Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.12.2015, Az. 1 StR 321/15

1. Strafsenat | REWIS RS 2015, 1492

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[X.]:[X.]:[X.]:2015:011215U1STR321.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
1
StR
321/15

vom
1. Dezember
2015
in der Strafsache
gegen

wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
u.a.
-
2
-
Der
1.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 1. Dezember
2015, an der
teilgenommen haben:
[X.] am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Graf

als Vorsitzender,

die [X.] am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. [X.],
die [X.]in am Bundesgerichtshof
Dr. Fischer
und der [X.] am Bundesgerichtshof
Dr. Bär,

Staatsanwalt

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

-
in der Verhandlung -

als Verteidiger
des Angeklagten,

Justizobersekretärin

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
Auf die
Revision der Staatsanwaltschaft wird
das Urteil des [X.] [X.]-Fürth
vom 13.
Februar 2015
mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben, soweit hinsichtlich des Angeklagten D.

von der Anordnung des Verfalls von
Wertersatz
abgesehen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die
Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten der [X.], an eine andere Strafkammer
des [X.] zu-rückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten D.

wegen 14 Fällen der uner-laubten Einfuhr von Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge, jeweils in [X.] mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einem Strafbefehl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es hat davon abgesehen, gegen ihn den Verfall von Wertersatz anzuordnen. Lediglich hiergegen richtet sich die vom [X.] vertretene, auf die Verlet-zung materiellen und formellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwalt-schaft. Das wirksam beschränkte Rechtsmittel hat bereits mit der Sachrüge [X.]; auf die erhobene Verfahrensbeanstandung kommt es daher nicht mehr an.
1
-
4
-
I.

1. Nach den Urteilsfeststellungen
verbrachte der zum Urteilszeitpunkt 44
Jahre alte Angeklagte D.

zusammen
mit dem Mitangeklagten M.

im Zeitraum zwischen Dezember 2012 und 29. Mai 2013 in sechs Fällen
jeweils 500 Gramm
Methamphetamin ([X.]), insgesamt also drei Kilogramm [X.],
mit einem Methamphetaminbase-Gehalt von mindestens 59,2
% von [X.] in der [X.] nach [X.]. Das Methamphetamin verkauften die Angeklagten D.

und M.

, wie von ihnen von Anfang an beabsich-tigt, von dort aus mit Ausnahme eines Eigenkonsumanteils von jeweils [X.] 40 Gramm zu Grammpreisen von mindestens 50 Euro gewinnbringend weiter. Die Gewinne aus den Verkäufen nutzten die Angeklagten D.

und M.

zur Finanzierung der nachfolgenden [X.] sowie zur Deckung ihres Lebensunterhalts.

Nach einem Streit mit dem Mitangeklagten M.

unternahm
der [X.]

, nun gemeinsam mit dem Mitangeklagten [X.]

, im Zeitraum von Juni 2013 bis zum 9.
Januar 2014 weitere acht [X.]. [X.] verbrachten die Angeklagten D.

und [X.]

jeweils
weitere 500
Gramm
[X.], insgesamt also vier Kilogramm [X.],
mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 59,2
% von [X.] nach [X.], um sie dort gewinnbringend [X.]. Wie von vornherein beabsichtigt verkauften sie das
Methamphetamin in den acht Fällen mit Ausnahme eines Anteils von jeweils mindestens 40
Gramm für den Eigenkonsum zu Grammpreisen von mindestens 50
Euro weiter.

Zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten D.

hat das [X.] festgestellt, dass ihm mehrere Firmen gehörten, von denen er ei-2
3
4
-
5
-
nen Teil verkauft hatte
([X.]
9 ff.). Eine ihm gehörende Wohnung in [X.] vermietete er im [X.] ([X.]
11).

2. Das [X.] hat den Angeklagten D.

wegen seiner Rolle als Mitorganisator und Überwacher der [X.] und [X.] als Mittäter sämtlicher Taten eingestuft und ihn daher wegen 14
Fällen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben in nicht geringer Menge (§
29a Abs.
1 Nr.
2, §
30 Abs.
1 Nr.
4 BtMG) verurteilt.
Es hat gegen ihn für jede der Taten eine Einzelstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verhängt und hieraus unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einem Strafbefehl eine Ge-samtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten gebildet.

