Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.02.2016, Az. 1 StR 606/15

1. Strafsenat | REWIS RS 2016, 16721

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:030216B1STR606.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 [X.]/15

vom
3. Februar
2016
in der Strafsache
gegen

wegen
unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge

-
2
-
Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 3. Februar
2016
gemäß §
349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 30. Juli 2015 im Ausspruch über die [X.] mit den zugehörigen Feststellungen mit Ausnahme derjenigen zur Höhe des aus den Taten [X.] aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine als Jugendkammer zuständige Strafkammer des [X.]s zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltrei-bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 34 Fällen unter Einbe-ziehung von zwei früheren Urteilen zu einer Einheitsjugendstrafe von neun Jah-ren verurteilt. Darüber hinaus ist Verfall des Wertersatzes in Höhe von 40.000
Euro angeordnet worden.
Sein auf mehrere Verfahrensbeanstandungen und die ausgeführte Sachrüge gestütztes Rechtsmittel hat lediglich in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg (§
349 Abs.
4 StPO). Im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne von §
349 Abs.
2 StPO.
1
2
-
3
-
1.
Nach den Feststellungen des [X.]s hat der Angeklagte aus den sich über einen Zeitraum von rund zehn Jahren erstreckenden verfahrens-gegenständlichen Betäubungsmittelstraftaten insgesamt 260.700 Euro erlangt. Unter Anwendung von §
73c Abs.
1 Satz
1 StGB hat es im Hinblick auf die
finanziellen Verhältnisse des Angeklagten und um dessen Resozialisierung nach dem Ende des Strafvollzugs nicht zu gefährden, [X.] ledig-lich in dem genannten Umfang von 40.000 Euro angeordnet.
2.
Die Anordnung des Verfalls des Wertersatzes hält rechtlicher [X.] nicht in jeder Hinsicht stand.
a)
Die Anwendung des §
73c StGB ist zwar Sache des Tatrichters; Aus-legung und Anwendung (bzw. Nichtanwendung) der Vorschrift unterliegen aber

wie jede Gesetzesanwendung

der Überprüfung auf Rechtsfehler hin durch das Revisionsgericht ([X.], Beschluss vom 13.
Februar 2014

1
StR 336/13, [X.]R StGB §
73c Härte
16 Rn.
14
mwN; [X.], Urteil vom 26.
März 2015

4 [X.], [X.], 176, 177). In Bezug auf die [X.] §
73c Abs.
1 Satz
2 StGB (siehe nur [X.], Beschlüsse vom 2. Dezember 2004

3 [X.], [X.]R StGB §
73c Härte 10 und vom 14.
Oktober 2014

2 [X.], [X.]R StGB §
73c Ermessensentscheidung 1) prüft dement-sprechend das Revisionsgericht lediglich, ob der Tatrichter das ihm eingeräum-te Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt hat. Dazu gehört, dass er von rechtlich zutreffenden Maßstäben für die Merkmale der Ermessensvorschrift ausgegan-gen
ist. Zudem bedarf es ausreichender Feststellungen zu denjenigen rechtli-chen Voraussetzungen des §
73c Abs.
1 Satz
2 StGB, die dem Tatrichter die Ausübung seines Ermessens erst ermöglichen
([X.], Beschluss vom 2.
Dezember 2004

3 [X.], [X.]R StGB §
73c Härte
10; siehe auch 3
4
5
-
4
-
[X.], Beschluss vom 13.
Februar 2014

1
StR 336/13, [X.]R StGB §
73c Wert 4 Rn.
19). Fehlt es daran, liegt darin ein Rechtsfehler (Ermessensdefizit).
b)
An diesem Maßstab gemessen enthält das angefochtene Urteil Rechtsfehler bei der Handhabung von §
73c Abs.
1 Satz
2 StGB.
aa)
Nach dieser Vorschrift kann eine Verfallsanordnung bzw. eine An-ordnung des [X.]s unterbleiben, soweit das Erlangte oder dessen Wert zum Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung im Vermögen des Be-troffenen nicht mehr vorhanden sind. Es ist deshalb zunächst festzustellen, was der Angeklagte aus der Tat erlangt hat, sodann ist diesem Betrag der Wert [X.] noch vorhandenen Vermögens gegenüberzustellen. Wenn hiernach auch ein Gegenwert des [X.] im Vermögen des Angeklagten nicht mehr vor-handen ist, kann der Tatrichter von einer Verfallsanordnung absehen (siehe [X.], Beschluss vom 2.
Dezember 2004

