Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.02.2018, Az. 2 StR 431/17

2. Strafsenat | REWIS RS 2018, 13573

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2018:210218U2STR431.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
2 StR 431/17
vom
21. Februar
2018
in der Strafsache
gegen

wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 21.
Februar
2018, an
der teilgenommen haben:
[X.] am Bundesgerichtshof
Dr. [X.],

[X.] am Bundesgerichtshof
Dr. [X.],
[X.]in am Bundesgerichtshof
Dr. [X.],
[X.] am Bundesgerichtshof
Dr. [X.],
[X.],

Staatsanwalt

als Vertreter der
Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwältin

als Verteidigerin,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
-
3
-
1.
Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwalt-schaft wird das Urteil des [X.] vom 30.
Mai 2017 im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben; die zugehörigen Feststellungen bleiben bestehen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und
Entscheidung, auch über die Kosten der [X.], an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige [X.] des [X.] zurückverwiesen.
2.
Die weiter gehenden Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft werden verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen [X.] in zwei Fällen, [X.]eils in Tateinheit mit sexuellem Miss-brauch von Schutzbefohlenen, sowie wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern in sieben Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit sexuellem Miss-brauch von Schutzbefohlenen,
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Im Übrigen hat es den Angeklagten freigesprochen.
1
-
4
-
Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte, auf die Rüge der Verlet-zung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft wendet sich zunächst gegen den Teilfreispruch, wobei die
Staatsanwaltschaft
den Frei-spruch im Fall
2 der Anklage (Tatvorwurf zum Nachteil der Zeugin

[X.]

)
von ihrem Rechtsmittelangriff ausgenommen hat. Zudem richtet sich ihr
Rechtsmittel gegen den [X.]. Die sich mit der Sachrüge gegen die Verurteilung richtende Revision des Angeklagten wie auch das vom Generalbundesanwalt vertretene
Rechtsmittel
der Staatsanwaltschaft führen zur Aufhebung des [X.]s. Im Übrigen bleiben beide Rechtsmittel ohne Erfolg.

I.
Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

Der Angeklagte ist der leibliche Großvater mütterlicherseits der am 29.
November 1989 geborenen

R.

,
der am 31.
März 1989
geborenen

[X.]

und der am 13.
April 1997 geborenen

H.

.
1.
Zwischen August 1996 und April 2000 nahmen

R.

und

[X.]

ein [X.] im [X.]. Als sie die [X.]ewanne ver-
lassen hatten und sich abtrockneten, betrat der Angeklagte das [X.]ezimmer. Er forderte die Zeugin

R.

auf, sich auf den geschlossenen
Toilettendeckel zu setzen. Dort betastete er das Mädchen für kurze Zeit im Va-ginal-
und Analbereich, ohne hierbei in die Zeugin einzudringen.

[X.]

war während des Vorfalls ebenfalls im [X.]ezimmer. Einen
Übergriff des Ange-klagten zu deren Nachteil hat
die [X.] nicht festzustellen vermocht und
ihn
insoweit freigesprochen.
2
3
4
5
-
5
-
2.
In der Küche des großelterlichen Wohnhauses kam es zwischen 1996 und Mai 2000 mindestens zu drei sexuellen Übergriffen auf

R.

. Dabei zog der Angeklagte die Zeugin zu sich. Er
setzte sie auf seinen
Schoß, um sexuelle Handlungen an ihr vorzunehmen oder an sich vornehmen zu lassen. Dabei hat die [X.] folgende drei Taten festgestellt:
Der [X.] griff der Zeugin unter der Kleidung
an den Schambereich. Er
streichelte sie mit den Fingern an der Vaginalöffnung ohne dabei in die Zeu-gin einzudringen. Sodann öffnete er Knopf und Reißverschluss seiner Hose und forderte die Zeugin sinngemäß auf, an seinem Glied zu reiben. Die Zeugin kam der Aufforderung nach und manipulierte am
erigierten
Glied des Angeklagten. Zu einem Samenerguss kam es nicht.
In einem anderen Fall griff der Angeklagte
der Zeugin in die Hose und Unterhose und streichelte die Zeugin ohne Einzudringen mit den Fingern an der [X.]. Nach einigen Minuten ließ er von der Zeugin ab.
In einem weiteren Fall öffnete der Angeklagte Knopf und Reißverschluss seiner Hose und forderte die Zeugin sinngemäß auf, an seinem Glied zu reiben. Diese kam der Aufforderung nach und manipulierte zunächst auf der Unterhose und dann in der Unterhose das erigierte Glied des Angeklagten. Zu einem Sa-menerguss kam es nicht. Nach einigen Minuten ließ der Angeklagte von der Zeugin ab.
Die Taten fanden ein Ende, nachdem die Zeugin

