Bundesfinanzhof, Beschluss vom 12.04.2012, Az. III B 97/11

3. Senat | REWIS RS 2012, 7362

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Gegenstand

Beurteilung der Kindergeldberechtigung für ein auswärts studierendes Kind - Einzelfallwürdigung - Überraschungsentscheidung


Leitsatz

1. NV: Die Frage, wann besondere Umstände vorliegen, die darauf schließen lassen, dass ein auswärts studierendes Kind dauerhaft vom elterlichen Haushalt getrennt ist, kann nicht allgemein in einem Revisionsverfahren geklärt werden .

2. NV: Eine Überraschungsentscheidung ist nicht darin zu sehen, dass das Gericht die Glaubwürdigkeit eines Zeugen anders einschätzt als der Kläger .

Gründe

1

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg und wird durch [[X.].]eschluss zurückgewiesen (§ 116 [[[[X.].].].]bs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --[[[[[X.].].].].]O--). Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen, soweit ihre Darlegung überhaupt den [[[[X.].].].]nforderungen des § 116 [[[[X.].].].]bs. 3 Satz 3 [[[[[X.].].].].]O genügt, nicht vor. Die Frage, ob dem Kläger und [[X.].]eschwerdeführer (Kläger) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumnis der Frist zur [[X.].]egründung der Nichtzulassungsbeschwerde zu gewähren ist (§ 56 [[[[[X.].].].].]O), kann daher offen bleiben.

2

1. Der Vortrag des [[[[[X.].].].].] zu einer grundsätzlichen [[X.].]edeutung der Rechtssache i.S. des § 115 [[[[X.].].].]bs. 2 Nr. 1 [[[[[X.].].].].]O entspricht nicht den Darlegungserfordernissen.

3

a) Die Darlegung der grundsätzlichen [[X.].]edeutung einer Rechtssache setzt voraus, dass der [[X.].]eschwerdeführer eine hinreichend bestimmte Rechtsfrage herausstellt, deren Klärung im Interesse der [[[[X.].].].]llgemeinheit an der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und der Fortentwicklung des Rechts erforderlich ist und die im konkreten Streitfall klärbar ist (z.[[X.].]. Senatsbeschluss vom 4. März 2011 [[[[[X.].].].].]/10, [[[[[X.].].].].], 1007). Um den [[[[X.].].].]nforderungen des § 116 [[[[X.].].].]bs. 3 Satz 3 [[[[[X.].].].].]O an die [[X.].]egründung der [[X.].]eschwerde zu entsprechen, muss der [[X.].]eschwerdeführer konkret auf die Rechtsfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und ihre über den Einzelfall hinausgehende [[X.].]edeutung eingehen (vgl. Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. [[[[X.].].].]ufl., § 116 Rz 32).

4

b) Diesen [[[[X.].].].]nforderungen genügt der Vortrag des [[[[[X.].].].].] nicht. Er begehrt allgemein die Klärung der Frage, wann besondere Umstände im Sinne der Senatsbeschlüsse vom 18. Februar 2008 [[[[[X.].].].].]/07 ([[[[[X.].].].].], 948) und vom 16. [[[[X.].].].]pril 2008 [[[[[X.].].].].] ([[[[[X.].].].].], 1326) darauf schließen lassen, dass ein Student, der auswärts ein Studium aufgenommen hat, dauerhaft vom elterlichen Haushalt getrennt ist. Das Finanzgericht ([[[[[X.].].].].]) kam aufgrund einer tatsächlichen Würdigung der Umstände des [[[[[X.].].].].] zu dem Ergebnis, es seien derartige besondere Umstände zu bejahen. Für das [[[[[X.].].].].] war insbesondere das öffentlich-rechtliche [[[[X.].].].]usbildungsverhältnis, das sich von universitären Studiengängen unterscheidet, ein gewichtiger Gesichtspunkt. Das [[[[[X.].].].].] nahm an, die Tochter des [[[[[X.].].].].] ([[[[X.].].].]) habe beabsichtigt, bei einem Erfüllen der beamtenrechtlichen Voraussetzungen auf Dauer in [[[[X.].].].] zu bleiben. In einem Revisionsverfahren, wie es der Kläger anstrebt, ist der [[[[X.].].].] ([[[[X.].].].]) nach § 118 [[[[X.].].].]bs. 2 [[[[[X.].].].].]O an die Feststellungen des [[[[[X.].].].].], zu denen auch Schlussfolgerungen tatsächlicher [[[[X.].].].]rt gehören, gebunden, sofern dagegen keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen vorgebracht werden (Gräber/Ruban, a.a.[[[[X.].].].], § 118 Rz 39). Ein Revisionsverfahren böte keinen [[[[X.].].].]nlass, allgemein zu der Frage Stellung zu nehmen, in welchen Fällen besondere Umstände anzunehmen sind, die zum Wegfall einer Haushaltsaufnahme i.S. von § 63 [[[[X.].].].]bs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes führen können.

