Bundespatentgericht, Urteil vom 29.04.2014, Az. 4 Ni 21/12 (EP)

4. Senat | REWIS RS 2014, 6072

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Gegenstand

Patentnichtigkeitsklageverfahren – "System zur Umpositionierung von Zähnen (europäisches Patent)" – Unzulässigkeit des Kategoriewechsels von einer Vorrichtung auf ein Herstellungsverfahren – zum Verständnis der Lehre und Erläuterung der Merkmale – zur beanspruchten technischen Lösung und zur objektiv gelösten Aufgabe


Leitsatz

System zur Umpositionierung von Zähnen

1. Der Kategoriewechsel von einer Vorrichtung auf ein Herstellungsverfahren ist unzulässig, da – anders als bei der Verwendung einer Vorrichtung – der Schutzbereich des erteilten Patents im Hinblick auf den nur bei Vorrichtungen möglichen Schutz von Vorbenutzungen (§ 12 PatG) erweitert wird.

2. Umfasst der auf ein System mehrerer Instrumente gerichtete Patentanspruch (hier zum inkrementellen Einstellen der Zahnposition) die Lehre, dass diese erfindungsgemäß aufeinander abgestimmten Instrumente nach der Herstellung als Gesamtpaket dem Behandler zur Verfügung gestellt werden, so leistet nur die Anweisung zur Ausbildung als Gesamtpaket einen technischen Beitrag zur Lehre und zur Abgrenzung gegen den Stand der Technik (im Anschluss an BGH GRUR 2011, 707 – Dentalgerätesatz), nicht jedoch die einbezogene Art des Empfängers und die näheren Umstände der Bereitstellung.

3. Wird die von der beanspruchten technischen Lösung objektiv gelöste Aufgabe im Wesentlichen von ökonomischen Aspekten geleitet, welche insbesondere die Verbesserung des Marketings und die Convenience des Produkts für den Patienten betreffen, so steht der Annahme eines Naheliegens und einer Veranlassung zur konkreten Problemlösung nicht entgegen, dass der Fachmann in dieser Lösung möglicherweise im Widerstreit zu therapeutischen Aspekten steht und Nachteile befürchtet.

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 1 369 091

( DE 698 41 243 )

hat der 4. Senat ([X.]) des [X.] am 29. April 2014 durch den Vorsitzenden [X.], die Richterin Friehe, [X.]. Dr. rer.nat. [X.], [X.] und die Richterin Dipl.-Phys. Univ. Zimmerer für Recht erkannt:

[X.] Das [X.] Patent 1 369 091 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] für nichtig erklärt.

I[X.] Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

II[X.] [X.] ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] erteilten [X.] Patents 1 369 091 (Streitpatent), das unter Inanspruchnahme der Prioritäten der Patentanmeldungen [X.] 50342 P vom 20. Juni 1997 und [X.] 947080 vom 8. Oktober 1997 als Teilanmeldung (EP 1 369 091 [X.]) der Anmeldung EP 0 989 828 [X.] vom 19. 6. 1998 ([X.]) angemeldet wurde. Das Streitpatent wurde in der [X.] veröffentlicht und wird beim [X.] unter der Nr. 698 41 243 geführt. Es betrifft ein System zum inkrementellen Bewegen von Zähnen und umfasst 11 Patentansprüche, die sämtlich angegriffen sind.

2

Patentanspruch 1 lautet in der [X.]:

Abbildung

3

und in der [X.] Übersetzung

Abbildung

4

Wegen der abhängigen Ansprüche 2 bis 11 wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.

5

Die Kläger machen die Nichtigkeitsgründe der fehlenden Patentfähigkeit geltend. Die Kläger zu 1) und 2) berufen sich ferner darauf, dass der Gegenstand der Patentansprüche 1, 3 und 9 unzulässig gegenüber dem Inhalt der Anmeldung erweitert sei.

6

Hinsichtlich der geltend gemachten fehlenden Patentfähigkeit berufen sich die Kläger zu 1) und 2) auf folgenden Stand der Technik:

7

D1 = D6 = [X.]

[X.] 2 467 432 ([X.])

D2    

[X.], [X.] et al., „[X.] and Orthopedic

Treatment in the Mixed Dentition”,

[X.], 1996

D3 = MH07

[X.] 4 983 334

D4 = MH11

[X.] 5 242 304

D5    

[X.], [X.], „[X.]“,

American [X.], März 1971

D7    

[X.] 2 531 222 ([X.]I)

D8    

[X.],

American Journal of [X.]s and Oral Surgery;

 [X.],  [X.]ol. 31; No. 6, [X.] 1945

D9    

[X.] 3 407 500 ([X.]II)

D10     

[X.] 30 531 C1

[X.]     

Three dimensional surface reconstruction from images

with application in [X.], [X.], Bin, 1994,

[X.] Dissertation services

8

Außerdem machen sie eine [X.]orbenutzung in den [X.]A geltend. Hierzu sind von der Klägerin zu 3) Protokolle von Zeugenaussagen aus einem [X.]erfahren in den [X.]A vorgelegt und Zeugen benannt worden ([X.] und

9

[X.]   

[X.] Jr. JA, [X.], [X.]; [X.]

and orthopedic treatment in [X.], S. 347 – 353

[X.]   

[X.] [X.],  [X.]. Am [X.]. 1971, [X.]; 59(3),

S. 266 – 272

[X.] = D6

[X.] 2 467 432 ([X.])

MH07 = D3

[X.] 4 983 334 ([X.])

[X.]   

Zeugenaussage T… vom 3. Dezember 2004

[X.]   

Zeugenaussage R… vom 15. November 2004

[X.]   

Truax LH „Truax Clasp-less Appliance System,

The Functional Orthodontist 1992, S. 22 – 28

MH11 = D4

[X.] 5 242 304 (Truax)

[X.]   

Anwenderinformation „[X.]“

[X.]   

Urteil des [X.] Court of Appeals for the

Federal Circuit v. 30. August 2006 (05-1426)

[X.]   

Zeitungsartikel „[X.] … invisibly“, [X.]

Register Community Edition, 7. Okt. 1988

[X.]   

[X.] et al., Können die [X.] von [X.]

durch den zusätzlichen Einsatz von [X.] beeinflusst werden?

