Bundessozialgericht, Urteil vom 04.03.2021, Az. B 11 AL 3/20 R

11. Senat | REWIS RS 2021, 8195

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Beschäftigungspflicht von Arbeitgebern - zugelassener Maßnahmeträger als Arbeitgeber - Anrechnung von beschäftigten Behinderten auf die Zahl der Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen - Arbeitsplatzbegriff - Nichtberücksichtigung der von der Bundesagentur für Arbeit zugewiesenen Maßnahmeteilnehmer


Leitsatz

Schwerbehinderte Menschen, die einer Einrichtung der beruflichen Rehabilitation zugewiesen werden, um eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben zu erhalten, sind nicht als Auszubildende auf einem Arbeitsplatz im Sinne des Schwerbehindertenrechts beschäftigt und damit auch nicht auf die Pflichtarbeitsplatzquote der Einrichtung anzurechnen.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 12. März 2020 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

[X.] ist ein Feststellungsbescheid der Beklagten zur Berechnung der Zahl der [X.] für schwerbehinderte Menschen.

2

Der Kläger betreibt als eingetragener Verein mit etwa 400 eigenen Mitarbeitern verschiedene Schulen und Einrichtungen, darunter das [X.] (im Folgenden: Jugendwerk). Als ein von der Beklagten zugelassener Träger bietet dieses Maßnahmen der beruflichen Bildung nach dem [X.] und [X.]I in Kooperation mit der Beklagten und den Jobcentern der Region an. Nach einem Vertrag zwischen Beklagter und dem Jugendwerk über die Durchführung von Maßnahmen nach § 117 Abs 1 Satz 1 Nr 1a [X.]I in vergleichbaren Einrichtungen nach § 35 [X.] aF besteht eine Aufnahmepflicht von [X.]n bis zu einer festgelegten Platzzahl; ferner ist die Aufnahmekapazität für Maßnahmen in einzelnen Berufsfeldern und der von der Beklagten an den Kläger jeweils zu zahlende [X.] geregelt ([X.]). Einen Anspruch des [X.] auf die Zuweisung von Teilnehmenden durch die Beklagte sieht der Vertrag nicht vor.

3

Die Beklagte wies dem Jugendwerk 2012 und 2013 auch drei schwerbehinderte [X.] zu. Diese absolvierten jeweils dreijährige Ausbildungen auf der Grundlage von Berufsausbildungsverträgen, die mit dem Jugendwerk geschlossen worden waren. Eine Ausbildungsvergütung war nicht vorgesehen, die Beklagte förderte die jeweiligen Ausbildungen durch Gewährung von Ausbildungsgeld und übernahm auch die Beiträge zur Sozialversicherung. Das Jugendwerk erhielt für jeden dieser [X.] von der Beklagten den vertraglich vereinbarten Festpreis (monatlich jeweils ca 1100 Euro).

4

Am 24.3.2015 ging bei der Beklagten die Erklärung des [X.] zur Durchführung des [X.] (Anzeigeverfahren nach § 80 Abs 2 [X.] aF) für das Kalenderjahr 2014 ein. Darin gab der Kläger an, in der [X.] seien bei ihm 3254 Arbeitsplätze nach § 73 Abs 1 bis 3 [X.] aF zu berücksichtigen. Das Soll der [X.] betrage 163. Von diesen [X.]n seien insgesamt 134 tatsächlich besetzt gewesen, die Zahl der unbesetzten [X.] betrage 29. Bei der Ermittlung der besetzten [X.] berücksichtigte der Kläger gestützt auf § 76 Abs 2 [X.] aF die drei genannten [X.] doppelt.

5

Die Beklagte korrigierte das Verzeichnis der anrechenbaren Beschäftigten in Bezug auf diese drei Auszubildenden und erhöhte die Zahl der unbesetzten [X.] um 72 auf insgesamt 101 (Bescheid vom 15.4.2015 mit Anlage; Widerspruchsbescheid vom [X.]). Die drei Auszubildenden könnten als [X.] der Beklagten nicht bei der Besetzung der [X.] berücksichtigt werden. Im Übrigen entsprach die Festsetzung den von dem Kläger gemeldeten Zahlen.

