Bundessozialgericht, Urteil vom 06.10.2011, Az. B 9 SB 6/10 R

9. Senat | REWIS RS 2011, 2639

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

(Schwerbehindertenrecht - kostenlose Wertmarke zur unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr - anspruchsberechtigter Personenkreis - für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches iS des § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB 9 - Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus im Rahmen des Maßregelvollzugs - monatliches Taschengeld gemäß § 11 MVollzG ND)


Leitsatz

Schwerbehinderte Menschen, die die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr erfüllen und im Maßregelvollzug ein Taschengeld nach den im Sozialhilferecht geltenden Grundsätzen und Maßstäben erhalten, haben keinen Anspruch auf Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke, weil sie weder für den Lebensunterhalt laufende Leistungen in direkter oder entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB 12 erhalten noch Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten werden die Urteile des [X.]vom 22. April 2010 und des [X.]vom 29. Januar 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für den gesamten Rechtsstreit keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob das beklagte Land an den Kläger eine kostenlose Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personenverkehr auszugeben hat.

2

Bei dem 1966 geborenen Kläger sind aufgrund körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "G" und "B" festgestellt. Seinen laufenden Lebensunterhalt bestritt er bis 2006 mit Leistungen der Sozialhilfe bzw Grundsicherungsleistungen.

3

Seit April 2006 ist der Kläger aufgrund eines Strafurteils des [X.]([X.]vom [X.]in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Er erhält gemäß § 11 [X.](Nds MVollzG) ein monatliches Taschengeld, das nach den Grundsätzen und Maßstäben bemessen ist, die für den Barbetrag nach § 35 Abs 2 SG[X.]XII in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung (aF) des Gesetzes vom 27.12.2003 ([X.]3022), geändert durch Gesetz vom 2.12.2006 ([X.]2670; siehe jetzt § 27b Abs 2 SG[X.]XII idF des Gesetzes vom 24.3.2011, [X.]453) gelten.

4

Nachdem ihm [X.]bewilligt worden war, beantragte der Kläger im Dezember 2007 bei dem Beklagten die Ausstellung eines Beiblatts mit kostenloser Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personenverkehr. Dieser Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass der Kläger zu keiner der in § 145 Abs 1 Satz 5 SG[X.]IX aufgezählten Personengruppen gehöre; denn er beziehe keine der dort aufgeführten Sozialleistungen (Bescheid vom 13.3.2008; Widerspruchsbescheid vom 6.5.2008).

5

Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Hannover den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung verurteilt, dem Kläger eine unentgeltliche Wertmarke für ein Jahr auszugeben (Urteil vom 29.1.2009).

6

Die vom S[X.]zugelassene Berufung des Beklagten hat das [X.](LSG) [X.]durch Urteil vom 22.4.2010 zurückgewiesen und seine Entscheidung maßgeblich auf eine analoge Anwendung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SG[X.]IX gestützt. Zwar handele es sich ua aus fiskalischen Gründen um eine abschließende Regelung, in der die begünstigten Personenkreise eindeutig benannt seien. Eine analoge Anwendung der Norm sei aber nach Sinn und Zweck der Regelung über die Berechtigung Schwerbehinderter zur [X.]im öffentlichen Personenverkehr im Allgemeinen und der Kostenbefreiung einkommensschwacher Behinderter im Besonderen sowie aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art 3 Abs 1 GG) geboten. Denn es bestehe bei denjenigen Schwerbehinderten, die gemäß § 11 Nds MVollz[X.]ein Taschengeld nach den Grundsätzen und Maßstäben erhalten, die für den Barbetrag nach § 35 Abs 2 SG[X.]XII aF gelten, eine Regelungslücke in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SG[X.]IX. Die Interessenlage eines schwerbehinderten Empfängers von Leistungen nach dem [X.]und [X.]des SG[X.]XII und eines schwerbehinderten Empfängers von Taschengeld gemäß § 11 Nds MVollz[X.]sei im Wesentlichen die gleiche, soweit letzterer - wie der Kläger - ausgangsberechtigt sei. Insbesondere seien beide Personengruppen in gleicher Weise auf die finanzielle Hilfe der öffentlichen Hand angewiesen, da § 11 Nds MVollz[X.]nach den Gesetzesmaterialien des Landesgesetzgebers einen Rechtsgrundverweis enthalte und sich damit die Bedürftigkeitsprüfung nach den Vorschriften des SG[X.]XII richte. Soweit bedürftig befänden sich in einer Einrichtung iS des § 35 SG[X.]XII lebende und im Maßregelvollzug untergebrachte Schwerbehinderte in exakt der gleichen wirtschaftlichen Lage. Beide Personengruppen hätten auch das gleiche Interesse an der Sicherstellung ihrer Mobilität und Integration in die Gesellschaft. Insoweit sei eine Ungleichbehandlung dieser Personen sachlich nicht gerechtfertigt und aufgrund der Überschreitung der Grenze der Willkür nicht mit der Verfassung (Art 3 Abs 1 GG) zu vereinbaren.

7

Gegen diese Entscheidung hat der Beklagte die vom LS[X.]zugelassene Revision eingelegt.

