Bundesfinanzhof, Beschluss vom 26.10.2011, Az. IV B 96/10

4. Senat | REWIS RS 2011, 1971

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Gegenstand

(Auslegung von § 4 Abs. 6 Satz 2 UmwStG a.F. - Auflösung des Aktivpostens "Übernahmeverlust" bei Liquidation - Abziehbarkeit eines Übernahmeverlustes nach neuer Rechtslage - Fehlende grundsätzliche Bedeutung bei ausgelaufenem Recht)


Leitsatz

1. NV: Durch § 4 Abs. 6 Satz 2 UmwStG a.F. sollte durch die dort angeordnete Aktivierung die sofortige Nutzung eines Übernahmeverlustes durch die Übernehmerin bzw. ihre Gesellschafter grundsätzlich ausgeschlossen werden .

2. NV: Bei dem nach § 4 Abs. 6 Satz 2 UmwStG a.F. zu aktivierenden Bilanzposten "Übernahmeverlust" handelt es sich nicht um ein Wirtschaftsgut. Dieser Aktivposten ist zwar bei Liquidation der Gesellschaft, nicht aber bei deren Umwandlung nach den Vorschriften des UmwStG erfolgswirksam aufzulösen .

3. NV: Es ist nicht zu beanstanden, wenn das FG die Anwachsung wegen der nach § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB eintretenden Gesamtrechtsnachfolge einer Umwandlung nach dem UmwStG gleichgeachtet hat .

Gründe

1

Die Beschwerde ist unbegründet.

2

1. Die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) ist im Streitfall nicht geboten.

3

a) Zwar ist die Revision nach der genannten Vorschrift auch zuzulassen, wenn ein Rechtsfehler des Finanzgerichts ([X.]) zu einer "greifbar gesetzwidrigen" Entscheidung geführt hat. Voraussetzung hierfür ist aber, dass die Entscheidung des [X.] in einem solchen Maße fehlerhaft ist, dass das Vertrauen in die Rechtsprechung nur durch eine höchstrichterliche Korrektur der finanzgerichtlichen Entscheidung wiederhergestellt werden könnte (ständige Rechtsprechung, z.B. Beschluss des [X.] --BFH-- vom 28. August 2007 [X.], [X.], 113, m.w.N.). Diese Voraussetzung kann etwa vorliegen, wenn das [X.] eine offensichtlich einschlägige entscheidungserhebliche Vorschrift übersehen hat (vgl. [X.] vom 28. Juli 2003 [X.], [X.] 2003, 1597), das Urteil jeglicher gesetzlichen Grundlage entbehrt oder auf einer offensichtlich Wortlaut und Gesetzeszweck widersprechenden Gesetzesauslegung beruht (vgl. [X.] vom 8. Februar 2006 [X.]/04, [X.] 2006, 1116). Unterhalb dieser Schwelle liegende erhebliche Rechtsfehler reichen dagegen nicht aus, um eine greifbare Gesetzwidrigkeit oder gar eine Willkürlichkeit der angefochtenen Entscheidung anzunehmen (vgl. [X.] vom 7. Juli 2005 [X.], [X.] 2005, 2031).

4

b) Im Streitfall hat die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) keinen qualifizierten, zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O führenden [X.] dargelegt. Anders als die Klägerin meint, beruht das Urteil des [X.] nicht auf einer offensichtlich Wortlaut und Gesetzeszweck des § 4 Abs. 6 Satz 2 des Umwandlungssteuergesetzes ([X.]) i.d.[X.] zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29. Oktober 1997 ([X.] 1997, 2590, [X.], 928) --[X.] a.F.-- widersprechenden Gesetzesauslegung und führt auch nicht zu einer unzulässigen Analogie zu § 6 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bzw. § 738 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ([X.]). Die vom [X.] gewonnene Auslegung des § 4 Abs. 6 Satz 2 [X.] a.F. entspricht jedenfalls den anerkannten Regeln der Gesetzesauslegung und ist deshalb weder greifbar gesetzwidrig noch willkürlich.