6

Das [X.] hat die Klage gegen diesen Bescheid abgewiesen (Urteil vom [X.]). Auch die Berufung des [X.] blieb erfolglos (Urteil des L[X.] vom 12.3.2020). Die Stellen, auf denen die drei [X.] beschäftigt worden seien, stellten keine Arbeitsplätze, insbesondere auch keine Stellen für Auszubildende iS von § 73 Abs 1 [X.] aF dar, denn der Kläger habe wegen seiner vertraglichen Bindung gegenüber der Beklagten nicht frei entscheiden können, mit welchen Personen er die Stellen besetze. Eine andere Sichtweise würde den Sinn und Zweck der Beschäftigungspflicht unterlaufen. Auch die Differenzierung in § 73 Abs 2 Nr 1 [X.] aF und in § 76 Abs 2 Satz 2 iVm § 35 Abs 2 [X.] aF, der Betriebe oder Dienststellen begünstige, stütze dieses Ergebnis. Für eine vergleichbare Behandlung bzw Bevorzugung auch der überbetrieblichen Träger von beruflichen Reha-Maßnahmen wie dem Kläger habe der Gesetzgeber kein Erfordernis gesehen.

7

Mit seiner vom L[X.] zugelassenen Revision rügt der Kläger eine unzutreffende Auslegung von § 73 Abs 1 [X.] aF. Auch [X.] fielen nach dem Wortlaut der Vorschrift in die Definition des § 73 Abs 1 [X.] aF und nicht in den Ausschluss des § 73 Abs 2 [X.] aF. Das L[X.] verkenne zudem, dass er als Einrichtung jedenfalls frei entscheiden könne, ob er überhaupt einen Vertrag mit der Beklagten schließe. Entgegen der Auffassung des L[X.] sei auch § 76 Abs 2 Satz 2 [X.] aF nicht überflüssig, sondern rein deklaratorisch zu verstehen. Gegen das Ergebnis des L[X.] spreche schließlich die Rechtsprechung des [X.] zum bestehenden Wahlrecht von [X.]n zur Schwerbehindertenvertretung.

8

Der Kläger beantragt,
das Urteil des [X.] vom 12. März 2020 und das Urteil des [X.] vom 14. Februar 2018 sowie den Bescheid vom 15. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Mai 2016 aufzuheben.

9

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte die Streitsache in Abwesenheit eines Vertreters bzw Bevollmächtigen des [X.] verhandeln und entscheiden, denn der Kläger ist mit der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden. Seine zulässige Revision hat im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] Erfolg (§ 170 Abs 2 Satz 2 [X.]G). Die Feststellungen des [X.] reichen nicht aus, um die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids in vollem Umfang überprüfen zu können.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den Entscheidungen der Vorinstanzen der Bescheid vom 15.4.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.], mit dem die Beklagte die zur Berechnung der Zahl der [X.] (163) und der besetzten (62 statt der angegebenen 134) bzw unbesetzten (101 statt der angegebenen 29) Arbeitsplätze notwendigen Daten festgestellt hat. Von diesem hinreichend bestimmten Inhalt sind [X.] und [X.] - unter Berücksichtigung der Anlage zu diesem Bescheid und der Bezugnahme auf die Anzeige des [X.] - zu Recht ausgegangen. Der Kläger greift den Bescheid zutreffend (nur) mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 Alt 1 [X.]G) an. Das für die Festsetzung einer Ausgleichsabgabe zuständige Integrationsamt war nicht notwendig beizuladen, denn die Frage der Rechtmäßigkeit des Feststellungsbescheids der Beklagten wäre allenfalls Vorfrage für einen möglichen Bescheid über die Ausgleichsabgabe (vgl B[X.] vom [X.] B 11 AL 1/19 R - [X.] 4-3250 § 154 [X.] Rd[X.]3 mwN).

Ob das [X.] in der Sache die zulässige Berufung gegen das die Klage gegen den angefochtenen Bescheid abweisende Urteil des [X.] zu Recht zurückgewiesen hat, kann der Senat mangels ausreichender Feststellungen nicht abschließend entscheiden. Was die formelle Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids angeht, war der Kläger vor Erlass des Bescheids nach § 24 Abs 1 [X.]B X anzuhören, weil die Beklagte von der Erklärung des [X.] abweichende Feststellungen getroffen und insoweit in dessen Rechte eingegriffen hat. Ob der Kläger angehört und ob eine Anhörung ggf nachgeholt wurde (§ 41 Abs 1 Nr 3 [X.]B X), lässt sich den Ausführungen des [X.] nicht entnehmen.