8

Er rügt die Verletzung materiellen Rechts und macht geltend, das LS[X.]habe § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SG[X.]IX zu Unrecht analog auf den ein Taschengeld gemäß § 11 Nds MVollz[X.]beziehenden Kläger angewandt. Weder entspreche eine solche Gesetzesanwendung dem Sinn der Vorschrift noch bestehe eine Regelungslücke, die im Wege der Analogie geschlossen werden dürfe. Die Vorschrift sei abschließend und ihrem Wortlaut nach eindeutig. § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SG[X.]IX privilegiere eine ganz konkrete Gruppe von Menschen, die bestimmte und abschließend genannte unterhaltssichernde Leistungen beziehen. Dies ergebe sich aus den Gesetzesmaterialien und aus der Entstehungsgeschichte der Norm. Zu diesem Personenkreis gehöre der Kläger gerade nicht. Die damit einhergehende Ungleichbehandlung sei nicht willkürlich und verstoße nicht gegen die Verfassung (Art 3 Abs 1 GG), weil sie wegen erheblicher Unterschiede zwischen bedürftigen Menschen mit Behinderung und Schwerbehinderten, die im [X.]an Straftaten im Maßregelvollzug untergebracht seien, sachlich gerechtfertigt sei. Die durch eine Behinderung begründeten Teilhaberechte am Leben in der [X.]und am Arbeitsleben seien nicht vergleichbar mit dem Resozialisierungsanspruch von Strafgefangenen oder dem Integrationsanspruch von Menschen im Maßregelvollzug.

9

Der Beklagte beantragt sinngemäß,
die Urteile des LS[X.][X.]vom 22.4.2010 und des S[X.]Hannover vom [X.]aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet.

1. Die Urteile des [X.]vom 22.4.2010 und des [X.]vom [X.]sind aufzuheben. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist die Klage ist abzuweisen. Der Kläger hat gegen den Beklagten gemäß § 145 [X.]1 Satz 5 [X.]2 SGB IX keinen Anspruch auf Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr für ein Jahr.

2. Rechtsgrundlage für die unentgeltliche Ausgabe der Wertmarke ist hier § 145 [X.]1 Satz 1 bis 3 und 5 [X.]idF vom 22.12.2008 ([X.]2959; die Änderung des § 145 SGB IX durch Gesetz vom 30.7.2009, [X.]2495, betrifft [X.]2 der Norm und ist hier unbeachtlich). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei der auf die Zukunft gerichteten Leistungsklage ist insoweit der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (allgM, vgl [X.]in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 54 Rd[X.]34 mwN). Nach den genannten Regelungen werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmen, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 [X.]5 SGB IX im Nahverkehr unentgeltlich befördert. Voraussetzung ist, dass der Ausweis mit einer gültigen Wertmarke versehen ist. Sie wird gegen Entrichtung eines Betrages von 60 Euro für ein Jahr oder 30 Euro für ein halbes Jahr ausgegeben. Auf Antrag wird eine für ein Jahr gültige Wertmarke, ohne dass der Betrag nach § 145 [X.]1 Satz 3 SGB IX zu entrichten ist, ua an schwerbehinderte Menschen ausgegeben, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.]oder für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem [X.]und [X.]des SGB XII, dem [X.]oder den §§ 27a und 27d [X.](BVG) erhalten.

Nach diesen gesetzlichen Vorgaben besteht kein Anspruch des [X.]auf Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke. Er gehört zwar zum Kreis der berechtigten Personen iS des § 145 [X.]1 Satz 1 SGB IX, denn der Beklagte hatte ihm das Merkzeichen "G" erteilt. Der Kläger wird jedoch nicht von der Vergünstigung des § 145 [X.]1 Satz 5 [X.]2 SGB IX erfasst. Die dem Kläger gewährten Leistungen nach § 11 Nds MVollz[X.]fallen insbesondere nicht unter den Begriff "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem [X.]und [X.]des Zwölften Buches" iS des § 145 [X.]1 Satz 5 [X.]2 SGB IX. Dafür sind folgende Erwägungen maßgebend:

a) Um die Bedeutung einer Gesetzesvorschrift zu ermitteln, kommen zunächst die herkömmlichen Auslegungsmethoden zur Anwendung. Danach ist auf den Wortlaut der Norm (grammatische Auslegung), ihren Zusammenhang (systematische Auslegung), ihren Zweck (teleologische Auslegung) sowie die Gesetzesmaterialien und die Entstehungsgeschichte (historische Auslegung) abzustellen (vgl aus der Rechtsprechung des [X.]<BVerfG>: [X.]11, 126, 130; 82, 6, 11; 93, 37, 81; 105, 135, 157; dazu auch Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl 1995, [X.]ff; 163 ff). Dabei sind die konkret einschlägigen verfassungsrechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen. Ist von mehreren möglichen Auslegungen nur eine mit dem G[X.]vereinbar, muss diese gewählt werden (verfassungskonforme Auslegung; vgl etwa [X.]88, 145, 166 f; 93, 37, 81; dazu auch Larenz/Canaris, aaO, [X.]ff). Die Grenzen jeder Auslegung ergeben sich daraus, dass einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz nicht durch Auslegung eine entgegengesetzte Bedeutung verliehen werden darf (vgl [X.]54, 277, 299 f; 59, 330, 334; 93, 37, 81; dazu auch Larenz/Canaris, aaO, S 143).

