Bundesfinanzhof, Urteil vom 29.09.2020, Az. VIII R 14/17

8. Senat | REWIS RS 2020, 3613

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Gegenstand

Aufrechnung eines Rechtsanwalts mit Honoraransprüchen gegen den Anspruch des Mandanten auf Herausgabe von Fremdgeld in der Einnahmen-Überschuss-Rechnung


Leitsatz

1. Ein Rechtsanwalt, der nach der Vereinnahmung von Fremdgeld mit Honoraransprüchen gegen den Herausgabeanspruch des Mandanten aufrechnet, löst die für einen durchlaufenden Posten gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG notwendige Verklammerung von Einnahme und Ausgabe zu einem einheitlichen Vorgang endgültig auf.

2. Mit dem Wegfall der Verklammerung und damit der Voraussetzungen eines durchlaufenden Postens ist das Fremdgeld als Betriebseinnahme in die Ermittlung des Gewinns für den Betrieb einzubeziehen.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 22.03.2017 - 2 K 2100/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Streitjahr 2011 als Rechtsanwalt in einer [X.] selbständig tätig. Seinen Gewinn aus der anwaltlichen Tätigkeit ermittelte er im Wege der Einnahmen-Überschuss-Rechnung gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr anzuwendenden Fassung (EStG). Er verfügte über zwei Bankkonten, über die er private Zahlungen und Zahlungen der Kanzlei abwickelte. Ein Fremdgeldkonto führte der Kläger nicht.

2

Der Kläger erstritt nach einem längeren Verfahren für eine [X.] Mandantin im Streitjahr eine Vergleichszahlung in Höhe von 290.000 € zuzüglich Zinsen. Der Vergleichsbetrag inklusive der Zinsen wurde vom Prozessgegner im Januar 2011 auf eines der Konten des [X.] überwiesen. Von dem vereinnahmten Betrag leitete der Kläger noch im Streitjahr 240.000 € an die [X.] Mandantin weiter. Einen Betrag von 50.000 € behielt er mit der Begründung ein, ihm stünden aufgrund bereits erteilter Abrechnungen nicht erfüllte Honorarforderungen zu, mit denen er gegen den Herausgabeanspruch aufrechne. Die Mandantin bestritt diese Honorarforderungen und verlangte im April des [X.] die Auszahlung des einbehaltenen Betrags.

3

Das [X.] (LG) X entschied durch Urteil vom 13.09.2012, die zutreffenden Honoraransprüche des [X.] aus dem Mandat beliefen sich auf 25.272,82 €. Der Kläger habe für seine Tätigkeit Scheckzahlungen in Höhe von 17.470 € und Barzahlungen der [X.]n Mandantin in Höhe von weiteren 3.000 € erhalten. Da der Honoraranspruch des [X.] in Höhe von 20.470 € bereits erfüllt worden sei, habe er nur in Höhe eines Restbetrags von 4.802,82 € gegen den Herausgabeanspruch der Mandantin wirksam aufrechnen können. Der Kläger wurde vom [X.] zur Zahlung von [X.] (50.000 € abzüglich 4.802,82 €) nebst Zinsen an die [X.] Mandantin verurteilt. Das Urteil wurde im Jahr 2014 nach Zurückweisung der Berufung rechtskräftig.

4

In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärte der Kläger einen Gewinn aus selbständiger Arbeit. In den in der Gewinnermittlung ausgewiesenen Betriebseinnahmen waren in Höhe von 10.000 € Honorareinnahmen von der [X.]n Mandantin enthalten.

5

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) setzte in dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung --AO--) ergangenen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 05.06.2013 den Gewinn des [X.] aus selbständiger Arbeit wie erklärt an.

6

In einer [X.] wurde ermittelt, dass auf den Konten des [X.] im Zusammenhang mit dem [X.]n Mandat (nach Abzug des weitergeleiteten Betrags von 240.000 €) im Streitjahr insgesamt 57.946,22 € eingegangen waren. Die Prüferin behandelte diesen Betrag als nicht erklärte umsatzsteuerpflichtige Bruttomehreinnahme, aus der sie die geschuldete Umsatzsteuer zum Steuersatz von 19 Prozent herausrechnete. Unter Berücksichtigung weiterer Sachverhalte gelangte sie für das Streitjahr zu fehlerhaft nicht erfassten Bruttoumsätzen in Höhe von 64.341,02 €.