Die materielle Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids verlangt, dass die Voraussetzungen für den Erlass eines Feststellungsbescheids nach § 80 Abs 3 [X.]B IX aF, der § 163 Abs 3 [X.]B IX in seiner aktuellen Fassung entspricht, vorgelegen haben. Da sich der angefochtene Bescheid auf das [X.] bezieht, ist noch das [X.]B IX in seiner bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung (im Folgenden: [X.]B IX aF) anwendbar, in der insbesondere die besonderen Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen (Schwerbehindertenrecht) in den §§ 68 ff [X.]B IX aF enthalten waren. Erst durch Art 2 des [X.] vom 23.12.2016 ([X.] 3234) sind diese Vorschriften zum 1.1.2018 weitgehend wortgleich in Teil 3 des [X.]B IX (§§ 151 ff [X.]B IX) verschoben worden. § 80 Abs 3 [X.]B IX aF sieht vor, dass die [X.] nach Prüfung in tatsächlicher sowie in rechtlicher Hinsicht einen Feststellungsbescheid erlässt über die zur Berechnung der Zahl der [X.] und der besetzten Arbeitsplätze notwendigen Daten, wenn ein Arbeitgeber die Daten bis zum 30.6. nicht, nicht richtig oder nicht vollständig anzeigt. Die Ermächtigung der [X.] zum Erlass eines Feststellungsbescheids ist damit an die in § 80 Abs 2 Satz 1 [X.]B IX aF geregelte Pflicht des Arbeitgebers geknüpft, der für ihren Sitz zuständigen Agentur für Arbeit einmal jährlich bis spätestens 31.3. für das vorangegangene Kalenderjahr, aufgegliedert nach Monaten, die Daten anzuzeigen, die zur Berechnung des Umfangs der Beschäftigungspflicht, zur Überwachung ihrer Erfüllung und der Ausgleichsabgabe notwendig sind.

Als privater Arbeitgeber mit mehr als jahresdurchschnittlich monatlich mindestens 20 Arbeitsplätzen unterlag der Kläger grundsätzlich der Pflicht zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen nach § 71 Abs 1 Satz 1 [X.]B IX aF und damit auch der Anzeigepflicht nach § 80 Abs 2 [X.]B IX aF (vgl dazu B[X.] vom [X.] B 11 AL 1/19 R - [X.] 4-3250 § 154 [X.] Rd[X.]6 f). Der Begriff des Arbeitgebers ist dabei formal, dh rechtsträgerbezogen zu bestimmen, so dass es nicht auf den einzelnen Betrieb - also hier ggf allein auf das Jugendwerk - ankommt, sondern auf den Arbeitgeber als juristische Person und die dort vorhandenen Arbeitsplätze (vgl nur [X.] in Dau/[X.]/[X.], [X.]B IX, 5. Aufl 2019, § 154 RdNr 9; [X.][X.]/[X.]/[X.]/Jabben, [X.]B IX, 14. Aufl 2020, § 154 RdNr 4). Seiner Anzeigepflicht ist der Kläger für das [X.] nachgekommen durch Übermittlung einer entsprechenden Anzeige, die am 24.3.2015 bei der Beklagten eingegangen ist. Die Anzeige war indessen schon wegen unzutreffender Angaben zu den besetzten Pflichtarbeitsplätzen nicht richtig iS von § 80 Abs 3 [X.]B IX aF.

Entgegen der Auffassung des [X.] sind die dem Jugendwerk - aufgrund des Vertrags über die Durchführung von Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach dem [X.]B III in Einrichtungen - zugewiesenen [X.] keine Personen, die einen Arbeitsplatz iS von § 73 Abs 1 [X.]B IX aF einnehmen. [X.] sind deshalb weder für die Ermittlung der Anzahl der Arbeitsplätze als Grundlage für die Berechnung der Anzahl der zu beschäftigenden schwerbehinderten Menschen nach § 71 Abs 1 Satz 1 [X.]B IX aF von Bedeutung noch können sie auf [X.] gemäß § 75 oder § 76 [X.]B IX aF angerechnet werden.

