Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.07.2020, Az. NotSt (B) 1/20

Senat für Notarsachen | REWIS RS 2020, 1443

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Gegenstand

Notarverfahren: Beiladung der Notarkammer im gerichtlichen Disziplinarverfahren


Leitsatz

Zu einem gerichtlichen Disziplinarverfahren, das die Entfernung eines Notars aus dem Amt zum Gegenstand hat, ist die Landesnotarkammer mangels rechtlichen Interesses im Sinne von § 65 Abs. 1 VwGO nicht beizuladen.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des [X.] - Disziplinargericht für Notare - vom 20. Januar 2020 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Streitwert: 5.000 €.

Gründe

I.

1

[X.]er Kläger hat gegen den beklagten Notar [X.]isziplinarklage erhoben, mit der er dessen Entfernung aus dem [X.] anstrebt. [X.]ie [X.] hat beantragt, sie zum Verfahren beizuladen, weil ihre rechtlichen Interessen durch die Entscheidung berührt würden. [X.]er Kläger hat sich dem Antrag angeschlossen, der [X.] ist ihm entgegengetreten.

2

[X.]as [X.] Oberste Landesgericht hat den Antrag auf Beiladung zurückgewiesen. Hiergegen hat die Landesnotarkammer Beschwerde eingelegt, der das [X.] Oberste Landesgericht nicht abgeholfen und die sie dem [X.] vorgelegt hat.

II.

3

[X.]ie gemäß § 105 [X.], § 67 Abs. 1 [X.], § 146 Abs. 1, § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO zulässige Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das [X.] Oberste Landesgericht den Antrag der Landesnotarkammer auf Beiladung zum Verfahren zurückgewiesen.

4

1. Gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.] sind auf das [X.]isziplinarverfahren die Vorschriften des [X.]disziplinargesetzes entsprechend anzuwenden, soweit in der [X.] nichts Abweichendes bestimmt ist. [X.]ie [X.] enthält keine Bestimmungen zur Beiladung im [X.]isziplinarverfahren; dasselbe gilt für das [X.]disziplinargesetz. Gemäß § 3 [X.] sind ergänzend unter anderem die Bestimmungen der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend anzuwenden, soweit sie nicht zu den Bestimmungen des [X.]disziplinargesetzes in Widerspruch stehen oder soweit in diesem nichts anderes bestimmt ist. § 65 Abs. 1 VwGO eröffnet die [X.]öglichkeit, andere, deren rechtliche Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beizuladen.

5

2. Wie in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt, wird die [X.]öglichkeit der Beiladung [X.]ritter im beamtenrechtlichen [X.]isziplinarverfahren von Rechtsprechung ([X.], NVwZ-RR 2007, 566) und Literatur (Schmiemann in [X.]/Schmiemann, [X.]isziplinarrecht des [X.] und der Länder, 4. Aufl., Teil [X.], § 3 Ziff. 2.3; [X.] in GKÖ[X.], [X.]isziplinarrecht des [X.] und der Länder, Teil 3, [X.] § 3 Rn. 43; [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 3 Rn. 10; [X.] in [X.] VwGO, Stand 1. April 2020, § 65 Rn. 2; Bier/Steinbeiß-Winkelmann in [X.]/[X.]/Bier, VwGO, Stand Juli 2019, § 65 Rn. 8) abgelehnt. Es kann dahinstehen, ob die Systematik des [X.]disziplinargesetzes (§ 58 Abs. 2 [X.] einerseits, § 66 Satz 1 VwGO andererseits; § 46 Abs. 3 [X.] einerseits, § 87a Abs. 1 Nr. 6 VwGO andererseits), der Streitgegenstand oder das Wesen des beamtenrechtlichen [X.]isziplinarverfahrens, das allein auf die disziplinarische Ahndung von [X.]ienstvergehen ausgerichtet ist, eine Beiladung [X.]ritter von vornherein ausschließen. Ferner kann offenbleiben, ob diese Erwägungen nach dem Sinn und Zweck der [X.] auf das [X.]isziplinarverfahren gegen Notare übertragbar sind. [X.]enn selbst wenn dort eine Beiladung [X.]ritter nicht von vornherein ausgeschlossen sein sollte, fehlt es jedenfalls an einem rechtlichen Interesse der Beschwerdeführerin im Sinne von § 65 Abs. 1 VwGO, das durch die Entscheidung im [X.]isziplinarverfahren berührt werden könnte.