b) Das BS[X.]hat bereits zu den Vorgängervorschriften des § 145 [X.]1 Satz 5 SGB IX entschieden, dass der Gesetzgeber nur einem bestimmten Personenkreis, der nach der damaligen Rechtslage eindeutig benannt war, den kostenlosen Erwerb der zur [X.]berechtigenden Wertmarke zubilligen wollte (vgl BS[X.]Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - [X.]3870 § 57 [X.]1 <zu § 57 [X.]1 Satz 4 Schwb[X.]idF vom 22.12.1983, [X.]1532>; BS[X.]Urteil vom 13.12.1994 - 9 RVs 7/93 - [X.]1996 [X.]1, 35 <zu § 59 [X.]1 Satz 5 [X.]2 Schwb[X.]idF vom 18.7.1985, [X.]1516>), und an dieser Rechtsprechung auch seit Inkrafttreten des [X.]festgehalten (BS[X.]Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a [X.]- [X.]4-3250 § 145 [X.]1 <zu § 145 [X.]1 Satz 5 [X.]2 SGB IX idF vom 21.3.2005, [X.]818, und idF vom 2.12.2006, [X.]2742>). Danach besteht keine Veranlassung für eine den Wortlaut des § 145 [X.]1 Satz 5 [X.]2 SGB IX erweiternde Auslegung, die zu einer Erstreckung auf Personen führt, die nicht Bezieher laufender Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem [X.]sind. Denn die [X.]von schwerbehinderten Menschen nach § 145 [X.]1 Satz 1 SGB IX wird durch den zu leistenden Eigenanteil nur moderat relativiert. Die kostenlose Ausgabe der Wertmarke stellt systematisch eine Ausnahme von der Pflicht zur Entrichtung des Eigenanteils dar. Die Regelung ist abschließend (BS[X.]Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a [X.]- [X.]4-3250 § 145 [X.]1 Rd[X.]27-29; vgl auch [X.]in jurisPK-SGB IX, 1. Aufl 2010, § 145 Rd[X.]47).

c) Hieran anknüpfend hält der [X.]- innerhalb der [X.]- eine weite Auslegung des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem [X.]und [X.]des Zwölften Buches" iS des § 145 [X.]1 Satz 5 [X.]2 SGB IX für richtig. Von diesem Begriff sind nicht nur Leistungen umfasst, die ihren Rechtsgrund allein im [X.]haben, sondern auch für den Lebensunterhalt laufende Leistungen, die in entsprechender Anwendung des [X.]und Vierten Kapitels des [X.]an Personen erbracht werden, die Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen.

Einem weiten Verständnis des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem [X.]und [X.]des Zwölften Buches" iS des § 145 [X.]1 Satz 5 [X.]2 SGB IX steht nicht entgegen, dass es sich bei dieser Norm gegenüber dem Regelfall der Freifahrtberechtigung unter Zahlung einer Eigenbeteiligung nach § 145 [X.]1 Satz 1 bis 3 [X.]um eine Ausnahmevorschrift handelt (vgl hierzu BS[X.]Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a [X.]- [X.]4-3250 § 145 [X.]1 Rd[X.]29). Die Regel, dass [X.]grundsätzlich eng auszulegen sind, gilt nicht allgemein. Entscheidend ist vielmehr der Grund, warum der Gesetzgeber eine bestimmte Gruppe von Fällen aus dem Anwendungsbereich der [X.]herausgenommen hat (vgl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl 1983, S 337, 339 f).

aa) Zwar lässt der Wortlaut der Norm sowohl eine enge als auch eine weite Auslegung des Begriffs der für den Lebensunterhalt laufenden Leistungen nach dem [X.]und [X.]des [X.]zu, im sprachlichen Zusammenhang betrachtet legt § 145 [X.]1 Satz 5 [X.]2 SGB IX jedoch bereits ein weites Begriffsverständnis nahe.

Nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen richtet sich die [X.]zunächst nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eines Ausdrucks bzw einer Wortverbindung. Haben Ausdrücke in der Rechtssprache eine spezifische Bedeutung erhalten, geht der besondere Sprachgebrauch des Gesetzes vor (vgl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl 1983, [X.]ff). Nach diesen Grundsätzen kann der [X.]für Personen, die "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem [X.]und [X.]des Zwölften Buches" beziehen, im Rahmen des § 145 [X.]1 Satz 5 [X.]2 SGB IX so verstanden werden, dass von diesem Begriff auch nach den gleichen Voraussetzungen zu gewährende Leistungen umfasst sind. Das Wort "nach" kann im allgemeinen Sprachgebrauch unterschiedliche Bedeutungen einnehmen, etwa "gemäß", "entsprechend" oder "im Sinne von". Es ist auch nach dem juristischen Sprachgebrauch keineswegs zwingend, dass mit der Wortverbindung "nach dem [X.]und [X.]des SGB XII" nur Leistungen gemeint sind, die ihren Rechtsgrund allein im [X.]haben bzw im engeren Rechtssinne Leistungen der Sozialhilfe darstellen. Vielmehr können auch Leistungen umfasst sein, die in entsprechender Anwendung der Regelungen des [X.]und Vierten Kapitels des [X.]gewährt werden.

Ein solches Verständnis wird auch bei den ebenfalls von § 145 [X.]1 Satz 5 [X.]2 Var 4 [X.]erfassten Beziehern von Leistungen "nach" den §§ 27a und 27d [X.]vertreten (Heinz in Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, Stand April 2010, § 145 Rd[X.]33; [X.]in Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, 2. Aufl 2011, § 145 Rd[X.]14). Danach sollen nicht nur Empfänger von Leistungen der [X.](in unmittelbarer Anwendung des BVG), sondern auch Berechtigte nach den sog "Nebengesetzen" zum [X.]von der Zuzahlungspflicht befreit sein, auch wenn das [X.]nach diesen Gesetzen nur entsprechend anzuwenden ist (vgl etwa § 80 [X.]1 Satz 1 Soldatenversorgungsgesetz; § 47 [X.]1 Satz 1 Zivildienstgesetz; § 60 [X.]1 Satz 1 Infektionsschutzgesetz; § 1 [X.]1 Satz 1 Opferentschädigungsgesetz).