Der Begriff des Arbeitsplatzes ist in § 73 Abs 1 [X.]B IX aF legaldefiniert. Danach sind Arbeitsplätze im Sinne des Schwerbehindertenrechts alle Stellen, auf denen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, Beamte und Beamtinnen, [X.] und [X.]innen sowie Auszubildende und andere zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellte beschäftigt werden. Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Begriff des Arbeitsplatzes von drei Elementen geprägt: Dem Bestehen eines Anstellungsverhältnisses als rechtliches Element und der damit verbundenen Eigenschaft als Arbeitnehmer bzw Beamter oder [X.], der Einrichtung von Stellen durch den Arbeitgeber als räumlich-gegenständliches Element sowie der Beschäftigung von Personal auf diesen Stellen (dreigliedriger Arbeitsplatzbegriff, vgl B[X.] vom [X.] B 11 AL 1/19 R - [X.] 4-3250 § 154 [X.] RdNr 20 mwN). Soweit nicht Beamte oder [X.] betroffen sind, sondern Arbeitnehmer oder Auszubildende, wird das rechtliche Element des § 73 Abs 1 [X.]B IX aF nach den für das Arbeitsrecht entwickelten Maßstäben vermittelt. Danach ist entscheidend die vertraglich geschuldete Erbringung von Diensten in persönlicher Abhängigkeit; der Arbeitnehmer muss [X.] und in die [X.] eingegliedert sein (vgl B[X.] vom [X.] B 11 AL 1/19 R - [X.] 4-3250 § 154 [X.] RdNr 21; [X.] vom 16.5.2013 - 5 C 20/12 - juris Rd[X.]2 mwN). Hinzu kommt, dass die Stelle besetzt sein, also tatsächlich in gewissem Umfang einer Beschäftigung nachgegangen werden muss, womit sichergestellt wird, dass nur die tatsächlich zur Verfügung stehenden Beschäftigungsmöglichkeiten für die Eingliederung schwerbehinderter Menschen in das Erwerbsleben berücksichtigt werden (vgl B[X.] vom [X.] B 11 AL 1/19 R - [X.] 4-3250 § 154 [X.] RdNr 22; [X.] vom 16.5.2013 - 5 C 20/12 - juris Rd[X.]8).

Daran gemessen sind Personen nicht auf einem Arbeitsplatz iS von § 73 Abs 1 [X.]B IX aF beschäftigt, die einer Einrichtung der beruflichen Rehabilitation zugewiesen werden, um eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben zu erhalten. Die [X.] sind selbst dann, wenn sie - wie hier - förmliche Berufsausbildungsverträge mit der Einrichtung geschlossen haben, einem eigenen rechtlichen Regime unterworfen, das durch die besondere Gestaltung der tatsächlichen und rechtlichen Beziehungen zwischen Leistungsträger (Beklagte), [X.] ([X.]) sowie Leistungserbringer (Kläger) geprägt ist. Danach fehlt es an einer Eingliederung im Sinne der gesetzlichen Definition des Arbeitsplatzes. Sinn und Zweck der zur Durchsetzung der Beschäftigungspflicht schwerbehinderter Menschen geschaffenen Regelungen stützen dieses Ergebnis.