Eine experimentelle Studie, [X.]. 1997, [X.] – 190

Die Klägerin zu 3) ist der Ansicht, bei Merkmal 1.6 von Patentanspruch 1 („wherein the plurality of dental incremental position [X.] (100) are provided as a single package“) handele es sich um eine Anweisung, welche nur eine Geschäftsmethode und ein therapeutisches [X.]erfahren betreffe.

Die Kläger beantragen,

 das [X.] Patent 1 369 091 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

 die Klage abzuweisen,

hilfsweise, die Klage abzuweisen, soweit das Streitpatent mit Hilfsantrag I vom 01. 03. 2013 verteidigt wird,

weiter hilfsweise, die Klage abzuweisen, soweit das Streitpatent mit Hilfsantrag II vom 01. 03. 2013 verteidigt wird,

weiter hilfsweise, die Klage abzuweisen, soweit das Streitpatent mit Hilfsantrag III vom 01. 03. 2013 verteidigt wird,

weiter hilfsweise, die Klage abzuweisen, soweit das Streitpatent mit Hilfsantrag I[X.] vom 01. 03. 2013 verteidigt wird,

weiter hilfsweise, die Klage abzuweisen, soweit das Streitpatent mit Hilfsantrag [X.] vom 01. 03. 2013 verteidigt wird,

weiter hilfsweise, die Klage abzuweisen, soweit das Streitpatent mit Hilfsantrag [X.]I aus dem Schriftsatz vom 17. 02. 2014 verteidigt wird, mit der Maßgabe, dass die Angabe von 0,25 mm durch die Angabe 0,5 mm ersetzt wird (neuer Hilfsantrag [X.]I),

weiter hilfsweise, die Klage abzuweisen, soweit das Streitpatent mit Hilfsantrag [X.]I aus dem Schriftsatz vom 17. 02. 2014 verteidigt wird (neuer Hilfsantrag [X.]II),

weiter hilfsweise, die Klage abzuweisen, soweit das Streitpatent mit Hilfsantrag [X.]II aus dem Schriftsatz vom 17. 02. 2014 verteidigt wird (neuer Hilfsantrag [X.]III).

Die Kläger beantragen die Zurückweisung des neuen [X.] als verspätet und rügen die Änderung der Patentkategorie von einem [X.]orrichtungsanspruch in einen [X.]erfahrensanspruch gemäß der [X.], [X.] und [X.]III als nicht zulässig.

Patentanspruch 1 des [X.] vom 1. 3. 2013 lautet:

Abbildung

Patentanspruch 1 des [X.]I vom 1. 3. 2013 lautet:

Abbildung

Patentanspruch 1 des [X.]II vom 1. 3. 2013 lautet:

Patentanspruch 1 des [X.][X.] vom 1. 3. 2013 lautet:

Patentanspruch 1 des Hilfsantrags [X.] vom 1. 3. 2013 lautet:

Patentanspruch 1 des neuen [X.] lautet:

 appliance is configured to move individual teeth in [X.] mm and

Patentanspruch 1 des neuen [X.]I (Hilfsantrag [X.]I aus dem Schriftsatz vom 17. 02. 2014) lautet:

Patentanspruch 1 des neuen [X.]II (Hilfsantrag [X.]II aus dem Schriftsatz vom 17. 02. 2014) lautet:

Hinsichtlich der jeweiligen [X.] wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Die Beklagte tritt dem [X.]ortrag der Kläger entgegen; sie ist der Ansicht, der Gegenstand des Streitpatents in der erteilten Fassung bzw. in den hilfsweise verteidigten Fassungen sei neu und erfinderisch und nicht unzulässig erweitert. Die hilfsweise verteidigten Ansprüche seien allesamt zulässig, auch soweit die Kategorie von einem „system“ in eine „method“ geändert worden sei. Die in den Raum gestellten [X.]orbenutzungen stellten keine offenkundigen [X.]orbenutzungen nach [X.] Patentrecht dar.

Der Senat hat den Parteien einen gerichtlichen Hinweis nach § 83 Abs. 1 [X.] zugeleitet. Auf den Hinweis vom 18. Dezember 2013 ([X.]. 298 ff. d. A.) wird Bezug genommen.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien samt Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet, weil der Gegenstand des Streitpatents – wie von den Klägern geltend gemacht – weder in der erteilten noch in einer der hilfsweise verteidigten Fassungen – soweit diese zulässig geändert und einer Beurteilung der Patentfähigkeit zugänglich sind – patentfähig ist (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. a, EPÜ).

I.

1. Das Streitpatent betrifft ein System für die inkrementelle bzw. schrittweise Bewegung der Zähne aus einer anfänglichen Zahnanordnung in eine endgültige Zahnanordnung (siehe [X.] [0001]).

In der Beschreibungseinleitung des Streitpatents ist erläutert, dass das Neupositionieren der Zähne aus ästhetischen und anderen Gründen herkömmlich durch das Tragen einer üblicherweise so bezeichneten "Zahnspange" erreicht wird. Solche Zahnspangen wiesen eine [X.]ielfalt von [X.]orrichtungen wie Halter, Bogendrähte, Ligaturen und O-Ringe auf. Das Anbringen dieser [X.]orrichtungen an die Zähne eines Patienten sei ein langwieriges und zeitaufwändiges Unternehmen, das viele Termine bei dem behandelnden Kieferorthopäden erfordere. Folglich beschränkten herkömmliche Kieferorthopädie-Behandlungen die [X.] eines Kieferorthopäden und machten eine kiefer-orthopädische Behandlung ziemlich kostspielig (siehe [X.] [0002]).

Auch aus der Sichtweise des Patienten stelle der Gebrauch herkömmlicher Zahnspangen ein langwieriges und zeitaufwändiges [X.]erfahren dar und erfordere viele Besuche in der Praxis des Kieferorthopäden. Außerdem sei für den Patienten der Gebrauch der Zahnspange unansehnlich, unbequem, verkörpere ein Risiko der Infektion und mache Bürsten, Zahnseidenbehandlung und andere Zahnhygieneverfahren schwierig (siehe [X.] [0007]).

als Ziel der Erfindung, derartige Systeme wirtschaftlich zu machen und insbesondere den Zeitumfang zu verringern, der für den Kieferorthopäden beim Planen und Betreuen jedes einzelnen Patienten erforderlich ist. Die Systeme sollten ebenfalls akzeptabler für den Patienten sein, insbesondere weniger sichtbar, weniger unbequem, weniger zu Infektionen geneigt, und mehr mit der täglichen Zahnhygiene vereinbar.

Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 1 eine [X.]orrichtung mit folgenden Merkmalen vor ([X.] hinzugefügt):

1. A system for repositioning teeth from an initial tooth arrangement to a final tooth arrangement, said system comprising

2. a plurality of dental incremental position [X.] (100) including:

3. a first appliance having a geometry selected to reposition the teeth from the initial tooth arrangement to a first intermediate arrangement:

4. one or more intermediate appliances having geometries selected to progressively reposition the teeth from the first intermediate arrangement to successive intermediate arrangements;

5. and a final appliance having a geometry selected to progressively reposition the teeth from the last intermediate arrangement to the final tooth arrangement,

6. wherein the plurality of dental incremental position [X.] (100) are provided as a single package.

In der [X.] Übersetzung der Patentschrift lautet Patentanspruch 1 ([X.] hinzugefügt):

1. System zum Umpositionieren von Zähnen aus einer anfänglichen Zahnanordnung in eine endgültige Zahnanordnung,

2. wobei das System mehrere Instrumente (100) zum inkrementellen Einstellen der [X.] enthält, die umfassen:

3. ein erstes Instrument mit einer Geometrie, die gewählt ist, um die Zähne aus der anfänglichen Zahnanordnung in eine erste Zwischenanordnung umzupositionieren;

4. ein oder mehrere Zwischeninstrumente mit Geometrien, die gewählt sind, um die Zähne aus der ersten Zwischenanordnung nach und nach in aufeinander folgende Zwischenanordnungen umzupositionieren;

5. und ein letztes Instrument mit einer Geometrie, die gewählt ist, um die Zähne aus der letzten Zwischenanordnung nach und nach in die endgültige Zahnanordnung umzupositionieren,

6. wobei die mehreren Instrumente (100) zum inkrementellen Einstellen der [X.] als ein einziger Körper vorgesehen sind.

4. Als zur objektiven Problemlösung berufenen Fachmann sieht der [X.] einen Zahntechniker, der eng mit einem Kieferorthopäden bzw. Zahnarzt zusammenarbeitet.

II.

[X.]erständnis der Lehre und Erläuterung der Merkmale

1. Die Besonderheit der im Anspruch 1 definierten Erfindung liegt nach Angaben der Patentschrift und der Beklagten darin, dass am Beginn der Behandlung eine endgültige Zahnanordnung bestimmt wird, mehrere Instrumente mit unterschiedlichen Geometrien zur [X.] von einer anfänglichen Zahnanordnung in eine endgültige Zahnanordnung hergestellt und diese mehreren Instrumente als einheitliches Paket bereitgestellt werden. In der mündlichen [X.]erhandlung erläuterte der Beklagtenvertreter, dass hierdurch das bei Kieferorthopäden bestehende Dogma überwunden worden sei, wonach entweder von dem gleichzeitigen Anfertigen und der Behandlung durch mehrere Schienen abgeraten oder aber gelehrt worden sei, mehrere Schienen, je nach aktuellem Behandlungsstand zu fertigen - eine Methode, die im Übrigen für den Techniker nicht kostenintensiver gewesen sei als bei dem gleichzeitigen Anfertigen mehrerer Schienen. Während herkömmlich bei einer Zahnkorrektur eines Patienten mittels Zahnschienen eine stetige Kontrolle der Therapie notwendig gewesen sei, sei dies erfindungsgemäß nicht erforderlich, wobei die Regulierung der Zähne in kleinen Schritten erfolge und kumulativ die Planung und Herstellung besonders präzise sein müsse und auch die [X.]erkürzung der Tragezeit der einzelnen Schienen weniger Kontrolle erforderlich mache.

2. Das erfindungsgemäße System enthält mehrere Instrumente zum inkrementellen Einstellen der [X.] [Merkmal 2]. Unter einem Instrument (appliance) wird nach dem Wortlaut des Anspruchs 1 eine [X.]orrichtung zur Anpassung der Zähne („

Abbildung

Die nebenstehend wiedergegebene Zeichnung stammt aus der Streitpatentschrift (Figur 1C) und zeigt beispielhaft ein erfindungsgemäßes Instrument (100) zur [X.]

Erfindungsgemäß sind mindestens drei Instrumente und vier Zahnstellungen durch den Anspruch 1 nach dem Streitpatent vorgegeben (vgl. [X.] [0021]),

1. ein Instrument zum Umpositionieren von Zähnen aus einer anfänglichen Stellung in eine erste Zwischenstellung [Merkmal 3],

2. ein (Zwischen-)Instrument zum Umpositionieren von Zähnen aus einer ersten Zwischenstellung in folgende Zwischenstellung [Merkmal 4] und

3. ein Instrument zum Umpositionieren von Zähnen aus einer letzter Zwischenstellung in Endstellung [Merkmal 5],

Die Endstellung nach Merkmal 5 ist in Abs. [0018] des Streitpatents näher definiert als Zahnanordnung am Ende der Behandlung:

3. Nach Merkmal 6 sollen die [X.]ielzahl der Instrumente als „single package“ zur [X.]erfügung gestellt werden, was nach Auffassung des [X.]s richtigerweise mit „Gesamtpaket“ und nicht „einziger Körper“ zu übersetzen ist. Hierbei ist unter Berücksichtigung des technischen Sinngehalts des gesamten Patentanspruchs und des auch in der Beschreibung und Aufgabe zum Ausdruck kommenden Erfindungsgedankens für den Fachmann zwangsläufig verbunden, dass die einzelnen Instrumente des Gesamtpakets nach den Merkmalen 3 bis 5 aufeinander abgestimmt sind (vgl auch [X.], 707 – [X.]). Dieses aufeinander [X.] ist hierbei noch in engerem Sinne zu verstehen, als dies bei der sinnvollen Zusammenstellung eines Sets/Gesamtpakets z. B. aus mehreren Schraubenschlüsseln (Schraubenschlüsselsatz) der Fall ist. Es handelt sich vielmehr – vergleichbar BGH [X.] – „

Das bedeutet zugleich, dass das Merkmal 6 ein technisches Merkmal ist und einen technischen Beitrag zur Ausbildung der [X.]orrichtung/des Systems und zur Abgrenzung gegen über dem Stand der Technik leistet (siehe zur Neuheit [X.], 707 – [X.]), weil nur so in der Zusammenstellung abgestimmter Instrumente die erfindungsgemäße Aufgabe technisch realisierbar ist und eine sukzessive Erstellung der im [X.]erlauf der Behandlung erforderlichen (Zwischen-)Instrumente vermieden wird.

