Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.12.2016, Az. 1 StR 389/16

1. Strafsenat | REWIS RS 2016, 1102

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:081216B1STR389.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 389/16

vom
8. Dezember
2016
in der Strafsache
gegen

wegen
Steuerhinterziehung

-
2
-
Der 1. Strafsenat des [X.] hat
nach Anhörung des [X.] und des [X.]

zu 2. auf dessen Antrag

am 8. De-zember
2016
gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 14. April 2016 im Strafausspruch auf-gehoben.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung zu [X.] Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Im Hinblick auf eine rechtsst[X.]tswidrige Verfahrensverzögerung von sechs Jahren vier [X.] und zwei Wochen hat es angeordnet, dass von der Freiheitsstrafe sechs Monate als vollstreckt gelten. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des [X.] hat zum Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel un-begründet im Sinne des §
349 Abs.
2 StPO.
1. Ein Verfahrenshindernis besteht nicht. Verfolgungsverjährung
ist für die verfahrensgegenständliche Tat der Hinterziehung von Umsatzsteuer durch Unterlassen (§
370 Abs.
1 Nr.
2 [X.], §
18 Abs.
3 UStG) nicht eingetreten.
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3
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Die zunächst fünfjährige Verjährungsfrist (§
78 Abs.
3 Nr.
4 StGB) wurde durch die Bekanntgabe der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens am 27.
Ja-nuar 2004 gemäß §
78c Abs.
1
Satz
1
Nr. 1 StGB wirksam unterbrochen. Sie verlängerte sich vor ihrem Ablauf mit dem Inkrafttreten des §
376 Abs.
1 [X.] am 25.
Dezember 2008 auf zehn Jahre (Art. 97 §
23 EG[X.]), weil die Tat die Vor-aussetzungen des [X.] eines besonders schweren Falles der Steu-erhinterziehung gemäß §
370 Abs.
3 Satz
2 Nr. 1 [X.] erfüllte (vgl. [X.], [X.] vom 5. März 2013

1 [X.], [X.]R [X.] §
376 Abs.
1 [X.]
1 und vom
13.
Juni 2013

1 [X.], [X.], 471). Durch die Erhebung der Anklage am 27.
Juni 2012 wurde die zehnjährige [X.] nochmals unterbrochen (§
78c Abs.
1 Satz
1 Nr. 6 StGB).
2. [X.] hat zum Schuld-spruch und hinsichtlich der Kompensation für die festgestellte rechtsst[X.]tswid-rige Verfahrensverzögerung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben

349 Abs.
2 StPO).
3.
Demgegenüber hat der Strafausspruch keinen Bestand (§ 349 Abs. 4 StPO).
a) Im Rahmen der Strafzumessung hat das [X.] strafschärfend
des Angeklagten berücksichtigt, dass ihn auch eine Verurteilung durch das [X.] vom 5.
Juni 2003 zu einer Freiheitsstrafe von fünf [X.] mit Strafaussetzung zur Bewährung (UA S.
5) nicht von der Begehung weiterer Straftaten abgehalten habe ([X.]). Die verfahrensgegenständliche Tat der Hinterziehung von Umsatzsteuer für das [X.] durch Unterlassen (§
370 Abs.
1 Nr. 2 [X.], § 18 Abs.
3 UStG) war jedoch bereits mit Ablauf des 3
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31.
Mai 2003 beendet. Sie stellt daher bezogen auf die erst danach ergangene Verurteilung durch das [X.] keinen [X.] dar. Dies ergibt sich aus folgendem:
[X.]) Der Angeklagte, der ein Einzelunternehmen für Reinigungsservice betrieb, war gemäß §
18 Abs.
3 UStG verpflichtet, für das [X.] eine [X.] abzugeben. In diese hatte er neben der Umsatz-steuer auf getätigte Umsätze auch die Umsatzsteuer aufzunehmen, die sich aus von ihm unter gesondertem Umsatzsteuerausweis ausgestellten Schein-rechnungen ergab (§
14 Abs.
3 UStG aF).
[X.]) Die gesetzliche Abgabefrist für die Umsatzsteuerjahreserklärung en-dete gemäß §
149 Abs.
2 [X.] aF am 31. Mai 2003. Entgegen der Auffassung

