Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.10.2010, Az. I ZR 85/09

1. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 1911

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Gegenstand

Urheberrecht: Einräumung von Nutzungsrechten eines Drehbuchautors an unbekannten Nutzungsarten in Form von Videokassetten und DVDs


Tenor

Die Revision gegen das Urteil der Zivilkammer 16 des [X.] vom 17. März 2009 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger ist Drehbuchautor. Der Beklagte ist Rechtsnachfolger der  [X.] (im Weiteren: Theatergesellschaft). Der Kläger schloss mit der Theatergesellschaft am 19. März 1963 einen Verfilmungs- und Drehbuchvertrag über das von ihm verfasste Drehbuch für den Spielfilm „P.     “. Danach übertrug er ihr die  Nutzungsrechte an seinem Drehbuch und dem Filmstoff gegen Zahlung einer Pauschalvergütung von 50.000 DM. In den Vertrag wurden die „Allgemeinen Bedingungen für den Erwerb des Weltverfilmungsrechts an einem bereits erschienenen Werke des Schrifttums und der Rechte an einem noch unveröffentlichten Filmstoff" (Allgemeine Bedingungen) einbezogen. Darin heißt es:

1. Übertragen wird das ausschließliche Recht zur filmischen Benutzung des Werkes (Weltverfilmungsrecht). Übertragen sind auch die damit in Verbindung stehenden Nebenrechte (siehe insbes. Ziffer 6).

2.Die Rechte gemäß Ziffer 1 werden, soweit einzelvertraglich nichts anderes vereinbart ist, räumlich, zeitlich und inhaltlich unbeschränkt übertragen. […]

5. Der [X.] erstreckt sich auf alle jetzigen und zukünftigen Arten, Systeme und Verfahren der Kinematographie und deren Möglichkeiten einer Auswertung des Films und seiner Teile. Eingeschlossen ist auch das Recht der Übertragung durch Draht, [X.] und Television sowie die Gestattung des öffentlichen Empfangs.

6. Aufgrund des [X.]s ist die Filmfirma insbesondere befugt, […]

c) den Film nach eigenem Ermessen im In- und Ausland auszuwerten, ihn insbesondere zu vervielfältigen, gewerbsmäßig zu verbreiten und öffentlich vorzuführen;

d) den Film im ganzen oder Teile daraus, auch die Tonbänder allein, durch Draht, [X.] und Television wiederzugeben und den öffentlichen Empfang solcher Sendungen zu gestatten. […]

2

Die Theatergesellschaft stellte den Spielfilm [X.] her. Sie oder der Beklagte räumte Dritten Nutzungsrechte zur Zweitauswertung des Films auf Videokassette und DVD ein. Zuletzt wurde der Film auf DVD ausgewertet.

3

Der Kläger ist der Ansicht, die Theatergesellschaft oder der Beklagte hätten Beihilfe zu Verletzungen seines Urheberrechts durch Dritte geleistet. Er habe niemals ein Recht zur Zweitauswertung des Drehbuchs durch Videokassette oder DVD eingeräumt. Er nimmt den Beklagten daher auf Auskunftserteilung und Feststellung seiner Schadensersatzpflicht in Anspruch.

4

Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Mit seiner vom Senat zugelassenen Sprungrevision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe

5

I. Das [X.] hat angenommen, der Anspruch auf Feststellung der Schadensersatzpflicht des Beklagten sei nach § 97 [X.] begründet; die Ansprüche auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung seien als Hilfsansprüche zur Vorbereitung einer Zahlungsklage nach §§ 242, 259, 261 BGB gegeben. Hierzu hat es ausgeführt:

6

Das Drehbuch des [X.] zu dem Spielfilm „P.        " sei urheberrechtlich geschützt. Die Auswertung des Films auf Videokassette und DVD verletze das [X.] des [X.]. Die Nutzung von Kinofilmen in der Form des [X.], gegenüber der die Auswertung auf DVD keine eigenständige Verwertungsform darstelle, sei zum [X.]punkt des Vertragsabschlusses unbekannt gewesen. Der [X.] erstrecke sich nach den „Allgemeinen Bedingungen“ zum Verfilmungs- und Drehbuchvertrag vom 19. März 1963 zwar auch auf alle zukünftigen Arten, Systeme und Verfahren der Kinematographie und deren Möglichkeiten einer Auswertung des Films und seiner Teile. Verträge über die Einräumung von Rechten für noch nicht bekannte Nutzungsarten seien nach der Rechtslage vor 1966, die für Altverträge aus der [X.] vor Inkrafttreten des [X.] zum 1. Januar 1966 maßgeblich sei, auch nicht schlechthin unwirksam gewesen. Eine Übertragung urheberrechtlicher Nutzungsbefugnisse habe jedoch nach der bereits vom [X.] anerkannten und vom [X.] aufgegriffenen Übertragungszwecklehre nur angenommen werden können, wenn ein entsprechender Parteiwille unzweideutig zum Ausdruck gekommen sei. Sehe eine Vereinbarung keine angemessene Beteiligung des Urhebers an den Erlösen aus der Verwertung unbekannter Nutzungsarten vor, sei ein solcher Parteiwille nur anzunehmen, wenn die Abgeltung der Rechte für diese Verwertungsformen bei der Festlegung von Leistung und Gegenleistung erkennbar erörtert und berücksichtigt worden sei. Dem vorliegenden Vertrag sei dies nicht zu entnehmen. Er sehe zwar eine für damalige [X.]en nennenswerte Vergütung vor. Der Kläger sei aber schon bei Vertragsschluss ein bekannter Drehbuchautor gewesen.