R.

im
Sexualkundeunterricht aufgeklärt worden war. Hiernach setzte sie sich gegen die Handlungen des Angeklagten zur Wehr.
6
7
8
9
10
-
6
-
Das [X.] hat den den Tatvorwurf bestreitenden Angeklagten auf-grund der Angaben der Zeugin

R.

als überführt angesehen.
Es hat ihn
von weiteren 86 angeklagten Missbrauchsfällen
zum Nachteil dieser Zeugin
freigesprochen,
da insoweit eine Eingrenzung bzw. Konkretisierung wei-terer Übergriffe anhand individueller Umstände wie einem abweichenden Tatort, abweichenden
Tatmodalitäten oder sonstigen konkreten individuellen Bezugs-merkmalen nicht möglich gewesen sei. Die [X.] hat sich
auch außer-stande
gesehen,
anhand objektiv nachvollziehbarer Kriterien eine Frequenz der Übergriffe festzustellen, um Gewissheit für
eine weitergehende Mindestzahl von Übergriffen zu gewinnen.
3. Hinsichtlich der Taten zum Nachteil der

H.

hat das Landge-
richt
festgestellt, dass die Zeugin
seit ihrer Einschulung im Jahr 2003 bereits vor der Schule von dem Angeklagten und seiner Ehefrau betreut wurde. Dabei kam es vor, dass sich

H.

zu dem mit Unterhose und Unterhemd bekleide-
ten Angeklagten unter dessen Bettdecke
legte. In dieser Situation kam es zwi-schen August 2003 und August 2006 zu folgenden Vorfällen:
Nachdem der Angeklagte

H.

zunächst den Rücken, dann ihren
Bauch gestreichelt hatte, zog er die von ihr getragene Unterbekleidung ein Stück nach unten. Er streichelte sie im [X.] und drang schließlich mit dem Finger in die Scheide der Zeugin ein, wobei er diesen hin und her [X.]. Während des Geschehens forderte er die Zeugin auf, mit ihrer Hand an sei-

führte er die Hand des Kindes an sein nacktes erigiertes Glied und demonstrierte hierbei reibende Bewegungen. Die Zeugin leistete der Anweisung Folge und manipulierte am
Glied des Angeklag-ten. Das sich über mehrere Minuten erstreckende Geschehen endete, als die Großmutter nach

H.

rief.
11
12
13
-
7
-
Zudem ereignete sich ein im Wesentlichen inhaltsgleicher Übergriff, wo-bei es in diesem Fall ausschließlich zu einer Manipulation samt mehrfachen Eindringens mit dem Finger durch den Angeklagten kam, während

H.

nicht an seinem Glied manipulieren sollte bzw. musste.
Überdies kam es zu einem im Wesentlichen identischen Vorfall, wobei der Angeklagte jedoch nicht mit dem Finger in die Vagina der Zeugin eindrang, sondern diese lediglich streichelte.
Darüber hinaus zog
der Angeklagte in einem weiteren Fall in der [X.] beschriebenen Situation die von der Zeugin getragene Unterbekleidung nach unten und streichelte die Zeugin sodann ohne Einzudringen mit dem Fin-ger an der Vagina.
Schließlich kam es zu einem mit dem vorstehenden Vorfall identischen Geschehen, wobei der Angeklagte die Geschädigte im Rahmen dieses Vorfalls zusätzlich dazu aufforderte, an seinem Glied zu manipulieren. Hierzu führte er die Hand der Zeugin an sein Glied. Er
unterwies sie
unter Führen der Hand, welche Bewegungen sie
ausführen solle. Die Zeugin leistete dem Folge, bis es beim Angeklagten zu einem Samenerguss kam.