Schließlich spricht auch der Aufbau der Wortverbindung dafür, dass von § 145 [X.]1 Satz 5 [X.]2 SGB IX auch Leistungen umfasst sind, die in entsprechender Anwendung des [X.]und Vierten Kapitels des [X.]gewährt werden. Der Gesetzgeber hat die Leistungen zunächst näher umschrieben als "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen"; die nachfolgende Nennung der materiell-rechtlichen Bezugsnorm ("nach dem [X.]und [X.]des Zwölften Buches") kann dann allein dazu dienen, die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise - ungeachtet des genaueren Rechtsgrunds der erhaltenen Leistungen - "nach dem System des Sozialhilferechts" vorzunehmen, welches für sich bereits zu berücksichtigendes Einkommen und Vermögen (11. Kap SGB XII) sowie relevante Sonderbedarfe regelt (vgl hierzu bereits BS[X.]Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a [X.]- [X.]4-3250 § 145 [X.]1 Rd[X.]34).

bb) Ein weites Verständnis des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem [X.]und [X.]des Zwölften Buches" iS des § 145 [X.]1 Satz 5 [X.]2 SGB IX steht mit der Entstehungsgeschichte der Norm im Einklang.

Die Vorschrift über die Freifahrtsberechtigung schwerbehinderter Menschen geht auf § 57 [X.]1 Schwb[X.]idF des Art 20 des Haushaltsbegleitgesetzes (HBegleitG) 1984 vom 22.12.1983 ([X.]1532) zurück, durch den der Kreis der berechtigten Personen eingeschränkt und grundsätzlich eine Kostenbeteiligung in Höhe von damals 120 DM jährlich bzw 60 DM halbjährlich eingeführt wurde. Nach der ersten Fassung des § 57 [X.]1 Satz 4 [X.]2 Schwb[X.]erhielten ua "Bezieher von laufenden Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG" eine kostenlose Wertmarke. Diesen Wortlaut änderte der Gesetzgeber bereits mit der ersten Korrektur des HBegleit[X.]1984 durch das Gesetz zur Erweiterung der unentgeltlichen Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr vom 18.7.1985 ([X.]1516), um auch bedürftige Heimbewohner eindeutig von der Eigenbeteiligung zu befreien. Denn einige Länder hatten bei der Durchführung des Gesetzes nach der damaligen Systematik des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) ein enges Verständnis der Norm zu Grunde gelegt und unter "Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt" nicht Hilfen in besonderen Lebenslagen für bedürftige Heimbewohner verstanden, obwohl bei der Gewährung dieser Leistungen in einer Einrichtung gemäß § 27 [X.]3 BSH[X.]idF vom [X.]([X.]613) auch Leistungen zum Lebensunterhalt umfasst waren (vgl hierzu Cramer, [X.]1985, 87, 89 mwN). Dieser engen Auslegung trat der Gesetzgeber entgegen. Mit der Gesetzesänderung führte er den Begriff "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen" ein und bekundete das Anliegen, durch diesen [X.]"alle Personen zu erfassen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten" (BT-Drucks 10/3138 S 40). Ähnlich der heutigen Fassung des § 145 [X.]1 Satz 5 [X.]2 SGB IX waren nach der damals geltenden Fassung des § 57 [X.]1 Satz 5 [X.]2 Schwb[X.]Berechtigte, die "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem BSH[X.]erhalten", von der Entrichtung des Eigenanteils befreit.

Dieser [X.]ist inhaltlich sowohl mit Einführung des [X.]durch Gesetz vom 19.6.2001 ([X.]1046) als auch mit Einführung des [X.]durch Gesetz vom 27.12.2003 ([X.]3022) im Wesentlichen unverändert geblieben. Er hat gleichwohl seine letzte Fassung erst durch die [X.]vom 13.12.2007 ([X.]2904) und 22.12.2008 ([X.]2959) erhalten, die nach den Gesetzesmaterialien vornehmlich redaktionelle Änderungen betrafen (vgl BT-Drucks 16/6985 S 5; BT-Drucks 16/10487 S 11). Die Aufnahme des Tatbestandsmerkmals der für den Lebensunterhalt laufenden Leistungen nach dem "[X.]und Vierten Kapitel" des [X.]ist wiederum auf die Eingliederung des Gesetzes über die bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vom 26.6.2001 ([X.]1310) in das [X.](Viertes Kapitel) und die systematische Trennung der Hilfe zum Lebensunterhalt (Drittes Kapitel) und der Hilfen in besonderen Lebenslagen (nun Fünftes bis Neuntes Kapitel) zurückzuführen (vgl zur neueren Gesetzhistorie auch Spiolek in GK-SGB IX, Stand Februar 2011, § 145 Rd[X.]25).

Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich aus den Gesetzmaterialien zu den jeweiligen Änderungen der [X.]für einkommensschwache schwerbehinderte Menschen bei der unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr kein Anhaltspunkt dafür ergibt, dass der Gesetzgeber sein ursprüngliches Anliegen, "alle Personen zu erfassen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten" (BT-Drucks 10/3138 S 40), aufgegeben haben könnte.

cc) Für die vom [X.]vertretene Auslegung des § 145 [X.]1 Satz 5 [X.]2 SGB IX sprechen auch systematische Erwägungen, insbesondere in Bezug auf das Verhältnis dieser [X.]Vergünstigung zu den existenzsichernden Systemen des Fürsorgerechts (SGB II/SGB XII).

Die Privilegierung einkommensschwacher schwerbehinderter Menschen stellt eine von den Systemen des Fürsorgerechts abgegrenzte [X.]Vergünstigung des Schwerbehindertenrechts dar. Der Gesetzgeber hat diese Vergünstigung nicht allen einkommensschwachen Personen, die das Merkzeichen "G" besitzen, zukommen lassen wollen, sondern dabei eine systembezogene Zuordnung vorgenommen. Der [X.]hat bereits entschieden, dass selbst dann kein Verstoß gegen das Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach Art 1 [X.]1 GG iVm Art 20 [X.]1 GG (vgl hierzu BVerf[X.]Urteil vom [X.]- 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 [X.]- [X.]125, 175 = [X.]4-4200 § 20 [X.]12) vorliegt, wenn dem Berechtigten, der die Eigenbeteiligung aufzubringen hat, das vom Gesetzgeber in Höhe des Regelbedarfs normativ bestimmte (vgl § 27 [X.]1 SGB XII) soziokulturelle Existenzminimum zur Verfügung steht (Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a [X.]- [X.]4-3250 § 145 [X.]1 Rd[X.]36). Konsequenterweise ist eine entsprechende [X.]Vergünstigung (kostenfreie Wertmarke) bzw die Deckung eines entsprechenden Bedarfs bei Schwer- oder Gehbehinderung grundsätzlich kein Regelungsgegenstand der existenzsichernden Systeme nach dem [X.]und [X.](vgl zum [X.]etwa BS[X.]Urteil vom [X.]- B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = [X.]4-1100 Art 1 [X.]7, Rd[X.]39; BS[X.]Urteil vom [X.]- B 14 AS 3/09 R - [X.]4-4200 § 28 [X.]3 Rd[X.]24). Der Gesetzgeber hat vielmehr im Rahmen der [X.]2 nur bestimmte Gruppen von [X.]nach dem SGB XII, SGB II, [X.]und [X.]in den [X.]des § 145 [X.]1 Satz 5 SGB IX aufgenommen. Dementsprechend ist insoweit die Zuordnung von Freifahrtberechtigten nach § 145 [X.]1 Satz 1 SGB IX zu diesen Systemen der öffentlichen Fürsorge von entscheidender Bedeutung.

Dem System des [X.]sind dabei nicht nur Personen zuzurechnen, die für den Lebensunterhalt laufende Leistungen in unmittelbarer Anwendung des [X.]und Vierten Kapitels des [X.]beziehen, sondern auch Personen, die diese Leistungen (nur) in entsprechender Anwendung dieser Vorschriften erhalten, aber materiell-rechtlich weitgehend Sozialhilfeempfängern gleichgestellt sind. Anders verhält es sich dagegen mit Personen, deren laufender Lebensunterhalt durch eigene Mittel oder ein anderes Sicherungssystem gewährleistet wird. Bei diesen sieht der Gesetzgeber ersichtlich keine Veranlassung für eine Befreiung vom Eigenanteil nach § 145 [X.]1 Satz 5 SGB IX. Im Fall der Zuordnung zu einem anderen Sicherungssystem geht er nachvollziehbar davon aus, dass ein etwa erforderlicher Ausgleich - zB durch Erstattung des Eigenanteils - ggf im Rahmen dieses Systems erfolgen kann.

Auf die "Zweckidentität" einer Leistung hinsichtlich der Gewährleistung des Existenzminimums kommt es mithin bei der Auslegung des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem [X.]und [X.]des Zwölften Buches" nicht entscheidend an, vielmehr auf die Zuordnung des Personenkreises zum "System des Sozialhilferechts". Folglich hält es der [X.]aus systematischen Gründen für notwendig, dass es sich dabei nicht nur um Leistungen handelt, die zumindest in entsprechender Anwendung des [X.]und Vierten Kapitels des [X.]gewährt werden, sondern auch um Leistungsbezieher, die Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen, also nicht unbedingt formal, aber materiell-rechtlich dem "System des Sozialhilferechts" zugewiesen sind.

Der [X.]verkennt nicht, dass bei einer solchen Auslegung der ausdrücklichen Nennung der Bezieher von ergänzender Hilfe zum Lebensunterhalt iS des § 27a [X.]in § 145 [X.]1 Satz 5 [X.]2 Var 4 [X.]kaum eigenständige Bedeutung zukommt, da nach § 27a Satz 2 [X.]bereits eine entsprechende Anwendung der Regelungen des [X.]Kapitels des [X.]unter Berücksichtigung der besonderen Lage der Beschädigten und Hinterbliebenen vorgesehen ist. Gerade im Zusammenhang mit der Begünstigung der Leistungsbezieher nach § 27d [X.]kann die Nennung des § 27a [X.]immerhin eine sinnvolle Klarstellung bedeuten, zumal eine Gleichstellung des von § 27a [X.]erfassten Personenkreises - auch im Hinblick auf die angeordnete Berücksichtigung der besonderen Lage der Betroffenen - zweifelhaft sein könnte.

dd) Ein weites Begriffsverständnis entspricht auch am ehesten dem Sinn und Zweck des § 145 [X.]1 Satz 5 [X.]2 SGB IX.