7

Das [X.] erhöhte anknüpfend an die [X.] den Gewinn des [X.] aus selbständiger Arbeit um 54.341 € (64.341,02 € ./. bereits erfasster 10.000 €) und berücksichtigte im gemäß § 164 Abs. [X.] geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 14.03.2014 einen Gewinn aus selbständiger Arbeit in Höhe von 77.505 €. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben. Der anschließend erhobene Einspruch des [X.] blieb ohne Erfolg.

8

Im Klageverfahren begehrte der Kläger, die Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit um 45.197 € (50.000 € abzüglich wirksam aufgerechneter 4.802,82 €) zu mindern. Das Finanzgericht ([X.]), dessen Begründung in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2017, 897 mitgeteilt ist, wies die Klage als unbegründet ab.

9

Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er rügt die Verletzung materiellen Bundesrechts durch das [X.] in Gestalt des § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG.

Unter Verweis auf das Senatsurteil vom 16.12.2014 - VIII R 19/12 ([X.], 74, [X.], 643) führt er im Wesentlichen aus, vor der [X.] habe er die Zahlungen aufgrund des Prozessvergleichs im Namen und für Rechnung der [X.]n Mandantin vereinnahmt. Das Fremdgeld habe seine Eigenschaft als durchlaufender Posten [X.] von § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG nicht verloren, weil er in Höhe des nicht wirksam aufgerechneten Betrags von 45.197 € zivilrechtlich weiter zur Herausgabe des Fremdgelds an die Mandantin verpflichtet geblieben sei. Die für einen durchlaufenden Posten notwendige Verklammerung zwischen Einnahme und Ausgabe sei nicht durch die Abgabe der (zum Teil ins Leere gehenden) [X.] gelöst worden.

Folge man dem nicht, habe er durch den Wegfall der Voraussetzungen eines durchlaufenden Postens den Tatbestand der Einkünfteerzielung nicht verwirklicht. Er habe die Verklammerung zwischen dem Fremdgeld und dessen künftiger Verausgabung durch die rechtsirrtümliche Aufrechnung mit zu hohen Honorarforderungen gelöst, was den objektiven Straftatbestand der Untreue gemäß § 266 Abs. 1 des Strafgesetzbuchs (StGB) erfülle.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des [X.] Rheinland-Pfalz vom 22.03.2017 - 2 K 2100/15 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2011 vom 14.03.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.09.2015 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus selbständiger Arbeit um 45.197 € reduziert werden.

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

Das [X.] ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger im Streitjahr einen Gewinn aus seiner anwaltlichen Tätigkeit in Höhe von 77.505 € erzielt hat.

Bei dem für die [X.] Mandantin aufgrund des Prozessvergleichs vereinnahmten [X.] handelt es sich um eine Betriebseinnahme (s. unter [X.]). Das [X.] hat zutreffend entschieden, dass diese Betriebseinnahme in Höhe des streitigen Betrags von 45.197 € nicht als durchlaufender Posten gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG aus der Gewinnermittlung auszuscheiden ist, sondern den Gewinn des [X.] im Streitjahr erhöht (s. unter II.2.).

1. Das für Rechnung und im Namen der [X.]n Mandantin vereinnahmte [X.] ist eine Betriebseinnahme aus der anwaltlichen Tätigkeit des [X.].

Betriebseinnahmen sind in Anlehnung an § 8 Abs. 1 und § 4 Abs. 4 EStG alle Zugänge in Geld oder Geldeswert, die durch den Betrieb veranlasst sind. Die betriebliche Veranlassung der Vereinnahmung des [X.]s durch die anwaltliche Tätigkeit des [X.] steht im Streitfall außer Frage. Es besteht ein nicht nur äußerlicher, sondern sachlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang zur anwaltlichen Tätigkeit (vgl. zu diesen Voraussetzungen Senatsurteil vom 30.11.2016 - VIII R 41/14, [X.], 1180, Rz 16, m.w.N.). Der Kläger hat auch die für eine Betriebseinnahme notwendige wirtschaftliche Verfügungsmacht über das [X.] erlangt, indem er es auf einem Kanzleikonto vereinnahmt hat (Senatsbeschluss vom 17.10.2012 - VIII S 16/12, [X.], 32, Rz 23; Senatsurteil in [X.], 74, [X.], 643, Rz 20 f.; vgl. auch Urteil des [X.] --BFH-- vom 15.05.1974 - I R 255/71, [X.], 381, [X.] 1974, 518 [Rz 8]).