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben umfassen ua die berufliche Ausbildung (§ 33 Abs 3 Nr 4 [X.]B IX aF; § 49 Abs 3 Nr 5 [X.]B IX) und werden, abhängig von Art und Schwere der Behinderung, in [X.], Berufsförderungswerken sowie vergleichbaren Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation - wie im vorliegenden Fall dem Jugendwerk - durchgeführt (§ 35 Abs 1 Satz 1 [X.]B IX aF; § 51 Abs 1 Satz 1 [X.]B IX). Die Einrichtung muss bestimmte Anforderungen erfüllen (§ 35 Abs 1 Satz 2 [X.]B IX aF; § 51 Abs 1 Satz 2 [X.]B IX); sie soll darauf hinwirken, dass die Leistungsberechtigten im Falle der beruflichen Ausbildung in der Einrichtung die Ausbildung jedenfalls zum Teil auch in Betrieben oder Dienststellen durchführen (§ 35 Abs 2 Satz 1 [X.]B IX aF; § 51 Abs 2 Satz 1 [X.]B IX). Für diesen Fall der Durchführung einer beruflichen Ausbildung auch in Betrieben oder Dienststellen ordnete § 76 Abs 2 Satz 2 [X.]B IX aF (ab 1.1.2018: § 159 Abs 2 Satz 2 [X.]B IX) die Geltung von § 76 Abs 2 Satz 1 [X.]B IX aF (§ 159 Abs 2 Satz 1 [X.]B IX) an, wonach ein schwerbehinderter Mensch, der ausgebildet wird, auf zwei [X.] angerechnet wird. Zur Konkretisierung der Rechtsstellung von Teilnehmenden an Leistungen in Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation bestimmt § 36 Satz 1 [X.]B IX aF (jetzt § 52 Satz 1 [X.]B IX) ergänzend, dass diese nicht in den Betrieb der Einrichtung eingegliedert werden. Mit dieser Regelung soll nach der Begründung des Gesetzentwurfs verdeutlicht werden, dass die Teilnehmer nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehen (BT-Drucks 14/5074 S 108).

Durch diese Gestaltung unterscheidet sich die Ausbildung und Rechtsstellung von Personen in Einrichtungen deutlich von derjenigen der Auszubildenden in Betrieben oder Dienststellen. So fehlt zum einen die erforderliche, auf Eingliederung gerichtete vertragliche Ausformung der Ausbildungsverhältnisse von [X.]n. Zwar werden regelmäßig - wie auch hier - Ausbildungsverträge entsprechend dem BBiG abgeschlossen. Dessen Vorschriften finden aber, etwa was die Vergütung betrifft, in öffentlich finanzierten dreiseitigen [X.] nach der Rechtsprechung des [X.]G nur eingeschränkt Anwendung (vgl [X.]G vom 15.11.2000 - 5 [X.] - [X.]GE 96, 237 = [X.] zu § 10 BBiG; [X.]G vom 16.1.2003 - 6 [X.]/01 - AP [X.]3 zu § 10 BBiG). Prägend ist vielmehr das Sozialrechtsverhältnis zwischen den zugewiesenen Teilnehmern und dem Maßnahmeträger - hier der [X.] - mit den sozialrechtlichen Ansprüchen auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, die neben den Leistungen zum Lebensunterhalt (vgl § 45 Abs 2, 3 und 5 [X.]B IX aF; § 65 Abs 2, 3 und 5 [X.]B IX) verschiedene weitere Leistungen umfassen (vgl § 33 Abs 6, 7 und 8 [X.]B IX aF; § 49 Abs 6, 7 und 8 [X.]B IX). Zu erfüllen sind diese Ansprüche vom Träger, der sich der Einrichtung als Leistungserbringer bedient (ausführlich dazu Banafsche in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl 2018, [X.], RdNr 28 ff).