Durch die jetzt in § 145 [X.]1 Satz 5 [X.]2 SGB IX vorgesehene [X.]Vergünstigung sollen - wie schon seit Einführung des Eigenanteils bei der ermäßigten Beförderung eines [X.]schwerbehinderter Menschen im Jahre 1984 (vgl § 57 [X.]1 Satz 4 [X.]2 Schwb[X.]idF vom 22.12.1983, [X.]1532) - die "Belange typischer Gruppen einkommensschwacher Freifahrtsberechtigter" berücksichtigt werden (BT-Drucks 10/335 S 89; vgl auch BS[X.]Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a [X.]- [X.]4-3250 § 145 [X.]1 Rd[X.]34). Dabei ist es ein Anliegen des Gesetzgebers, "alle Personen zu erfassen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten" (BT-Drucks 10/3138 S 40). Durch die Anknüpfung ua an den Bezug von Grundsicherungsleistungen nach dem [X.]macht der Gesetzgeber die Befreiung vom Unterschreiten einer Einkommensgrenze abhängig, die sich aus dem System des [X.](11. Kap SGB XII) ergibt (vgl hierzu bereits BS[X.]Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a [X.]- [X.]4-3250 § 145 [X.]1 Rd[X.]34). Bei dieser Zweckrichtung macht es keinen wesentlichen Unterschied, ob die für den Lebensunterhalt laufenden Leistungen in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung des [X.]und Vierten Kapitels des [X.]gewährt werden.

Hierbei ist aber auch das weitere Ziel des Gesetzgebers zu berücksichtigen, die verwaltungspraktische Arbeit der zuständigen Behörden dadurch zu erleichtern, dass die Hilfebedürftigkeit des Berechtigten durch andere Träger - mittels Verwaltungsakt - festgestellt worden ist (vgl BT-Drucks 10/335 S 89; vgl auch BS[X.]Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a [X.]- [X.]4-3250 § 145 [X.]1 Rd[X.]35). Dieser hatte insoweit offensichtlich das sozialhilferechtliche Verwaltungsverfahren vor Augen. Nicht nur aus systematischen Gründen, sondern auch im Hinblick auf diese Zweckrichtung liegt es nahe, ein weites Verständnis des [X.]auf Leistungsbezieher zu beschränken, die - auch verfahrensmäßig - Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen.

ee) Auch mit Rücksicht auf höherrangiges Rechts ist das vom [X.]für zutreffend gehaltene Verständnis des [X.]nach § 145 [X.]1 Satz 5 [X.]2 SGB IX angebracht.

Das BS[X.]hat bereits entschieden, dass die Umwandlung von einer unentgeltlichen [X.]in eine "Freifahrt" mit Kostenbeteiligung den Gesetzgeber nicht berechtigt, in unbeschränktem Ermessen Personenkreise von der Kostenbeteiligung auszunehmen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 [X.]1 GG gebietet es vielmehr, den begünstigten Personenkreis nach sachgemäßen Erwägungen zu bestimmen ([X.]39, 148, 153). Allgemein ist Art 3 [X.]1 GG verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obgleich zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl BVerf[X.]Urteil vom 7.7.1992 - 1 BvL 51/86, 50/87 und 1 BvR 873/90, 761/91 - [X.]87, 1, 36 = [X.]3-5761 Allg [X.]1 S 7; BVerf[X.]Beschluss vom 8.4.1998 - 1 BvL 16/90 - [X.]98, 1, 12 = [X.]3-5755 Art 2 § 27 [X.]1 S 5). Für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der [X.]Vergünstigung iS des § 145 [X.]1 Satz 5 [X.]2 SGB IX gilt als Maßstab das Willkürverbot (vgl BS[X.]Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a [X.]- [X.]4-3250 § 145 [X.]1 Rd[X.]30 ff, 36; BS[X.]Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - [X.]3870 § 57 [X.]1).

Diesen Vorgaben wird eine Auslegung des § 145 [X.]1 Satz 5 [X.]2 SGB IX am ehesten gerecht, die auch Personen erfasst, die für den Lebensunterhalt laufende Leistungen in entsprechender Anwendung des [X.]und Vierten Kapitels des [X.]erhalten, und Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen. Maßstab für die sachliche Rechtfertigung einer Gleich- oder Ungleichbehandlung ist es danach, ob die betreffende Person dem Fürsorgesystem der Sozialhilfe zuzuordnen ist.

d) Nach diesen Maßgaben erhält der Kläger nicht "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem [X.]und [X.]des Zwölften Buches" iS des § 145 [X.]1 Satz 5 [X.]2 SGB IX. Zunächst liegt der Rechtsgrund der Gewährung des Taschengeldes nach § 11 Nds MVollz[X.]nicht im SGB XII, es ist also keine Leistung nach dem [X.]im engeren Sinne. Zudem ist es nach dem vom [X.]vertretenen Verständnis des [X.]auch keine für den Lebensunterhalt laufende Leistung nach dem [X.]und [X.]des SGB XII. Denn es wird weder in entsprechender Anwendung dieser Vorschriften gewährt, noch erhalten es Berechtigte, die im Wesentlichen Sozialhilfeempfängern gleichstehen.