3. Das [X.] hat den Verfall von Wertersatz (§§
73, 73a [X.]) nicht angeordnet und dies mit dem Vorliegen einer unbilligen Härte im Sinne des §
73c Abs.
1 Satz
1 [X.] begründet. Es hat dabei ausdrücklich darauf [X.]. Im Einzelnen hat das [X.] angeführt, dass der Angeklagte
D.

selbst bei einer Haftentlassung zum Zwei-Drittel-Zeitpunkt deutlich über 50
Jahre alt
sein werde und nochmals von vorne anfangen müsse, zumal seine Festnahme letztlich zum wirtschaftlichen Niedergang seiner Unternehmen [X.] habe. Eine weitere Schuldenlast in sechsstelliger Höhe durch Anord-nung eines Verfalls von Wertersatz in Höhe von mindestens 322.000
Euro (14 x 460 Gramm x 50
Euro pro Gramm) würde seine Resozialisierung massiv ge-fährden ([X.]
78
f.).
5
6
-
6
-
II.

Die wirksam auf die unterbliebene Verfallsanordnung beschränkte Revi-sion der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg; die Erwägungen des [X.] vermögen die Ablehnung der Anordnung des [X.] nicht zu rechtfertigen.

1. Die Voraussetzungen des §
73c Abs.
1 Satz
1 [X.] sind bereits [X.] nicht rechtsfehlerfrei dargetan, weil das [X.] den systematischen Zusammenhang zwischen den verschiedenen Alternativen des §
73c Abs.
1 [X.] missachtet und hieraus folgend das Vorliegen einer unbilligen Härte unzu-reichend begründet hat.

a) Zwar ist die Anwendung der Härtevorschrift des §
73c [X.] Sache des Tatrichters. Die Gewichtung der für das Vorliegen einer unbilligen Härte im Sinne des §
73c Abs.
1 [X.] maßgeblichen Umstände ist daher der inhaltli-chen revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht zugänglich. Mit der Revision l-a-hung dieses Merkmals auf Umstände gestützt wird, die bei seiner Prüfung nicht zum Tragen kommen können (vgl. [X.], Urteil vom 26.
März 2009

3
[X.], [X.]R [X.] §
73c Härte
14).

b) So liegt der Fall hier. Das [X.] ist davon ausgegangen, dass einer
Verfallsanordnung in sechsstelliger Höhe für den Angeklagten deswegen eine unbillige Härte darstelle, weil sie nach dem wirtschaftlichen Niedergang seiner Unternehmen in der Folge seiner [X.] seine Resozialisierung massiv gefährden würde. Ersichtlich ist sie dabei 7
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10
-
7
-
davon ausgegangen, dass der Wert des vom Angeklagten D.

aus den Straf-taten [X.] nicht mehr in seinem Vermögen vorhanden ist.

Diese Begründung wird dem systematischen Verhältnis nicht gerecht, in welchem die Regelungen des §
73c Abs.
1 Satz
1 und §
73c Abs.
1 Satz
2 1.
Alt. [X.] zueinander stehen. Da die tatbestandlichen Voraussetzungen, [X.] nach Abs.
1 Satz
2 der Vorschrift ein Absehen vom Verfall nach [X.] Ermessen ermöglichen, nicht zugleich einen Ausschlussgrund nach §
73c Abs.
1 Satz
1 [X.] bilden können, folgt aus der Systematik der Norm, dass das [X.] des Wertes des [X.] im Vermögen des Betroffenen jedenfalls für sich genommen keine unbillige Härte darstellen kann (vgl. [X.], Beschluss vom 13.
Februar 2014

1
StR 336/13, [X.]R Härte
16; Urteil vom 26.
März 2009

3 [X.], [X.]R [X.] §
73c Härte
14; Urteil vom 12.
Juli 2000

2 StR 43/00,
NStZ 2000, 589, 590).

Für das Vorliegen einer unbilligen Härte bedarf es daher zusätzlicher Umstände, welche die hohen Voraussetzungen des Tatbestandsmerkmals be-legen. Eine unbillige Härte im Sinne des §
73c Abs.
1 Satz
1 [X.] kommt nach ständiger Rechtsprechung des [X.] (vgl. nur [X.], Urteil vom 26.
März 2009