Insoweit ist im Hinblick darauf für die Beurteilung der Lehre nach Patentanspruch 1, in dem es um einen [X.]orrichtungsanspruch geht, irrelevant, wem und wann das Gesamtpaket zur [X.]erfügung gestellt wird. [X.]erfahrens- bzw. [X.]erwendungselemente sind nicht Gegenstand dieses Patentanspruchs, und die Art des Empfängers und die näheren Umstände der Bereitstellung wirken sich auch nicht mittelbar auf die körperlich räumliche Ausgestaltung der beanspruchten [X.]orrichtung aus, so dass auch die (zutreffende) Lesart als Zweckbestimmung und damit als Geeignetheitskriterium keinen technischen Beitrag zur Lehre der [X.] erkennen lässt.

[X.].

1. Patentfähigkeit von Patentanspruch 1 nach Hauptantrag

Hauptantrag beanspruchte Lehre ist [X.]. Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, [X.] 138 Abs. 1 lit. a EPÜ nicht patentfähig; sie mag zwar neu sein, beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, Art. 56 EPÜ. Denn sie ergab sich für den angesprochenen Fachmann zum Zeitpunkt der Anmeldung/Priorität in naheliegender Weise aus dem im [X.]erfahren befindlichen Stand der Technik der [X.] und [X.] und dem Fachwissen des berufenen Fachmanns.

Die Ausgangslage seiner Bemühungen, die Instrumente zur Zahnkorrektur im Sinne der in Abschnitt [0008] der Streitpatentschrift vorgegebenen Aufgabe zu modifizieren, stellte sich dem Fachmann wie folgt dar:

a. Die Herstellung von für den Patienten komfortablen Zahnschienen gemäß den Merkmalen 1 bis 5 beschreiben die Druckschriften [X.] und [X.].

Abbildung

1].

2]. Ein Instrument wird dabei zur Endbehandlung („final artistic positioning“) empfohlen, es ist jedoch nicht ausgeschlossen, die komplette Behandlung von der Anfangs- bis zur finalen Zahnanordnung durch diese Instrumente durchzuführen (vgl. [X.] [X.]. 5 Z. 22 bis 28: „

Das Herstellverfahren der Zahnschienen nach Druckschrift [X.] basiert auf den Schritten: Erstellen eines Gipsmodells der anfänglichen [X.], [X.]ereinzelung der Zähne aus dem Gipsmodell, [X.]erwendung von Wachs zum Ersetzen und Positionieren der vereinzelten Zähne und Erzeugung eines neues Modells mit der gewünschten Zahnanordnung aus den vereinzelten Zähnen (vgl. [X.] [X.]. 3 Z. 30 bis 55). Das neue Modell wird verwendet, um als Negativmodell das Instrument zum Umpositionieren (Zahnschiene, vgl. [X.] Fig. 7) in der gewünschten [X.] anzufertigen (vgl. [X.] [X.]. 4 Z. 39 bis [X.]. 5 Z. 3).

3 bis 5], wobei die Ausführungen offenlassen, wie dies im Einzelnen zu erfolgen hat, ob insbesondere eine vollständige Wiederholung des [X.]erfahrens unter erneutem Abdrucknehmen und Ersetzung der bereits umpositionierten Zähne durch Wachs mit anschließender Neupositionierung erfolgt oder - was näher liegt – nur der erste Abdruck erneut verwendet und die in Wachs modellierten Zähne in eine neue Position gebracht werden. Im Gegensatz zu der Lehre des Streitpatents und auch der Auffassung der Kläger lehrt die [X.] jedoch nicht, ein Gesamtpaket von Instrumenten nach Merkmal 6 bereitzustellen, welches bereits ausgehend von der anfänglich bestimmten Endposition aufeinander abgestimmt ist.

b. Die Druckschrift [X.] zeigt ebenfalls ein System zum Umpositionieren von Zähnen aus einer anfänglichen Zahnanordnung in eine endgültige Zahnanordnung mittels unsichtbarer Zahnschienen (1].

2 bis 5]. Weitere Ausführungen dazu, wie im Einzelnen bei einer Serie von Zahnschienen zu verfahren ist, enthält die [X.] nicht. Insbesondere sind die Ausführungen zu dem „set of retainers“ nicht heranzuziehen (vgl. [X.] S. 348 2. Abs.:

Ein an der Endstellung ausgerichtetes und abgestimmtes Gesamtpaket von Instrumenten im Sinne von Merkmal 6 des Patentanspruchs 1 ist mithin auch in der Druckschrift [X.] nicht offenbart.

c. Jedoch ergab sich nach Überzeugung des [X.]s für den Fachmann, der vor die Aufgabe gestellt war, die Behandlung nach den bekannten Systemen wirtschaftlicher und für den Patienten noch komfortabler und akzeptabler zu machen, im Prioritätszeitpunkt ausgehend von diesem Stand der Technik die Lösung nach Patentanspruch 1, ein Gesamtpaket mit vorgefertigten, aufeinander abgestimmten Instrumenten bereit zu stellen, in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik und der hierdurch angeregten weiteren, vom Fachwissen getragenen Überlegungen.

aa. Der Fachmann, der sich auf den Weg machte, um eine Lösung seines Problems der [X.]erringerung der Praxiszeit, des höheren Komforts und der größerer Akzeptanz durch den Patienten sowie der [X.]erringerung des [X.] zu finden, erkannte ohne Weiteres die Druckschrift [X.] als geeigneten Ausgangspunkt, zumal diese ausdrücklich angibt, dass diese Lehre die Behandlungszeit des Patienten beim Arzt verringert (vgl. [X.] [X.]. 6 Z. 3 bis 7:

Hierbei lehrte die [X.] dem Fachmann auch, dass durch die [X.]erwendung von Zahnschienen der Einsatz von metallischen Bändern, Drähten oder ähnliches nicht mehr erforderlich ist (vgl. [X.] [X.]. 1 Z .68: „

bb. Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass weder die Lehre nach der [X.] noch nach der [X.] die Erstellung von mehreren Zahn-Abdrücken des Patienten lehren, sondern die Frage, wie bei einer Serie von Instrumenten bzw. Zahnschienen vorzugehen ist, offengelassen wird. Bei der Prüfung, ob der Stand der Technik ausgehend von einer Entgegenhaltung dem Fachmann die erfindungsgemäße Lösung nahe gelegt hat, ist nicht nur zu berücksichtigen, was sich für den Fachmann unmittelbar und eindeutig aus dieser Entgegenhaltung ergibt, sondern gleichermaßen, was der Fachmann kraft seines Fachwissens aus ihr ableiten kann ([X.], 363 -  Polymerzusammensetzung). Wie bereits erläutert, entspricht bei der dortigen [X.]orgehensweise jedoch der mit dem modellierten Abdruck geschaffene Zustand des Abdrucks und der hieraus zu fertigenden Zahnschiene demjenigen, welcher Ausgangspunkt für die weitere Behandlung und Anfertigung der nächsten Zahnschiene ist – und zwar solange bis der zufriedenstellende Endzustand erreicht ist. Für den Fachmann ist es deshalb selbstverständlich, dass er nicht zwingend einen weiteren Abdruck von der erreichten [X.] machen muss, um diesen wieder zu bearbeiten, um sodann erst im nächsten Schritt mittels einer weiteren Zahnschiene eine Zahnstellung anzuvisieren, sondern dass er die zweite Zahnschiene unmittelbar aus dem ersten präparierten Abdruck gewinnen kann, in dem er die mit Wachs modellierten Zähne in eine neue dem Endziel näherkommende Stellung versetzt bzw. ummodelliert als sie zwischenzeitlich erreicht worden ist.

Der Fachmann erkannte daher auch im Prioritätszeitpunkt des Streitpatents beim Lesen der Druckschriften [X.] und [X.], dass er bei der Fertigung einer Zahnschiene mit Hilfe eines Anfangsmodells nach der dort vermittelten Lehre mittels [X.]ereinzelung und Neuanordnung der Zähne auch bei einer Serie von Zahnschienen jeweils bereits ein neues Modell aus dem [X.]ormodell erstellen kann, in dem er die dort bereits vorhandene [X.] wieder als Ausgangspunkt für eine weitere [X.] und die Fertigung der nächsten Zahnschiene nimmt.

Die Annahme der fachüblichen Herstellung von aufeinanderfolgenden Zahnanordnungen mittels eines einzigen Abdrucks wird unterstützt durch die Erläuterung des [X.] zu 2) in der mündlichen [X.]erhandlung, wonach es in der Zahntechnik üblich ist, aus dem anfänglichen [X.] des Patienten ein Master-Modell aus Gips, aus welchem durch [X.]erschieben der in Wachs modellierten Zähne jeweils wieder neue [X.] geschaffen werden, die sodann der Herstellung der einzelnen, aufeinanderfolgenden Zahnschienen dienen. Insoweit ist es auch von der Beklagten in der mündlichen [X.]erhandlung zugestanden worden, dass eine derartige [X.]erfahrensweise heute üblich ist; die Beklagte hat nur bestritten, dass dies schon am [X.] üblich war, im Übrigen abgeltend gemacht, dass die erfindungsgemäße Lehre nicht kostengünstiger sei, was mit der Annahme einer wiederholten Anfertigung von Abdrücken unvereinbar wäre. Letztlich kommt es hierauf auch nicht an, da die heutige [X.]erfahrensweise nur bekräftigt, dass nicht nur der Patentinhaber, sondern auch die angesprochenen Fachleute an einer Minimierung des Aufwands interessiert und die Herstellung einer Serie von Zahnschienen nach den [X.]erfahren der Druckschriften [X.] und [X.] auch ohne ausdrückliche Offenbarung der [X.]orgehensweise im Einzelnen die Arbeit mit einem einzigen als [X.] dienenden variierbaren Abdrucks nahelegen. Folgerichtig wird in der Druckschrift [X.] auch darauf hingewiesen, dass es unerheblich ist, ob die auf dem [X.] basierenden Zwischenmodelle bei der Herstellung der Zahnschienen (vgl. [X.] S. 353 2. Absatz) beschädigt werden.

cc. Der [X.] verkennt nicht, dass damit der Weg zur Lehre nach Patentanspruch 1 im Hinblick auf Merkmal 6 und das Konzept, die aufeinander abgestimmten Instrumente bzw. Zahnschienen als vorgefertigtes, aufeinander abgestimmtes Gesamtpaket bereit zu stellen, noch nicht erreicht ist und sich die [X.]orgehensweise insoweit vom Stand der Technik unterscheidet, als erfindungsgemäß die Erstellung der jeweiligen Zahnschiene nicht sukzessive angelegt ist und insbesondere im Stand der Technik nicht bereits zu Beginn der Behandlung eine Zahnschiene vorliegt, welche die finale Endposition repräsentiert. Auch ist dem [X.] bewusst, dass der aufgezeigte Stand der Technik keine konkreten [X.]orbilder oder Hinweise auf ein derartiges Gesamtpaket von Zahnspangen gibt und es von Ausnahmen abgesehen für das Begehen eines von den bisher beschrittenen Wegen abweichenden Lösungswegs einer [X.]eranlassung bedarf, die Lösung des technischen Problems auf dem Weg der Erfindung zu suchen ([X.], 746 - Betrieb einer Sicherheitseinrichtung). Dennoch sieht der [X.] die Lehre nach Patentanspruch 1 als nahegelegt an.