Das [X.] hat den
den Tatvorwurf bestreitenden Angeklagten auf-grund der Angaben der Zeugin

H.

verurteilt. Soweit dem Angeklagten
darüber hinaus mit der Anklageschrift vom
19.
Juli 2016 vorgeworfen worden war, die Zeugin

H.

in seinem Bett und weiteren 17
Fällen missbraucht

zu haben, hat es
den Angeklagten freigesprochen. Auch insoweit
ist die [X.], wie bei der Zeugin R.

davon ausgegangen, dass sich mehr
als die konkret festgestellten Übergriffe zu Lasten der Zeugin ereigneten. Aller-dings hat
sich das [X.] auch hier zu einer Eingrenzung bzw. Konkreti-sierung weiterer
Übergriffe außer Stande
gesehen.
14
15
16
17
18
-
8
-
Das [X.]
hat den Angeklagten ferner von dem weitergehenden Vorwurf freigesprochen, die Zeugin

H.

in mindestens zehn Fällen im
Zeitraum zwischen August 2003 und August 2006 nachmittags in der Küche oder im Wohnzimmer missbraucht zu haben. Die [X.] hat insoweit nicht auszuschließen
vermocht, dass es aufgrund des Kontakts zwischen der
Zeugin H.

und der Zeugin R.

nach deren
[X.]eils erster
polizeilichen
Vernehmung zu einer Vermengung der Erinnerungen der Zeugin H.

mit den
Schilderungen der Zeugin R.

gekommen sei.

II. Revision des Angeklagten
Die auf die Sachrüge vorzunehmende umfassende materiellrechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils führt zur Aufhebung des [X.]; im Übrigen erweist sich das Rechtsmittel aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] vom 9.
November 2017 als un-begründet.
1. Die Bemessung der Gesamtstrafe ist gemäß
§
54 Abs.
1 Satz
2 StGB im Wege einer Gesamtschau des [X.] und des Schuldumfangs durch einen eigenständigen [X.] vorzunehmen (vgl. [X.], Urteil vom 30.
November 1971

1 [X.], [X.]St 24, 268, 269
f.;
Beschluss vom 17.
Dezember 2013

4 StR 261/13, juris Rn.
3). Dabei sind
vor allem das Verhältnis der einzelnen Taten zueinander, ihre größere oder geringere Selb-ständigkeit, die Häufigkeit der Begehung, die Gleichheit oder Verschiedenheit der verletzten Rechtsgüter und die
Begehungsweise sowie das Gesamtgewicht des abzuurteilenden Sachverhalts zu berücksichtigen ([X.], Urteil vom 30.
November 1971

1
StR
485/71, aaO).
19
20
21
-
9
-
Das Revisionsgericht darf
nur bei
Rechtsfehlern
in diesen Strafzumes-sungsakt eingreifen. Diese können insbesondere dann vorliegen, wenn die Ge-samtstrafe sich nicht innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens bewegt,
die ge-botene Begründung für die Gesamtstrafe fehlt, oder wenn die Besorgnis be-steht, der Tatrichter habe sich von der Summe der Einzelstrafen leiten lassen ([X.], Beschluss vom 10.
November 2016

1
StR 417/16, juris).
2. Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Die [X.] hat zwar die gegen den Angeklagten verhängten Einzelstrafen hinreichend
begründet, jedoch ihre Überlegungen zur Gesamtstrafe nicht dar-gestellt. Mangels jeglicher Ausführungen
zur Begründung des Gesamtstrafen-ausspruchs ist nicht
nachvollziehbar, welche für sowie gegen den Angeklagten sprechenden Kriterien für
die [X.] bei der Bestimmung des [X.] leitend gewesen sind. Insofern bleibt offen, wie sie
die ins-gesamt neun Einzelstrafen mit einer Einsatzstrafe von einem Jahr und sechs Monaten und einer Summe der Einzelstrafen von sechs Jahren und vier Mona-ten auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten zusam-mengeführt hat. Dem Senat ist
daher eine Überprüfung verwehrt.
3. Die zugehörigen Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht be-troffen und können daher aufrechterhalten bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).

