Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.01.2016, Az. KZR 41/14

Kartellsenat | REWIS RS 2016, 17190

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Gegenstand

Neuordnung eines Netzes von markengebundenen Vertragswerkstätten: Markenspezifische Abgrenzung des vorgelagerten Ressourcenmarkts für Vertragswerkstätten; quantitative Selektion bei Umstellung eines qualitativ selektiven Vertriebssystems – Jaguar-Vertragswerkstatt


Leitsatz

Jaguar-Vertragswerkstatt

1. Ob der Status einer Vertragswerkstatt eine notwendige Ressource für die Erbringung von Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen bei Personenkraftfahrzeugen einer bestimmten Marke darstellt, wird maßgeblich durch die - tatrichterlich festzustellenden - Ansprüche, Erwartungen und Gepflogenheiten der Fahrzeugeigentümer bei der Inanspruchnahme solcher Leistungen bestimmt (Fortführung von BGH, Urteil vom 30. März 2011, KZR 6/09, BGHZ 189, 94 - MAN-Vertragswerkstatt).

2. Nutzt ein Kraftfahrzeughersteller eine Umstellung seines qualitativ selektiven Systems der Vertragswerkstätten zu einer quantitativen Selektion, kann das damit verfolgte Interesse im Rahmen der Abwägung mit dem Interesse eines bisherigen, von ihm unternehmensbedingt abhängigen Vertragspartners, auch nach der Systemumstellung weiterhin dem Netz der Vertragswerkstätten anzugehören, grundsätzlich nicht berücksichtigt werden.

Tenor

Auf die Rechtsmittel der Parteien wird das Urteil des 11. Kartellsenats des [X.] vom 29. Juli 2014 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die mit dem Hilfsantrag der Klägerin begehrte Feststellung ausgesprochen worden ist.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte ist die Importeurin der [X.] Automobilhersteller [X.] und [X.] in [X.]. Die Klägerin, die vormals unter "[X.] H.  S.   GmbH" firmierte, betreibt in [X.]    eine Autoreparaturwerkstatt. Aufgrund eines von den Parteien mit Wirkung zum 1. Oktober 2003 geschlossenen "Autorisierten [X.] Service-Vertrages" erhielt sie die Stellung eines "autorisierten [X.] Servicebetriebes". Bis zum [X.] war sie daneben als Vertragshändlerin für [X.] und [X.] tätig.

2

Mit Schreiben vom 23. Mai 2011 kündigte die Beklagte die Serviceverträge mit der Klägerin und allen anderen Servicepartnern zum 31. Mai 2013. Als Begründung teilte sie mit, die Muttergesellschaft habe sich zum Ziel gesetzt, das [X.]-Servicenetz neu zu ordnen. In der Folge bot die Beklagte ihren bisherigen Vertragspartnern in der überwiegenden Zahl der Fälle jeweils den Abschluss eines neuen Werkstattvertrages an. In dem Kündigungsschreiben gegenüber der Klägerin heißt es dagegen, dass ihr Unternehmen bei der Neuplanung nicht berücksichtigt werden könne. Einen Antrag der Klägerin auf Abschluss eines neuen Werkstattvertrages lehnte die Beklagte ab.

3

Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, sie als [X.]-Vertragswerkstatt zuzulassen, hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, sie mit Original-Ersatzteilen zu den Konditionen zu beliefern, die die Beklagte ihren Vertragswerkstätten gewähre. Das [X.] hat die Klage abgewiesen.

4

Während des Berufungsverfahrens verlangte die Klägerin von der Beklagten den Rückkauf der noch vorhandenen Originalersatzteile. Die Parteien einigten sich auf eine Zahlung der Beklagten in Höhe von 29.750 € brutto, ohne dass die Klägerin zur Rückgabe der Teile verpflichtet wurde.

5

Im Berufungsverfahren hat die Klägerin ihren erstinstanzlichen Feststellungsantrag weiterverfolgt und hilfsweise beantragt festzustellen, dass die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung unwirksam sei und das Vertragsverhältnis über den 31. Mai 2013 hinaus fortbestehe. Das Berufungsgericht hat die Berufung in Bezug auf den Hauptantrag zurückgewiesen und dem Hilfsantrag sowie einer auf Rückzahlung der 29.750 € gerichteten Hilfswiderklage stattgegeben. Hinsichtlich der Abweisung des [X.] hat es die Revision zugelassen.