2. Das [X.] hat zutreffend entschieden, dass der streitige Betrag in Höhe von 45.197 € nicht als durchlaufender Posten gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG aus der Gewinnermittlung für das Streitjahr auszuscheiden ist, sondern den Gewinn des [X.] im Streitjahr erhöht.

a) Steuerpflichtige, die --wie der [X.] nicht auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen und die auch keine Bücher führen und keine Abschlüsse machen, können gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG als Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen. Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG scheiden aus der Gewinnermittlung im Wege der Einnahmen-Überschuss-Rechnung solche Betriebseinnahmen und -ausgaben aus, die im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt werden (durchlaufende Posten).

Der Begriff des durchlaufenden Postens erfasst die Einnahme und die entsprechende Ausgabe als Gesamttatbestand. Voraussetzung für die Beurteilung zu- und abfließender Geldbeträge als durchlaufender Posten in der Einnahmen-Überschuss-Rechnung ist die Verklammerung von Einnahme und Ausgabe zu einem einheitlichen Vorgang, d.h. es müssen beide Geldbewegungen in fremdem Namen und für fremde Rechnung geschehen (BFH-Urteile vom 18.12.1975 - IV R 12/72, [X.], 307, [X.] 1976, 370, unter 2., und vom 19.02.1975 - I R 154/73, [X.], 129, [X.] 1975, 441 [Rz 9]; Senatsbeschluss in [X.], 32, Rz 15; Senatsurteile in [X.], 74, [X.], 643, Rz 19, und vom 20.07.1982 - VIII R 143/77, [X.], 262, [X.] 1983, 196; zur Behandlung durchlaufender Posten im Rahmen der Bilanzierung s. BFH-Urteil vom 15.05.2008 -IV R 25/07, [X.], 169, [X.] 2008, 715, unter II.3.). Sind beide Geldbewegungen in dieser Weise miteinander verklammert, scheiden sie bei der Einnahmen-Überschuss-Rechnung aus Vereinfachungsgründen aus der Ermittlung des Betriebsergebnisses aus, da sie wirtschaftlich betrachtet nicht in das Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen gelangen (Kanzler in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 4 EStG Rz 610).

Danach ist nur der von dem Kläger an die [X.] Mandantin in Höhe von 240.000 € weitergeleitete Betrag als durchlaufender Posten gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG aus der Gewinnermittlung auszuscheiden.

b) Dagegen handelt es sich bei dem vom Kläger im Namen und für Rechnung der [X.]n Mandantin vereinnahmten Betrag in Höhe von 50.000 € nicht um einen durchlaufenden Posten i.S. des § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG, da der Kläger den Willen zur Weiterleitung des Gelds durch die [X.] nach außen erkennbar aufgegeben hat.

aa) Wird eine Einnahme in fremdem Namen und für fremde Rechnung in Empfang genommen --hier der [X.] von 50.000 €-- kann dies allein keinen durchlaufenden Posten i.S. des § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG begründen, weil es an der erforderlichen Verausgabung des Betrags in fremdem Namen und für fremde Rechnung fehlt (BFH-Urteil in [X.], 307, [X.] 1976, 370, unter 2. [Rz 17]; [X.]/Kanzler, § 4 EStG Rz 611 f.).