III. Revision der Staatsanwaltschaft
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist rechtswirksam innerhalb des Rechtsfolgenausspruchs auf die aus Sicht der Staatsanwaltschaft als zu gering empfundene Gesamtfreiheitsstrafe sowie auf die [X.] hinsichtlich der 22
23
24
25
-
10
-
angeklagten Taten zum Nachteil der Zeuginnen R.

und H.

be-
schränkt.
Widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegrün-dung,
ist unter Berücksichtigung von Nr.
156 Abs.
2 [X.] das Angriffsziel durch Auslegung zu ermitteln (st. Rspr.; vgl. Urteil vom 20.
September 2017

1
StR
112/17, juris Rn.
11; Senat, Urteil vom 11.
Juni 2014

2 [X.], [X.], 285; Urteil vom 26. April 2017

2
StR 47/17, [X.], 201; [X.], Urteil vom 22.
Februar 2017

5
StR 545/16, juris Rn.
10, [X.]. [X.]). Dies führt zu der genannten Beschränkung. Ungeachtet der in der Revi-sionsbegründung enthaltenen [X.] umfassender Angriff gegen den Rechtsfolgenausspruch vor. Denn die [X.] enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass die Staatsanwaltschaft auch die Festsetzung der Einzelstrafen anfechten wollte. Sie
wendet sich in der Sache vielmehr ausschließlich gegen die aus ihrer [X.] zu gering bemessene Gesamtfreiheitsstrafe.
2. Die unterbliebene Begründung der Gesamtstrafe führt aus den bei der Revision des Angeklagten
dargestellten Erwägungen auch auf die Revision der Staatsanwaltschaft zu Ungunsten des Angeklagten zu deren Aufhebung.
3.
Soweit
die Kammer den Angeklagten wegen des Vorwurfs weiterer Taten zum Nachteil der Zeuginnen R.

und H.

freigesprochen hat,
ist das Rechtsmittel unbegründet.
a) Die Urteilsgründe genügen den formellen Anforderungen an einen Teilfreispruch (§
267 Abs.
5 Satz
1 StPO).

26
27
28
29
-
11
-
aa) Wird der Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, so müssen nach Mitteilung des Anklagevorwurfs im Urteil zunächst diejenigen [X.] dargestellt werden, die das Tatgericht für erwiesen erachtet. Erst auf dieser Grundlage ist in der Beweiswürdigung darzulegen, aus welchen Gründen die zur Verurteilung notwendigen Feststellungen nicht getroffen werden konnten ([X.], Urteil vom 8.
Mai 2014

1
StR 722/13, [X.], 220
(Ls.); Urteil vom 21.
Oktober 2003

1 [X.], [X.]R StPO §
267 Abs.
5 Frei-spruch
13, [X.]. [X.]).
Hierdurch wird das Revisionsgericht in die Lage versetzt, nachprüfen zu können, ob der Freispruch auf rechtlich bedenkenfreien Erwä-gungen beruht ([X.], Urteil vom 8.
Mai 2014

1
StR 722/13, aaO; Urteil vom 5.
Februar 2013

1
StR 405/12, NJW 2013, 1106, [X.]. [X.]).
[X.])
Diesen Anforderungen wird das Urteil gerecht.
Die [X.] hat zunächst die Feststellungen geschlossen dargestellt, die sie für erwiesen gehal-ten hat
(UA S.
5-12). Sie hat sodann über 40 Seiten eine umfangreiche Be-weiswürdigung vorgenommen.
Dabei hat sie im Rahmen der Beweiswürdigung zum [X.]eiligen Aussageinhalt
im Ermittlungsverfahren, zu Entstehung und
Kon-stanz der Aussagen,
zu möglichen Falschbelastungsmotiven und zu der [X.] in der Hauptverhandlung der beiden Geschädigten umfassende Ausfüh-rungen gemacht. Sie hat
sich auch mit den unterschiedlichen Tatörtlichkeiten auseinandergesetzt. Diese sowie die weitergehenden Ausführungen im Rah-men der [X.] versetzen das Revisionsgericht hinreichend in
die [X.], nachprüfen zu können, ob die [X.] auf [X.] Erwä-gungen beruhen. Vor
diesem
Hintergrund ist
eine Wiederholung der Ausführun-gen, die nicht zur Überzeugungsbildung des [X.] ausgereicht haben, nicht erforderlich
gewesen.
b) Das Urteil genügt auch den inhaltlichen
Anforderungen an einen Frei-spruch bei Sexualdelikten.
30
31
32
-
12
-
aa) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§
261
StPO). Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an dessen Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist das vom Revisionsgericht in der Regel hinzu-nehmen. Dem Tatrichter obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzu-stellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen
brauchen
nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 6.
September 2016