6

a) [X.]er Zweck der Beiladung ist es, [X.]ritte, die nicht zum Kreis der Hauptbeteiligten gehören, deren rechtliche Interessen aber durch die gerichtliche Entscheidung unmittelbar berührt werden können, am Verfahren zu beteiligen, damit sie die [X.]öglichkeit erhalten, sich mit ihrem Rechtsstandpunkt Gehör zu verschaffen. Ferner soll dadurch, dass die Rechtskraftwirkungen der Entscheidung auch ihnen gegenüber eintreten, aus Gründen der [X.] etwaigen weiteren Rechtsstreitigkeiten vorgebeugt werden ([X.], Beschluss vom 16. Januar 2014 - [X.] 6/13, juris Rn. 8; BVerwG, Beschluss vom 9. [X.]ärz 2005 - 4 VR 1001/04, juris Rn. 2). Ein rechtliches Interesse, das eine Beiladung nach § 65 Abs. 1 VwGO rechtfertigen kann, ist gegeben, wenn die [X.]öglichkeit besteht, dass die Entscheidung in der Hauptsache auf rechtliche Interessen des [X.]ritten einwirken kann, das heißt wenn sich seine Rechtsposition durch das Unterliegen einer der Parteien in dem anhängigen Prozess verschlechtern oder verbessern könnte ([X.], Beschluss vom 16. Januar 2014 - [X.] 6/13, juris Rn. 4; BVerwG, NVwZ-RR 1999, 276; jeweils m.w.N.). [X.]er [X.] muss also zu einer der Parteien oder zu beiden oder zum Streitgegenstand so in Beziehung stehen, dass sich je nach dem Ausgang des Rechtsstreits seine Rechtsposition verbessern oder verschlechtern kann (BVerwG, Beschluss vom 9. [X.]ärz 2005 - 4 VR 1001/04, juris Rn. 2). Erforderlich ist dabei, dass der Inhalt der Entscheidung die Rechtsposition des [X.]ritten berührt (BVerwG, NVwZ-RR 1999, 276, 277).

