Bundesfinanzhof, Beschluss vom 16.06.2011, Az. III B 197/10

3. Senat | REWIS RS 2011, 5663

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Zulagenbegünstigung von Gerüstteilen - Feststellungslast für das Einhalten der zulagenrechtlichen Verbleibensvoraussetzungen - Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde bei kumulativer Urteilsbegründung


Leitsatz

1. NV: Bei Prüfung der Frage, ob Wirtschaftsgüter (hier: Gerüstteile) für drei oder fünf Jahre in einer Betriebsstätte im Fördergebiet verbleiben, ist auf die konkret durch Zulage geförderten Wirtschaftsgüter abzustellen. Es genügt nicht, wenn andere Wirtschaftsgüter, die qualitativ den ursprünglich geförderten entsprechen, in einer Betriebsstätte im Fördergebiet verbleiben .

2. NV: Der Anspruchsberechtigte trägt die Feststellungslast für das Einhalten der zulagenrechtlichen Verbleibensvoraussetzungen .

3. NV: Beruht das angefochtene Urteil auf mehreren selbständigen Begründungen, von denen jede für sich allein das Entscheidungsergebnis trägt, so muss für jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund i.S.v. § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden und vorliegen .

Gründe

1

Die Beschwerde ist unbegründet und wird durch Beschluss zurückgewiesen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor oder wurden nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O erforderlichen Weise dargelegt.

2

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O).

3

a) Aus dem Vorbringen des [X.] ergibt sich, dass er die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam hält, ob bei [X.] das Erfordernis eines Verbleibens in einer Betriebsstätte im Fördergebiet für einen Zeitraum von drei oder fünf Jahren (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 10 Abs. 4a Satz 1 des [X.] 1999 --InvZulG 1999--) hinsichtlich eines jeden einzelnen Wirtschaftsguts erfüllt sein muss oder ob es genügt, wenn zumindest ein den zulagenbegünstigten Wirtschaftsgütern entsprechender Anteil am Gesamtbestand der [X.] in einer Betriebsstätte im Fördergebiet verbleibt.

4

aa) Diese --sinngemäß-- formulierte Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, weil sich ihre Beantwortung aus dem Gesetz ergibt. Aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. [X.] geht hervor, dass das konkret durch Zulage geförderte Wirtschaftsgut den Verbleibensvoraussetzungen genügen muss und es nicht genügt, wenn stattdessen ein anderes Wirtschaftsgut, das qualitativ dem geförderten entspricht, im Fördergebiet verbleibt.

5

bb) Auf die von Rechtsprechung und Finanzverwaltung anerkannten Ausnahmen vom strengen Verbleibenserfordernis, dem zufolge ein auch nur kurzfristiger Einsatz eines Wirtschaftsguts außerhalb des [X.] ist (s. Senatsurteil vom 19. Oktober 2006 [X.], [X.] 2007, 974), kann sich der Kläger nicht berufen. Bei Wirtschaftsgütern, die einer Betriebsstätte nicht räumlich zugeordnet werden können, weil sie ihrer Art nach nicht dazu bestimmt und geeignet sind, im räumlich abgegrenzten Bereich der Betriebsstätte eingesetzt zu werden, sind Ausnahmen möglich (s. Senatsurteil in [X.] 2007, 974). Zu solchen Wirtschaftsgütern zählen Baugeräte, bei denen nach Ansicht der Finanzverwaltung Einsätze außerhalb des [X.] unschädlich sind, sofern sie einen Zeitraum von fünf Monaten innerhalb eines Kalenderjahres nicht überschreiten (Schreiben des [X.] vom 28. Juni 2001, [X.], 379 Rz 52). Jedoch ist auch in den von Rechtsprechung und Finanzverwaltung anerkannten Fällen bei der Prüfung einer zulagen(un)schädlichen Verwendung außerhalb des [X.] auf das konkret durch Investitionszulage geförderte Wirtschaftsgut abzustellen.