dd. Wesentlich für die Beurteilung des Naheliegens ist zunächst die Erkenntnis, was das Streitpatent gegenüber dem Stand der Technik wirklich leistet und welche objektive Aufgabe erfindungsgemäß gestellt und gelöst wird ([X.], 693 – Hochdruckreiniger; GRUR 2010, 602 – Gelenkanordnung). Insofern ist darauf hinzuweisen, dass auch das Streitpatent für den mit der Erfindung verbundenen Nachteil der medizinischen Risiken aufgrund der fehlenden Kontrolle des [X.]erlaufs der Zahnregulierung keine Lösung bietet; insbesondere leistet die mit der Erstellung eines Gesamtpakets verbundene Lehre des Streitpatents kein gegenüber dem Stand der Technik verbessertes System, welches im Hinblick auf die medizinische Zielsetzung eine verbesserte Prognose oder ein verbessertes System von Zahnspangen zur [X.]erfügung stellt, welches aus medizinischer Sicht einen verbesserten und zuverlässigeren Gesamtverlauf der Zahnkorrektur gewährleistet und deshalb aus medizinischer Sicht keiner sukzessiven [X.]orgehensweise und eines geringeren Kontrollaufwand bedürfte, um Fehlentwicklungen zu vermeiden. Die Behauptung der Beklagten, erfindungsgemäß müsse die Planung und Herstellung besonders präzise sein, trifft sicherlich zu, da ansonsten die erfindungsgemäße Lehre im Hinblick auf therapeutischen Nutzen und Kostenaufwand unverantwortlich wäre, inwieweit aber die geschützten Lehre hierzu ihren gegenüber dem Stand Technik geleisteten Beitrag erbringen soll, ist nicht ersichtlich und von der Beklagten dargetan.

Für die objektive – und auch im Patent gestellte subjektive – Aufgabe und [X.]eranlassung zur Problemlösung stehen deshalb nicht medizinische Implikationen oder solche der Therapietreue (Compliance) im [X.]ordergrund, sondern solche aus ökonomischer Sicht und Marketingaspekte, wie [X.]erringerung der Herstellungskosten, Minimierung des ärztlichen Therapieaufwands und auch Attraktivität eines „[X.] für den Patienten und damit bessere [X.]ermarktung des Produkts im [X.]ordergrund. Daher lag es bei der gestellten erfindungsgemäßen Aufgabe für den Fachmann nahe, die Herstellung dadurch zu beschleunigen und eventuell auch kostengünstiger zu machen, indem er die ihm bekannte oder die sich aufdrängende Arbeitsweise der wiederholten, sukzessiven Herstellung von Instrumenten/Zahnspangen entsprechend der Progression der erreichten [X.] in einen Arbeitsschritt zusammenfasste um sogleich mehrere Zahnschienen herzustellen und damit ein Gesamtpaket zusammenzustellen. Diese [X.]orgehensweise verkürzt offensichtlich den Arbeitsaufwand des Zahntechnikers, da der für einen Patienten lediglich ein Arbeitspaket zu erledigen hat und nicht über einen längeren Zeitraum mit der Herstellung der jeweiligen Zahnschienen beschäftigt ist, was für jedes neue Arbeitspaket eine Einarbeitung und vermehrte Logistik für die benötigten Materialien benötigt. Ebenso wird die Praxiszeit des Kieferorthopäden erheblich verringert, da weitere [X.] überflüssig werden. Die nicht näher substantiierte Behauptung der Beklagten, eine Kostenersparnis sei mit der erfindungsgemäße Lehre nicht verbunden, erscheint deshalb zumindest fragwürdig; hierauf kommt es aber nicht entscheidend an.

Es ist jedenfalls festzustellen, dass ausgehend von der im Stand der Technik üblichen, sich dem Fachmann zumindest aufdrängenden, Arbeitsweise, nämlich aus dem zunächst erstellten Abdruck sämtliche sukzessiv zu fertigenden Zahnspangen zu erarbeiten, die weitere [X.]ereinfachung durch Fertigung eines Gesamtpakets nicht das Ergebnis differenzierter, höherer technischer Erkenntnis und einer auch aus sonstigen Gründen nicht veranlassten Weiterentwicklung ist  – oder sogar eine Abkehr von der traditionellen Lehre bedeutet – wie die Beklagte geltend gemacht hat. Es ist vielmehr festzustellen – basierend auf der konkreten Aufgabe und Abwägung widerstreitender Interessen – dass die Lehre nach Patentanspruch 1 nur Ausdruck der aufgabengemäß gesetzten Priorität einer Minimierung ärztlicher Kontrolle und des Herstellungsaufwands sowie eines größerer Komforts für den Patienten ist, belastet mit der Erkenntnis, dass aus ärztlicher Sicht eine therapeutische [X.]erbesserung hiermit nicht verbunden ist und das Risiko von Fehlentwicklungen während des Behandlungsverlaufs vielmehr nur durch ärztliche Kontrolle begegnet werden kann.

Insoweit ist es auch in der Rechtsprechung anerkannt, dass das Bekannte, welches dem Fachmann Anlass oder Anregung geben kann, zu der vorgeschlagenen Lehre zu gelangen ([X.], 407 – einteilige Öse) auch Anstöße oder Anregungen sein können, die sich aus der Konstruktion oder der Anwendung des in Rede stehenden Gegenstands ergeben und auch nicht-technische [X.]orgaben umfassen ([X.], 378 – [X.]; [X.] 2014, 647 – Farbversorgungssystem); insbesondere hat der Fachmann immer den Kostenaufwand im Blick ([X.], 160 – Kniehebelklemmvorrichtung), wobei auch [X.]orgaben einzubeziehen sind, die der Fachmann von seinen Auftraggebern erhält ([X.], 44 – Dreinahtschlauchfolienbeutel).

