Bundesfinanzhof, Urteil vom 31.03.2021, Az. VI R 2/19

6. Senat | REWIS RS 2021, 7269

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Gegenstand

Keine Berücksichtigung von Unterhaltsaufwendungen an die BAföG-beziehende Lebensgefährtin als außergewöhnliche Belastung


Leitsatz

Unterhaltsleistungen an die Lebensgefährtin sind nicht nach § 33a Abs. 1 EStG als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, wenn diese nicht wegen der Unterhaltsleistungen, sondern wegen des Bezugs von BAföG keinen Anspruch auf Sozialleistungen hat.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 19.11.2018 - 6 K 1082/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist die Abziehbarkeit von Unterhaltszahlungen nach § 33a Abs. 1 des [X.]inkommensteuergesetzes ([X.]StG).

2

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde für das Streitjahr (2014) zur [X.]inkommensteuer einzeln veranlagt. [X.]r erzielte [X.]inkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und führte mit seiner damaligen Lebensgefährtin und späteren [X.]hefrau ([X.]) in eheähnlicher Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt. [X.] befand sich im Streitjahr in universitärer Ausbildung und war an der [X.] ... immatrikuliert. Sie bezog im Streitjahr [X.]inkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von insgesamt 2.192 €. Ferner erhielt sie eine elternunabhängige Ausbildungsförderung nach dem [X.] ([X.]), wovon ihr im Streitjahr monatlich 670 € ausgezahlt wurden. Die Ausbildungsförderung wurde jeweils zur Hälfte als Zuschuss und als Darlehen gewährt.

3

In seiner [X.]inkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger Unterhaltsaufwendungen für [X.] in Höhe von 6.000 € gemäß § 33a [X.]StG geltend. [X.]r habe den überwiegenden Teil ihrer monatlichen Lebenshaltungskosten getragen.

4

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) veranlagte den Kläger im Wesentlichen erklärungsgemäß, berücksichtigte aber die geltend gemachten Unterhaltsaufwendungen nicht. Der [X.]inspruch hiergegen blieb ohne [X.]rfolg.

5

Die daraufhin erhobene Klage wies das [X.] ([X.]) aus den in [X.]ntscheidungen der [X.]e ([X.][X.]) 2019, 626 veröffentlichten Gründen ab.

6

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

7

[X.]r beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sächsischen [X.] vom 19.11.2018 - 6 K 1082/17 sowie die [X.]inspruchsentscheidung vom 05.07.2017 aufzuheben und den [X.]inkommensteuerbescheid 2014 vom 25.01.2017 dahingehend zu ändern, dass Unterhaltszahlungen in Höhe von 6.000 € als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33a [X.]StG anerkannt werden.

8

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des [X.] ist unbegründet und daher gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zurückzuweisen. Das [X.] hat die geltend gemachten Unterhaltsaufwendungen zu Recht nicht als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33a [X.]StG berücksichtigt.

1. [X.]rwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt und eine etwaige Berufsausbildung einer dem Steuerpflichtigen oder seinem [X.]hegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, so wird auf Antrag die [X.]inkommensteuer --unter weiteren [X.] dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zu 8.354 € im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der [X.]inkünfte abgezogen werden (§ 33a Abs. 1 Satz 1 [X.]StG in der im Streitjahr geltenden Fassung). Der gesetzlich unterhaltsberechtigten Person gleichgestellt ist eine Person, wenn bei ihr zum Unterhalt bestimmte inländische öffentliche Mittel mit Rücksicht auf die Unterhaltsleistungen des Steuerpflichtigen gekürzt werden (§ 33a Abs. 1 Satz 3 [X.]StG).

2. Das [X.] hat zutreffend entschieden, dass bei der streitigen [X.]inkommensteuerfestsetzung keine Unterhaltsaufwendungen des [X.] an [X.] als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33a Abs. 1 [X.]StG zu berücksichtigen sind. Denn bei [X.] handelt es sich weder um eine gesetzlich unterhaltsberechtigte noch um eine einer solchen i.S. von § 33a Abs. 1 Satz 3 [X.]StG gleichgestellte Person.

a) Dass [X.] dem Kläger gegenüber im Streitjahr gesetzlich (zivilrechtlich) nicht unterhaltsberechtigt war, steht zwischen den Beteiligten zu Recht nicht in Streit. Der Senat sieht deshalb insoweit von weiteren Ausführungen ab.

b) [X.] ist auch keiner gesetzlich unterhaltsberechtigten Person gleichgestellt. Denn ihr sind keine zum Unterhalt bestimmte inländische öffentliche Mittel mit Rücksicht auf etwaige Unterhaltsleistungen des [X.] gekürzt worden.