bb) Ein im fremden Namen und für fremde Rechnung vereinnahmter Geldbetrag ist aber solange nicht als Betriebseinnahme in die Ermittlung des Betriebsergebnisses gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG einzubeziehen, bis feststeht, dass er nicht mehr Bestandteil eines durchlaufenden Postens gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG sein kann. Die Vereinnahmung und Verausgabung von Geldbeträgen, die zusammen einen durchlaufenden Posten i.S. des § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG bilden, kann in verschiedene Gewinnermittlungszeiträume fallen. Erstreckt sich die Vereinnahmung und Verausgabung über mehrere Gewinnermittlungszeiträume, ist für die Verklammerung beider Geldbewegungen zu einem einheitlichen Vorgang erforderlich, dass zwischen dem [X.] (dem Steuerpflichtigen) und dem [X.] durchgehend eine unmittelbare, nach außen erkennbare Rechtsbeziehung besteht, nach der der Steuerpflichtige zur Weiterleitung des [X.]s schuldrechtlich verpflichtet ist und er bis zur Verausgabung an den Berechtigten den Willen zur Weiterleitung des Gelds nicht nach außen erkennbar aufgibt (vgl. BFH-Urteil vom 24.02.1966 - V 135/63, [X.], 145, [X.]I 1966, 263; Senatsurteil in [X.], 74, [X.], 643, Rz 19; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], Kommentar, §§ 4, 5 Rz 1555; [X.]/Kanzler, § 6 EStG Rz 611 am Ende; vgl. auch [X.]/[X.], EStG, 39. Aufl., § 4 Rz 404; [X.]/[X.], § 4 EStG Rz 188).

cc) Die Möglichkeit, dass das vereinnahmte [X.] Bestandteil eines durchlaufenden Postens sein konnte, wurde im Streitfall nicht von vornherein dadurch ausgeschlossen, dass der Kläger das [X.] --ggf. entgegen § 43a Abs. 5 der Bundesrechtsanwaltsordnung und § 4 der Berufsordnung für Rechtsanwälte berufsrechtswidrig-- nicht auf einem separaten [X.]konto vereinnahmt und verwahrt, sondern untrennbar mit sonstigen Geldzuflüssen auf einem seiner gemischt genutzten Konten vermischt hat.

Der Kläger hat das [X.] zunächst nach außen erkennbar für die [X.] Mandantin entgegen genommen, für diese verwahrt und der Mandantin gegenüber seine Weiterleitungsverpflichtung anerkannt (s. zu diesen Voraussetzungen Senatsurteil in [X.], 74, [X.], 643, Rz 22). Die [X.] Mandantin musste bis zur Abgabe der [X.] des [X.] somit nicht davon ausgehen, der Kläger wolle das Geld einbehalten.

c) Indem der Kläger im Streitjahr in Höhe eines Betrags von 50.000 € die Aufrechnung mit eigenen Honorarforderungen gegen den Herausgabeanspruch der [X.]n Mandantin erklärt hat, hat er die Verklammerung des [X.]s mit einer künftigen Verausgabung an den [X.] (die [X.] Mandantin) endgültig gelöst.

aa) Bestreitet der Steuerpflichtige nach der Vereinnahmung von Geld in fremdem Namen und für fremde Rechnung nach außen erkennbar den Weiterleitungsanspruch des [X.] und macht geltend, er dürfe über diese Beträge wie bei einer im eigenen Namen und für eigene Rechnung zugeflossenen Einnahme verfügen, löst er die für einen durchlaufenden Posten i.S. des § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG erforderliche durchgehende Verklammerung mit einer späteren Ausgabe im Namen und für Rechnung des Berechtigten auf (vgl. zur Anmaßung von Eigenmacht am [X.] auch Senatsbeschluss in [X.], 32, Rz 19; Urteil des [X.] Köln vom 05.06.2014 - 15 K 2605/12, E[X.] 2014, 1768, Rz 18, 20; [X.]/[X.], § 4 EStG Rz 188 am Ende). Dies ist hier der Fall.

bb) Der Kläger hat den Herausgabeanspruch der [X.]n Mandantin in Höhe der zur Aufrechnung gestellten Honorarforderungen als erloschen behandelt und dies der Mandantin gegenüber auch zum Ausdruck gebracht. Er hat das [X.] nicht mehr für fremde Rechnung verwahrt, sondern als ihm zustehende Honorareinnahme behandelt. Ihm ging es darum, durch die Aufrechnung die gegenüber der Mandantin für seine anwaltlichen Leistungen abgerechneten Honorare beizutreiben.