ee. Dass danach mit Erreichen der erfindungsgemäßen [X.]orteile einer vereinfachten – und nach Überzeugung des [X.]s auch kostenminimierten – Arbeitsweise des Zahntechnikers und [X.]erringerung der Praxiszeit auch Nachteile im Hinblick auf die ärztliche Kontrolle und optimierte Anpassung möglich oder zu erwarten waren, ändert am Naheliegen der präferierten und aus den genannten Gründen naheliegenden Lösung nichts. Selbst wenn der Fachmann die aus der Lehre nach Patentanspruch 1 möglichen oder feststehenden Nachteile üblicherweise nicht in Kauf nehmen würde, wofür im Übrigen auch nichts ersichtlich ist und auch nichts vorgebracht wurde, wäre dies deshalb unbeachtlich, da diese kein technisches [X.]orurteil gegen die Realisierung der erfindungsgemäßen technischen Lehre begründen würde, sondern nur entgegenstehende Aspekte therapeutischer Art beträfen, welche das Streitpatent mit seiner technischen Lehre auch nicht überwindet. Auch der Umstand, dass das erfindungsgemäße System nach Angaben der Beklagten weltweit großen wirtschaftlichen Erfolg genießt, begründet im Hinblick auf im [X.]ordergrund stehende Marketingaspekte im Sinn eines „Convenience”-Produkts als solches keine andere Sicht für die Bewertung des Naheliegens ([X.], 44 – Dreinahtschlauchfolienbeutel).

Damit bot es sich für den Fachmann in nahe liegender Weise an, das Gesamtpaket nach den Merkmalen des Anspruchs 1 nach Hauptantrag zu gestalten und damit zum Gegenstand des Anspruch 1 nach dem Streitpatent zu gelangen.

2. Hilfsanträge I bis [X.]I

Soweit das Streitpatent in der Fassung mit den Patentansprüchen nach den [X.] bis [X.] verteidigt wird, erweist sich auch diese [X.]erteidigung nicht als erfolgreich, da sich auch die jeweilige Fassung des zulässig geänderten Patentanspruch 1 nach den [X.] bis [X.], [X.] und [X.] nicht als patentfähig erweist und die jeweiligen Fassungen nach den [X.][X.], [X.] und [X.]I sich bereits als unzulässig geändert erweisen und deshalb einer Prüfung auf Patentfähigkeit nicht zugänglich sind.

a) Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag I

In der Fassung nach Hilfsantrag I soll nach Patentanspruch 1 zusätzlich jedes Instrument so konfiguriert sein, dass sein Hohlraum zum Aufnehmen von Zähnen eine Geometrie hat, die einer für dieses Instrument beabsichtigten Zwischenzahnanordnung und endgültigen Zahnanordnung entspricht (Merkmale 4a und 5a). Die Merkmale 4a und 5a lauten ([X.] hinzugefügt):

4a. [X.] so that its tooth receiving cavity has a geometry corresponding to an intermediate tooth arrangement intended for that applicance;

5a. [X.] so that its tooth receiving cavity has a geometry corresponding to an end tooth arrangement intended for that applicance,

in [X.] Übersetzung der Beklagten:

4a. wobei jedes Instrument so konfiguriert ist, dass sein Hohlraum zum Aufnehmen von Zähnen eine Geometrie hat, die einer für dieses Instrument beabsichtigten Zwischenzahnanordnung entspricht;

5a. wobei das Instrument so konfiguriert ist, dass sein Hohlraum zum Aufnehmen von Zähnen eine Geometrie hat, die einer für dieses Instrument beabsichtigten endgültigen Zahnanordnung entspricht,

4a und 5a präzisieren die Instrumente (Zahnschienen), gehen jedoch nicht über die aus den Druckschriften [X.] und [X.] bekannte technische Lehre hinaus, da auch diese Lehre in der [X.] und [X.] bereits offenbart (vgl. [X.] [X.], 7, [X.] Fig.8-10). Die Lehre von Patentanspruch 1 unter Einbeziehung dieses Merkmals ist deshalb ebenfalls dem Fachmann nahe gelegt.

b) Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag II

Hilfsantrag II wird das System weiter durch Merkmal 7 präzisiert, wonach das System mindestens zwei Zwischeninstrumente (100) umfasst. Merkmal 7 lautet:

7. the system comprising at least two intermediate appliances (100)

in [X.] Übersetzung der Beklagten:

7. wobei das System mindestens zwei Zwischeninstrumente (100) umfasst.

Danach werden im Ergebnis zu Behandlungsbeginn Geometrien für mindestens vier Instrumente zum inkrementellen Einstellen der [X.] bestimmt. .Aus der [X.] und der [X.] sind jedoch bereits Zahnkorrekturen in mehreren Schritten offenbart (vgl. [X.] [X.].2 Z. 53-55: “

c) Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag [X.]

Hilfsantrags [X.] sind die Instrumente (100) zusätzlich markiert, um die [X.]erwendungsreihenfolge anzugeben (Merkmal 6a). Merkmal 6a lautet:

6a. [X.] (100) are marked to indicate order of use, the system comprising at least two intermediate appliances (100)

in [X.] Übersetzung der Beklagten:

6a. wobei die Instrumente (100) markiert sind, um die [X.]erwendungsreihenfolge anzugeben,

Die Lehre von Patentanspruch 1 unter Einbeziehung dieses Merkmals ergibt sich außer aus rein fachmännischen Überlegungen zusätzlich bereits naheliegend aus den Anforderungen für ein Medizinprodukt, wonach der [X.] die korrekte Anwendung seines Produkts sicherstellen muss. Daher wird der Fachmann im Rahmen fachmännischen Handelns die Instrumente kennzeichnen, damit die Instrumente in der richtigen Reihenfolge verwendet werden und die Therapie erfolgreich durchgeführt werden kann.

d) Patentanspruch 1 nach Hilfsanträgen I[X.] und [X.]