6) gemäß §
109 Abs. 1 [X.] bis zum 31.
Dezember 2003 verlängert.
Allerdings hätte sich das Fristende für die Abgabe der [X.] aufgrund Nr. 2 Abschnitt
II Abs.
1 der gleichlautenden [X.] der obersten Finanzbehörden der Länder vom 2.
Januar
2003 (BStBl. I 2003, 67) gemäß § 109 [X.] auf den 30. September 2003 verschoben, wenn der Angeklagte einen Vertreter der steuerberatenden Berufe mit der Erstellung der Umsatzsteuerjahreserklärung für das [X.] beauftragt hätte. Denn diese Regelung enthädie Steuererklärung durch einen Angehörigen der steuerberatenden Berufe i.S.v. §§ 3 und 4 Nr. 3 und 8 StBerG angefertigt wird (vgl. [X.], Beschluss vom 12.
Juni 2013

1 StR 6/13, [X.]R [X.] §
109 Abs.
1 Fristverlängerung
1 mwN; [X.], Beschluss vom 19. August 2010

VIII B 58/10, [X.]/NV 2010, 2232; Ur-7
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teil vom 28. Juni 2000

[X.], [X.]E 192, 32; [X.] in [X.], [X.], 13.
Aufl., § 109 Rn. 5 und § 149 Rn.
14; [X.] [X.]O §
370 Rn.
72b).
Die Voraussetzungen der Fristverlängerung lagen bei dem Angeklagten im Hinblick auf die Pflicht zur Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung für das [X.] indes nicht vor. Für die allgemeine Verlängerung der Abgabefrist für Steuererklärungen aufgrund
der genannten Erlasse der obersten Finanzbe-
ein Vertreter der steuerberatenden Berufe mit der Anfertigung
gerade dieser Steuererklärung beauftragt war. Nach den Feststellungen des [X.] war dies aber nicht der Fall.
cc) Da der Angeklagte bis zum Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist am 31.
Mai 2003 (§
149 Abs.
2 [X.]
aF) für das [X.] keine Umsatzsteuerjah-reserklärung einreichte, ließ er im Sinne von §
370 Abs.
1 Nr. 2 [X.] die Finanz-behörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis. Mit Ablauf dieser Frist wurde zugleich die Umsatzsteuer verkürzt, weil die Umsatz-steuerjahreserklärung als Steueranmeldung (§
18 Abs.
3 UStG i.V.m. § 150 Abs.
1 Satz
3 [X.]) einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht (§
168 Satz
1 [X.]). Damit war die vom Angeklagten verwirklichte Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§
370 Abs.
1 Nr. 2 [X.]) mit [X.] am 31. Mai 2003 vollendet und zugleich auch beendet (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 31.
Mai 2011

1
StR 189/11, [X.], 346 sowie [X.], [X.], 13. Aufl., §
370 Rn.
105 und 202).
b)
Der Strafausspruch beruht auf dem [X.] des [X.], das Urteil des [X.] vom 5. Juni 2003 als Vorverurteilung anzusehen. Der [X.] kann nicht ausschließen, dass das [X.] für die 10
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verfahrensgegenständliche Tat eine niedrigere Strafe als eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verhängt hätte, wenn es bezogen auf das Urteil des [X.] nicht von einem [X.] ausge-gangen wäre.
4. [X.] sind von dem [X.] bei der [X.] nicht betroffen und haben daher Bestand. Das neue Tatgericht kann weitere Feststellungen treffen,
die mit den bisherigen nicht in
Widerspruch stehen.

5. Die Aufhebung des Urteils durch das Revisionsgericht im Straf-ausspruch lässt die angeordnete Kompensation für die eingetretene rechts-st[X.]tswidrige Verfahrensverzögerung

auch wenn diese angesichts eines Zei-tablaufs von mehr als zwölf Jahren zwischen der Bekanntgabe der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und dem Beginn der Hauptverhandlung eher ge-ring ausgefallen ist

unberührt (vgl. [X.], Urteil vom 27. August 2009

3 [X.], [X.]St 54, 135; Beschlüsse vom 16. März 2016

1 [X.], wistra
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7
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2016, 357 und vom 22. Januar 2013

1 [X.], [X.]St 58, 115). Etwaige weitere Verzögerungen wird das neue Tatgericht gegebenenfalls ergänzend zu berücksichtigen haben.

Graf [X.] Cirener

Mosbacher

Fischer

Meta

1 StR 389/16

08.12.2016

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.12.2016, Az. 1 StR 389/16 (REWIS RS 2016, 1102)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 1102

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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