6

Die Klägerin verfolgt ihren Hauptantrag mit der Revision weiter. Die Beklagte hat im Rahmen ihrer Beschwer ebenfalls Revision eingelegt; sie ist der Auffassung, dass die Beschränkung der Revision auf den Hauptantrag wegen der Verzahnung mit dem Hilfsantrag unwirksam sei. Vorsorglich hat sie eine Nichtzulassungsbeschwerde erhoben, die vom Senat zurückgewiesen worden ist, und sich hilfsweise der Revision der Klägerin angeschlossen.

Entscheidungsgründe

7

Revision und [X.] haben [X.]rfolg und führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

8

A. Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Der mit dem Hauptantrag der Klage geltend gemachte Anspruch kann mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht verneint werden.

9

I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Klageantrag ausreichend bestimmt.

[X.]r enthält zwar mit der "Zulassung als [X.]-Vertragswerkstatt" einen unbestimmten Rechtsbegriff. Dies führt aber noch nicht zwingend dazu, den Antrag als unbestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO anzusehen ([X.], Urteil vom 6. Oktober 2015 - [X.], [X.] 2015, 535 Rn. 25 ff. - [X.]). Zutreffend hat das Berufungsgericht ausgeführt, es komme der Klägerin in erster Linie darauf an, mit der [X.]n einen Werkstattvertrag zu den Bedingungen zu schließen, die derzeit in dem [X.] der [X.]n gälten. Der Klagehauptantrag ist mithin dahin auszulegen, dass die Klägerin den Anspruch auf Abschluss eines neuen [X.] zu den Konditionen festgestellt wissen will, die die [X.] denjenigen ihrer bisherigen Vertragspartner angeboten hat, mit denen sie die Zusammenarbeit nach der Kündigung der alten Verträge fortgesetzt hat.

Der Klägerin ist auch ein Interesse an dieser Feststellung zuzubilligen, obwohl sie auch auf Leistung klagen könnte. Denn es kann erwartet werden, dass die [X.] auch ein Feststellungsurteil befolgen wird.

II. Das Berufungsgericht hat die Abweisung dieses Klageantrags im Wesentlichen wie folgt begründet:

[X.]in Anspruch auf Zulassung als Vertragswerkstatt ergebe sich nicht aus § 33 Abs. 1, § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB. Denn die [X.] sei nicht [X.] dieser Regelung. Sie sei auf dem - dem [X.] vorgelagerten - Markt, auf dem sich die Autoreparaturwerkstätten als Nachfrager und die Hersteller als Anbieter von Ressourcen für die [X.]rbringung von Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen gegenüberstünden, nicht marktbeherrschend. Der Werkstattmarkt sei nicht markenspezifisch abzugrenzen. Ob die [X.] eine andere Auffassung vertrete, sei unerheblich, weil es bei der Feststellung des relevanten Marktes im Sinne des § 18 GWB um eine Frage des nationalen Rechts gehe.

[X.]in Anspruch ergebe sich auch nicht aus § 33 Abs. 1, § 20 Abs. 1 Satz 1, § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB. Zwar liege angesichts der Ausrichtung des Betriebs der Klägerin eine unternehmensbedingte Abhängigkeit nahe. Diese habe aber nicht zur Folge, dass die Geschäftsbeziehung überhaupt nicht aufgelöst werden könne. Ausreichend sei in der Regel eine angemessene Übergangsfrist, die hier mit der Kündigungsfrist von zwei Jahren gewahrt sei.

[X.]in Anspruch auf Abschluss eines [X.] zu neuen Bedingungen folge auch nicht aus § 33 Abs. 1 GWB, Art. 101 A[X.]UV. Denn dem Vortrag der Klägerin lasse sich nicht entnehmen, dass die [X.]ntscheidung der [X.]n auf einer Vereinbarung oder Absprache mit ihren übrigen Vertragspartnern beruhe.

Auch ein etwaiger Verstoß gegen die [X.] führe nicht zu einem zivilrechtlichen Aufnahmeanspruch.

Schließlich kämen auch § 33 Abs. 1 GWB, Art. 102 A[X.]UV nicht als Anspruchsgrundlage in Betracht. Denn die [X.] sei auf dem relevanten Markt nicht marktbeherrschend.

III. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung in entscheidenden Punkten nicht stand.

1. Das Berufungsgericht hat eine marktbeherrschende Stellung der [X.]n, aus der sich ein Anspruch der Klägerin auf Abschluss eines neuen [X.] ergeben könnte, nicht rechtsfehlerfrei verneint.

a) Das Berufungsgericht sieht allerdings richtig, dass sich eine marktbeherrschende Stellung der [X.]n nicht schon daraus ergibt, dass sie auf dem vorgelagerten Markt tätig ist, auf dem sich die Werkstätten als Nachfrager und die Hersteller von Kraftfahrzeugen und andere Unternehmen als Anbieter von Ressourcen für die [X.]rbringung von Instandsetzungs- und Wartungsarbeiten an Kraftfahrzeugen gegenüberstehen. In der vom Berufungsgericht herangezogenen [X.]ntscheidung [X.] hat sich der [X.] mit der Frage befasst, ob der Status einer Vertragswerkstatt für ein auf dem Kraftfahrzeugreparatur- und -servicemarkt tätiges Unternehmen eine unverzichtbare Ressource bildet, die es rechtfertigt, einen eigenständigen - markenspezifischen - Markt anzunehmen. Auf der Grundlage der in jenem Fall getroffenen tatrichterlichen Feststellungen hat der [X.] diese Frage für den dem [X.] zur [X.]rbringung von Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen bei Nutzfahrzeugen vorgelagerten Markt verneint und diesen Markt demgemäß markenübergreifend abgegrenzt ([X.], Urteil vom 30. März 2011 - [X.], [X.]Z 189, 94 Rn. 11 ff. - [X.]; zustimmend etwa [X.]/[X.], [X.], 366, 368 f.; [X.] in [X.]/Bunte, [X.], 12. Aufl., Nach Art. 101 A[X.]UV Rn. 946 ff.; [X.], NJW 2011, 2701, 2702 f.).

b) Das Berufungsgericht hat jedoch keine ausreichenden Feststellungen getroffen, die es erlaubten, diese für einen Nutzfahrzeugmarkt getroffene Bewertung ohne weiteres auf einen dem Markt für die Reparatur von [X.] der Marke [X.] vorgelagerten [X.] zu übertragen.

aa) [X.]s entspricht ständiger Rechtsprechung, dass die Verhältnisse auf dem nachgelagerten [X.] Auswirkungen auf die sachliche Abgrenzung des vorgelagerten [X.]es haben können. [X.]ine solche Auswirkung besteht etwa dann, wenn eine bestimmte Leistung auf der vorgelagerten Stufe deshalb nicht austauschbar ist, weil sie für eine Teilnahme am Wettbewerb auf der nachgelagerten Stufe schlechthin unentbehrlich ist ([X.]Z 189, 94 Rn. 12 - [X.]; [X.], Urteil vom 6. Oktober 2015 - [X.], [X.] 2015, 535 Rn. 52 - [X.]; Urteil vom 3. März 2009 - [X.], [X.]/[X.] 2708 Rn. 28 - Reisestellenkarte). Hinsichtlich der Tätigkeit von Vertragswerkstätten kommt es danach für die Marktabgrenzung auf dem vorgelagerten [X.] darauf an, ob freie Werkstätten, die Arbeiten an Personenkraftwagen einer bestimmten Marke durchführen wollen, eine wirtschaftlich sinnvolle Möglichkeit haben, diese Tätigkeit auch ohne den Status einer Vertragswerkstatt des jeweiligen Herstellers auszuüben. Ist dies nicht der Fall, so ist der Hersteller hinsichtlich des Zugangs zu Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen für seine Marken marktbeherrschend und der vorgelagerte [X.] markenspezifisch abzugrenzen. Die Zulassungen zu Vertragswerkstätten anderer Marken oder die Möglichkeit, als freie Werkstatt tätig zu werden, sind nach dem zugrunde zu legenden Bedarfsmarktkonzept dann nicht geeignet, den Bedarf der auf dem Reparatur- und Wartungsmarkt für Fahrzeuge einer bestimmten Marke tätigen Unternehmen anderweitig zu decken. Dabei ist die Würdigung der insoweit auf einem bestimmten Markt bestehenden Verhältnisse Sache des Tatrichters.