5

2. [[[[X.].].].]uch soweit der Kläger die Erforderlichkeit einer Entscheidung des [[[[X.].].].] zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geltend macht (§ 115 [[[[X.].].].]bs. 2 Nr. 2 [[[[X.].].].]lternative 2 [[[[[X.].].].].]O), genügen seine Darlegungen nicht den [[[[X.].].].]nforderungen des § 116 [[[[X.].].].]bs. 3 Satz 3 [[[[[X.].].].].]O.

6

a) Wird als Zulassungsgrund vorgetragen, das angefochtene Urteil weiche von der [[[[X.].].].]-Rechtsprechung ab, so muss in der [[X.].]eschwerdeschrift die Entscheidung des [[[[X.].].].], von der das Urteil des [[[[[X.].].].].] divergieren soll, bezeichnet werden. Darüber hinaus muss aus der Entscheidung des [[[[[X.].].].].] ein diese tragender abstrakter Rechtssatz abgeleitet werden, der zu einem ebenfalls tragenden abstrakten Rechtssatz der Entscheidung des [[[[X.].].].] im Widerspruch stehen kann. Die nach [[[[X.].].].]uffassung des [[[[[X.].].].].] voneinander abweichenden Rechtssätze sind dabei gegenüberzustellen (z.[[X.].]. Senatsbeschluss vom 8. Dezember 2011 III [[[[X.].].].]/10, [[[[X.].].].]/NV 2012, 586).

7

b) Mit dem Vortrag, das [[[[[X.].].].].] sei von der [[[[X.].].].]-Rechtsprechung abgewichen, weil es zu Unrecht besondere Umstände im Sinne der Senatsbeschlüsse in [[[[[X.].].].].], 948 und in [[[[[X.].].].].], 1326 angenommen habe, macht der Kläger keine Divergenz geltend. [[[[X.].].].]us seinem Vorbringen ergibt sich nicht, dass das [[[[[X.].].].].] einen Rechtssatz aufgestellt hat, der von den zitierten [[X.].]eschlüssen abweicht. Vielmehr meint er, das [[[[[X.].].].].] habe die [[[[X.].].].]-Rechtsprechung unzutreffend auf den Streitfall angewandt. Damit rügt er letztlich einen materiell-rechtlichen Fehler, der grundsätzlich nicht zur Zulassung der Revision nach § 115 [[[[X.].].].]bs. 2 Nr. 2 [[[[X.].].].]lternative 2 [[[[[X.].].].].]O führt (s. z.[[X.].]. Senatsbeschluss vom 23. Mai 2011 [[[[X.].].].]/10, [[[[[X.].].].].], 1507).

8

3. Der geltend gemachte Verfahrensmangel, das [[[[[X.].].].].] habe eine Überraschungsentscheidung gefällt und damit gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen ([[[[X.].].].]rt. 103 [[[[X.].].].]bs. 1 des Grundgesetzes, § 96 [[[[[X.].].].].]O), liegt nicht vor.

