Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.12.2014, Az. VIII R 19/12

8. Senat | REWIS RS 2014, 331

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Gegenstand

Behandlung der durch einen Rechtsanwalt veruntreuten Fremdgelder in der Einnahmenüberschussrechnung


Leitsatz

1. Verwendet ein Rechtsanwalt Fremdgelder, die er in fremdem Namen und für fremde Rechnung beigetrieben hat, für eigene Zwecke, verlieren diese nicht die Eigenschaft als durchlaufende Posten und sind im Rahmen der Einnahmenüberschussrechnung nicht in die Gewinnermittlung einzubeziehen .

2. Veruntreute Fremdgelder stellen auch dann keine steuerbaren Einnahmen für die Tätigkeit des Rechtsanwalts im Rahmen der Einkünfte aus selbständiger Arbeit oder der Einkünfte aus Gewerbebetrieb dar, wenn der Rechtsanwalt diese kontinuierlich und planmäßig über mehrere Jahre hinweg einsetzt, um Betriebsausgaben oder Kosten der privaten Lebensführung zu bestreiten .

Tenor

Auf die Revision der Kläger werden das Urteil des [X.] vom 29. Februar 2012  1 K 1342/09, die Einspruchsentscheidung des [X.] vom 25. Juni 2009 und die Einkommensteuerbescheide des [X.] für die Streitjahre 1996 bis 2001 (jeweils vom 22. April 2008) aufgehoben.

Die Einkommensteuer der Streitjahre 2002 bis 2005 wird unter Abänderung der Einkommensteuerbescheide 2002 bis 2005 des [X.] (jeweils vom 22. April 2008) auf den Betrag festgesetzt, der sich bei Minderung der Einkünfte des [X.] aus selbständiger Arbeit um 3.991 [X.] (2002), 28.851 [X.] (2003), 32.640 [X.] (2004) und 40.264 [X.] (2005) ergibt.

Die Berechnung der Steuer wird dem [X.] übertragen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die in den Streitjahren 1996 bis 2005 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger erzielte als Rechtsanwalt Einkünfte aus selbständiger Arbeit gemäß § 18 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Er ermittelte seinen Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG).

2

Ein bedeutender Mandant des [X.] war [X.]. Für diese Verrechnungsstelle übernahm der Kläger die Beitreibung ärztlicher Honorare gegenüber säumigen [X.]atienten. Er forderte bei den [X.]atienten neben dem Rechnungsbetrag des jeweiligen Arztes sowohl sein [X.] gegenüber [X.] als auch seine Auslagen an.

3

Zahlungen der [X.]atienten wurden auf den Geschäftskonten des [X.] vereinnahmt. Anderkonten für [X.] führte er nicht.

4

Der Kläger verbuchte eingehende Zahlungen der [X.]atienten zunächst als Erstattung seiner Auslagen auf seinem Auslagenkonto und als Zahlungen auf das [X.] auf seinem Erlöskonto. Die darüber hinaus eingehenden und an [X.] weiterzuleitenden [X.] verbuchte der Kläger in der Weise, dass er eine Gegenbuchung auf einem internen Verbindlichkeitskonto [X.] (Konto 55601) "im Haben" vornahm. Tatsächlich an [X.] weitergeleitete [X.] wurden auf diesem Konto "im Soll" gebucht. Im Streitjahr 2005 buchte der Kläger eingehende [X.], die nicht [X.] betrafen, auf zwei weiteren als "[X.]" bezeichneten Buchhaltungskonten (Konto 57601 und Konto 58801). Hierbei handelt es sich um Beträge zum 31. Dezember 2005 in Höhe von 1.302,99 € (Konto 57601) und 10.000 € (Konto 58801).

5

Zwischen [X.] und dem Kläger bestand die mündliche Abrede, dass der Kläger beigetriebene Geldbeträge erst dann an [X.] weiterzuleiten habe, wenn sie entweder vollständig eingegangen seien oder --sofern die [X.]atienten die Forderungen nur teilweise [X.], wenn eine weitere Beitreibung endgültig aussichtslos war.