bb) Das Berufungsgericht hat angenommen, dass für den hier betroffenen Markt für (hochpreisige) Personenkraftwagen nichts anderes gelte als für den Nutzfahrzeugmarkt, um den es in der [X.]ntscheidung [X.] gegangen sei. Die Klägerin habe nicht hinreichend dargelegt, dass die Zulassung als [X.]-Vertragswerkstatt eine Ressource darstelle, ohne die der Zugang zu dem nachgelagerten [X.] nicht oder jedenfalls nicht sinnvoll möglich sei.

cc) Dies lässt nicht erkennen, von welchen Anforderungen an einen eigenständigen Markt das Berufungsgericht ausgegangen ist und welche Umstände es in seine Bewertung einbezogen hat und genügt daher den Anforderungen an eine rechtsfehlerfreie tatrichterliche Würdigung nicht. Wie die Revision zu Recht geltend macht, liegt es nicht fern, dass zwischen Werkstattleistungen für Nutzfahrzeuge und solchen für (hochpreisige) Personenkraftwagen speziell der Marke [X.] hinsichtlich der Ansprüche, [X.]rwartungen und Gepflogenheiten der Fahrzeugeigentümer auf dem [X.] Unterschiede bestehen. So können die - privaten - [X.]igentümer eines Personenkraftwagens der Marke [X.] etwa gesteigerten Wert darauf legen, ihr Fahrzeug auch nach Ablauf der Garantiefrist von einer [X.]-Vertragswerkstatt warten und instand halten zu lassen, auch wenn sie dafür höhere Preise zahlen müssen als in einer freien Werkstatt. Bei Nutzfahrzeugen, die zum Teil in Flotten gehalten werden und bei denen der Kostenaspekt für die - gewerbsmäßigen - [X.]igentümer eine größere Rolle spielt, kann das anders sein (ebenso [X.]rgänzende Leitlinien der [X.] in Vereinbarungen über den Verkauf und die Instandsetzung von Kraftfahrzeugen und den Vertrieb von [X.], [X.]. 2010 C 138/16, Fußnote zu Rn. 57). Der [X.] hat demgemäß für die Marke [X.] die geltend gemachte Unentbehrlichkeit des Status einer Vertragswerkstatt schon durch den Umstand als widerlegt erachtet, dass der überwiegende Teil der Werkstattleistungen nach den in jenem Rechtsstreit getroffenen tatrichterlichen Feststellungen von freien Werkstätten ausgeführt werde ([X.]Z 189, 94 Rn. 17 - [X.]). [X.]ntsprechende Feststellungen sind im Streitfall nicht getroffen.

dd) Ist danach aber für die weitere Prüfung der Revision der Klägerin zu unterstellen, dass der [X.] für [X.]-Vertragswerkstätten markenspezifisch abzugrenzen ist, hat die [X.] eine marktbeherrschende Stellung. Denn sie allein kann den Status einer derartigen Vertragswerkstatt vergeben und ist dabei keinem Wettbewerb ausgesetzt, § 18 Abs. 1 Nr. 1 GWB.

c) Als marktbeherrschendes Unternehmen darf die [X.] andere Unternehmen nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB nicht unbillig behindern oder ohne sachlich gerechtfertigten Grund anders behandeln als gleichartige Unternehmen. So darf sie einem Unternehmen, das sich um eine Aufnahme in ihr [X.] bewirbt und die qualitativen Anforderungen erfüllt, unter denen die [X.] gleichartige Unternehmen in ihr [X.] aufnimmt, nicht den Zutritt zu dem [X.] verweigern, es sei denn, dafür sprächen sachliche Gründe (vgl. [X.], Beschluss vom 15. November 1994 - [X.] 29/93, [X.]Z 128, 17, 36 ff. - Gasdurchleitung; [X.] in [X.] Kommentar zum Kartellrecht, Loseblatt, Stand März 2015, [X.] § 19 Rn. 96). Daraus kann sich ein Kontrahierungszwang des marktbeherrschenden Unternehmens ergeben.