aa) Seit der Änderung der Vorschrift durch das Steueränderungsgesetz 2001 vom 20.12.2001 (BStBl I 2002, 4) --[X.]rsetzen des Wortes "soweit" durch "[X.] ist nicht erforderlich, dass beantragte Sozialleistungen tatsächlich gekürzt oder abgelehnt wurden; es reicht aus, dass die unterhaltene Person wegen der Unterhaltsleistungen keinen Anspruch auf Sozialleistungen hat (BTDrucks 14/6877, S. 26; Urteil des [X.] --[X.]-- vom 29.05.2008 - III R 23/07, [X.][X.] 222, 250, [X.], 363, unter [X.], und Senatsurteil vom 09.03.2017 - VI R 16/16, [X.][X.] 257, 279, [X.], 890, Rz 15, jeweils m.w.N.).

bb) Im Streitfall hatte [X.] keinen Anspruch auf Sozialleistungen. Dieser Umstand gründet jedoch nicht auf etwaigen Unterhaltsleistungen des [X.], sondern auf ihrem Bezug von Leistungen nach dem [X.]. Gemäß § 7 Abs. 5 des [X.] ([X.]), § 22 Abs. 1 des [X.] (SGB XII), § 11 Abs. 1 [X.] sind im Regel- und damit auch im Streitfall Ansprüche des "Auszubildenden" --hier der [X.]-- auf [X.] oder Sozialhilfe ausgeschlossen. Dies ist zwischen den Beteiligten ebenfalls nicht streitig. Daher sieht der Senat auch insoweit von weiteren Ausführungen ab.

3. Soweit sich der Kläger darauf beruft, er habe die geringverdienende [X.] im Rahmen der eheähnlichen Lebensgemeinschaft wie bei einer Bedarfsgemeinschaft aufgrund einer --wegen der vermeintlich nicht auskömmlichen und teilweise nur darlehensweise gewährten Leistungen nach dem [X.] entstandenen-- sittlichen Zwangslage unterhalten müssen, kommt ein Abzug der streitigen Unterhaltsaufwendungen ebenfalls nicht in Betracht. Denn der Abzug von Unterhaltsleistungen aufgrund sittlicher Verpflichtung ist seit der Änderung des § 33a Abs. 1 [X.]StG durch das Jahressteuergesetz ([X.]) 1996 vom 11.10.1995 ([X.] 1995, 1250, [X.], 438) ausgeschlossen ([X.]-Urteil vom 23.10.2002 - III R 57/99, [X.][X.] 201, 31, [X.] 2003, 187).

a) Nach § 33a Abs. 1 i.V.m. § 33 Abs. 2 [X.]StG i.d.F. vor dem [X.] 1996 waren Unterhaltsleistungen in bestimmtem Umfang abziehbar, wenn sie dem Steuerpflichtigen aus rechtlichen, sittlichen oder tatsächlichen Gründen zwangsläufig entstanden waren. Mit der Anknüpfung an die zivilrechtliche Unterhaltspflicht in § 33a Abs. 1 Satz 1 [X.]StG i.d.F. des [X.] 1996 sollte der Begriff der Zwangsläufigkeit bei Unterhaltsleistungen eingeschränkt werden. Den Finanzbehörden sollte die aufwändige Prüfung erspart werden, ob eine sittliche Verpflichtung besteht; gleichzeitig sollte mit der Änderung auch der [X.]inheitlichkeit der Rechtsordnung Rechnung getragen werden (BTDrucks 13/1686, S. 42).

b) Wie der Hinweis in der Gesetzesbegründung auf nichteheliche Lebensgemeinschaften zeigt (BTDrucks 13/1686, S. 42), knüpft § 33a Abs. 1 Satz 2 [X.]StG i.d.F. des [X.] 1996 an die Rechtsprechung des [X.] zum Abzug von Unterhaltszahlungen an den bedürftigen Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft an. Der [X.] hatte die Unterhaltszahlungen zum Abzug als außergewöhnliche Belastung zugelassen, wenn der unterstützte Partner wegen seines Zusammenlebens mit dem unterstützenden Partner gemäß § 137 Abs. 2a des Arbeitsförderungsgesetzes bzw. § 193 Abs. 2 des [X.] keine Arbeitslosenhilfe oder gemäß § 122 Bundessozialhilfegesetz ([X.]) keine Sozialhilfe erhalten hatte. Der [X.] war der Auffassung, der Bedürftige werde aufgrund dieser Vorschriften praktisch auf das [X.]inkommen seines Lebenspartners verwiesen; dieser sei deshalb sittlich verpflichtet, für dessen Lebensunterhalt zu sorgen (s. [X.]-Urteile vom 30.07.1993 - III R 38/92, [X.][X.] 174, 19, [X.] 1994, 442; vom 21.09.1993 - III R 15/93, [X.][X.] 172, 516, [X.] 1994, 236, und vom 04.08.1994 - III R 62/93, [X.][X.] 175, 127, [X.] 1994, 897).