Zum anderen liegt auch keine tatsächliche Eingliederung in den Ausbildungsbetrieb vor. Nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung erfordert die tatsächliche Eingliederung von Auszubildenden in betriebliche Strukturen, dass eine berufspraktische Ausbildung im Rahmen der arbeitstechnischen Zwecksetzung des Betriebs ("innerhalb des laufenden Geschäftsbetriebs") erfolgt (vgl [X.]G vom 26.1.1994 - 7 ABR 13/92 - [X.]GE 75, 312 = [X.] zu § 5 BetrVG 1972, juris RdNr 26 f; [X.]G vom 20.3.1996 - 7 ABR 46/95 - [X.]GE 82, 302 = [X.] zu § 5 BetrVG 1972 Ausbildung, juris Rd[X.]1; [X.]G vom 13.6.2007 - 7 ABR 44/06 - AP [X.]2 zu § 5 BetrVG 1972 Ausbildung, juris Rd[X.]5 ff). Hieran fehlt es bei einer Ausbildung von zugewiesenen [X.]n in einer Einrichtung wie der des [X.]. Denn [X.] einer Einrichtung iS von § 35 Abs 1 Satz 1 [X.]B IX aF (§ 51 Abs 1 Satz 1 [X.]B IX) ist die Erbringung einer Dienstleistung gegenüber dem Sozialleistungsträger in Form der Durchführung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Zu dieser Leistung hat sich die Einrichtung - wie auch hier das Jugendwerk - vertraglich verpflichtet und sie wird dafür durch die Zahlung eines Entgelts (Pauschalbetrag für jeden Teilnehmer) vergütet. Für die Erbringung dieser Dienstleistung bedarf es zwar auch einer Betriebsorganisation, die wiederum den Einsatz von (eigenem) Personal und ggf sogar die Ausbildung von Personal bedingt, etwa in [X.] Berufen. Die dafür aufzubringenden Kosten stellen Betriebskosten der Einrichtung dar. Nicht Teil dieser Betriebsorganisation ist allerdings die Ausbildung der zugewiesenen Teilnehmer und deren Betreuung an sich, denn beides setzt bereits eine entsprechende Betriebsorganisation voraus. Vielmehr ist die Ausbildung der [X.] selbst Gegenstand des [X.]s (so [X.]G vom 20.3.1996 - 7 ABR 46/95 - [X.]GE 82, 302 = [X.] zu § 5 BetrVG 1972 Ausbildung, juris Rd[X.]1). ([X.] in Form von Ansprüchen der Auszubildenden, die typischerweise mit betrieblichen Ausbildungen verbunden sind, entstehen von vornherein nicht, da deren Leistungsansprüche unmittelbar vom Träger erfüllt werden.

Aus Sinn und Zweck der Beschäftigungspflicht nach § 71 Abs 1 Satz 1 [X.]B IX aF ergibt sich ebenfalls, dass Teilnehmende einer Reha-Maßnahme nicht Arbeitsplätze im Sinne der Regelungen zur Beschäftigungspflicht besetzen. Die Beschäftigungspflicht zielt darauf ab, schwerbehinderte Menschen in das Erwerbsleben einzugliedern (vgl B[X.] vom [X.] B 11 AL 1/19 R - [X.] 4-3250 § 154 [X.] Rd[X.]7; [X.] vom 16.5.2013 - 5 C 20/12 - juris Rd[X.]8). Solange Arbeitgeber die vorgeschriebene Zahl schwerbehinderter Menschen nicht beschäftigen, haben sie für jeden unbesetzten Pflichtarbeitsplatz für schwerbehinderte Menschen eine Ausgleichsabgabe (§ 77 Abs 1 Satz 1 [X.]B IX aF) zu entrichten. Diese ist Ersatz für die von den Arbeitgebern in Form der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen zu erbringende Naturalleistung und dient der Durchsetzung der Beschäftigungspflicht (vgl dazu [X.] vom 26.5.1981 - 1 BvL 56/78 ua - [X.]E 57, 139, 167, 168 = juris Rd[X.]00). Arbeitgeber, die keine schwerbehinderten Menschen beschäftigen, leisten auf diese Weise einen Ausgleich zu Gunsten der Arbeitgeber, die dies tun (vgl [X.] vom 10.11.2004 - 1 BvR 1785/01 ua - [X.]K 4, 166, juris Rd[X.]5 mit Verweis auf BT-Drucks 7/656 S 20).