7

Der Beklagte oder die Theatergesellschaft hätten dadurch Beihilfe zu den urheberrechtswidrigen [X.] geleistet, dass sie [X.] das Recht zur Zweitauswertung des Films auf Videokassette und DVD eingeräumt hätten. Dabei hätten sie auch schuldhaft gehandelt, weil sie sich keine Gewissheit über die [X.] verschafft hätten.

8

II. Die Revision des Beklagten hat keinen Erfolg. Das [X.] hat mit Recht angenommen, dass der Kläger die Feststellung der Schadensersatzpflicht des Beklagten und zur Vorbereitung einer Zahlungsklage von dem Beklagten Auskunftserteilung und Rechnungslegung verlangen kann. Der Beklagte ist dem Kläger nach § 97 [X.] zum Schadensersatz verpflichtet, weil die Theatergesellschaft oder er selbst [X.] das Recht zur Zweitauswertung des Spielfilms „P.      " auf Videokassette und DVD  eingeräumt hat. Damit hat die Theatergesellschaft oder der Beklagte Beihilfe zu einer Verletzung des [X.]s des [X.] am Drehbuch zum Spielfilm geleistet.

9

1. Das Drehbuch des [X.] zum Spielfilm „P.       " ist nach den Feststellungen des [X.]s urheberrechtlich geschützt (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 [X.]).

2. Die Auswertung des Films auf Videokassette und DVD greift in das ausschließliche Recht des [X.] zur Vervielfältigung (§ 15 Abs. 1 Nr. 1, § 16 [X.]) und Verbreitung (§ 15 Abs. 1 Nr. 2, § 17 [X.]) seines Drehbuchs ein. Das [X.] hat mit Recht angenommen, dass der Kläger der Theatergesellschaft mit dem Verfilmungs- und Drehbuchvertrag vom 19. März 1963 einschließlich der einbezogenen „Allgemeinen Bedingungen“ nicht das Recht zur Auswertung des verfilmten Drehbuchs durch Videokassette und DVD eingeräumt hat. Die Beklagte kann sich wegen dieser Nutzung daher nicht mit Erfolg auf ein vom Kläger abgeleitetes Nutzungsrecht berufen.

Der Verfilmungs- und Drehbuchvertrag vom 19. März 1963 und die „Allgemeinen Bedingungen“ erwähnen die Auswertung auf Videokassette und DVD nicht und können sie auch gar nicht erwähnen, weil diese Nutzungsarten - wie das [X.] ohne Rechtsfehler angenommen hat - damals noch unbekannt waren. Bei Abschluss des [X.] war die Auswertung auf Videokassette eine noch nicht bekannte Art der Nutzung von Kinofilmen (vgl. [X.], Urteil vom 11. Oktober 1990 - [X.], [X.], 133, 136 f. = WRP 1991, 166 - Videozweitauswertung I; vgl. auch [X.], Urteil vom 26. Januar 1995 - [X.], [X.]Z 128, 336, 340 ff. - [X.]). Die Auswertung auf DVD ist erst nach der Auswertung auf Videokassette bekannt geworden und wirtschaftlich an deren Stelle getreten (vgl. [X.], Urteil vom 19. Mai 2005 - I ZR 285/02, [X.]Z 163, 109, 115 ff. - Der Zauberberg).

Nach Nr. 5 der „Allgemeinen Bedingungen“ erstreckt sich der [X.] auch auf alle zukünftigen Arten, Systeme und Verfahren der Kinematographie und deren Möglichkeiten einer Auswertung des Films und seiner Teile einschließlich der Übertragung durch Draht, [X.] und Television. Es kann dahinstehen, ob dies die zum [X.]punkt des Vertragsabschlusses noch unbekannte Möglichkeit einer Auswertung des Films auf Videokassette und auf DVD umfasst. Die Anforderungen an eine wirksame Einräumung von Nutzungsrechten für unbekannte Nutzungsarten sind jedenfalls deshalb nicht erfüllt, weil die Vereinbarung nicht erkennen lässt, dass die Vertragsparteien bei der Festlegung der Pauschalvergütung erörtert und berücksichtigt haben, dass diese auch die Nutzungsrechte für unbekannte Nutzugsarten abgelten soll.