6

Im Rahmen einer Außenprüfung, die zunächst für die Streitjahre 2003 bis 2005 durchgeführt wurde, traf die [X.]rüferin die Feststellung, die eingegangenen und an [X.] weiterzuleitenden [X.] hätten [X.] auf den betrieblichen Bankkonten des [X.] verringert. Auf dem Verbindlichkeitenkonto [X.] seien in den Streitjahren gleichzeitig die [X.], die der Kläger als an [X.] weiterzuleitende Beträge verbucht habe, stetig angestiegen. Diese "Bestandsveränderungen" auf dem Verbindlichkeitenkonto [X.] (als Saldo aus den an [X.] in den Streitjahren ausgekehrten Beträgen und den noch an [X.] weiterzuleitenden [X.]n) zeige, dass der Kläger die [X.] verwendet habe, um hieraus Betriebsausgaben und Lebenshaltungskosten zu bestreiten.

7

Die Außenprüferin behandelte die Bestandsveränderungen auf dem Fremdverbindlichkeitskonto [X.] sowie die Erhöhungen auf den beiden weiteren Fremdgeldkonten im Streitjahr 2005 als nicht erklärte Betriebseinnahmen des [X.]. Dem Kläger wurden daraufhin am 15. November 2007 die Erweiterung der [X.]rüfung auf die Streitjahre 1996 bis 2002 und die Einleitung des Steuerstrafverfahrens bekannt gegeben. Die [X.]rüferin ging in den Streitjahren von weiteren Einkünften des [X.] aus selbständiger Arbeit in Höhe von 14.759,83 DM (1996), 5.128,93 DM (1997), 52.333,40 DM (1998), 47.993,16 DM (1999), [X.] DM (2000), 20.202,55 DM (2001), 3.990,99 € (2002), 28.850,82 € (2003), 32.640,05 € (2004) und 40.264 € (2005) aus.

8

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) folgte dem und erließ am 22. April 2008 geänderte Einkommensteuerbescheide für alle Streitjahre. Es stützte die Änderungen für die Jahre 1996 bis 2000 auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung ([X.]) und für die Jahre 2001 bis 2005 auf § 164 Abs. 2 [X.]. Da der Kläger den Tatbestand der vorsätzlichen Steuerhinterziehung in den Streitjahren erfüllt habe, ging das [X.] von einer verlängerten Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 [X.] für die Streitjahre 1996 bis 2001 aus. Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos.

9

Das Finanzgericht ([X.]) stellte auf Grundlage eines beigezogenen Sachverständigengutachtens aus dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren fest, der Kläger habe von den [X.] Arztrechnungen der Jahre 1997 bis 2010 insgesamt 1 612 Fälle endgültig erledigt und diese Akten weggelegt. Er habe in diesen Verfahren 86.647,78 € an [X.]atientengeldern vereinnahmt und hiervon 86.169,65 € an [X.] tatsächlich weitergeleitet (nicht weitergeleiteter Differenzbetrag 478,13 €). Weitere 821 Beitreibungen aus den Jahren 1994 bis 2005 seien aus Sicht des [X.] "noch in Bearbeitung" gewesen. Aus diesen Verfahren habe er 235.773,17 € auf seinem Geschäftskonto vereinnahmt, hiervon 22.079,34 € an [X.] weitergeleitet und 213.693,83 € einbehalten. Ein kalenderjahrbezogener Abgleich der Geldeingänge in Bezug auf die [X.] Forderungen der Ärzte war nach Auffassung des [X.] anhand des Gutachtens jedoch nicht möglich, da der Sachverständige die Zahlungseingänge und die nicht an [X.] weitergeleiteten Beträge auftragsbezogen ermittelt hatte. Die zunächst im Namen von [X.] vereinnahmten [X.] seien keine durchlaufenden [X.]osten gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG und damit als Betriebseinnahmen in die Gewinnermittlung der Streitjahre einzubeziehen. Das [X.] schätzte die vom Kläger abredewidrig einbehaltenen und für eigene Zwecke verbrauchten [X.] auf 90 % der vom [X.] angesetzten [X.] nach der Außenprüfung. Die Entscheidung des [X.] vom 29. Februar 2012  1 K 1342/09 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2012, 1328 veröffentlicht.