2. [X.]s hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung ebenfalls nicht stand, dass das Berufungsgericht auch einen Anspruch der Klägerin auf Abschluss eines neuen [X.] aus § 33 in Verbindung mit § 20 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, § 19 Abs. 1, 2 Nr. 1 GWB aufgrund einer relativen Marktmacht der [X.]n verneint hat.

a) [X.]ine unternehmensbedingte Abhängigkeit - oder relative Marktmacht - im Sinne des § 20 Abs. 1 Satz 1 GWB ist vom [X.] in Fällen angenommen worden, in denen sich ein Händler so stark auf den Verkauf von Produkten eines bestimmten Herstellers ausgerichtet hat, dass er nur unter Inkaufnahme erheblicher [X.]nachteile auf die Vertretung eines anderen Herstellers überwechseln kann ([X.], Urteil vom 23. Februar 1988 - [X.], [X.]/[X.], 2493 - [X.]; Urteil vom 21. Februar 1995 - [X.], [X.]/[X.], 2988 - Kfz-Vertragshändler). Diese Rechtsprechung hat der [X.] ausgedehnt auf das Verhältnis eines Kraftfahrzeugherstellers zu einer mit ihm vertraglich verbundenen Werkstatt ([X.], Urteil vom 28. Juni 2005 - [X.], [X.]/[X.] 1621, 1623 - Qualitative Selektion; Urteil vom 30. März 2011 - [X.], [X.]Z 189, 94 Rn. 26 - [X.]) oder zu einem auf Fahrzeuge des Herstellers spezialisierten [X.] ([X.], Urteil vom 6. Oktober 2015 - [X.], [X.] 2015, 535 Rn. 53 ff. - [X.]). Selbst wenn die Abhängigkeit ohne vertragliche Vereinbarung im Wege einer autonomen [X.] selbst geschaffen worden ist, kann der Tatbestand unternehmensbedingter Abhängigkeit jedenfalls dann erfüllt sein, wenn die Ausrichtung des Geschäftsmodells erheblich über eine bloß einseitige Spezialisierung hinausgeht und etwa den [X.]rwerb besonderen, markenspezifischen Know-hows umfasst, das für eine wertschöpfende Tätigkeit im Zusammenhang mit den Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen erforderlich ist. Der Umstand, dass die Abhängigkeit in diesem Fall auf einem einseitigen, autonomen [X.]ntschluss des Abnehmers beruht, ist dann im Rahmen der Interessenabwägung bei der Billigkeitsprüfung zu berücksichtigen ([X.], Urteil vom 6. Oktober 2015 - [X.], [X.] 2015, 535 Rn. 54 - [X.]; Urteil vom 23. Februar 1988 - [X.], [X.]/[X.], 2494 - [X.]; [X.] in [X.]/Bunte, Kartellrecht, 12. Aufl., § 20 GWB Rn. 51).

b) Das Berufungsgericht hat zu der Frage der unternehmensbedingten Abhängigkeit der Klägerin von der [X.]n keine Feststellungen getroffen. [X.]s nimmt jedoch an, dass nach dem Vortrag der Klägerin eine unternehmensbedingte Abhängigkeit naheliege. Für die weitere revisionsrechtliche Prüfung ist danach eine unternehmensbedingte Abhängigkeit zu unterstellen.

c) Als Folge einer unternehmensbedingten Abhängigkeit ist es dem marktstarken Unternehmen versagt, die kleinen und mittleren Unternehmen unbillig zu behindern oder ohne sachlich gerechtfertigten Grund anders zu behandeln als gleichartige Unternehmen, § 20 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, § 19 Abs. 1, 2 Nr. 2 GWB. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann eine solche Behinderung oder Diskriminierung nicht verneint werden.

aa) Ob eine Behinderung unbillig ist oder einer unterschiedlichen Behandlung die sachliche Rechtfertigung fehlt, ist - wie der [X.] in ständiger Rechtsprechung annimmt - aufgrund einer Gesamtwürdigung und Abwägung aller beteiligten Interessen zu beurteilen, die sich an der auf die Freiheit des [X.] gerichteten Zielsetzung des Gesetzes zu orientieren hat ([X.], Urteil vom 27. April 1999 - [X.], [X.]/[X.] 357, 359 - Feuerwehrgeräte). Dabei hat die gesetzliche Regelung nicht die Funktion eines einseitigen Sozialschutzes ([X.], Urteil vom 23. Februar 1988 - [X.], [X.]/[X.], 2495 - [X.]). Der [X.] ist vielmehr grundsätzlich frei, seine geschäftliche Tätigkeit nach eigenem [X.]rmessen so zu gestalten, wie er dies für wirtschaftlich sinnvoll erachtet. Daher reicht - wie das Berufungsgericht insoweit zutreffend angenommen hat - eine ordentliche Kündigung mit einer angemessenen Kündigungsfrist in der Regel aus, um die Geschäftsverbindung zu lösen. Denn dann hat das abhängige Unternehmen die zumutbare Möglichkeit, seinen Betrieb auf eine andere Marke umzustellen. [X.]ine ordentliche Kündigung muss deshalb grundsätzlich auch nicht mit einer Begründung versehen werden ([X.], Urteil vom 21. Februar 1995 - [X.], [X.]/[X.], 2988 f. - Kfz-Vertragshändler).

