsitzes im Zeitpunkt der [X.]usstellung des Führerscheins ergeben.

Die vom Kläger insoweit beanstandete Würdigung der vom [X.]n Verkehrsministerium übersandten [X.]uskünfte der Fahrerlaubnisbehörde, die den [X.]n Führerschein ausgestellt hatte, betrifft die Rechtsanwendung im konkreten Einzelfall. Die [X.]uffassung des [X.]erufungsgerichts, die fehlerhafte [X.]ngabe zum Studentenstatus des [X.] ändere nichts daran, dass die sonstigen [X.]uskünfte Hinweise auf eine unzutreffende [X.]nnahme der Voraussetzungen eines ordentlichen Wohnsitzes belegen, ist indes nicht zu beanstanden. Dies gilt umso mehr, als der Hintergrund der [X.] nicht bekannt ist.

Diese Erschütterung der durch die [X.]usstellung des Führerscheins begründeten [X.]nnahme eines ordentlichen Wohnsitzes im Zeitpunkt der [X.]usstellung des Führerscheins rechtfertigt eine [X.]erücksichtigung aller Umstände des Verfahrens. Die möglicherweise fehlerhaft erteilte [X.]uskunft der [X.]ehörden des [X.]usstellungsmitgliedstaats wird dabei nicht "zu Lasten" des Inhabers des Führerscheins gewertet; sie verhindert lediglich nicht die Indizwirkung der von den [X.]ehörden des [X.]usstellungsmitgliedstaats im Übrigen gegebenen [X.]uskünfte. [X.]uch insoweit führen die Erkenntnisse im Übrigen nur zur Zulässigkeit der [X.]erücksichtigung weiterer Umstände, nämlich auch derjenigen aus Quellen, die nicht vom [X.]usstellungsmitgliedstaat herrühren.

Der vom Kläger als verletzt gerügten Pflicht zur [X.]mtsermittlung ist das [X.]erufungsgericht damit gerade nachgekommen. Es hat alle verfügbaren Umstände berücksichtigt; insbesondere auch die [X.]ngaben des [X.] selbst. Zu einer wiederholten [X.]nfrage bei den [X.]ehörden des [X.]usstellungsmitgliedstaats war das [X.]erufungsgericht bei dieser Sachlage nicht verpflichtet. [X.]uch insoweit handelt es sich im Übrigen um eine Frage der zutreffenden Rechtsanwendung im konkreten Einzelfall.

[X.]us dem Umstand, dass der Kläger mit seinem [X.]n Führerschein über einen Zeitraum von fast zehn Jahren beanstandungsfrei am Straßenverkehr in [X.] teilgenommen hat, folgt nicht, dass der [X.]eklagte daran gehindert wäre, den beantragten Umtausch in einen [X.]n Führerschein abzulehnen. Zum einen gilt der [X.]erechtigungsausschluss aus § 28 [X.]bs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV unmittelbar kraft Gesetzes, ohne dass es eines Verkehrsverstoßes oder sonstiger Maßnahmen bedürfte ([X.]VerwG, Urteil vom 5. Juli 2018 - 3 C 9.17 - [X.]VerwGE 162, 308 Rn. 35). Zum anderen folgt aus dem zunächst unterbliebenen Einschreiten kein Vertrauenstatbestand, der den [X.]eklagten verpflichten würde, auch künftig an der fehlerhaften Praxis festzuhalten.

b) Die [X.]eschwerde legt auch keinen Verfahrensmangel dar, auf dem das angegriffene Urteil beruhen kann (§ 132 [X.]bs. 2 Nr. 3 VwGO).

aa) Soweit mit der [X.]eschwerde die fehlerhafte [X.]blehnung eines "[X.]eweisantrags" geltend gemacht wird ([X.]eschwerdebegründung S. 7), geht dies fehl. Denn im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem [X.]erufungsgericht ist ausweislich der Niederschrift der Sitzung vom 1. [X.]pril 2019 - die insoweit [X.]eweiskraft entfaltet (§ 105 VwGO i.V.m. § 160 [X.]bs. 2, § 165 ZPO) - ein [X.]eweisantrag nicht gestellt worden. Entsprechendes behauptet auch die [X.]eschwerde nicht. Die [X.]nforderungen an die [X.]eweisablehnung nach § 86 [X.]bs. 2 VwGO gelten indes nur für einen "in der mündlichen Verhandlung" gestellten [X.]eweisantrag ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 30. [X.]ugust 2017 - 2 [X.] 34.17 [[X.]:[X.]:[X.]VerwG:2017:300817[X.]2[X.]34.17.0] - [X.]uchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 51 Rn. 7).

Der Hinweis, die mit Schriftsatz vom 19. September 2018 beantragte Zeugenvernehmung sei in der mündlichen Verhandlung "nicht zurückgenommen" worden, geht daher ebenfalls fehl. Der schriftsätzlich angekündigte [X.]eweisantrag ist in der maßgeblichen Verhandlung vielmehr nicht gestellt worden.