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung des § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG und von § 169 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 370 [X.] durch das [X.]. Der Kläger sei in den Streitjahren zwar zur Weiterleitung der [X.] verpflichtet gewesen. Er habe diese jedoch bei Vereinnahmung zutreffend als durchlaufende [X.]osten außerhalb der Gewinnermittlung behandelt und erst nachträglich veruntreut. Er habe auch nicht vorsätzlich Steuern verkürzt. Ein Vorsatz hinsichtlich der Untreue sei nicht einem Vorsatz der Steuerhinterziehung gleichzusetzen.

Die Kläger beantragen,
das angefochtene Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide 1996 bis 2001 (jeweils vom 22. April 2008) in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2009 aufzuheben sowie die Einkommensteuerbescheide 2002 bis 2005 (jeweils vom 22. April 2008) in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2009 in der Weise zu ändern, dass die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit ohne die vom [X.] als Betriebseinnahmen behandelten [X.] angesetzt werden.

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Das [X.] verteidigt die Vorentscheidung. Die Voraussetzungen für die Behandlung der [X.] als durchlaufende [X.]osten seien jeweils in dem Moment entfallen, in dem der Kläger fällige Beträge bewusst nicht an [X.] weitergeleitet habe. In diesem Zeitpunkt seien die Beträge als Betriebseinnahmen zu erfassen. Der Kläger habe schon bei Vereinnahmung der [X.] auf seinem Geschäftskonto gegen seine anwaltlichen [X.]flichten aus § 43a Abs. 5 der Bundesrechtsanwaltsordnung verstoßen. Er habe bewusst keine Fremdgeldkonten geführt, um die zufließenden Beträge von den übrigen betrieblichen Zahlungseingängen zu separieren, sondern habe die eingehenden Gelder mit deren Zufluss "wie eigenes Geld" behandelt und verbraucht. Dies führe zu steuerpflichtigen Betriebseinnahmen in Höhe der veruntreuten Beträge im Rahmen der selbständigen Tätigkeit.

Der Kläger habe die Einkommensteuer in den Streitjahren auch vorsätzlich verkürzt. Er habe über alle Streitjahre hinweg Geldbeträge veruntreut, indem er die [X.] [X.] auf seinen betrieblichen Bankkonten zur Deckung von [X.] vereinnahmt und von diesen Konten zur Bestreitung seiner Ausgaben verwendet habe. Als Rechtsanwalt sei dem Kläger die Strafbarkeit seiner Handlungen bewusst gewesen.

Während des Revisionsverfahrens hat der Senat mit Beschluss vom 17. Oktober 2012 VIII S 16/12 ([X.]NV 2013, 32) einem Antrag der Kläger auf Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuer für die Streitjahre stattgegeben.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

1. Der Kläger hat die im Namen von [X.] und die im Streitjahr 2005 zugunsten anderer Mandanten vereinnahmten [X.] im Zeitpunkt des Zuflusses zu Recht als durchlaufende [X.]osten gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG behandelt.

a) Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG scheiden Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben bei der Gewinnermittlung im Wege der Einnahmenüberschussrechnung aus, die im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt werden (durchlaufende [X.]osten).

aa) Voraussetzung eines zufließenden Geldbetrags als durchlaufender [X.]osten ist die Verklammerung von Einnahme und Ausgabe zu einem einheitlichen Vorgang, d.h. es müssen beide Geldbewegungen, die Vereinnahmung und Verausgabung, in fremdem Namen und für fremde Rechnung geschehen (Entscheidungen des [X.] --[X.]-- vom 18. Dezember 1975 IV R 12/72, [X.], 307, [X.] 1976, 370, unter 2.; vom 20. Juli 1982 VIII R 143/77, [X.], 262, [X.] 1983, 196; in [X.], 32, unter Rz 15; vom 15. Mai 2008 IV R 25/07, [X.], 169, [X.] 2008, 715, unter II.3.). Hierfür ist notwendig und ausreichend, dass zwischen dem [X.] und dem Steuerpflichtigen unmittelbare, nach außen erkennbare Rechtsbeziehungen bestehen und sich der Steuerpflichtige im Zeitpunkt der Vereinnahmung dem Grunde und der Höhe nach zur Weiterleitung des eingehenden Betrags an den Berechtigten verpflichtet hat (Kanzler in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 4 EStG Rz 612).