bb) Die Freiheit des [X.]en zur Gestaltung seines Absatzsystems besteht aber nur innerhalb der durch das Kartellrecht gezogenen Grenzen. Sie ist ausgeschlossen, wo sie missbraucht wird oder zu einer Beschränkung des [X.] führt, die mit der auf die Freiheit des [X.] gerichteten Zielsetzung des Gesetzes unvereinbar ist. Im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung sind an die Schutzwürdigkeit der von einem [X.]en verfolgten Belange mit zunehmender Abhängigkeit der Marktgegenseite von seinem Angebot in gleichem Maße steigende Anforderungen zu stellen ([X.], Urteil vom 27. April 1999 - [X.], [X.]/[X.] 357, 359 - Feuerwehrgeräte; Urteil vom 6. Oktober 2015 - [X.], [X.] 2015, 535 Rn. 59 - [X.]; Urteil vom 16. Dezember 1986 - [X.], [X.], 465, 468 f. - Belieferungsunwürdige Verkaufsstätten II).

cc) Im Streitfall ist bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass die [X.] das Netz der ihr vertraglich verbundenen Werkstätten - vor wie nach der Kündigung der "alten" [X.] - als kartellrechtlich unbedenkliches qualitativ selektives Vertriebssystem ausgestaltet hat. Auch hierzu hat das Berufungsgericht zwar keine Feststellungen getroffen; beide Parteien gehen aber hiervon aus. Damit ist für die revisionsrechtliche Beurteilung zu unterstellen, dass die [X.] der [X.]n ihren Vertragspartnern wettbewerbsrelevante Verpflichtungen auferlegen, die sich als wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen darstellten, wären sie nicht zur Aufrechterhaltung eines qualitativ hochstehenden Serviceangebots für Kraftfahrzeuge der Marke [X.] geeignet und erforderlich. Jedenfalls grundsätzlich nicht erforderlich ist demgegenüber eine quantitative Selektion, die nicht nur über entsprechende qualitative Voraussetzungen - etwa einen Mindestumsatz der einzelnen Werkstatt - erreicht wird. Hätte daher die [X.] die Umstellung des Systems ihrer [X.] zu einer quantitativen Selektion genutzt, könnte das damit verfolgte Interesse im Rahmen der Abwägung mit dem Interesse der Klägerin, auch nach der Systemumstellung dem Netz der [X.]-Vertragswerkstätten anzugehören, im Regelfall nicht berücksichtigt werden. Der Grundsatz, dass auch der [X.] unter [X.]inhaltung einer angemessenen Kündigungsfrist berechtigt ist, die Vertragsbeziehung zu einem von ihm abhängigen Unternehmen zu beenden, wird im Streitfall durch die Zielsetzung des Gesetzes begrenzt, keine wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen zu begünstigen, sofern die Klägerin alle qualitativen Anforderungen an eine Vertragswerkstatt der [X.]n erfüllt.

Danach kommt bei der umfassenden Abwägung der gegenseitigen Interessen der Parteien der Frage maßgebliche Bedeutung zu, aus welchem Grund die [X.] der Klägerin den Zugang zu ihrem neu gestalteten Netz von Vertragswerkstätten verweigert hat. Hierzu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen und insbesondere nicht festgestellt, dass die [X.] für die Ungleichbehandlung der Klägerin gegenüber denjenigen Werkstätten, mit denen sie neue Verträge abgeschlossen hat, sachliche Gründe angeführt hätte. [X.]s geht vielmehr davon aus, dass die [X.] weder in ihrer Kündigungsbegründung noch in der mündlichen Verhandlung zu erkennen gegeben habe, welche strukturellen Maßnahmen ein Ausscheiden der Klägerin aus dem [X.] erforderlich machten. Damit ist nicht auszuschließen, dass die [X.] mit der Ablehnung einer Aufnahme der Klägerin in das neu strukturierte Vertragswerkstattnetz ohne sachlichen Grund und damit diskriminierend handelt und die Klägerin unbillig behindert.