aa) § 11 Nds MVollz[X.]stellt [X.]Landesrecht iS des § 162 [X.]dar, so dass das BSG die in der Entscheidung des Berufungsgerichts enthaltene Aussage über das Bestehen und den Inhalt der Rechtsnorm gemäß § 202 SGG iVm § 560 ZPO seiner Entscheidung zu Grunde zu legen hat (vgl BS[X.]etwa Urteil vom 30.10.1990 - 4 R[X.]1/89 - juris Rd[X.]12 f; BS[X.]Urteil vom 18.10.1995 - 6 [X.]52/94 - [X.]3-2500 § 95 [X.]7 S 30 f; May, Die Revision, 1995, [X.]Rd[X.]59). Insoweit hat das LS[X.]ausgeführt, dass in [X.]im Maßregelvollzug Untergebrachte gemäß § 11 Nds MVollz[X.]ein Taschengeld nach den Grundsätzen und Maßstäben erhalten, die für den Barbetrag nach § 35 [X.]2 SGB XII aF gelten. Zum einen richte sich damit die Höhe dieser Leistung nach den Grundsätzen des § 35 [X.]2 SGB XII aF. Zum anderen enthalte § 11 Nds MVollz[X.]einen [X.]auf § 35 [X.]2 SGB XII aF, so dass das Taschengeld bedürftigkeitsabhängig nach den maßgeblichen Regelungen des [X.]gewährt werde.

Bei dem Barbetrag nach § 35 [X.]2 SGB XII aF handelt es sich zwar um eine Leistung nach dem [X.]Kapitel des SGB XII. Auch dürfte das Taschengeld nach § 11 Nds MVollz[X.]regelmäßig die gleiche Leistungshöhe wie der Barbetrag nach § 35 [X.]2 SGB XII aF aufweisen. § 11 Nds MVollz[X.]ordnet aber - auch nach der vom LS[X.]vertretenen Auslegung - keine entsprechende Anwendung des § 35 [X.]2 SGB XII aF an, sondern - ggf weitergehend - die Gewährung eines Taschengeldes nach den Grundsätzen und Maßstäben, die für den Barbetrag nach § 35 [X.]2 SGB XII aF gelten.

bb) Im Maßregelvollzug Untergebrachte stehen Sozialhilfeempfängern nicht im Wesentlichen gleich. Die Unterbringung im Maßregelvollzug - hier in einem psychiatrischen Krankenhaus - ist eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung iS des § 61 Strafgesetzbuch (StGB). Sie beruht auf einer richterlichen Anordnung nach §§ 63 ff StGB aus Anlass und als Rechtsfolge einer rechtswidrigen Tat (zum zweispurigen Sanktionensystem des StGB vgl jüngst BVerf[X.]Urteil vom 4.5.2011 - 2 BvR 2333/08, 2 BvR 2365/09, 2 BvR 571/10, 2 BvR 740/10, 2 BvR 1152/10 - NJW 2011, 1931, Rd[X.]100 ff <Sicherungsverwahrung>; Volckart/Grünebaum, Maßregelvollzug, 6. Aufl 2003, S 1 f). Der Maßregelvollzug richtet sich nach uneinheitlichem Landesrecht (vgl hierzu BVerf[X.]Beschluss vom 24.7.2008 - 2 BvR 840/06 - juris 21). Anders als die auf die Rehabilitation des Behinderten gerichtete Sozialhilfe zielt er auf die Resozialisierung des Betroffenen ab. Dieser Dualismus der Aufgabenstellung schließt ein nebeneinander von Sozialhilfe und Versorgung im Rahmen des [X.]nach bisheriger Rechtsprechung nicht aus (vgl zum BSH[X.]bereits BVerw[X.]Urteil vom 13.1.1971 - [X.]70.70 - BVerwGE 37, 87; zum [X.]jüngst BVerf[X.]Beschluss vom 24.7.2008 - 2 BvR 840/06 - juris Rd[X.]25 ff mwN; [X.]in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand Juni 2011, [X.]§ 2 Rd[X.]56). Die Versorgung der im Maßregelvollzug Untergebrachten wird insoweit zum ganz überwiegenden Teil von den [X.]gewährleistet, so dass der Sozialhilfeträger allenfalls für bestimmte "Restbedarfe" aufzukommen hat (vgl [X.]in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand Juni 2011, [X.]§ 98 Rd[X.]91). Wenngleich sich die Leistungen für den Lebensunterhalt im Maßregelvollzug - insbesondere die Taschengeldgewährung - mitunter nicht wesentlich von den entsprechenden Sozialhilfeleistungen unterscheiden, sind die Berechtigten materiell dem Maßregelvollzugsrecht und damit einem eigenständigen und von dem Grundsicherungsrecht (SGB II/SGB XII) auch inhaltlich abgegrenzten Sicherungssystem zugewiesen. Die Sicherung ihres Lebensunterhalts richtet sich grundsätzlich nicht nach dem "System des Sozialhilferechts".