bb) [X.], die als durchlaufende [X.]osten in das Eigentum des Steuerpflichtigen --hier durch Vereinnahmung auf einem allgemeinen Kanzleikonto des [X.] gelangen und zu deren Weitergabe dieser schuldrechtlich verpflichtet ist, sind Betriebseinnahmen und werden auch bei der Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung Bestandteil des Betriebsvermögens des Steuerpflichtigen (noch offengelassen im [X.]surteil in [X.], 262, [X.] 1983, 196, unter [X.]; siehe nunmehr [X.]sbeschluss in [X.], 32, unter Rz 23 bis 25; [X.] in [X.], EStG, 14. Aufl., § 4 Rz 140; [X.]/[X.], EStG, 34. Aufl., § 4 Rz 388; zur Gewinnermittlung durch [X.] siehe [X.]-Urteil vom 4. November 2004 III R 5/03, [X.], 162, [X.] 2005, 277, unter II.2.a).

cc) Betriebseinnahmen i.S. des § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG sind jedoch bei der Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung kraft gesetzlicher Anordnung in § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG nicht als gewinnerhöhende Einnahmen oder gewinnmindernde Ausgaben zu erfassen (siehe dazu auch [X.]-Urteil vom 15. Mai 1974 I R 255/71, [X.], 381, [X.] 1974, 518, zur Nichtberücksichtigung durchlaufender [X.]osten im Rahmen eines Übergangsgewinns beim Wechsel zum [X.]). Denn bei Betriebseinnahmen und -ausgaben i.S. des § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG, die den Gewinn beeinflussen, muss es sich um wirtschaftlich endgültige Geldzu- und -abgänge handeln (vgl. [X.]-Urteile vom 18. Juli 1968 I 224/65, [X.], 233, [X.] 1968, 737, nach dem eine erhaltene Zahlung mit der Verpflichtung, sie an einen Dritten weiterzuleiten, "wirtschaftlich" nicht in das Betriebsvermögen gelangt und deshalb nicht als Betriebseinnahme anzusehen ist; vom 19. Februar 1975 I R 154/73, [X.], 129, [X.] 1975, 441; in [X.], 307, [X.] 1976, 370, unter 2., zur fehlenden Einnahmenqualität der von Mandanten an einen Rechtsanwalt erstatteten [X.], und in [X.], 262, [X.] 1983, 196, unter [X.]).

b) [X.], die der Steuerpflichtige in fremdem Namen und für fremde Rechnung auf Grundlage einer Inkassovollmacht --wie der [X.] vereinnahmt hat, sind auch dann als durchlaufende [X.]osten zu behandeln, die den Gewinn nicht beeinflussen, wenn der Steuerpflichtige diese Gelder bewusst nicht auf einem Anderkonto, sondern auf seinem betrieblichen Geschäftskonto vereinnahmt, um dessen [X.] auszugleichen, oder wenn er bereits bei der Vereinnahmung beabsichtigt, diese Beträge für eigene Zwecke zu verbrauchen. Auch wenn die aufgrund der Inkassovollmacht für fremde Rechnung vereinnahmten Gelder abredewidrig oder mit Erlaubnis des Berechtigten dem Kassenbestand hinzugefügt oder auf Konten des Steuerpflichtigen überwiesen werden, wird der Steuerpflichtige zwar verfügungsbefugt, bleibt aber schuldrechtlich verpflichtet, den Gegenwert herauszugeben (siehe [X.]-Urteile in [X.], 381, [X.] 1974, 518; in [X.], 169, [X.] 2008, 715, unter II.3.). Die Weitergabeverpflichtung entfällt im Hinblick auf das Fremdgeld nicht dadurch, dass der Steuerpflichtige von vornherein beabsichtigt, das Fremdgeld nicht auszukehren oder nach dessen Zufluss den Entschluss fasst, dieses für eigene Zwecke zu verwenden, sodass auch in diesen Fällen das Fremdgeld nicht als steuerpflichtige Betriebseinnahme zu behandeln ist (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 169, [X.] 2008, 715, unter II.3.e).