3 [X.], [X.]R StGB §
73c Härte
10; [X.], Urteil vom 26.
März 2009

3 [X.], [X.], 86; [X.], Beschluss vom 13.
Februar 2014

1 StR 336/13, [X.]R StGB §
73c Härte
16 Rn.
16; [X.], Urteil vom 26. März 2015

4 [X.], [X.], 176, 177). Solche Feststellungen sind

wie dargelegt (Rn.
5)

erforderlich, damit der Tatrichter das ihm eingeräumte Ermessen überhaupt ausüben kann. [X.] für die Ermessensentscheidung gemäß §
73c Abs.
1 Satz 2 StGB ist nämlich neben der Gesamthöhe des [X.] und den wirtschaftlichen Ver-hältnissen des Betroffenen insbesondere der Grund, aus dem das Erlangte bzw. dessen Wert sich nicht mehr im Vermögen des Angeklagten befindet. Hierbei können nach der Rechtsprechung des [X.] etwa das re Verwendung für Luxus und zum Vergnügen gegen die Anwendung der Härtevorschrift sprechen; andererseits soll der Verbrauch in einer Notlage oder zum notwendigen Lebensunterhalt des 6
7
-
5
-
Betroffenen und seiner Familie als Erwägung für eine positive Ermessensent-scheidung dienen können ([X.], Beschluss vom 2.
Dezember 2004

3 [X.], [X.]R §
73c Härte 10; [X.], Urteil vom 18.
September 2013

5 [X.], [X.], 462, 463; [X.], Beschluss vom 14.
Oktober 2014

2
[X.] [X.]R StGB §
73c Ermessensentscheidung 1; [X.], Urteil vom 26.
März 2015

4 [X.], [X.], 176, 177).
bb)
Den für eine rechtsfehlerfreie Handhabung des §
73c Abs.
1 Satz
2 StGB bestehenden Anforderungen an die Feststellungen zu dem im Vermögen des Angeklagten im Zeitpunkt der Entscheidung über Verfall oder Wertersatz-verfall ggf. noch vorhandenen Gegenwert des ursprünglich [X.] genügt das Urteil nicht. Zwar sind rechtsfehlerfrei Feststellungen zu der Höhe des aus den verfahrensgegenständlichen Taten [X.] im Gesamtumfang von 260.700 Euro getroffen worden. Das [X.] hat allerdings ausdrücklich r-

28) keine Feststellungen hierzu und damit auch keine darüber treffen zu können, ob der Wert des
[X.] noch in seinem Vermö-gen vorhanden ist (§
73c Abs.
1 Satz
2 Alt.
1 StGB) oder lediglich noch einen geringen Wert hat (§
73c Abs.
1 Satz
2 Alt.
2 StGB).
Das vermag die Ablehnung der Anwendung von §
73c Abs.
1 Satz
2 Alt.
1 StGB jedenfalls unter Berücksichtigung der übrigen Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten nicht zu tra-gen. Dieser ist ausweislich der Urteilsdarlegungen mit Schulden von 30.000
Euro belastet, die allerdings u.a. aus der Anschaffung einer Cannabis-aufzuchtanlage stammen (UA S.
4). Zudem hat der Angeklagte eine 2010 be-gründete selbstständige Tätigkeit als Bauunternehmer im Bereich des Trocken-n-8
9
-
6
-
ziel