c) Da der Abzug von Unterhaltsleistungen aufgrund sittlicher Verpflichtung durch die Änderung des § 33a Abs. 1 Satz 1 [X.]StG i.d.F. vor dem [X.] 1996 ausgeschlossen wurde, hätten Unterhaltsleistungen an bedürftige Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft ohne eine besondere Regelung steuerlich nicht mehr berücksichtigt werden dürfen. Deshalb wurden in § 33a Abs. 1 Satz 2 [X.]StG i.d.F. des [X.] 1996 (jetzt Satz 3) diejenigen Personen gesetzlich Unterhaltsberechtigten gleichgestellt, deren Sozialleistungen "mit Rücksicht auf die Unterhaltsleistungen des Steuerpflichtigen gekürzt werden". Da grundsätzlich nur noch aus rechtlichen Gründen zwangsläufige Unterhaltsleistungen abziehbar sein sollen, ist diese Formulierung dahin auszulegen, dass "freiwillige" Unterhaltszahlungen steuerlich nur dann wie zivilrechtlich geschuldete Unterhaltszahlungen zu behandeln sind, wenn für den Unterhalt Leistenden eine vergleichbare Zwangslage wie bei einem gesetzlich Unterhaltsverpflichteten gegeben ist. [X.]ine solche ist nach der Rechtsprechung des [X.] nur in den Fällen anzunehmen, in denen gesetzlich unwiderlegbar vermutet wird, dass der Unterhalt durch eine andere Person --z.[X.] den Partner einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft (vgl. bis 31.12.2004 § 122 [X.]) oder einen in der [X.] lebenden Verwandten oder Verschwägerten (vgl. bis 31.12.2004 § 16 [X.])-- sichergestellt ist, und deshalb zum Unterhalt bestimmte öffentliche Mittel gekürzt werden ([X.]-Urteil in [X.][X.] 201, 31, [X.] 2003, 187, unter [X.]). [X.]ntsprechendes gilt (ab 01.01.2005), wenn die Partner einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft eine sozialrechtliche Bedarfsgemeinschaft (§§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 Abs. 1 [X.]) bilden (Senatsurteil in [X.][X.] 257, 279, [X.], 890, Rz 14, jeweils m.w.N.). [X.] begegnet dies nicht (s. [X.]-Urteil in [X.][X.] 201, 31, [X.] 2003, 187, unter II.2.c dd).

Da [X.] im Streitfall wegen etwaiger Unterhaltsleistungen des [X.] weder einen Anspruch auf Sozialleistungen verloren hat noch ein solcher deshalb gekürzt wurde, befand sich der Kläger folglich nicht in einer vergleichbaren Zwangslage wie der gesetzlich zum Unterhalt Verpflichtete.

d) [X.]ntgegenstehendes ergibt sich --entgegen der Auffassung des [X.]-- auch nicht aus dem Urteil des [X.] Düsseldorf vom 26.03.2014 - 7 K 3168/13 [X.] ([X.][X.] 2014, 1487). Dies ist zu § 33a Abs. 1 Satz 7 [X.]StG (anteilige Aufteilung des [X.] bei Unterhaltsaufwendungen von mehreren Steuerpflichtigen) und damit zu einem anderen Sachverhalt ergangen. Zudem ist die [X.]ntscheidung betreffend die Rechtsgrundsätze zu Personen, die --wie der Kläger und [X.]-- in einer Haushalts-, nicht aber in einer sozialrechtlichen Bedarfsgemeinschaft leben, überholt (s. Senatsurteil vom 28.04.2020 - VI R 43/17, [X.][X.] 269, 1, [X.] 2021, 209).

e) [X.]ine Berücksichtigung der vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen nach § 33 [X.]StG kommt selbst bei Annahme einer sittlichen Verpflichtung, [X.] zu unterhalten, nicht in Betracht. Für die Fallgruppe der typischen Unterhaltsaufwendungen enthält § 33a Abs. 4 [X.]StG eine abschließende Regelung ([X.]-Urteil in [X.][X.] 201, 31, [X.] 2003, 187, unter II.3., m.w.N.).

4. [X.] folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VI R 2/19

31.03.2021

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 19. November 2018, Az: 6 K 1082/17, Urteil

§ 33a Abs 1 EStG 2009, § 33 EStG 2009, § 11 BAföG, § 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB 2, § 7 Abs 5 SGB 2, § 9 Abs 1 SGB 2, § 22 Abs 1 SGB 12, EStG VZ 2014, § 33a Abs 1 EStG 1990 vom 11.10.1995

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 31.03.2021, Az. VI R 2/19 (REWIS RS 2021, 7269)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 7269

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