c) Die dem Kläger in den Streitjahren zugeflossenen [X.], die er mit Eigenmitteln auf seinen Geschäftskonten vermischt und für eigene Zwecke verwendet hat, sind danach im Streitfall als durchlaufende [X.]osten und nicht als steuerpflichtige Betriebseinnahmen zu behandeln (siehe auch bereits [X.]sbeschluss in [X.], 32, unter Rz 15).

aa) Der Kläger zog im Auftrag von [X.] auf der Grundlage seiner Inkassovollmacht nach außen für die [X.]atienten erkennbar --und im Streitjahr 2005 für andere [X.] fremde Forderungen ein. Er hatte mit [X.] die Abrede getroffen, zugeflossene [X.] seien erst an [X.] weiterzuleiten, wenn die zugrunde liegenden Forderungen vollständig beigetrieben oder endgültig ausgefallen seien. Damit sollten dem Kläger als dem von seinen Mandanten Beauftragten bis zur Fälligkeit seiner Herausgabeverpflichtung die vereinnahmten [X.] zur Verfügung stehen (siehe zu den Vertragsbeziehungen zwischen [X.] und dem Berechtigten auch das [X.]-Urteil in [X.], 169, [X.] 2008, 715, unter [X.]). Dies genügt den oben unter [X.]a und b dargelegten Anforderungen für die Behandlung der zugeflossenen [X.] als durchlaufende [X.]osten gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG.

bb) Zudem hat das [X.] festgestellt, der Kläger sei bei 1612 übernommenen Beitreibungen für [X.] seiner Weiterleitungsverpflichtung bis auf einen geringen Betrag nachgekommen und habe bei 821 Beitreibungen für [X.] [X.] bei Fälligkeit absichtlich nicht an [X.] weitergeleitet. Nach den weiteren Feststellungen des [X.] wollte der Kläger die zufließenden [X.] schon bei deren Zufluss mit eigenen Mitteln auf dem betrieblichen Kanzleikonto vermischen und hat die auszukehrenden [X.] lediglich durch deren internen Ausweis auf dem Verbindlichkeitenkonto [X.] (sowie im Streitjahr 2005 auf den weiteren [X.]) von seinen Eigenmitteln der Höhe nach abgegrenzt. Die Absicht des [X.], das Fremdgeld mit eigenen Mitteln auf den Kanzleikonten zu vermischen und das Fremdgeld in großem Umfang für eigene Zwecke zu verwenden, sowie der Verbrauch des Fremdgelds für eigene Zwecke stellen dessen Behandlung als durchlaufender [X.]osten jedoch nicht in Frage, denn der Kläger blieb ungeachtet dessen zur Weiterleitung der [X.] an [X.] und die sonstigen Berechtigten verpflichtet (siehe hierzu oben unter [X.]b).

2. Entgegen der Auffassung des [X.] und des [X.] führt auch die widerrechtliche Verwendung der [X.] durch den Kläger für eigene Zwecke für sich betrachtet nicht zu steuerbaren Einkünften in Höhe der veruntreuten Beträge.