1
StR 104/15, juris Rn.
33, Urteil vom 12.
Februar 2015

4 [X.], [X.], 148 [X.]). Dabei hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine an-dere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. [X.], Urteil vom 24.
März 2015

5 StR 521/14, [X.], 178, 179). Die revisionsgerichtliche Prüfung erstreckt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, oder gegen Denkgesetze oder Erfahrungsgesetze verstößt (st. Rspr.; vgl. [X.], Ur-teil vom 13.
Juli 2016

1
StR 94/16 [X.]). Der Tatrichter ist gehalten, sich mit den von ihm festgestellten Tatsachen unter allen für die Entscheidung wesentli-chen Gesichtspunkten auseinander zu setzen, wenn sie geeignet sind, das [X.] zu beeinflussen (vgl. [X.], Urteil vom 12. Februar
2015

4 [X.], aaO). Die Anforderungen an eine umfassende Würdigung der festge-stellten Tatsachen sind bei einem Freispruch nicht geringer als im Fall der Ver-urteilung (vgl. [X.], Urteil vom 17.
März 2009

1 [X.], [X.], 512, 513).
Der Tatrichter darf zudem keine überspannten Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche Gewissheit stellen (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 26.
Juli 2016

1
StR 607/15, juris Rn.
12). Im Hinblick auf die Probleme der Stofffülle und der Beweisschwierigkeiten bei vielen sexuellen Übergriffen auf ein allein als Beweismittel zur Verfügung stehendes Kind dürfen an die Indi-33
34
-
13
-
vidualisierbarkeit der einzelnen Taten im Urteil keine übersteigerten [X.] gestellt werden ([X.], Beschluss vom 25. März 2010

5
StR 83/10, juris Rn. 8; Beschluss vom 10.
Mai 1994

5
StR 239/94, [X.], 502). Der Tatrichter muss sich aber, möglichst unter Konkretisierung der einzelnen Hand-lungsabläufe ([X.], Beschluss vom 25.
März 2010

5
StR 83/10, aaO; Be-schluss vom
20. Juni 2001

3
StR 166/01, [X.], 523; Beschluss vom 24.
August 1994

1
StR 432/94, [X.], 78), wie bei jeder anderen Verur-teilung auch die Überzeugung verschaffen, dass es im gewissen Zeitraum zu einer bestimmten Mindestanzahl von Straftaten gekommen ist ([X.], Beschluss vom 27.
März 1996

3
StR 518/95, [X.]St 42, 107, 110). Dabei muss das
Tat-gericht darlegen, aus welchen Gründen es
die Überzeugung gerade von dieser Mindestzahl von Straftaten gewonnen hat ([X.], Beschluss vom 5.
März 2008

5
StR 611/07, [X.]St 42, 107, 109; Beschluss vom 25. März 2010

5
StR 83/10, aaO).
Ist eine Individualisierung einzelner Taten mangels Besonderhei-ten im Tatbild oder der Tatumstände nicht möglich, sind zumindest die Anknüp-fungspunkte zu bezeichnen, anhand derer der Tatrichter den Tatzeitraum [X.] und auf die sich seine Überzeugung von der Mindestzahl und der Bege-hungsweise der Mißbrauchstaten des Angeklagten in diesem Zeitraum gründet
([X.],
Beschluss vom 20.
Juni 2001

3
StR 166/01, aaO; Beschluss vom 12.
November 1997

3
StR 559/97, [X.], 208).
[X.]) Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil gerecht. Es ist insbesondere nicht zu erkennen, dass das [X.] einen überzogenen Maßstab an die Überzeugungsbildung angelegt hat.
(1) Entgegen
der Ansicht der Staatsanwaltschaft ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das [X.]
aufgrund der Schilderung der Zeu-gin R.