4). Diese Umstände deuten darauf hin, dass es zu einer vollständigen Entreicherung des Angeklagten gekommen sein kann. Dies würde nach den vorgenannten Maßstäben dem Tatrichter die Ausübung seines Ermessens zur Anwendung von §
73c Abs.
1 Satz
2 Alt.
1 StGB eröff-nen.
cc)
Das [X.] hat jedoch nicht erkennbar in den Blick genommen, dass eine Ermessensausübung gemäß §
73c Abs.
1 Satz
2 Alt.
1 StGB eröffnet war, weil es offenbar eine vollständige Entreicherung des Angeklagten ausge-schlossen zu haben glaubt. Soweit das [X.] meint

worauf die an die-ser Stelle kursorischen Urteilsgründe (UA S.
28) deuten , aus dem Fehlen von Angaben
des ansonsten voll umfänglich
geständigen Angeklagten über den Verbleib des [X.] im Sinne eines ihrer tatrichterlichen Bewertung [X.] Teilschweigens eine solche vollständige Entreicherung beweiswürdi-gend ausschließen zu können, trägt der Schluss nicht. Anders als in der dem Beschluss des [X.]s vom 17.
Juni 2004 (1 StR 24/04,
NStZ 2005, 232) zu-grunde liegenden Konstellation konnte angesichts der im vorstehenden Absatz genannten, vom [X.] festgestellten Umstände eine Entreicherung des Angeklagten gerade nicht ohne weitere Feststellungen zu seinen Vermögens-verhältnissen ausgeschlossen werden.
dd)
Da das [X.] damit keine für die Ausübung des Ermessens auf der Grundlage von §
73c Abs.
1 Satz
2 StGB ausreichenden Feststellungen zu den Voraussetzungen der Vorschrift getroffen hat, hebt der [X.] die Ent-scheidung über
die Anordnung des Verfalls des Wertersatzes auf. Im Hinblick auf die bislang getroffenen Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftli-chen Verhältnissen lässt sich nicht ausschließen, dass aus Gründen, die zu einer Anwendung von §
73c Abs.
1 Satz
2 StGB führen können (oben Rn.
7), 10
11
-
7
-
ein Gegenwert des aus den Taten [X.] im Vermögen des Angeklagten nicht mehr vorhanden ist und der Tatrichter deshalb sein Ermessen gemäß §
73c Abs.
1 Satz
2 Alt.
1 StGB dahingehend ausgeübt hätte, von der Anord-nung des
[X.]s gänzlich abzusehen. Daher beruht die Entschei-dung über den [X.] auch auf dem Rechtsfehler.
3.
Dem steht nicht entgegen, dass das [X.] auf der Grundlage von §
73c Abs.
1 Satz
1 StGB den [X.] lediglich in Höhe von 40.000 Euro und damit deutlich unterhalb des Gesamtwertes des aus den Ta-ten ursprünglich [X.] angeordnet hat. Aus den vorstehenden dargelegten Gründen kann der [X.] nicht ausschließen, dass das [X.] bei rechts-fehlerfreier Anwendung
des vorrangig zu erörternden §
73c Abs.
1 Satz
2 StGB (siehe [X.], Beschluss vom 13.
Februar 2014

1 StR 336/13, [X.]R StGB §
73c Härte 16 Rn.
16; [X.], Urteil vom 26.
März 2015

4 [X.], [X.], 176, 177 jeweils mwN) bereits auf der Grundlage dieser Vorschrift von einer Anordnung des [X.]s gänzlich abgesehen hätte.
12
-
8
-
4.
Der [X.] hebt
die
der Anordnung des Verfalls des [X.] liegenden Feststellungen auf (§
353 Abs.
2 StPO), um dem neuen Tatrichter umfassende und in sich widerspruchsfreie Feststellungen zu den für die Handhabung von §
73c Abs.
1 Satz
2 und §
73c Abs.
1
Satz
1 StGB rele-vanten Umständen zu ermöglichen. Davon ist die rechtsfehlerfrei aufgrund des Geständnisses des Angeklagten festgestellte Höhe des aus den verfahrensge-genständlichen Taten insgesamt [X.] mit 260.700 Euro ausgenommen.
Raum Graf Cirener

Radtke

Bär
13

Meta

1 StR 606/15

03.02.2016

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.02.2016, Az. 1 StR 606/15 (REWIS RS 2016, 16721)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 16721

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1 StR 606/15

4 StR 463/14

2 StR 134/14

1 StR 336/13

5 StR 237/13

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