a) Allerdings hat sich der Kläger der [X.], die er an [X.] und seine weiteren Mandanten auszukehren hatte, widerrechtlich bemächtigt. Er hat --was vom [X.] festgestellt und zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist-- auf das beigetriebene Fremdgeld zugegriffen und dieses zur Finanzierung des eigenen Lebensstandards und von Betriebsausgaben verbraucht. Im Zeitpunkt der Außenprüfung (nach den Streitjahren) verfügte er nicht mehr über ausreichende Liquidität, um seine Auskehrungsverpflichtungen gegenüber [X.] und den übrigen Mandaten erfüllen zu können. Seine betrieblichen Konten wiesen zu diesem Zeitpunkt [X.] aus (siehe schon [X.]sbeschluss in [X.], 32, unter Rz 20 f.). Indem der Kläger das weiterzuleitende Fremdgeld für eigene betriebliche und private Zwecke verbraucht hat, hat er jeweils den Tatbestand der Untreue (§ 266 Abs. 1 des Strafgesetzbuchs --StGB--) verwirklicht, da aufgrund des kompensationslosen [X.] ein endgültiger Vermögensnachteil zulasten von [X.] und im Streitjahr 2005 der Berechtigten der weiteren [X.] eintrat (zur Strafbarkeit des Verbrauchs von [X.]n durch einen Rechtsanwalt für eigene betriebliche und private Zwecke siehe [X.], Neue Zeitschrift für Strafrecht --NStZ-- 2013, 498, 499 mit Hinweis auf den Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 20. März 2008  1 StR 488/07, [X.], 457, dort unter 1.).

b) Gleichwohl hat der Kläger die veruntreuten [X.] entgegen der Auffassung des [X.] und des [X.] nicht als Betriebseinnahmen im Rahmen der Einkünfteerzielung als Rechtsanwalt, sondern außerhalb des Tatbestands der Einkünfteerzielung durch privat veranlasste Straftaten erlangt. Denn nach ständiger Rechtsprechung des [X.] und des [X.] führen Geldbeträge, derer der Steuerpflichtige sich im Rahmen einer Untreue bemächtigt, nicht zu steuerbaren Einkünften, da dieser Zufluss nicht mit der Einkünfteerzielung im Zusammenhang steht (vgl. z.B. [X.]-Entscheidungen vom 13. November 2012 VI R 38/11, [X.]E 239, 403, [X.] 2013, 929, unter Rz 15; vom 14. Dezember 2000 IV R 16/00, [X.]E 194, 151, [X.] 2001, 238, unter [X.]., zu unberechtigten Entnahmen eines Gesellschafters aus dem Gesellschaftsvermögen; vom 20. Dezember 1994 IX R 122/92, [X.]E 177, 50, [X.] 1995, 534, unter 2.; vom 20. Juli 1994 I B 11/94, [X.]/NV 1995, 198, unter [X.]; vom 19. März 1987 IV R 140/84, [X.]/NV 1987, 577, unter 1.a; [X.]-Beschluss vom 20. Februar 1990  3 StR 10/90, [X.] 1990, 521). Die auf diese Weise erlangten Beträge stellen keine Gegenleistungen für eine Leistung des [X.] im Rahmen des freiberuflichen Betriebs dar (siehe hierzu [X.]/ [X.], § 2 EStG Rz 80, Stichwort "Unterschlagung"; [X.] in [X.], a.a.[X.], § 2 Rz 55 f.).

Dem Revisionsvortrag des [X.] ist auch nicht darin zu folgen, dass die zweckentfremdeten [X.] wegen einer fortgesetzten Untreue des [X.] zu Einkünften aus selbständiger Arbeit oder aus Gewebebetrieb (§ 15 Abs. 2 EStG) führen. Die Rechtsprechung hat von den vorstehend dargelegten Grundsätzen, veruntreute Geldbeträge führten nicht zu steuerbaren Einnahmen, zwar bestimmte Sachverhalte abgegrenzt. Hierzu gehören etwa Fälle, in denen steuerbare Einnahmen, die einer [X.]ersonengesellschaft zustehen, aber auf das Konto eines Mitunternehmers umgeleitet werden (siehe [X.]-Urteile vom 8. Juni 2000 IV R 39/99, [X.]E 192, 494, [X.] 2000, 670; vom 22. Juni 2006 IV R 56/04, [X.]E 214, 226, [X.] 2006, 838), oder in denen ein leitender Bankangestellter (Leiter der Wertpapierabteilung) seine Vertrauensstellung ausnutzt und Eigengeschäfte im Namen der Bank tätigt ([X.]-Urteil vom 3. Juli 1991 [X.], [X.]E 164, 556, [X.] 1991, 802). Beide Fallkonstellationen sind mit dem Streitfall jedoch nicht vergleichbar, da es entweder um die Veruntreuung steuerbarer Einkünfte ging, die dem eigentlich Berechtigten entzogen wurden oder um Einkünfte, die der Steuerpflichtige durch verbotene Anlagegeschäfte erzielt hat. Im Streitfall bemächtigte der Kläger sich jedoch liquider Mittel aus seinem Betriebsvermögen, über die er verfügen konnte, die ihm aber gerade nicht als Gegenleistungen für seine freiberufliche Tätigkeit oder im Rahmen einer gewerblichen Betätigung zugeflossen sind.

