Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.06.2019, Az. 3 StR 181/19

3. Strafsenat | REWIS RS 2019, 6594

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Gegenstand

Vorliegen eines Hangs bei Betäubungsmitteldelikten


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 19. Dezember 2018

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, sowie des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen schuldig ist,

b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Erwerb von Betäubungsmitteln, sowie Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt; zudem hat es den Wert der [X.] in Höhe von 10.525 € eingezogen. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Nach den zu [X.]) der Urteilsgründe (Tat 3) rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen kaufte der Angeklagte neben der zum Weiterverkauf bestimmten nicht geringen Menge Amphetamin und Marihuana auch 200 g Marihuana zum Eigenkonsum. Da sowohl die Handelsmenge als auch die [X.] jeweils oberhalb des Grenzwertes für die nicht geringe Menge lagen, hat er sich wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG strafbar gemacht; als Qualifikation verdrängt diese Vorschrift den Erwerb von Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG (vgl. [X.], Beschlüsse vom 19. September 2001 - 3 [X.], [X.]R BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 5; vom 13. März 2013 - 4 StR 547/12, juris Rn. 8; [X.], BtMG, 5. Aufl., § 29a Rn. 205 mwN).

3

Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. Die Vorschrift des § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da sicher auszuschließen ist, dass sich der geständige Angeklagte insoweit bei einem entsprechenden Hinweis anders als geschehen hätte verteidigen können.

4

2. Die Entscheidung des [X.]s, von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB abzusehen, hält sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand. Der [X.] hat dazu in seiner Zuschrift ausgeführt:

"a) Schon die Ausführungen im Zusammenhang mit der Schuldfähigkeit ([X.] f.), es lägen unter Zugrundelegung der Ausführungen des Sachverständigen eine mehr als zwölf Monate andauernde Abhängigkeit, ein starkes Verlangen und eine Art Zwang zum Konsum psychotroper Substanzen, eine verminderte Kontrolle über den [X.], eine Toleranzentwicklung gegenüber den Wirkungen der Substanzen und eine Einengung auf den [X.] und ein anhaltender [X.] trotz eindeutig schädlicher Folgen sowie Entzugserscheinungen vor, sind mit der Bewertung eines fehlenden Hanges nicht ohne weiteres in Einklang zu bringen.

b) Darüber hinaus legt die Kammer einen unzureichenden Maßstab des Hanges i.S.d. § 64 StGB zu Grunde, wenn sie meint, dieser setze stets einen Konsum voraus, durch den Gesundheit sowie Arbeit- und Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt würden ([X.]). Denn ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betreffende auf Grund seiner Neigung sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (vgl. Senat, Beschluss vom 20. Februar 2018 - 3 StR 645/17 -, juris m.w.[X.]). Wenngleich erheblichen Beeinträchtigungen der Gesundheit oder der Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betreffenden indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Hangs zukommt und in der Regel mit übermäßigen Rauschmittelkonsum einhergehen werden, schließt deren Fehlen jedoch nicht notwendigerweise die Annahme eines Hanges aus (Senat, aaO).

c) Soweit das [X.] festgestellt hat, dass aus mehreren [X.] eine zwischenzeitliche Suchtmittelabstinenz hervorgehe, ist dies für die Frage des Vorliegens eines Hanges nicht entscheidend. Denn auch Intervalle der Abstinenz stehen der Annahme eines Hanges nicht entgegen (Senat, aaO; [X.], Beschlüsse vom 12. Februar 2012 - 5 [X.] -, NStZ-RR 2012, 271; vom 30. März 2010 - 3 [X.] -, NStZ-RR 2010, 216). Er setzt auch nicht voraus, dass die Rauschmittelgewöhnung auf täglichen oder häufig wiederholten Genuss zurückgeht; vielmehr kann es genügen, wenn der Täter von Zeit zu Zeit oder bei passender Gelegenheit seiner Neigung zum Rauschmittelkonsum folgt (Senat, Beschluss vom 20. Februar 2018 - 3 StR 645/17 -, juris). Gerade auch vor dem Hintergrund, dass sich der Angeklagte selbst als suchtkrank ansieht ([X.]), er nach wie vor unter Suchtdruck steht (vgl. [X.]) und er sich um eine dauerhafte Abstinenz erst bemüht ([X.]), kommt den [X.] - wie auch das [X.] erkannt hat - nicht mehr als die Bedeutung einer Momentaufnahme zu.“

5

Der Senat schließt sich diesen zutreffenden Erwägungen an.

3. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte nicht gefährlich im Sinne des § 64 Satz 1 StGB ist, sind nicht ersichtlich. Da auch die für die Anordnung der Maßregel erforderliche Erfolgsaussicht (§ 64 Satz 2 StGB) angesichts der festgestellten hohen Therapiemotivation des Angeklagten nicht von vornherein ausscheidet, muss über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt - wiederum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - neu verhandelt und entschieden werden.

Schäfer     

        

Wimmer     

        

Berg   

        

Hoch      

        

Anstötz      

        

Meta

3 StR 181/19

05.06.2019

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Koblenz, 19. Dezember 2018, Az: 2090 Js 43279/18 - 10 KLs

§ 64 StGB, § 29a Abs 1 Nr 2 BtMG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.06.2019, Az. 3 StR 181/19 (REWIS RS 2019, 6594)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 6594

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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