3. Damit ist das Urteil, soweit es mit der Revision der Klägerin angegriffen wird, aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die notwendigen Feststellungen getroffen werden können.

B. Das Rechtsmittel der [X.]n führt gleichfalls zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit das Berufungsgericht dem Hilfsantrag der Klägerin entsprochen hat.

I. Das Rechtsmittel der [X.]n ist zulässig. Die Revision der [X.]n ist zwar nicht zugelassen und damit als solche unzulässig. Sie ist jedoch in eine [X.] umzudeuten ([X.], Beschluss vom 8. Mai 2012 - [X.], NJW 2012, 2446 Rn. 9; Urteil vom 5. Mai 2011 - [X.], NJW-RR 2011, 1106 Rn. 24) und verbindet sich mit der hilfsweise eingelegten [X.] der [X.]n zu einem einheitlichen Rechtsmittel (vgl. [X.], Urteil vom 15. Februar 2005 - [X.], NJW-RR 2005, 780).

Über die [X.] ist ungeachtet des Umstands zu entscheiden, dass sie allein den Hilfsantrag der Klägerin betrifft, der unter der innerprozessualen Bedingung steht, dass dem Hauptantrag nicht entsprochen wird, und nicht feststeht, ob diese Bedingung eintritt, nachdem die Revision der Klägerin insoweit zur Aufhebung und Zurückverweisung führt. Denn der Ausspruch des Berufungsgerichts zum Hilfsantrag wird wirksam, falls die Klage mit dem Hauptantrag rechtskräftig abgewiesen wird, und darf daher nur bestehen bleiben, wenn er der revisionsrechtlichen Nachprüfung standhält (vgl. [X.], Urteil vom 14. Dezember 1988 - [X.], [X.]Z 106, 219, 220 f.).

II. Die [X.] hat auch in der Sache [X.]rfolg. Das mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Feststellungsbegehren ist unbegründet.

1. Das Berufungsgericht hat seine [X.]ntscheidung zum Hilfsantrag im Wesentlichen wie folgt begründet:

Nach Art. 16 Abs. 6 des Servicevertrages der Parteien müsse die - schriftliche - Kündigung eine Begründung enthalten, die objektiv und transparent sei, um sicherzustellen, dass die Kündigung nicht wegen Verhaltensweisen des Vertragspartners erfolge, die nach der [X.] 2002 nicht eingeschränkt werden dürften. Daran fehle es hier. In dem [X.] werde lediglich formelhaft gesagt, dass die Kündigung nicht auf einem Verhalten der Klägerin beruhe, das nach der Verordnung nicht eingeschränkt werden dürfe. Auch wenn man berücksichtige, dass es weiter heiße, es sollten weitestgehend einheitliche vertragliche Rahmenbedingungen im [X.] Binnenmarkt gefördert werden, und globale Standards in allen Servicebereichen sollten dazu beitragen, ein gleich hohes Niveau aller Servicepartner in allen Märkten zu gewährleisten, reiche diese Begründung nicht aus. [X.]s würden dadurch allenfalls die Gründe für die Änderungskündigungen erläutert, nicht jedoch, warum mit der Klägerin kein neuer Werkstattvertrag geschlossen werden solle. Da die Begründung [X.] für die Kündigung sei, führe der Begründungsmangel zur Unwirksamkeit der Kündigung.