6

cc) Der Hinweis des [X.] auf die zivilrechtliche Regelung über die Vermengung von Sachen (§ 948 des Bürgerlichen Gesetzbuches) führt zu keiner für ihn günstigeren Beurteilung. Offensichtlich ist er der Ansicht, dass die begünstigten [X.], die mit den nicht begünstigten vermengt worden sind, ihre zulagenrechtliche Eigenständigkeit verloren haben, so wie untrennbar vermengte Sachen verschiedener Eigentümer ihre vorherige sachenrechtliche Zuordnung verlieren. Dieser Rechtsgedanke führt jedoch im Zulagenrecht nicht weiter, da, wie ausgeführt, der Gesetzeswortlaut eine auf das konkrete Wirtschaftsgut bezogene Betrachtung erfordert.

7

b) Soweit der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage geltend macht, ob der Investor den Nachweis dafür erbringen muss, dass die durch Investitionszulage begünstigten [X.] im Fördergebiet verblieben sind, ist die Beschwerde unzulässig.

8

aa) Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung verlangt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch [X.] ist und deren Beurteilung von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängt. Hierzu muss sich der Beschwerdeführer mit der Rechtsprechung des [X.] ([X.]), den Äußerungen im Schrifttum sowie mit ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinandersetzen (z.B. Senatsbeschluss vom 31. Mai 2005 [X.], [X.] 2005, 1632).

9

bb) Der Kläger ist nicht auf die Rechtsprechung des [X.] eingegangen, wonach der Anspruchsberechtigte die Feststellungslast dafür trägt, dass die Tatbestandsmerkmale einer Zulagenbegünstigung, zu denen auch das Verbleibenserfordernis zählt, erfüllt sind (Senatsbeschluss vom 29. Juni 2007 [X.]/06, [X.] 2007, 2125, m.w.N.). Soweit er vorträgt, entgegen der Ansicht des Finanzgerichts ([X.]) sei es nicht möglich, die [X.] so zu markieren, dass die Einhaltung der Verbleibensvoraussetzungen überwacht werden könne, bringt er letztlich Einwände gegen die Tatsachenwürdigung des [X.] vor. Die Tatsachenwürdigung durch das Instanzgericht gehört zum materiellen Recht. Einwände gegen die Anwendung materiellen Rechts führen grundsätzlich nicht zur Zulassung der Revision (z.B. [X.]-Beschluss vom 10. Juni 2010 IX B 14/10, [X.] 2010, 1654).

2. Der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund der Erforderlichkeit einer Entscheidung des [X.] zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 [X.]O) ist ein Unterfall der grundsätzlichen Bedeutung. In beiden Fällen muss es sich um eine klärungsbedürftige und [X.]e Rechtsfrage handeln (z.B. Senatsbeschluss in [X.] 2007, 2125). Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass diese Voraussetzungen hier nicht erfüllt sind.

3. Ebenso wenig ist die Revision wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O).

a) [X.], das [X.] habe die Verpflichtung verletzt, das Gesamtergebnis des Verfahrens zu würdigen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]O), führt nicht zum Erfolg. Das [X.] ist gehalten, sich bei seiner Entscheidung auf das Gesamtergebnis des Verfahrens zu stützen. Dazu hat es den Inhalt der ihm vorliegenden Akten vollständig und einwandfrei zu berücksichtigen (z.B. [X.]-Beschluss vom 22. Juli 2004 [X.], [X.] 2004, 1546). Zum Akteninhalt gehört u.a. das Vorbringen der Beteiligten ([X.]-Urteil vom 6. Dezember 1978 [X.], [X.]E 126, 379, [X.] 1979, 162). Das [X.] muss in seinem Urteil nicht auf jede Einzelheit des Sachverhalts und des Beteiligtenvortrags ausdrücklich eingehen, sondern verletzt seine Pflicht zur vollständigen Berücksichtigung des Streitstoffs, wenn es einen bestimmten Tatsachenvortrag erkennbar unberücksichtigt lässt, obwohl dieser auf der Basis seiner materiell-rechtlichen Auffassung entscheidungserheblich sein kann (z.B. [X.]-Beschluss vom 24. Juli 2006 [X.], [X.] 2006, 2110).

Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Das [X.] hat sich mit den vom Kläger vorgebrachten Argumenten auseinandergesetzt. Wenn es seine --des [X.]-- Rechtsansicht nicht teilte, so ist darin kein Verfahrensfehler zu sehen.

b) Das [X.] hat auch nicht das Recht des [X.] auf rechtliches Gehör verletzt (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 [X.]O). Es hat die Nichteinhaltung der Verbleibensvoraussetzungen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1999 auch damit begründet, dass der Kläger die [X.] ab Juli 2001 an eine GmbH vermietet habe, deren Gesellschafterin seine Ehefrau gewesen sei, so dass keine zulagenunschädliche Vermietung innerhalb eines [X.] vorgelegen habe. Nach Ansicht des [X.] hat das [X.] eine Überraschungsentscheidung gefällt, weil es ihm für den Fall, dass es auf das Vorliegen eines [X.] zwischen seinem Einzelunternehmen und der GmbH ankommen sollte, die Gelegenheit zu ergänzenden Ausführungen einräumen wollte und es diese Zusage nicht eingehalten habe.

Dieser Vortrag rechtfertigt jedoch nicht die Zulassung der Revision, weil er sich lediglich auf einen der beiden Gründe bezieht, weshalb das [X.] die Klage abgewiesen hat. Beruht das angefochtene Urteil auf mehreren selbständigen Begründungen, von denen jede für sich allein das Entscheidungsergebnis trägt, so muss für jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund i.S. von § 115 Abs. 2 [X.]O dargelegt werden und vorliegen (z.B. [X.]-Beschluss vom 24. Januar 2008 VIII B 197/06, [X.] 2008, 1133, m.w.N.). Daraus folgt auch, dass die Revision nicht zuzulassen ist, wenn für eine der selbständig tragenden Begründungen tatsächlich kein Zulassungsgrund gegeben ist ([X.] in Tipke/ [X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 116 [X.]O Rz 37). Dies ist hier der Fall. Aus den vorstehenden Ausführungen (1. und 2.) ergibt sich, dass wegen der Frage, ob bei [X.]n die zulagenrechtlichen Verbleibensvoraussetzungen bei jedem einzelnen Wirtschaftsgut vorliegen müssen und dies vom Investor nachzuweisen ist, die Revision nicht zuzulassen ist.

Meta

III B 197/10

16.06.2011

Bundesfinanzhof 3. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern, 3. September 2010, Az: 2 K 414/07, Urteil

§ 948 BGB, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 2 Abs 1 S 1 Nr 2 InvZulG 1999, § 10 Abs 4a S 1 InvZulG 1999, § 116 Abs 3 S 3 FGO, § 96 Abs 1 S 1 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 16.06.2011, Az. III B 197/10 (REWIS RS 2011, 5663)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5663

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

III R 17/12 (Bundesfinanzhof)

Rückforderung von Investitionszulage nach Produktionsverlagerung


III R 15/13 (Bundesfinanzhof)

Zulagenschädlicher Einsatz von Brennerstationen und Notebooks außerhalb des Fördergebiets


III R 56/12 (Bundesfinanzhof)

Investitionszulagenrechtliche Zugehörigkeitsvoraussetzungen bei Untergang begünstigter Wirtschaftsgüter durch Brand und anschließender Veräußerung des Restbetriebsvermögens


III R 1/18 (Bundesfinanzhof)

Investitionszulagenrechtliche Zugehörigkeits- und Verbleibensvoraussetzungen bei Verkauf einer Betriebsstätte


III R 28/08 (Bundesfinanzhof)

Zulagenrechtliche Einheitsbetrachtung bei kapitalistischer Betriebsaufspaltung


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.