Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.04.2023, Az. VII ZB 33/22

7. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 2899

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Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des [X.] vom 14. November 2022 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Gründe

I.

1

Die Gläubigerin, vertreten durch die [X.] (im Folgenden: N.             ), betreibt die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid. In dem [X.] vom 28. Juli 2022 hat die N.             gemäß § 753a ZPO ihre ordnungsgemäße Bevollmächtigung versichert.

2

Mit Schreiben vom 31. August 2022 teilte die Gerichtsvollzieherin der N.              mit, dass der Schuldner die Forderung auf ihr Konto überwiesen habe und forderte die Vorlage einer Geldempfangsvollmacht.

3

Dagegen hat die Gläubigerin Erinnerung eingelegt und beantragt, die Gerichtsvollzieherin anzuweisen, den gezahlten Geldbetrag an die N.              auszuzahlen. Das Amtsgericht hat die Erinnerung mit Beschluss vom 23. September 2022 zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss hat die Gläubigerin sofortige Beschwerde eingelegt.

4

Am 9. November 2022 hat die mit drei Mitgliedern besetzte [X.] beschlossen, dass "der Rechtsstreit … von der Kammer übernommen" wird. Mit weiterem Beschluss vom 14. November 2022 hat die [X.] die sofortige Beschwerde der Gläubigerin zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.

5

Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin ihren Antrag auf Auszahlung des - an die Gerichtsvollzieherin überwiesenen - Geldbetrags an die N.              weiter.

II.

6

Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

7

1. Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund ihrer wirksamen Zulassung durch die Kammer gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthaft und, da sie gemäß den Erfordernissen des § 575 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist, im Übrigen ebenfalls zulässig.

8

2. In der Sache hat die Rechtsbeschwerde schon deshalb Erfolg, weil das Beschwerdegericht - was vom Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu beachten ist (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 23. März 2022 - [X.]/21 Rn. 8; Beschluss vom 28. Januar 2022 - [X.]/20 Rn. 5 m.w.N., NJW-RR 2022, 570) - entgegen § 568 Satz 1 ZPO nicht durch den Einzelrichter, sondern durch die Kammer entschieden hat.

9

a) Nach § 568 Satz 1 ZPO entscheidet das Beschwerdegericht durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen worden ist. Hier ist die Erinnerung der Gläubigerin von dem Amtsrichter zurückgewiesen worden. In einem solchen Fall ist die [X.] (§§ 70, 75 [X.]) gemäß § 568 Satz 2 ZPO nur dann zur Entscheidung über die Beschwerde berufen, wenn der Einzelrichter durch eine gesonderte Entscheidung das Verfahren dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im [X.] vorgeschriebenen Besetzung übertragen hat. Dies setzt einen entsprechenden Beschluss des Einzelrichters voraus ([X.], Beschluss vom 21. April 2021 - [X.]/20 Rn. 8, [X.] 2021, 260; Beschluss vom 30. April 2020 - [X.]/19 Rn. 23, [X.]Z 225, 252; Beschluss vom 21. September 2017 - [X.] Rn. 10, [X.], 1447).

b) An einem solchen Beschluss fehlt es im Streitfall. Die mit drei Mitgliedern besetzte Kammer hat die Sache mit Beschluss vom 9. November 2022 übernommen. Dies war [X.]. Die [X.] ist außer in Fällen, in denen die originäre Zuständigkeit des Einzelrichters zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde zweifelhaft ist (§ 348 Abs. 2 ZPO analog; vgl. [X.], Beschluss vom 16. September 2003 - [X.], [X.]Z 156, 147, juris Rn. 15), nicht befugt, selbst über die Übertragung eines in die originäre Zuständigkeit des Einzelrichters fallenden Beschwerdeverfahrens zu entscheiden. Insoweit ist unerheblich, ob der Einzelrichter an einem solchen Kammerbeschluss mitwirkt, weil es nach § 568 Satz 2 ZPO alleinige Entscheidungskompetenz des Einzelrichters ist, ob die Voraussetzungen für eine Übertragung auf die Kammer vorliegen ([X.], Beschluss vom 21. April 2021 - [X.]/20 Rn. 9, [X.] 2021, 260; Beschluss vom 30. April 2020 - [X.]/19 Rn. 24, [X.]Z 225, 252; Beschluss vom 21. September 2017 - [X.] Rn. 11, [X.], 1447).

c) Die Bestimmung des § 568 Satz 3 ZPO, wonach auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung ein Rechtsmittel nicht gestützt werden kann, steht der Erheblichkeit des Verfahrensfehlers nicht entgegen. Es besteht kein Streit darüber, ob der Einzelrichter das Verfahren zu Recht nach § 568 Satz 2 ZPO der Kammer übertragen hat. Vielmehr hat der Einzelrichter insoweit keine Entscheidung getroffen. Dieser Fall wird von § 568 Satz 3 ZPO nicht erfasst ([X.], Beschluss vom 21. April 2021 - [X.]/20 Rn. 10, [X.] 2021, 260; Beschluss vom 30. April 2020 - [X.]/19 Rn. 25, [X.]Z 225, 252; Beschluss vom 21. September 2017 - [X.] Rn. 12, [X.], 1447).

d) Da das Beschwerdegericht nach alledem zu Unrecht entgegen § 568 Satz 1 ZPO nicht durch den Einzelrichter, sondern durch die [X.] entschieden hat, war es nicht vorschriftsmäßig besetzt (§ 576 Abs. 3, § 547 Nr. 1 ZPO). Angesichts dieses absoluten [X.] ist es unerheblich, ob sich der angefochtene Beschluss aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 577 Abs. 3 ZPO). Vielmehr sind gemäß § 577 Abs. 4 ZPO der fehlerhaft ergangene Beschluss aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen ([X.], Beschluss vom 21. April 2021 - [X.]/20 Rn. 11, [X.] 2021, 260; Beschluss vom 30. April 2020 - [X.]/19 Rn. 26, [X.]Z 225, 252; Beschluss vom 21. September 2017 - [X.] Rn. 13, [X.], 1447). Bei dem Beschwerdegericht ist nach § 75 [X.], § 568 Satz 1 ZPO der Einzelrichter - vorbehaltlich einer Übertragung des Verfahrens auf die [X.] - zur Entscheidung berufen.

[X.]     

      

[X.]     

      

Jurgeleit

      

Borris     

      

Brenneisen     

      

Meta

VII ZB 33/22

12.04.2023

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Itzehoe, 14. November 2022, Az: 4 T 177/22

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.04.2023, Az. VII ZB 33/22 (REWIS RS 2023, 2899)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 2899

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