2. Diese Ausführungen sind nicht frei von [X.]. Die Begründung der Kündigung des [X.] hält den vertraglichen Anforderungen stand.

a) Zwar ist nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]s die Auslegung einer Individualvereinbarung - wie hier des [X.] - grundsätzlich Sache des Tatrichters. Sie kann vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden, ob der Tatrichter gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze, [X.]rfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt oder wesentlichen Auslegungsstoff außer [X.] gelassen hat (siehe nur [X.], Urteil vom 21. Juni 2011 - [X.], NJW 2011, 2648 Rn. 17). Gemessen daran ist das Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts aber rechtsfehlerhaft.

b) Das Berufungsgericht hat schon verkannt, dass keine hohen Anforderungen an die Begründung zu stellen sind. Denn bei der Auslegung der [X.] in Art. 16 Abs. 6 des Servicevertrages ist zu berücksichtigen, dass eine ordentliche Kündigung eines [X.] grundsätzlich keiner Begründung bedarf ([X.], Urteil vom 21. Februar 1995 - [X.], [X.]/[X.], 2988 - Kfz-Vertragshändler), sofern sich aus dem Unionsrecht nichts anderes ergibt. Hier bestand eine Begründungspflicht aus Art. 3 Abs. 4 VO 1400/2002. Die Parteien haben sich an dessen Formulierung angelehnt. Deshalb kann zur Auslegung der Vertragsklausel auf die hinsichtlich der Verordnung geltenden Auslegungsgrundsätze zurückgegriffen werden.

Nach [X.]rwägungsgrund 9 der Verordnung und dem Sinn und Zweck des [X.] ist die Begründung dann ausreichend, wenn die aufgeführten Gründe die Motive des Kündigenden richtig und vollständig wiedergeben ([X.]/[X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., Annex zu [X.] Rn. 37) und deutlich wird, dass der Vertrag nicht deshalb beendet wird, weil die Werkstatt ein wettbewerbsförderndes Verhalten an den Tag gelegt hat (MünchKomm.[X.]UWettbR-Becker, Band 1, 1. Aufl., [X.] 1400/2002, Art. 3 Rn. 16).

Danach ist die von der [X.]n gegebene Begründung ausreichend. Aus ihr lässt sich entnehmen, dass die Kündigung gegenüber sämtlichen bisherigen Vertragspartnern der [X.]n erfolgt ist und auf dem Wunsch der Konzernmutter beruhte, mit weitestgehend einheitlichen vertraglichen Rahmenbedingungen die [X.]ffektivität des [X.]-Servicenetzes im [X.] Binnenmarkt zu fördern und aufgrund globaler Standards in allen Servicebereichen ein gleich hohes Niveau aller Servicepartner in allen Märkten zu gewährleisten. Zwar wird damit nicht begründet, warum die Klägerin aus dem neuen [X.] ausgeschlossen werden sollte (so auch in dem Fall [X.], Urteil vom 24. Juni 2009 - [X.], [X.]Z 181, 346 Rn. 3). Hierauf kommt es aber auch nicht an. Die Frage, ob die Klägerin nicht in das neue [X.] aufgenommen werden sollte, weil sie die hierfür geschaffenen Standards nicht erfüllte, oder ob ihr die Aufnahme verweigert wurde, obwohl sie die qualitativen Voraussetzungen erfüllte oder zu erfüllen in der Lage war, die für eine Aufnahme in das neue [X.] erforderlich sind, betrifft nicht die Kündigung des [X.], sondern nur die Frage, ob die Klägerin einen Anspruch auf Abschluss eines neuen Vertrages zu den jetzt geltenden Bedingungen hat.

C. Sollte die Klage mit dem Hauptantrag [X.]rfolg haben, wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob die [X.] der [X.]n auf Rückzahlung der für die verbliebenen [X.]rsatzteile gezahlten 29.750 € auch in diesem Fall begründet ist. Sollte die Klage dagegen auch mit dem Hauptantrag erfolglos bleiben, ist der Ausspruch zur [X.] gegenstandslos und zweckmäßigerweise vom Berufungsgericht zur Klarstellung aufzuheben.

[X.]                   Raum                        Strohn

                    Bacher                   Deichfuß

Meta

KZR 41/14

26.01.2016

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Urteil

Sachgebiet: False

vorgehend OLG Frankfurt, 29. Juli 2014, Az: 11 U 6/14 (Kart), Urteil

§ 18 Abs 1 Nr 1 GWB, § 19 Abs 1 GWB, § 19 Abs 2 Nr 1 GWB, § 20 Abs 1 S 1 GWB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.01.2016, Az. KZR 41/14 (REWIS RS 2016, 17190)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 17190

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XI ZR 261/10

III ZR 91/10

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