einerseits davon ausgegangen ist, dass es zu
mehr als den

vier konkret festgestellten Übergriffen
zu Lasten der Zeugin gekommen ist, es 35
36
-
14
-
sich andererseits aber außerstande gesehen hat, eine höhere Mindestanzahl von Missbrauchsfällen auf der Basis der schwankenden und nicht objektivierba-ren Angaben der Zeugin zur Tathäufigkeit festzustellen. Die [X.] hat dies damit begründet, dass die Zeugin im Rahmen der ersten polizeilichen Ver-m-men seien.
Im Rahmen einer weiteren Vernehmung habe sie von mindestens drei Übergriffen im Monat gesprochen und schließlich in der Hauptverhandlung ausgeführt, dass es zu zwei Übergriffen in der Woche gekommen sei. Der [X.] von dem [X.]
gezogene Schluss, die Zeugin spekuliere
letztlich über die Häufigkeit der Übergriffe, ist nicht nur möglich, sondern naheliegend. Die [X.] hat sich in diesem Zusammenhang ausdrücklich damit ausei-h-

gewesen ist. Sie hat ihre Schlussfol-gerung zusätzlich damit
begründet, dass es zum einen auch Zeiträume gege-ben haben müsse, in denen es durch den Angeklagten nicht zu Übergriffen
auf die Zeugin gekommen sein könne
(Schlaganfall des Angeklagten; [X.]/Krankheit der Großmutter; unterschiedliche Arbeitszeiten der Großmutter im Schichtbetrieb). Zum anderen sei es der Zeugin nicht möglich gewesen, den Beginn oder das Ende der Übergriffe verlässlich einzuordnen.
Das [X.]
hat in diesem Zusammenhang ebenfalls
rechtsfehlerfrei begründet, warum es
keine sichere Überzeugung dahingehend hat gewinnen können, dass es auch im Wohnzimmer zu einem Übergriff auf die Geschädigte
R.

gekommen ist. Zwar hatte die Zeugin im Rahmen ihrer polizeili-
chen Vernehmung einen derartigen Übergriff geschildert, sich an diesen
aber im Rahmen der Hauptverhandlung auch auf Vorhalt nicht zu erinnern
vermocht. Dass die [X.] sich bei diesem Beweisergebnis außerstande gesehen hat, eine sichere Überzeugung von der Richtigkeit des Anklagevorwurfs zu [X.], ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
37
-
15
-
(2) Auch der Teilfreispruch hinsichtlich der 27 weiteren angeklagten Ta-ten zum Nachteil der Geschädigten H.

ist rechtsfehlerfrei. Die Zeugin hat ei-
nerseits dargestellt, eine Quantifizierung falle ihr sehr schwer. Auf Befragen hat sie in der Hauptverhandlung hinsichtlich der Häufigkeit von einer [X.] Zahl von Übergriffen berichtet (20-mal, eher mehr; mindestens zehnmal).
Angesichts dieser divergierenden Angaben ist es revisionsrechtlich nicht zu [X.], dass sich die [X.] zur Schätzung einer Mindestzahl außer-stande gesehen hat.
Soweit das [X.]
sich ebenfalls nicht davon hat überzeugen [X.], dass weitere Übergriffe in der Küche der Großeltern stattfanden, hat es
dies ausreichend damit begründet,
dass aufgrund des Kontakts zwischen der Zeugin H.

und der Zeugin R.

nach deren [X.]eiliger erster polizeili-
cher Vernehmung eine Vermengung der Erinnerungen bei der Zeugin H.

mit
den Schilderungen der Zeugin R.

nicht auszuschließen sei. Denn die
Zeugin H.

habe in ihrer ersten polizeilichen Vernehmung keine Vorfälle in der
Küche geschildert, sondern als Tatort das Bett und ganz selten das Wohnzim-mer
beschrieben, wohingegen es an anderen Orten zu keinen Übergriffen ge-kommen sei.
[X.] [X.] [X.]

[X.] [X.]

38
39

Meta

2 StR 431/17

21.02.2018

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.02.2018, Az. 2 StR 431/17 (REWIS RS 2018, 13573)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 13573

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 StR 431/17 (Bundesgerichtshof)

Sexueller Missbrauch von Kindern und Schutzbefohlenen: Beweiswürdigung bei freisprechendem Urteil; Gesamtstrafenbildung


2 StR 101/15 (Bundesgerichtshof)


2 StR 92/15 (Bundesgerichtshof)


2 StR 235/16 (Bundesgerichtshof)


1 StR 50/16 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

2 StR 431/17

2 StR 90/14

4 StR 420/14

5 StR 521/14

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.