c) Unerheblich ist schließlich, ob der Kläger mit den [X.]n betriebliche oder private Aufwendungen bestritten hat. Wie bereits oben unter [X.]a bb erläutert, sind die als durchlaufende [X.]osten vereinnahmten [X.] Bestandteil des Betriebsvermögens des [X.] geworden. Die Verausgabung der Mittel für private und betriebliche Ausgaben beruhte jeweils auf dem privat gefassten Beschluss des [X.], die Mittel zu veruntreuen. Mit der Verausgabung des Fremdgelds für eigene Zwecke hat der Kläger die Beträge jeweils aus dem Betriebsvermögen entnommen. Soweit er Betriebsausgaben hieraus gezahlt hat, hat er die Mittel eine logische Sekunde nach der Entnahme wieder in das Betriebsvermögen eingelegt. An der bei summarischer Betrachtung in den Blick genommenen abweichenden Differenzierung im [X.]sbeschluss in [X.], 32 (dort Rz 26 und 29) je nach Verwendung der [X.] für die private Lebensführung oder für Betriebsausgaben hält der [X.] nicht fest.

3. Da die Vorentscheidung auf einer abweichenden Rechtsauffassung beruht, ist sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Einkommensteuerbescheide der Streitjahre sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 [X.]O). Die vereinnahmten [X.] haben im Streitfall aufgrund der Untreue des [X.] den Charakter durchlaufender [X.]osten nicht nachträglich verloren, so dass sie als unbeachtliche Betriebseinnahmen gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG nicht in die Gewinnermittlung einzubeziehen sind (siehe oben unter [X.]b). Zudem hat der Kläger keine Einkünfte erzielt, indem er die [X.] in strafbarer Weise für Betriebsausgaben oder die private Lebensführung verwendet hat (siehe oben unter [X.]). Der Kläger hat somit in allen Streitjahren nicht in der vom [X.] angenommenen Höhe Einkünfte erzielt und die Einkommensteuer nicht verkürzt. Daher fehlt es in den Streitjahren 1996 bis 2001 sowohl an den Voraussetzungen einer verlängerten Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO) als auch an nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Die nach der Außenprüfung ergangenen geänderten Bescheide dieser Streitjahre sind aufzuheben. In den Streitjahren 2002 bis 2005 sind die Einkommensteuerbescheide wie vom Kläger beantragt zu ändern, da er die ihm im Rahmen der Außenprüfung zugerechneten Mehreinkünfte aus seiner freiberuflichen Tätigkeit nicht erzielt hat. Die Berechnung der sich hieraus ergebenden Einkommensteuer in den Streitjahren wird dem [X.] übertragen.

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

VIII R 19/12

16.12.2014

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht des Saarlandes, 29. Februar 2012, Az: 1 K 1342/09, Urteil

§ 4 Abs 3 S 2 EStG, § 15 Abs 2 EStG, § 18 Abs 1 Nr 1 S 1 EStG, § 266 Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.12.2014, Az. VIII R 19/12 (REWIS RS 2014, 331)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 331

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

1 StR 10/22

Zitiert

1 StR 488/07

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