5

aa) § 4 Abs. 6 Satz 1 [X.] a.F. sieht vor, dass nach Anwendung des Abs. 5 der Vorschrift verbleibende [X.] zunächst zur Aufstockung der Wertansätze der übergegangenen Wirtschaftsgüter nach Abs. 1 der Vorschrift in der Bilanz der Personengesellschaft einschließlich der Ergänzungsbilanzen für ihre Gesellschafter bis zu den [X.] der Wirtschaftsgüter führen. Ein darüber hinausgehender Betrag ist dann nach § 4 Abs. 6 Satz 2 [X.] a.F. zu aktivieren und auf 15 Jahre gleichmäßig abzuschreiben, soweit er nicht als Anschaffungskosten der übernommenen immateriellen Wirtschaftsgüter einschließlich eines Geschäfts- oder Firmenwertes zu aktivieren ist. Der im [X.] durch Formwechsel der seinerzeit als GmbH firmierenden Klägerin in eine GmbH & Co. KG entstandene [X.] war folglich nach Anwendung des § 4 Abs. 6 Satz 1 [X.] a.F. bei der Klägerin nach dem Satz 2 der Vorschrift zu aktivieren und über einen Zeitraum von 15 Jahren abzuschreiben.

6

bb) Nachdem 2005 der Beigeladene zu 2. als Kommanditist ausgeschieden war, wuchs das Vermögen der Klägerin nach Maßgabe des § 738 Abs. 1 Satz 1 [X.] der Beigeladenen zu 1. als Komplementärin an. Es stellte sich insoweit die Frage, wie der nach den zwischenzeitlich vorgenommenen Abschreibungen verbliebene [X.] nunmehr zu behandeln war. Das [X.] ist dazu zu Recht davon ausgegangen, dass § 4 Abs. 6 Satz 2 [X.] a.F. seinem Wortlaut nach keine Regelung enthält, die eine vorzeitige Verlustauflösung vorsieht. Entsprechend war es Aufgabe des [X.], durch Auslegung der Norm und vor allem unter Beachtung des [X.] zu ermitteln, ob der bei der Klägerin aktivierte [X.] sofort erfolgswirksam aufzulösen war oder aber auf die Beigeladene zu 1. überzugehen hatte.

7

cc) Das [X.] mag zwar durch den zu Beginn seiner Auslegung gegebenen Hinweis auf den Grundgedanken des § 6 Abs. 3 EStG bzw. das allgemeine Prinzip der zivilrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge den Eindruck erweckt haben, es stütze sein Ergebnis, wonach der aktivierte [X.] auf die Beigeladene zu 1. überzugehen hat, auf eine analoge Anwendung der genannten Normen. Das ist indessen nicht der Fall, denn das [X.] hat durch den Verweis auf den Gesetzeszweck des § 4 Abs. 6 Satz 2 [X.] a.F. deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es ihm um die Auslegung dieser Norm ging. Insoweit hat das [X.] zu Recht darauf abgehoben, dass durch § 4 Abs. 6 Satz 2 [X.] a.F. die sofortige Nutzung eines [X.]s durch die Übernehmerin bzw. ihre Gesellschafter grundsätzlich ausgeschlossen werden sollte (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Kommentar zum [X.] und EStG, § 4 [X.] n.F., [X.]). Dies entsprach den im Vermittlungsverfahren (vgl. BTDrucks 13/8325) zutage getretenen Vorstellungen des Gesetzgebers, wonach Gestaltungen unterbunden werden sollten, die darauf hinausliefen, unter sofortiger Nutzung von [X.]n Gewinne der Besteuerung mit Körperschaft- oder Einkommensteuer zu entziehen (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], § 4 Rz 4).

8

dd) Das [X.] ist insoweit in Übereinstimmung mit dem Schreiben des [X.] vom 25. März 1998 [X.] -S 1978- 21/98 ([X.], 268, Tz. 04.36; ebenso [X.] in [X.]/[X.]/[X.], a.a.[X.], § 4 [X.] n.F., [X.]) davon ausgegangen, dass es sich bei dem zu aktivierenden Bilanzposten "[X.]" nicht um ein Wirtschaftsgut handelt und dieser Aktivposten zwar bei Liquidation der Gesellschaft, nicht aber bei deren Umwandlung nach den Vorschriften des [X.] erfolgswirksam aufzulösen ist. Dies wiederum folgert das [X.] --ohne dabei den Gesetzeszweck des § 4 Abs. 6 Satz 2 [X.] a.F. zu verkennen-- daraus, dass eine Liquidation nach § 16 Abs. 1 und Abs. 3 EStG grundsätzlich zur Aufdeckung der stillen Reserven führt, während dies in Fällen der Umwandlung nach dem [X.] regelmäßig nicht der Fall ist, weil dort die Fortführung der Buchwerte gewählt und damit eine Realisation der stillen Reserven vermieden werden kann. Kommt es zur Aufdeckung der stillen Reserven und damit zu einem sofortigen Besteuerungszugriff, so steht auch der sofortigen Nutzung eines aktivierten [X.]s nichts im Wege.