Im Übrigen ist auch im Schriftsatz vom 19. September 2018, der noch das [X.]erufungszulassungsverfahren betraf, keine [X.]eweiserhebung dazu angeregt worden, "dass dem Kläger durch das Landratsamt [X.]ichach-Friedberg schriftlich mitgeteilt wurde, dass er von der streitgegenständlichen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch machen dürfte", wie nunmehr behauptet. Seinerzeit hatte der Prozessbevollmächtigte des [X.] vielmehr vorgetragen, die damalige Sachbearbeiterin möge "gegebenenfalls als Zeugin befragt werden, auf welcher Grundlage sie diesen [X.]ktenvermerk gefertigt hat".

bb) Die Nichtdurchführung der nun vermissten [X.]eweiserhebung kann daher allenfalls gegen die auch dem [X.]erufungsgericht (vgl. § 125 [X.]bs. 1 Satz 1 i.V.m. § 86 [X.]bs. 1 VwGO) obliegende Verpflichtung verstoßen haben, den Sachverhalt von [X.]mts wegen zu erforschen. Da die [X.]ufklärungsrüge aber kein zulässiges Mittel dafür darstellt, eigene Versäumnisse in der Tatsacheninstanz nachzuholen ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 31. Juli 2014 - 2 [X.] 20.14 - [X.]uchholz 310 § 86 [X.]bs. 1 VwGO Nr. 381 Rn. 14), liegt ein Mangel des gerichtlichen Verfahrens hinsichtlich der Sachverhaltsaufklärung grundsätzlich nur vor, wenn sich die weitere [X.]eweiserhebung dem [X.]erufungsgericht auch ohne förmlichen [X.]ntrag der [X.]eteiligten hätte aufdrängen müssen.

Darlegungen dazu, warum sich dem [X.]erufungsgericht weitere [X.]ufklärungen zu dem vom Kläger behaupteten Schreiben des Landratsamts hätten aufdrängen müssen, obwohl dieses vom Kläger nicht vorgelegt werden konnte und [X.]nhaltspunkte für ein entsprechendes Schreiben in den [X.]kten nicht ersichtlich sind, enthält die [X.]eschwerde nicht. [X.]usweislich der Führerscheinakte ist lediglich der Polizeiinspektion vielmehr am 10. September 2014 telefonisch mitgeteilt worden, dass der Kläger mit seinem Führerschein auch im [X.]undesgebiet fahren dürfe. Dem lag zugrunde, dass der [X.] Führerschein erst nach [X.]blauf der in [X.] festgesetzten Sperrfrist erteilt wurde und auf ihm ein [X.]r Wohnsitz angegeben ist (vgl. [X.]l. 55 der Führerscheinakte). Hinweise auf eine fehlerhafte [X.]nnahme der Voraussetzungen eines ordentlichen Wohnsitzes im Zeitpunkt der [X.]usstellung des [X.]n Führerscheins lagen damals noch nicht vor.

Schließlich war die [X.]ufklärung auf Grundlage der für die [X.]eurteilung von Verfahrensfehlern maßgeblichen (stRspr, vgl. etwa [X.]VerwG, Urteile vom 14. Januar 1998 - 11 C 11.96 - [X.]VerwGE 106, 115 <119> und vom 28. Juli 2011 - 2 C 28.10 - [X.]VerwGE 140, 199 Rn. 25) Rechtsauffassung des [X.]erufungsgerichts nicht entscheidungserheblich. Da sich die fehlende [X.]erechtigung, von einer [X.]Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, im Fall des § 28 [X.]bs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV unmittelbar aus dem Gesetz ergebe, scheide die Zusicherung, einen Verwaltungsakt diesen Inhalts nicht zu erlassen, bereits aus Rechtsgründen aus (U[X.] Rn. 34; vgl. hierzu auch [X.]VerwG, Urteil vom 16. Mai 2019 - 3 C 19.17 [[X.]:[X.]:[X.]VerwG:2019:160519U3C19.17.0] - juris Rn. 43).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 [X.]bs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das [X.]eschwerdeverfahren beruht auf § 47 [X.]bs. 1 und 3 i.V.m. § 52 [X.]bs. 1 GKG und Nr. 46.1 bis 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Meta

3 B 26/19

24.10.2019

Bundesverwaltungsgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 1. April 2019, Az: 11 B 18.2100, Endurteil

Art 2 Abs 1 EGV 126/2006, Art 7 Abs 1 Buchst e EGV 126/2006, § 28 Abs 4 S 1 Nr 2 FeV 2010, § 30 Abs 2 S 1 FeV 2010

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 24.10.2019, Az. 3 B 26/19 (REWIS RS 2019, 2226)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 2226

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Referenzen
Wird zitiert von

11 ZB 20.88

Zitiert

12 ME 15/18

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