Dieses Ziel der dauerhaften Eingliederung von schwerbehinderten Menschen in das Arbeits- und Berufsleben kann nur dann effektiv verfolgt werden, wenn die mit der Beschäftigungs- und Ausgleichsabgabepflicht bezweckte Verhaltenssteuerung dort ansetzt, wo die Entscheidung über die Einstellung eines Arbeitnehmers gefällt und rechtlich der Arbeitsplatz geschaffen wird (so B[X.] vom [X.] B 11 AL 1/19 R - [X.] 4-3250 § 154 [X.] Rd[X.]9; vgl auch [X.] vom 13.12.2001 - 5 C 26/01 - [X.]E 115, 312, juris Rd[X.]6). Sinn und Zweck würde indessen verfehlt, wenn auch Teilnehmer an beruflichen Teilhabemaßnahmen in Einrichtungen neben den von den Einrichtungen ansonsten beschäftigten schwerbehinderten Menschen auf die Pflichtarbeitsplätze der Einrichtungen anzurechnen wären. Der vom Gesetz bezweckte Anreiz, schwerbehinderte Menschen als eigenes Personal einzustellen, würde in dem Umfang abnehmen, in dem schwerbehinderte Menschen als [X.] zugewiesen werden (so bereits zur Anrechnung von Arbeitsplätzen betreuter behinderten Menschen in Werkstätten für Behinderte B[X.] vom [X.] [X.] - [X.] 3-3870 § 9 [X.] - juris RdNr 20). Eine Einrichtung, wie sie der Kläger betreibt, würde sich einerseits schon durch ihre wirtschaftliche Ausrichtung - Ausbildung im Auftrag von Dritten als Dienstleistung gegen Entgelt - von der Verpflichtung, schwerbehinderte Menschen in einer bestimmten Anzahl zu beschäftigen, entlasten können. Andererseits käme eine Verhaltenssteuerung im Hinblick auf die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen nur sehr bedingt in Betracht, weil die Einrichtung auf die konkrete Auswahl der Teilnehmer keinen Einfluss hat, da diese - wie auch hier - vom Leistungsträger zugewiesen werden. Davon abgesehen bewirken Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, wie sie in Einrichtungen wie der des [X.] als Ausbildung erbracht werden - anders als eine feste Beschäftigung oder eine betriebliche Ausbildung mit der Aussicht übernommen zu werden -, für sich genommen noch keine Teilhabe am Arbeitsleben, sondern bereiten diese lediglich vor (vgl [X.] in Dau/[X.]/[X.], [X.]B IX, 5. Aufl 2019, § 52 RdNr 5; [X.] in [X.]/Voelzke, jurisPK-[X.]B IX, 3. Aufl 2018, § 52 Rd[X.]8).

Gestützt wird dieses Ergebnis in gesetzessystematischer Hinsicht, wie das [X.] zu Recht ausgeführt hat, durch die Regelung des § 76 Abs 2 Satz 2 [X.]B IX aF (jetzt § 159 Abs 2 Satz 2 [X.]B IX). Diese ordnet für den auch hier vorliegenden Fall von Ausbildungen in Einrichtungen die Geltung von § 76 Abs 2 Satz 1 [X.]B IX aF (jetzt § 159 Abs 2 Satz 1 [X.]B IX) an, wonach ein schwerbehinderter Mensch, der ausgebildet wird, auf zwei [X.] angerechnet wird, wenn die berufliche Ausbildung auch in Betrieben oder Dienststellen durchgeführt wird. Dieser Regelung hätte es nicht bedurft, wenn schon die Ausbildung in der Einrichtung an sich zur Anrechnung führen könnte. Entgegen der Auffassung des [X.] ist dieser Regelungsgehalt keineswegs "rein deklaratorisch". Es erschließt sich nicht, warum alleine für den ([X.], dass während einer beruflichen Ausbildung in einer Einrichtung entsprechend der Vorgabe des § 35 Abs 2 Satz 1 [X.]B IX aF (ab 1.1.2018: § 51 Abs 2 Satz 1 [X.]B IX) zeitweise auch in Betrieben oder Dienststellen ausgebildet wird, eine Klarstellung erforderlich gewesen sein sollte, nicht jedoch für den zeitlich regelmäßig überwiegenden Kern der Ausbildung in der Einrichtung selbst.

Anders, als der Kläger meint, legt auch die Rechtsprechung des [X.]G zum Bestehen eines Wahlrechts der einer Einrichtung zugewiesenen Auszubildenden zur Schwerbehindertenvertretung keine andere Beurteilung nahe. Denn dieses Wahlrecht knüpft eben nicht an die Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne der gesetzlichen Definition an, sondern folgt aus einer umfassenden Zuständigkeit der Schwerbehindertenvertretung, die auch das Eintreten für die Interessen von [X.]n, die nicht in einen Betrieb eingegliedert sind, umfasst (vgl [X.]G vom 27.6.2001 - 7 ABR 50/99 - [X.]GE 98, 151 = [X.] zu § 24 [X.] 1986, juris Rd[X.]9 ff; [X.]G vom 16.4.2003 - 7 ABR 27/02 - [X.]GE 106, 57 = AP [X.] zu § 95 [X.]B IX, juris RdNr 22 ff).