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a) Der [[[[X.].].].]nspruch auf rechtliches Gehör wird durch eine Überraschungsentscheidung verletzt, wenn das Gericht aufgrund von Gesichtspunkten entscheidet, mit denen ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte, ohne zuvor darauf hinzuweisen und Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (vgl. z.[[X.].]. Senatsbeschluss in [[[[X.].].].]/NV 2012, 586). Die Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs wird, wenn sich der Verstoß auf einzelne Feststellungen bezieht, nur dann ordnungsgemäß vorgebracht, wenn der [[X.].]eschwerdeführer darlegt, was er vorgetragen hätte, wenn sein [[[[X.].].].]nspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzt worden wäre und dass bei [[X.].]erücksichtigung dieses zusätzlichen Vortrags eine andere Entscheidung des [[[[[X.].].].].] in der Sache möglich gewesen wäre (Gräber/Ruban, a.a.[[[[X.].].].], § 119 Rz 14, m.w.N. aus der Rechtsprechung des [[[[X.].].].]).

b) Nach [[[[X.].].].]nsicht des [[[[[X.].].].].] ist der Verfahrensfehler darin zu sehen, dass das [[[[[X.].].].].] der [[[[X.].].].]ussage der als Zeugin vernommenen [[[[X.].].].] überraschenderweise nicht gefolgt sei. Die Einschätzung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen gehört zur [[X.].]eweiswürdigung und ist damit dem materiellen Recht zuzuordnen (vgl. Gräber/Ruban, a.a.[[[[X.].].].], § 115 Rz 82). Das [[[[[X.].].].].] brauchte den steuerlich vertretenen Kläger nicht darüber zu informieren, ob und in welchem Umfang es der Zeugenaussage von [[[[X.].].].] Glauben schenken würde. Ein Verfahrensbeteiligter kann nicht davon überrascht sein, dass das Gericht die Glaubwürdigkeit eines Zeugen anders einschätzt als er selbst. [[[[X.].].].]uch hat der Kläger in der [[X.].]eschwerdeschrift nicht dargelegt, was er vorgetragen hätte, wenn das Gericht ihn davon unterrichtet hätte, dass es den [[[[X.].].].]ngaben der Zeugin nicht in vollem Umfang folgen werde.

c) Soweit der Kläger rügt, das [[[[[X.].].].].] habe ihn nicht mit den Widersprüchen zwischen seiner [[[[X.].].].]ufstellung über die [[[[X.].].].]ufenthalte von [[[[X.].].].] in [[X.].] einerseits und der Zeugenaussage andererseits konfrontiert, ist ebenso wenig ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs anzunehmen. Die [[[[X.].].].]ufstellung war vom Kläger selbst gefertigt worden, der Kläger war in der mündlichen Verhandlung anwesend, so dass die [[[[X.].].].]bweichungen für ihn erkennbar waren. [[X.].]ereits deshalb brauchte das [[[[[X.].].].].] ihn nicht eigens darauf hinzuweisen.

d) Mit dem Vortrag, das [[[[[X.].].].].] habe den Sachverhalt zu Unrecht dahingehend gewürdigt, dass [[[[X.].].].] beabsichtigt habe, auf Dauer in [[[[X.].].].] zu bleiben, macht der Kläger keinen Verfahrensmangel geltend, vielmehr wendet er sich insoweit gegen die inhaltliche Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Derartige Einwendungen rechtfertigen, wie ausgeführt, nicht die Zulassung der Revision.

Meta

III B 97/11

12.04.2012

Bundesfinanzhof 3. Senat

Beschluss

vorgehend FG Nürnberg, 28. März 2011, Az: 6 K 1507/10, Urteil

§ 63 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG, Art 103 Abs 1 GG, § 96 FGO, § 118 Abs 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 12.04.2012, Az. III B 97/11 (REWIS RS 2012, 7362)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7362

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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