Hilfsantrag I[X.] weist gegenüber Hilfsantrag [X.] folgendes zusätzliche Merkmal 8 auf

8 A method for providing ….wherein after production, the plurality of dental incremental position [X.] are supplied to the treating professional all at one time,

in [X.] Übersetzung der Beklagten:

8 [X.]erfahren zum Bereitstellen ….wobei nach dem Erzeugen die mehreren Instrumente zum inkrementellen Einstellen der [X.] alle zu einem Zeitpunkt an den Behandler geliefert werden

Hilfsantrag [X.] weist weiter zusätzlich das Merkmal 9 auf:

9. wherein at the outset of treatment geometries for at least four dental incremental positioning appliances are determined.

in [X.] Übersetzung der Beklagten:

9. wobei zu Behandlungsbeginn Geometrien für mindestens vier Instrumente zum inkrementellen Einstellen der [X.] bestimmt werden

aa. Der Schutz des vom Beklagten verteidigten Anspruchs 1 gemäß der Hilfsanträge I[X.] und [X.] ist auf ein „[X.]erfahren zum Bereitstellen eines Systems ...“ („method for providing a system ...“) gerichtet, wohingegen der erteilte Patentanspruch 1 auf ein System gerichtet ist. Die jeweilige Lehre enthält deshalb einen Kategoriewechsel von einer [X.]orrichtung zu einem Herstellungserfahren, was unzulässig ist, da – anders als bei der [X.]erwendung eines Erzeugnisses ([X.]. v. 2.11.2011, [X.] = [X.]. 2012, 119) – der Schutzbereich des erteilten Patents im Hinblick auf den durch den Kategoriewechsel unterlaufenen Schutz von [X.]orbenutzungen (§ 12 [X.]) erweitert wird (Keukenschrijver, Patentnichtigkeitsverfahren, 5. Aufl., [X.]; [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., § 1 Rdn 179, mwH).

bb. Unabhängig hiervon begründen weder die zusätzlichen Merkmale in den Hilfsanträgen I[X.] und [X.] noch die Umwandlung der Kategorie in ein [X.]erfahren eine andere Bewertung des Naheliegens. Denn losgelöst davon, dass nicht erkennbar ist, welchen technischen Beitrag die Anweisung einer Auslieferung des Gesamtpakets nach Merkmal 6 an den Behandler zur technischen Lehre nach Patentanspruch 1 leisten soll, liegt es im Belieben des Fachmanns, die als Gesamtpaket hergestellten Instrumente auch an den Behandler auszuliefern [= Merkmal 8]. Das [X.]erfahren beruht folglich auch in der Fassung der Hilfsanträge I[X.] und [X.] nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

e) Patentanspruch 1 nach Hilfsanträgen [X.] und [X.]

Hilfsantrag [X.] verteidigten Fassung präzisiert gegenüber der Lehre nach Hilfsantrag [X.] das Merkmal 7 durch die Merkmale 7a und 7b:

7.' the system comprising at least 25 intermediate appliances (100),

7a. [X.] to move individual teeth in [X.] mm and

7b. [X.] (100) has a receptacle for receiving an anchor attached to a tooth.

in [X.] Übersetzung der Beklagten:

7.' wobei das System mindestens 25 Zwischeninstrumente (100) umfasst

7a. wobei jedes Instrument konfiguriert ist, um einzelne Zähne in Schritten von weniger als 0,5 mm zu bewegen und

7b. wobei wenigstens eines der Instrumente (100) einen Aufnahmeraum besitzt, um einen an einem Zahn befestigten Anker aufzunehmen.

Hilfsantrag [X.] unterscheidet sich von Hilfsantrag [X.] lediglich in Merkmal 7a‘:

7a. [X.] to move individual teeth in increments of less than 0.25 mm and

in [X.] Übersetzung der Beklagten:

7a.' wobei jedes Instrument konfiguriert ist, um einzelne Zähne in Schritten von weniger als 0,25 mm zu bewegen und

7') und jedes Instrument ist so konfiguriert, um einzelne Zähne in Schritten von weniger als 0,5 mm (Merkmal 7a gemäß Hilfsantrag [X.]) bzw. weniger als 0,25 mm (Merkmal 7a' gemäß Hilfsantrag [X.]) zu bewegen. Weiter besitzt wenigstens eines der Instrumente (100) einen Aufnahmeraum, um einen an einem Zahn befestigten Anker aufzunehmen (Merkmal 7b).

7a und 7a' beanspruchten Größenordnungen waren im Übrigen aus dem Stand der Technik bekannt (vgl. [X.] Tabelle 1).

Ebenso aus dem Stand der Technik geläufig waren dem Fachmann zusätzliche Anker (attachments) an den Zähnen (Merkmal 7b) (vgl. [X.] S.184 1.Abs.), so dass auch das System des Patentanspruchs 1 in der Fassung nach den Hilfsanträgen [X.] und [X.]  dem Fachmann nahelag.

f) Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag [X.]I

Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag [X.]I ist als [X.]erfahrensanspruch gefasst und weist gegenüber den Merkmalen des Patentanspruchs 1 in der Fassung des Hilfsantrags [X.] die bereits nach Hilfsantrag [X.] enthaltenen Merkmale 8 und 9 zusätzlich auf, nunmehr allerdings auf 25 oder mehr Instrumente zum inkrementellen Einstellen der [X.]  – und nicht nur „vier oder mehr“ wie nach Hilfsantrag [X.].

Da auch Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag [X.]I auf einem Kategoriewechsel von einem erteilten [X.]orrichtungsanspruch in einen Anspruch auf ein Herstellungsverfahren beruht, ist bereits aus den bezüglich der Hilfsanträge I[X.] und [X.] genannten Gründen die Anspruchsfassung unzulässig geändert und deshalb keiner weiteren Sachprüfung zugänglich. Im Übrigen ist entsprechend der bisherigen Ausführungen weder im Wechsel der Kategorie in ein [X.]erfahren zur Bereitstellung des Systems noch in der Erhöhung der Anzahl auf mindestens 25 Instrumente eine andere Beurteilung des Naheliegens gerechtfertigt.

g. Weitere Patentansprüche

Da die Beklagte ausdrücklich erklärt hat, dass die [X.] nicht isoliert verteidigt werden, bedarf es insoweit keiner weiteren Ausführungen zu einem isoliert Erhalt ([X.] Urt. v. 15.1.2013, [X.] – Dichtungsring).

I[X.].

Als Unterlegene hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits gemäß §§ 84 Abs. 2 [X.] i. [X.]. m § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige [X.]ollstreckbarkeit beruht auf §§ 99 Abs.1 [X.], 709 ZPO.

Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde. Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

Meta

4 Ni 21/12 (EP)

29.04.2014

Bundespatentgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: Ni

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Urteil vom 29.04.2014, Az. 4 Ni 21/12 (EP) (REWIS RS 2014, 6072)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6072

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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