Stellt danach - entgegen der Auffassung des [X.] - die Berufsausbildung in einer Einrichtung schon keine Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz iS des § 73 Abs 1 [X.]B IX aF dar, kommt es nicht darauf an, welche Tatbestände mit welcher Zielrichtung in § 73 Abs 2 und 3 [X.]B IX aF im Einzelnen geregelt werden. Denn dies betrifft nur Fälle, die schon voraussetzen, dass Arbeitsplätze vorliegen, aber iS einer Fiktion nicht als solche gelten sollen (sog [X.], vgl [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl 2018, [X.], RdNr 6).

Vorliegend hat der Kläger nach den Feststellungen des [X.] jedenfalls drei Personen, die dem Jugendwerk als Teilnehmer für berufliche Teilhabemaßnahmen zugewiesen worden waren und im [X.] an solchen Maßnahmen teilgenommen hatten, in seiner Anzeige nach § 80 Abs 2 [X.]B IX aF auf die von ihm mitgeteilten Pflichtarbeitsplätze mit einer Summe von 72 (3 Arbeitsplätze x 12 Monate x 2 wegen der [X.]) zu Unrecht angerechnet. Damit war diese Anzeige unrichtig und die Beklagte berechtigt, einen Feststellungsbescheid nach § 80 Abs 3 [X.]B IX aF zu erlassen.

Anhand der Feststellungen des [X.] vermag der Senat indessen nicht zu beurteilen, ob dieser Feststellungsbescheid in der Sache insgesamt materiell rechtmäßig ist. Denn das [X.] konnte zwar zutreffend von der unrichtigen Einbeziehung der drei [X.] ausgehen, hat aber ohne eigene Feststellungen und rechtliche Beurteilung die weiteren Angaben des [X.] zu den vorhandenen Arbeitsplätzen und den (weiteren) besetzten Pflichtarbeitsplätzen übernommen, weil hierüber zwischen den Beteiligten kein Streit bestehe. Das "Unstreitigstellen" entscheidungserheblicher Tatsachen ersetzt allerdings nicht die erforderliche Sachaufklärung und eigene Würdigung des Sachverhalts durch das Gericht (vgl nur B[X.] vom [X.] AS 58/08 R - B[X.]E 103, 153 = [X.] 4-4200 § 12 [X.]3, Rd[X.]2; B[X.] vom 12.12.2013 - [X.] [X.]/13 R - juris Rd[X.]1). Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das [X.] deshalb noch die tatsächlichen Feststellungen und eine eigene Beurteilung nachzuholen haben zur Anzahl der bei dem Kläger als Rechtsträger (formaler Arbeitgeber) vorhandenen Arbeitsplätze nach Maßgabe von §§ 73 [X.]B IX aF, zur sich hieraus nach § 74 [X.]B IX aF ergebenden Pflichtarbeitsplatzzahl und schließlich - ggf unter Berücksichtigung des von dem Kläger nach § 80 Abs 1 [X.]B IX aF zu führenden Verzeichnisses - zur Anrechnung von Beschäftigten auf diese Pflichtarbeitsplätze nach Maßgabe der §§ 75 und 76 [X.]B IX aF.

Die Kostenentscheidung bleibt - auch wegen der Kosten des Revisionsverfahrens - dem [X.] vorbehalten.

Meta

B 11 AL 3/20 R

04.03.2021

Bundessozialgericht 11. Senat

Urteil

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Speyer, 14. Februar 2018, Az: S 1 AL 172/16, Urteil

§ 36 SGB 9, § 71 SGB 9, § 73 Abs 1 SGB 9, § 73 Abs 2 Nr 1 SGB 9, § 76 Abs 2 S 1 SGB 9, § 76 Abs 2 S 2 SGB 9, § 52 SGB 9 2018, § 154 SGB 9 2018, § 156 SGB 9 2018, § 159 Abs 2 S 1 SGB 9 2018, § 159 Abs 2 S 2 SGB 9 2018

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 04.03.2021, Az. B 11 AL 3/20 R (REWIS RS 2021, 8195)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 8195

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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5 C 20/12

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