9

ee) Ausgehend von diesem --am Zweck des § 4 Abs. 6 Satz 2 [X.] a.F. orientierten-- Auslegungsergebnis war es im Streitfall Aufgabe des [X.], zu entscheiden, ob die [X.] einer Liquidation oder aber einer Umwandlung nach dem [X.] entspricht. Das [X.] ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass die [X.] wegen der nach § 738 Abs. 1 Satz 1 [X.] eintretenden Gesamtrechtsnachfolge einer Umwandlung nach dem [X.] eher entspricht als einer Liquidation. Es hat zur Begründung zudem auf das allgemeine Prinzip abgehoben, dass bei einem unentgeltlichen [X.] im Rahmen der Rechtsnachfolge keine Gewinnrealisierung vorzunehmen ist. § 6 Abs. 3 EStG bzw. § 39 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung hat das [X.] insoweit lediglich für die Frage herangezogen, welche Vermögensgegenstände im Rahmen der Rechtsnachfolge übertragbar sind. Dem entsprechend hat sich das [X.] --in nachvollziehbarer und damit nicht missbräuchlicher [X.] auf den Standpunkt gestellt, dass der Übergang des Vermögens nach § 738 Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht nur sämtliche Wirtschaftsgüter, sondern auch sonstige Bilanzpositionen (wie den nach § 4 Abs. 6 Satz 2 [X.] a.F. aktivierten [X.]) umfasst.

2. Grundsätzliche Bedeutung kommt der von der Klägerin [X.] auch mit Blick auf den [X.] nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O-- aufgeworfenen Rechtsfrage schon deshalb nicht zu, weil sie ausgelaufenes Recht betrifft (vgl. dazu [X.] vom 27. März 2009 VIII B 184/08, [X.], 458, [X.], 850) und sie sich weder mit Blick auf eine Nachfolgeregelung (vgl. dazu [X.] vom 19. Juni 2006 [X.]/04, [X.] 2006, 2091) noch in einer nicht ganz unerheblichen Zahl noch anhängiger Verfahren stellt (vgl. [X.] vom 18. März 2005 [X.], [X.] 2005, 1343). Mit der Einführung des Halbeinkünfteverfahrens ab 2001 durch das Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung --Steuersenkungsgesetz-- vom 23. Oktober 2000 ([X.] 2000, 1433, [X.], 1428) wurde die Nutzungsmöglichkeit für [X.] abgeschafft. Aufgrund des Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der [X.] und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften vom 7. Dezember 2006 ([X.] 2006, 2782, [X.], 4) ist das bisher einheitlich zu ermittelnde Übernahmeergebnis nunmehr in einen Kapitalertrag und in einen entsprechend gekürzten Übernahmegewinn oder -verlust aufzuteilen ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], a.a.[X.], § 4 Rz 4). Der [X.] ist seither nur in der Höhe steuerlich abziehbar, wie er mit dem Gesetz durch Abzug der Bezüge i.S. des § 7 [X.] 2006 geschaffen wird (vgl. § 4 Abs. 5 Satz 2 [X.] 2006: Verringerung des Übernahmeergebnisses um die Bezüge i.S. des § 7 [X.] 2006). Soweit der [X.] dagegen wirtschaftlich durch andere Umstände verursacht ist, bleibt er wie zuvor steuerlich nicht abziehbar ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], a.a.[X.], § 4 Rz 113).

Meta

IV B 96/10

26.10.2011

Bundesfinanzhof 4. Senat

Beschluss

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 16. Juli 2010, Az: 2 K 124/08, Urteil

§ 4 Abs 5 UmwStG 1995 vom 29.10.1997, § 4 Abs 6 S 1 UmwStG 1995 vom 29.10.1997, § 4 Abs 6 S 2 UmwStG 1995 vom 29.10.1997, § 4 Abs 5 S 2 UmwStG 2006, § 7 UmwStG 2006, § 738 Abs 1 S 1 BGB, § 6 Abs 3 EStG 2002, § 16 Abs 1 EStG 2002, § 16 Abs 3 EStG 2002, § 39 Abs 2 Nr 2 AO 2002, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 26.10.2011, Az. IV B 96/10 (REWIS RS 2011, 1971)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1971

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