d) Mit der Auflösung der Verklammerung wurde die rechtliche Behandlung des vom Kläger in fremdem Namen und für fremde Rechnung vereinnahmten Geldbetrags in Höhe von 50.000 € als durchlaufender Posten unzutreffend. Betriebseinnahmen, die wegen Wegfalls der Voraussetzungen nicht mehr nach § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG aus der Ermittlung des Gewinns "ausscheiden", sind bei der Ermittlung des Betriebsergebnisses (des Gewinns) wieder zu berücksichtigen (Senatsbeschluss in [X.], 32, Rz 23; zustimmend [X.]/[X.], a.a.[X.], § 4 Rz 404; [X.]/[X.], § 4 EStG Rz 188 am Ende; [X.], § 11 EStG Rz 47 "Aufrechnung"; vgl. auch [X.] Köln in E[X.] 2014, 1768, sowie [X.]/Kanzler, § 4 EStG Rz 615 "Honorareinnahmen"), es sei denn, dem stehen überlagernde Gesichtspunkte wie im Senatsurteil in [X.], 74, [X.], 643 entgegen.

e) Die durchgehend bestehende rechtliche Verpflichtung des [X.], 45.197 € an die [X.] Mandantin zahlen zu müssen, steht dem nicht entgegen. Der Kläger hat in Höhe von 45.197 € unwirksam mit nicht bestehenden Honorarforderungen gegen den Herausgabeanspruch der [X.]n Mandantin aufgerechnet. Entgegen seiner Auffassung hat die fortbestehende zivilrechtliche Herausgabepflicht allein nicht zur Folge, dass für das [X.] die Verklammerung zwischen Einnahme und Ausgabe fortbestanden hat. Unerheblich ist ferner, dass die aus dem Wegfall der Verklammerung folgende Betriebseinnahme mit einer Rückzahlungsverpflichtung belastet ist.

aa) Der Senat hat im Senatsurteil in [X.], 74, [X.], 643 (Rz 25) zwar ausgeführt, die Absicht, [X.] mit eigenen Mitteln auf Kanzleikonten zu vermischen und für eigene Zwecke zu verwenden stellten dessen Behandlung als durchlaufender Posten nicht in Frage, weil der dortige Kläger "ungeachtet dessen zur Weiterleitung der [X.]er" an den Berechtigten schuldrechtlich verpflichtet geblieben sei. Diese Aussage ist aber im Kontext der Senatsentscheidung zu verstehen. Der Kläger des [X.] in [X.], 74, [X.], 643 leugnete weder die gegenüber dem [X.] (dem Mandanten) bestehende schuldrechtliche Herausgabeverpflichtung noch gab er seine Weiterleitungsabsicht für den Mandanten nach außen erkennbar auf. Dem Senatsurteil ist damit die Aussage zu entnehmen, dass trotz einer abredewidrigen Verwendung von [X.] eine Verklammerung fortbestehen kann, wenn eine schuldrechtliche Verpflichtung zur Weitergabe besteht und der Wille des Steuerpflichtigen, das Geld an den Berechtigten weiterzuleiten, bis zur Verausgabung nicht nach außen erkennbar aufgegeben wird. Anders ist dies im Streitfall, in dem der Kläger durch seine [X.] den Willen zur Weiterleitung des Gelds nach außen erkennbar aufgegeben hat (s. unter II.2.c).

bb) Das endgültige "Behaltendürfen" eines vereinnahmten oder --wie hier-- dem steuerpflichtigen Betriebsvermögen zugeordneten Betrags ist nicht Merkmal des Zuflusses einer Betriebseinnahme (Senatsurteil vom 02.08.2016 - VIII R 4/14, [X.], 422, [X.] 2017, 310, Rz 21, m.w.N.). Dies gilt auch, wenn der Steuerpflichtige bereits im [X.] einer drohenden Rückzahlungsverpflichtung unterliegt (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 22.11.1962 - IV 179/59 U, [X.], 358, [X.]I 1963, 132, und vom 30.01.1975 - IV R 190/71, [X.], 559, [X.] 1975, 776). Erst die tatsächliche Rückzahlung einer zuvor vereinnahmten Zahlung führt zu einer Betriebsausgabe im [X.] (BFH-Urteile in [X.], 559, [X.] 1975, 776, und vom 13.10.1989 - III R 30, 31/85, [X.], 123, [X.] 1990, 287, unter [X.] cc). Danach steht auch die durch das rechtskräftige Urteil des [X.] gegenüber der [X.]n Mandantin bestätigte Zahlungsverpflichtung des [X.] in Höhe von 45.197 € der Annahme einer Betriebseinnahme durch den Wegfall der Verklammerung im Streitjahr nicht entgegen.