a) Das [X.] ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Frage, ob der Kläger der Theatergesellschaft mit dem Verfilmungs- und Drehbuchvertrag vom 19. März 1963 auch Nutzungsrechte für noch nicht bekannte Nutzungsarten eingeräumt hat, auf der Grundlage der zum [X.]punkt des Vertragsabschlusses geltenden Rechtslage zu beantworten ist. Auf Verträge, die vor dem Inkrafttreten des [X.] am 1. Januar 1966 (§ 143 Abs. 2 [X.]) abgeschlossen worden sind, sind die Vorschriften des [X.] grundsätzlich nicht anzuwenden. Abweichendes gilt lediglich für die §§ 42 und 43 [X.] und - mit Einschränkungen - die §§ 40 und 41 [X.] (§ 132 Abs. 1 [X.]). Maßgeblich sind daher die zum [X.]punkt des Vertragsabschlusses geltenden Gesetze und daneben die zu dieser [X.] von der Rechtsprechung anerkannten Rechtsgrundsätze (vgl. Schricker/[X.], [X.], 4. Aufl., § 132 [X.] Rn. 3; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 132 [X.] Rn. 2; [X.]/Nicolini/[X.], [X.]sgesetz, 2. Aufl., § 132 Rn. 6). Vor dem 1. Januar 1966 getroffene Verfügungen, die nach dem damals geltenden Recht wirksam waren, sind wirksam geblieben (§ 132 Abs. 2 [X.]).

b) Das [X.] hat ferner mit Recht angenommen, dass bis zum Inkrafttreten des [X.] am 1. Januar 1966 Nutzungsrechte für noch nicht bekannte Nutzungsarten zwar wirksam eingeräumt werden konnten (vgl. [X.], Urteil vom 5. Juni 1985 - [X.], [X.], 62, 66 - [X.], insoweit nicht in [X.]Z 95, 274 abgedruckt; Urteil vom 15. Oktober 1987 - [X.], [X.], 296, 299 - [X.]V). Es gab bis zu diesem [X.]punkt keine Vorschrift, der zufolge - wie nach der vom 1. Januar 1966 bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Regelung des § 31 Abs. 4 [X.] - die Einräumung von Nutzungsrechten für noch nicht bekannte Nutzungsarten sowie Verpflichtungen hierzu unwirksam war. Das Recht des Urhebers konnte nach § 8 Abs. 3 [X.] und § 10 Abs. 3 KUG vielmehr unbeschränkt auf andere übertragen werden.

aa) Eine wirksame Einräumung von Nutzungsrechten für noch nicht bekannte Nutzungsarten setzte allerdings eine eindeutige Erklärung des Berechtigten hinsichtlich der Einräumung solcher Nutzungsrechte oder eine angemessene Beteiligung des Berechtigten an den Erlösen aus deren Verwertung voraus; auch eine Einräumung von Nutzungsrechten für unbekannte Nutzungsarten an Filmwerken durch Filmurheber an Filmhersteller war nur unter dieser Voraussetzung gültig (vgl. [X.], Urteil vom 28. Oktober 2010 - [X.] Rn. 16 bis 27 - [X.]). Das [X.] hat mit Recht angenommen, dass bei einer Vereinbarung, die keine angemessene Beteiligung des Urhebers an den Erlösen aus der Verwertung unbekannter Nutzungsarten vorsieht, eine eindeutige Erklärung des Berechtigten hinsichtlich der Einräumung der Nutzungsrechte für unbekannte Nutzungsarten nur anzunehmen ist, wenn bei der Festlegung der Vergütung erkennbar erörtert und berücksichtigt wurde, dass mit ihr auch die Einräumung dieser Rechte abgegolten ist ([X.], Urteil vom 28. Oktober 2010 - [X.] Rn. 39 - [X.]).

bb) Nach den Feststellungen des [X.]s ist diese Voraussetzung im Streitfall nicht erfüllt. Der Verfilmungs- und Drehbuchvertrag sieht zwar eine für damalige [X.]en nennenswerte Vergütung vor. Dies ist aber damit zu erklären, dass der Kläger schon bei Vertragsschluss ein bekannter Drehbuchautor war. Die Vertragsparteien haben nicht individuell vereinbart, dass Nutzungsrechte auch für unbekannte Nutzungsarten übertragen werden. Sie haben lediglich die für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten „Allgemeinen Bedingungen“ in den Vertrag einbezogen, nach denen sich der [X.] auch auf alle zukünftigen Arten, Systeme und Verfahren der Kinematographie und deren Möglichkeiten einer Auswertung des Films und seiner Teile einschließlich der Übertragung durch Draht, [X.] und Television erstreckt. Unter diesen Umständen kann nicht angenommen werden, dass der Kläger sich bewusst damit einverstanden erklärt hat, dass die Einräumung von Nutzungsrechten auch für unbekannte Nutzungsarten mit der vereinbarten Pauschalvergütung abgegolten sein soll.

III. Die Revision des Beklagten gegen das Berufungsurteil ist danach mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

[X.]                    Schaffert

                     Bergmann                   Koch

 

Meta

I ZR 85/09

28.10.2010

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Berlin, 17. März 2009, Az: 16 O 308/08, Urteil

§ 15 Abs 1 UrhG, § 97 UrhG, § 132 Abs 2 UrhG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.10.2010, Az. I ZR 85/09 (REWIS RS 2010, 1911)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1911

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