e) Eine Erstreckung des Inhalts des § 145 [X.]1 Satz 5 [X.]2 SGB IX auf den Fall des [X.]lässt sich auch nicht durch richterliche Rechtsfortbildung, insbesondere mittels eines Analogieschlusses erreichen. Es fehlt an einer erkennbaren Unvollständigkeit des Gesetzes. § 145 [X.]1 Satz 5 SGB IX ist - auch im Hinblick auf zur [X.]Berechtigte, die im Maßregelvollzug untergebracht sind und ein Taschengeld nach den [X.]erhalten - abschließend (so allg schon BS[X.]Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - [X.]3870 § 57 [X.]1 S 2 f; BS[X.]Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a [X.]- [X.]4-3250 § 145 [X.]1 Rd[X.]29). Weder die Entstehungsgeschichte der Norm noch die systematischen Zusammenhänge sprechen für eine Ausweitung der [X.]Vergünstigung nach § 145 [X.]1 Satz 5 [X.]2 SGB IX auf im Maßregelvollzug Untergebrachte, die nach dem einschlägigen Vollzugsrecht ein Taschengeld erhalten. Der Gesetzgeber hat neben den existenzsichernden Fürsorgesystemen (SGB II/SGB XII) auch andere Leistungssysteme (SGB VIII/BVG) ausdrücklich in § 145 [X.]1 Satz 5 [X.]2 SGB IX aufgenommen. Angesichts der häufigen Änderungen des [X.]seit Einführung der Kostenbeteiligung Berechtigter an der unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr im Jahr 1984 ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bedürftigkeitsabhängige Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem Maßregelvollzugsrecht nur versehentlich nicht berücksichtigt hat. Vielmehr dient § 145 [X.]1 Satz 5 [X.]2 SGB IX erkennbar dazu, den begünstigten Personenkreis nach dem "System des Sozialhilferechts" zu bestimmen, nicht hingegen nach anderen Sicherungssystemen, wie zB dem Maßregelvollzug.

3. Dass der Kläger nach § 145 [X.]1 Satz 5 [X.]2 SGB IX keinen Anspruch auf Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke für die unentgeltliche Beförderung im Personenverkehr hat, verstößt nicht gegen die Verfassung, insbesondere nicht gegen Art 3 [X.]1 GG.

Nach den bereits dargelegten verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art 3 [X.]1 GG ist Maßstab für die Rechtfertigung der Auswahl der von der [X.]Vergünstigung iS des § 145 [X.]1 Satz 5 [X.]2 SGB IX betroffenen Personenkreise das Willkürverbot (vgl BS[X.]Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a [X.]- [X.]4-3250 § 145 [X.]1 Rd[X.]30 ff, 36; BS[X.]Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - [X.]3870 § 57 [X.]1). Danach ist Art 3 [X.]1 GG nicht verletzt.

Soweit das LS[X.]in diesem Zusammenhang diejenigen zur unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr Berechtigten (§ 145 [X.]1 Satz 1 SGB IX), die ihren laufenden Lebensunterhalt einerseits durch das Taschengeld nach § 11 Nds MVollz[X.]und andererseits durch den Barbetrag iS des § 35 [X.]2 SGB XII aF bestreiten, heranzieht, bestehen für die Ungleichbehandlung hinreichend sachliche Gründe. Die Personengruppen sind nämlich unterschiedlichen Sicherungssystemen zugewiesen. Insoweit kommt es entgegen der Auffassung des LS[X.]bei § 145 [X.]1 Satz 5 SGB IX gerade nicht auf die gleiche wirtschaftliche Lage an bzw auf die "Zweckidentität" der Leistungen, ein menschenwürdiges Existenzminimum zu gewährleisten. Der Gesetzgeber des [X.]konnte vielmehr davon ausgehen, dass den Bedürfnissen der Personen, die sich im Maßregelvollzug befinden, im Rahmen dieses Systems hinreichend Rechnung getragen werden kann. Im Übrigen wäre eine bundeseinheitliche Regelung, die allen landesrechtlichen Maßregelvollzugsgesetzen Rechnung trägt, unter Beibehaltung der Struktur der [X.]nur unter besonderen Schwierigkeiten möglich: Entweder durch komplexe Bezugnahmen auf die einzelnen Landesvorschriften oder durch eine eigenständige Bedürftigkeitsprüfung der Leistungsträger nach dem [X.]oder aber - einfacher - durch eine Härtefallklausel (vgl etwa zur Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht für Personen im Maßregelvollzug nach § 6 [X.]3 Rundfunkgebührenstaatsvertrag Oberverwaltungsgericht Lüneburg Beschluss vom 26.5.2011 - 4 LC 59/10 - juris Rd[X.]33 ff; Volckart/Grünebaum, Maßregelvollzug, 6. Aufl 2003, [X.]f). Dies alles ist aber aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten. Denn die [X.]von schwerbehinderten Menschen nach § 145 [X.]1 Satz 1 SGB IX wird durch den zu leistenden Eigenanteil nur moderat relativiert (vgl hierzu bereits BS[X.]Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a [X.]- [X.]4-3250 § 145 [X.]1 Rd[X.]28).

4. [X.]beruht auf § 193 SGG.

Meta

B 9 SB 6/10 R

06.10.2011

Bundessozialgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: SB

vorgehend SG Hannover, 29. Januar 2009, Az: S 25 SB 217/08, Urteil

§ 145 Abs 1 S 5 Nr 2 Alt 2 SGB 9 vom 22.12.2008, § 145 Abs 1 S 1 SGB 9 vom 22.12.2008, § 145 Abs 1 S 2 SGB 9 vom 22.12.2008, § 145 Abs 1 S 3 SGB 9 vom 22.12.2008, § 35 Abs 2 SGB 12 vom 02.12.2006, § 11 MVollzG ND, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 06.10.2011, Az. B 9 SB 6/10 R (REWIS RS 2011, 2639)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2639

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