3 [X.],
[X.]R [X.] §
73c Härte
14 mwN) nur dann in Betracht, wenn die Anordnung des Verfalls schlechthin ungerecht wäre und das Übermaßverbot verletzen würde. Die Auswirkungen des Verfalls müssen mithin im konkreten Einzelfall außer Verhältnis zu dem vom Gesetzgeber mit der Maßnahme angestrebten Zweck stehen. Es müssen besondere Umstände [X.], aufgrund derer mit der Vollstreckung des Verfalls eine außerhalb des [X.] liegende zusätzliche Härte verbunden wäre, die dem [X.] auch unter Berücksichtigung des Zwecks des Verfalls nicht zugemutet wer-den kann. Eine unbillige Härte liegt demnach nicht schon dann vor, wenn der 11
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8
-
Verfallsbetrag nicht beigetrieben werden kann oder der Betroffene vermögens-los geworden ist. Nach diesen Maßstäben ausreichende
gravierende Umstände
lassen sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Allein die Erwägung, der An-geklagte werde bei Haftentlassung deutlich über 50 Jahre alt sein und müsse angesichts des wirtschaftlichen Niedergangs seiner Unternehmen nochmals von vorne anfangen ([X.] 78),
genügt
auch unter Berücksichtigung des Reso-zialisierungsgedankens für die Annahme einer unbilligen Härte nicht.

2. Auch auf §
73c Abs.
1 Satz
2 1.
Alt. [X.] kann das Absehen von der Anordnung des [X.] nicht gestützt werden. Die Ausübung des dem Tatrichter durch diese Vorschrift eingeräumten Ermessens erfordert nicht nur die Feststellung des aus der Straftat [X.], sondern auch die Ermittlung des Wertes des noch vorhandenen Vermögens, um diese Werte einander ge-genüber stellen zu können
(vgl. [X.], Urteil vom 29.
April 2004

4
StR 586/03, [X.], 454). Hieran fehlt es.

Den Urteilsgründen lässt sich nicht in der erforderlichen Klarheit entneh-men, dass zum Zeitpunkt des tatrichterlichen Urteils der Wert des aus den Straftaten [X.] in dem Vermögen nicht mehr vorhanden war. Insgesamt fehlt es an konkreten Feststellungen zum Stand des Vermögens zum Zeitpunkt des tatrichterlichen Urteils. Nach den Urteilsfeststellungen
zu den persönlichen Verhältnissen besaß
der Angeklagte jedenfalls bis zu seiner Festnahme mehre-re Firmen ([X.]
9
ff.)
und hatte zudem noch im [X.] eine
Wohnung in [X.] vermietet
([X.]
11). Allein die Erwägung
des [X.],

n die Resozialisierung des Angeklagten massiv gefährden, machen die erforderlichen
Feststellungen zu den Vermögensverhältnissen
des Angeklagten nicht entbehrlich.

13
14
-
9
-
3. Die Sache
bedarf daher neuer tatrichterlicher Verhandlung und [X.] über die Frage des [X.] gemäß §§
73, 73a [X.]. Der Senat hebt die zugehörigen Urteilsfeststellungen insgesamt auf, um dem neuen Tatgericht hierzu neue, widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen. Ab-schließend weist der Senat
auf die Möglichkeit hin, dass nach §
73c Abs.
1 [X.] die Anordnung des Verfalls auf einen Teil des [X.] beschränkt wer-den kann (vgl. [X.], Urteil vom 26.
März 2009

3 [X.], [X.]R [X.] §
73c Härte
14; Beschluss vom 29.
Oktober 2002

3 [X.], [X.], 75).

Graf

Jäger

[X.]

Fischer

Bär
15

Meta

1 StR 321/15

01.12.2015

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.12.2015, Az. 1 StR 321/15 (REWIS RS 2015, 1492)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 1492

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