Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.10.2002, Az. VI ZR 353/01

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2002, 979

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]Verkündet am:29. Oktober 2002H o l m e s,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z: neinZPO §§ 397, 402, 411 Abs. 3Dem Antrag einer [X.] auf Ladung eines Sachverständigen zur Erläuterung seinesschriftlichen Gutachtens ist grundsätzlich auch dann zu entsprechen, wenn das [X.] das Gutachten für überzeugend hält und selbst keinen Erläuterungsbedarf sieht.[X.], Urteil vom 29. Oktober 2002 - [X.] - [X.]LG Bückeburg- 2 -Der VI. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 29. Oktober 2002 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die [X.], Pauge, [X.] und [X.] Recht erkannt:Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] desOberlandesgerichts [X.] vom 17. September 2001 aufgehoben.Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen.Von Rechts wegen- 3 -Tatbestand:Die Klägerin begehrt wegen behaupteter ärztlicher Fehler die Zahlungeines Schmerzensgeldes sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für [X.]. Sie litt unter Senkungsbeschwerden und unterzog sich deshalb [X.] Februar 1994 einer Unterleibsoperation in der [X.], dessen Träger der Erstbeklagte ist. Die von [X.] vorgenommene Uterusexstirpation mit vorderer und hintererPlastik (Anheben der Harnblase und Festigung des [X.]) verlief nachdem [X.] komplikationslos. Es wurde ein [X.] Kathetergelegt, aus dem sich klarer Urin entleerte. Zwei Tage später stellten sichschmerzhafte Harnentleerungsstörungen ein. Am 1. März 1994 konnte die Klä-gerin tropfenweise Wasser lassen. Im Urin fanden sich Bakterien der Speciesstaphylococcus. Ab 4. März 1994 erfolgte eine antibiotische Behandlung. Am8. März 1994 entließ der Zweitbeklagte die Klägerin aus der stationären [X.]. Der Katheter verblieb bis zum 21. März 1994. Bei einer an diesemTage durchgeführten sonographischen Untersuchung wurde eine verdickte [X.] festgestellt. Eine am 20. April 1994 vorgenommene [X.] er-gab eine schwere Harnblasenentzündung. [X.] fanden sich eineStauung der Harnleiter beiderseits sowie eine Aufweitung des [X.] Kelchsystems. Die Klägerin litt unter starken Schmerzen. Sie wurde [X.] April 1994 in eine Urologische Klinik verlegt. Dort wurde eine massiv ent-zündliche Blasenschleimhaut mit massiver Gefäßinjektion und reichlich Fibrin-belägen festgestellt. Die Blase war extrem geschrumpft. Am 4. Juli 1994 er-folgte in der Universitätsklinik U. bei bereits deutlich eingeschränkter Gesamt-funktion beider Nieren eine Cystektomie mit gleichzeitiger Konstruktion einerorthotopen [X.]. Die [X.] erwies sich jedoch nach kurzer Zeit [X.]. Die Klägerin, der eine Miktion auch heute noch nur mit Hilfe [X.] möglich ist, leidet seitdem an verschiedenen körperlichen und [X.] Beschwerden, die eine ständige ärztliche Behandlung erfordern.Die Klägerin hat dem Zweitbeklagten eine unzureichende Aufklärungüber Behandlungsalternativen und Operationsrisiken vorgeworfen und geltendgemacht, die Schrumpfblasenbildung sei vermeidbar gewesen. Diese könnezwei Ursachen haben: Entweder sei infolge mangelhafter Hygiene im [X.] ein äußerlich anzuwendendes Desinfektionsmittel in Harnröhre undBlase gelangt und habe dort Verätzungen hervorgerufen oder die Blase seidurch Naht- oder Narbenbildung unzureichend arteriell versorgt gewesen. [X.] Geschehen sei zudem verspätet festgestellt worden. Die antibioti-sche Behandlung sei nicht rechtzeitig eingeleitet worden und unzureichend ge-wesen. Der Katheter habe zu lange gelegen. Auch habe sie bei noch [X.] nicht aus der stationären Behandlung entlassen werden dürfen.Das [X.] hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. [X.] hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. [X.] diese sich mit der Revision.Entscheidungsgründe:[X.] Berufungsgericht ist der Auffassung, die Klägerin sei vor der [X.] ordnungsgemäß und in ausreichender Weise aufgeklärt worden. Ein [X.]sfehler sei dem Zweitbeklagten und den anderen behandelnden Ärz-ten des [X.] nicht unterlaufen. Auch habe die Klägerin am8. März 1994 ohne [X.] entlassen werden dürfen. Der Harnwegs-infekt habe keine weitere stationäre Behandlung erfordert. Die Klägerin habe- 5 -auch nicht dargelegt, welche für sie günstigen Auswirkungen eine weitereHospitalisierung gehabt hätte. Das [X.] habe ohne Verfahrensfehler vonder Ladung des Sachverständigen Dr. [X.] zur Erläuterung seines Gutachtensabsehen dürfen. Die Klägerin habe - von einer für den Ausgang des [X.] belanglosen Frage abgesehen - nicht vorgetragen, daß sie von [X.] überhaupt noch etwas haben wissen wollen. Im übrigen [X.] ihre Einwendungen schon durch die schriftlichen Gutachten erschöpfendbeantwortet. Im [X.] hätte der Sachverständige nur geladenwerden müssen, wenn das Gericht selbst Erläuterungsbedarf gesehen hätte.Das sei nicht der Fall.I[X.] Berufungsurteil hält einer Überprüfung nicht stand. Mit Recht rügtdie Revision, daß das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft von einer mündli-chen Befragung der gerichtlichen Sachverständigen abgesehen hat.1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es für [X.], ob die Ladung eines Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung desvon ihm erstatteten Gutachtens geboten ist, nicht darauf an, ob das Gerichtnoch Erläuterungsbedarf sieht oder ob gar zu erwarten ist, daß der Gutachterseine Auffassung ändert. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennendenSenats hat die [X.] zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs nach §§ 397,402 ZPO einen Anspruch darauf, daß dem Sachverständigen die Fragen, [X.] zur Aufklärung der Sache für erforderlich hält, zur mündlichen Beantwortungvorgelegt werden (vgl. u.a. Senatsurteile vom 17. Dezember 1996 - [X.]/96 - [X.], 509 ff.; vom 7. Oktober 1997 - [X.] - [X.] und vom 22. Mai 2001 - [X.]/00 - [X.], 120, 121 f.). [X.] besteht unabhängig von § 411 Abs. 3 ZPO (st. Rspr., vgl. [X.]Z6, 398, 400 f.; 24, 9, 14; Senatsurteile vom 24. Oktober 1995 - [X.] -VersR 1996, 211, 212; vom 17. Dezember 1996 - [X.] - aaO und [X.] Oktober 1997 - [X.] - [X.], 342, 343).Hat das [X.] einem rechtzeitig gestellten Antrag auf Ladung ei-nes Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines schriftlichen [X.]s nicht entsprochen, so muß das Berufungsgericht dem im [X.] wiederholten Antrag stattgeben (Senatsurteil vom 24. Oktober 1995- [X.] - aaO). Beschränkungen des Antragsrechts ergeben sich nur ausden Gesichtspunkten des Rechtsmißbrauchs und der Prozeßverschleppung.Daß hier zu einer solchen Annahme Anlaß bestand, ergeben die [X.] nicht. Ein beabsichtigter Rechtsmißbrauch läßt sich [X.] daraus herleiten, daß die Klägerin nicht mitgeteilt hat, welche Fragen [X.] gestellt werden sollten. Es kann von der [X.], die einenAntrag auf Ladung des Sachverständigen stellt, nicht verlangt werden, daß siedie Fragen, die sie an den Sachverständigen zu richten beabsichtigt, im [X.] formuliert. Es genügt, wenn sie allgemein angibt, in welcher [X.] durch ihre Fragen eine weitere Aufklärung herbeizuführen wünscht ([X.]Z24, 9, 14 [X.] Anforderungen genügte das Vorbringen der Klägerin. Mit [X.] die Revision darauf, daß die Klägerin im ersten Rechtszug mehrfachdie Ladung der Sachverständigen M. und [X.] zur Erläuterung ihrer Gutachtenbeantragt hat. Mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2000 hat sie sodann im [X.] auf ihrer Meinung nach gegebene Unklarheiten innerhalb der einzelnenAusführungen des Sachverständigen [X.] und auf Widersprüche zu dem von ihrvorgelegten Privatgutachten Dr. Ka. hingewiesen. Über dieses [X.] -durfte sich das [X.] nicht hinwegsetzen. Die Klägerin hat diesen Verfah-rensfehler in ihrer Berufungsbegründung ausdrücklich gerügt. Im Hinblick [X.] hätte das Berufungsgericht dem Antrag auf Ladung der [X.] müssen, auch wenn es selbst die schriftlichen Gutachten für über-zeugend hielt (vgl. Senatsurteil vom 17. Dezember 1996 - [X.] - aaO).2. Die Revision macht weiter geltend, das Berufungsgericht habe zu [X.] über mögliche Infektionsrisiken als ausreichend angese-hen. Sie weist auch insoweit auf Widersprüche zwischen den gerichtlichen [X.] und dem Privatgutachten Dr. Ka. hin und rügt mit Recht, daß die Prob-lematik, ob eine Infektion der Harnblase zu einer Schrumpfblase führen kann,mit dem gerichtlichen Sachverständigen zu erörtern gewesen [X.] 8 -II[X.] Berufungsurteil war daher aufzuheben und die Sache an das [X.] zurückzuverweisen. Dabei werden die [X.]en Gelegenheit ha-ben, zu den von der Revisionserwiderung angesprochenen Gesichtspunktenvorzutragen, insbesondere hinsichtlich eines Entscheidungskonflikts der Kläge-rin und der Frage, ob für die eingetretene Schädigung eine ihr seit 1992 be-kannte, für die behandelnden Ärzte aber nicht erkennbare Pyelonephritis ur-sächlich sein kann.Müller Wellner Pauge [X.] Zoll

Meta

VI ZR 353/01

29.10.2002

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.10.2002, Az. VI ZR 353/01 (REWIS RS 2002, 979)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 979

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