f) Das vorliegende Verhalten des [X.] ist auch nicht mit dem Sachverhalt im Streitfall des [X.] in [X.], 74, [X.], 643 vergleichbar, bei dem eine strafbare Untreue (§ 266 Abs. 1 StGB) vorlag und eine Entnahme des [X.]s außerhalb des Tatbestands der Einkünfteerzielung erfolgte.

aa) Der Senat hat im Senatsurteil in [X.], 74, [X.], 643 eine Entnahme des [X.]s direkt aus dem [X.] ohne Durchgang als Betriebseinnahme durch das Betriebsvermögen des [X.] bejaht, weil dort der Kläger wie ein fremder Dritter "in die Kasse" seines Unternehmens gegriffen hatte und die Vereinnahmung des [X.]s außerhalb des Tatbestands der Einkünfteerzielung lag (Senatsurteil in [X.], 74, [X.], 643; vgl. [X.], [X.] 2015, 720, 722; [X.]/[X.], § 4 EStG Rz 188; [X.]/Kanzler, § 4 EStG Rz 613).

bb) Im vorliegenden Streitfall wurde der Wegfall der Verklammerung nicht durch einen strafbaren Zugriff des [X.] auf das [X.] verwirklicht. Die Aufrechnung des [X.] mit eigenen Honoraransprüchen gegen den Herausgabeanspruch der [X.]n Mandantin erfüllt nicht den Tatbestand der Untreue gemäß § 266 Abs. 1 StGB.

Eine strafbare Untreue gemäß § 266 Abs. 1 StGB wird mangels Vermögensnachteils nicht verwirklicht, wenn ein Rechtsanwalt einen fälligen Gegenanspruch gegen das von ihm treuhänderisch verwaltete Vermögen hat und hierüber in entsprechender Höhe zu eigenen Gunsten verfügt, so dass der Treugeber von einer bestehenden Verbindlichkeit befreit wird (zur Zulässigkeit der Aufrechnung s. Urteil des [X.] --BGH-- vom 12.09.2002 - IX ZR 66/01, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2003, 140, unter [X.] aa). Voraussetzung für das Fehlen eines Vermögensnachteils des Mandanten ist, dass die Aufrechnung mit eigenen Forderungen des Rechtsanwalts gegen den Herausgabeanspruch oder die abredewidrige Verwendung von Mandantengeldern nicht mit dem Vorsatz einer rechtswidrigen Bereicherung erfolgt ([X.] vom 26.11.2019 - 2 StR 588/18, [X.], 1689, Rz 13, 23 ff., m.w.N., und vom 24.07.2014 - 2 StR 221/14, Neue Zeitschrift für Strafrecht --NStZ-- 2015, 277, Rz 8; vgl. auch [X.], [X.], 498, 500, m.w.N.). Honoraransprüche eines Rechtsanwalts können somit grundsätzlich einen Vermögensnachteil ausschließen, wenn die Verwendung der Mandantengelder nicht mit dem Vorsatz rechtswidriger Bereicherung erfolgt, sondern dem Zweck dient, bestehende Honoraransprüche zu befriedigen ([X.] in [X.], 1689, Rz 21 ff.). Im Streitfall hat der Kläger die Aufrechnung mit seinen abgerechneten Honorarforderungen nicht in der Absicht erklärt, sich rechtswidrig zu bereichern. Bei Abgabe der [X.] im Rahmen seiner Klageerwiderung vor dem [X.] ging er davon aus, dass ihm Honoraransprüche in Höhe des aufgerechneten Betrags zustünden.

3. Der Senat entscheidet aufgrund des Verzichts der Beteiligten auf mündliche Verhandlung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 [X.]O). Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VIII R 14/17

29.09.2020

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 22. März 2017, Az: 2 K 2100/15, Urteil

§ 4 Abs 3 S 1 EStG 2009, § 4 Abs 3 S 2 EStG 2009, § 266 StGB, § 8 Abs 1 EStG 2009, § 11 Abs 1 EStG 2009, EStG VZ 2011

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 29.09.2020, Az. VIII R 14/17 (REWIS RS 2020, 3613)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3613

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

1 StR 10/22

Zitiert

2 StR 221/14

IX ZR 66/01

Zitieren mit Quelle:
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