7

b) [X.]iese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

8

Wie in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt, werden rechtliche Interessen der Beschwerdeführerin durch eine die Entfernung des [X.]n aus dem [X.] aussprechende Entscheidung nicht dadurch berührt, dass sie damit ein [X.]itglied verlieren und an der Neubesetzung der dann freiwerdenden [X.]sstelle mitwirken würde. Eine Verbesserung oder Verschlechterung der Rechtsposition der Beschwerdeführerin durch die Entscheidung über die [X.]isziplinarklage lässt sich ferner nicht mit den Aufgaben der Landesnotarkammer gemäß § 67 Abs. 1 Satz 2 [X.] begründen. [X.]anach hat die Notarkammer über Ehre und Ansehen ihrer [X.]itglieder zu wachen, die Aufsichtsbehörden bei ihrer Tätigkeit zu unterstützen und für eine gewissenhafte und lautere Berufsausübung der Notare zu sorgen. [X.]amit übt die Notarkammer zwar die Standesaufsicht über die Notare ihres Bezirks aus ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 8. Aufl., § 98 Rn. 7; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., § 67 Rn. 2). [X.]abei hat sie das Recht und die Pflicht, [X.]issständen bei der beruflichen Tätigkeit und im außerberuflichen Verhalten einzelner Berufsangehöriger entgegenzutreten. Wird ihr der Verdacht einer Verfehlung eines Notars bekannt, hat sie dem Verdacht nachzugehen ([X.] in [X.]/[X.], aaO, Rn. 18). Ihre rechtlichen Reaktionsmöglichkeiten sind aber beschränkt. [X.]ie Notarkammer ist nicht Aufsichtsbehörde im Sinne des § 92 [X.] und nicht Trägerin der [X.]isziplinargewalt. Lediglich bei ordnungswidrigem Verhalten leichterer Art kann sie gemäß § 75 Abs. 1 [X.] eine Ermahnung aussprechen, bei der es sich um keine [X.]isziplinarmaßnahme handelt ([X.] in [X.]/[X.], aaO, § 75 Rn. 4) und der gegenüber [X.]aßnahmen der Aufsichtsbehörde nach § 94 [X.] ([X.]issbilligung) oder im [X.]isziplinarwege Vorrang haben (§ 75 Abs. 6 [X.]). Besteht der Verdacht einer Verfehlung, die über ein ordnungswidriges Verhalten leichterer Art und damit über ihre eigene Zuständigkeit hinausgeht, ist die Notarkammer zur Verständigung der Aufsichtsbehörde verpflichtet ([X.] in [X.]/[X.], aaO, § 67 Rn. 23). Sie hat dann die Aufsichtsbehörde zu unterstützen. [X.]as Recht zu einer allgemeinen Legalitäts- oder Legitimitätskontrolle steht ihr hingegen nicht zu (vgl. Senatsbeschluss vom 17. November 2008 - [X.] 8/08, NJW-RR 2009, 349 Rn. 7). Anders als der Vorstand der Rechtsanwaltskammer, der gemäß § 122 [X.] bei Weigerung der Staatsanwaltschaft, gegen einen Rechtsanwalt das anwaltsgerichtliche Verfahren einzuleiten, bei dem [X.] die gerichtliche Entscheidung über die Einleitung eines solchen Verfahrens beantragen kann, hat die Notarkammer keine vergleichbaren Rechte im Hinblick auf die Erhebung der [X.]isziplinarklage. [X.]ie Notarkammer ist selbstverständlich nicht gehindert, gegenüber der Aufsichtsbehörde ihren Standpunkt über das Vorliegen einer Pflichtverletzung und das aus ihrer Sicht gebotene disziplinarische Vorgehen zu äußern. Ob die Aufsichtsbehörde (bzw. in [X.] der [X.] in [X.]ünchen, auf den die Befugnis zur Erhebung der [X.]isziplinarklage gemäß § 5 Nr. 2 [X.] übertragen ist) darüber hinaus verpflichtet ist, die Notarkammer vor Erhebung der [X.]isziplinarklage zu beteiligen (vgl. dazu [X.] in [X.]/[X.]/[X.], aaO, § 98 Rn. 7; [X.] in [X.]/[X.], aaO, § 67 Rn. 24), kann hier dahinstehen. Im gerichtlichen [X.]isziplinarverfahren steht der Notarkammer ein Beteiligungsrecht jedenfalls nicht (mehr) zu. [X.]enn die Rechtsposition der Notarkammer wird durch die Entscheidung des [X.]isziplinargerichts auch dann nicht verbessert oder verschlechtert, wenn dieses den Vorwurf gegen den Notar anders als die Kammer beurteilen sollte.

9

c) Folgte man demgegenüber der Auffassung, dass eine Beiladung der Notarkammer zum [X.]isziplinarverfahren möglich ist, hätte dies schließlich - bei [X.] Annahme materieller Beschwer (vgl. [X.] in [X.]/[X.], VwGO, 25. Aufl., vor § 124 Rn. 46) - zur Folge, dass die Notarkammer als Beteiligte selbständig Rechtsmittel gegen eine ihr nicht genehme gerichtliche Entscheidung des [X.]isziplinargerichts einlegen könnte, auch wenn die Aufsichtsbehörde (bzw. der [X.]) die Entscheidung des [X.]isziplinargerichts zu akzeptieren bereit ist. [X.]ies führte im Ergebnis zu einer gesetzeswidrigen Verlagerung der [X.]isziplinargewalt der Aufsichtsbehörde auf die Kammer (vgl. [X.], NVwZ-RR 2007, 566, 567).

III.

[X.]ie Kostenentscheidung beruht auf § 105 [X.], § 77 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.

Herrmann     

        

Tombrink     

        

[X.]üller

        

Strzyz     

        

Frank     

        

Meta

NotSt (B) 1/20

20.07.2020

Bundesgerichtshof Senat für Notarsachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Bayerisches Oberstes Landesgericht, 20. Januar 2020, Az: 501 DSNot 1/19

§ 96 Abs 1 S 1 BNotO, § 3 BDG, § 65 Abs 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.07.2020, Az. NotSt (B) 1/20 (REWIS RS 2020, 1443)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1443

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