Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.11.2013, Az. III R 17/12

3. Senat | REWIS RS 2013, 1110

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Gegenstand

Rückforderung von Investitionszulage nach Produktionsverlagerung


Leitsatz

Die Grundsätze über das zulagenunschädliche Ausscheiden technisch abgenutzter oder wirtschaftlich verbrauchter Wirtschaftsgüter vor Ablauf der gesetzlichen Bindungsfrist sind nicht anwendbar, wenn der Betrieb, in dem die geförderten Wirtschaftsgüter verbleiben sollen, noch vor dem Ende des Bindungszeitraums seine Produktion in das Ausland verlagert und deshalb nicht mehr zu einem Betrieb des verarbeitenden Gewerbes im Fördergebiet gehört.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) überließ im Rahmen einer [X.]etriebsaufspaltung [X.]etriebsgrundlagen zur Nutzung an die im Fördergebiet ansässige [X.] (GmbH), die Schutzhelme herstellte. In den Jahren 2003 und 2004 schaffte der Kläger Werkzeuge zur Produktion von [X.] an, die bei der [X.], [X.] und [X.] eingesetzt wurden. Hierfür und für andere Wirtschaftsgüter beantragte er die Gewährung einer Investitionszulage nach dem Investitionszulagengesetz ([X.]) 1999. Der [X.]eklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) setzte die Zulage durch [X.] vom 6. November 2006 in Höhe von 201.358,85 € (2003) bzw. 97.941,80 € (2004) fest. Die [X.]escheide standen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 der Abgabenordnung).

2

[X.]ei den Helmen, die mit Hilfe der Werkzeuge angefertigt wurden, traten vermehrt Haarrisse auf. Die Produktion der drei [X.] wurde spätestens im November 2005 eingestellt. Im Januar 2006 wurde die gesamte betriebliche Produktion in das Ausland verlagert.

3

[X.]ei einer Außenprüfung war der Prüfer des [X.], wegen der Produktionsverlagerung habe ab Januar 2006 kein begünstigter [X.]etrieb des verarbeitenden Gewerbes im Inland mehr vorgelegen, so dass die [X.]indungsvoraussetzung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 [X.] 1999 nicht eingehalten worden sei. Das [X.] erließ unter dem Datum des 1. September 2009 für beide Streitjahre [X.], in denen es die Investitionszulage jeweils auf 0 € festsetzte. Die dagegen gerichteten Einsprüche hatten keinen Erfolg, ebenso wenig die anschließende Klage, mit welcher der Kläger geltend machte, die begünstigten Werkzeuge seien vor Ablauf der [X.]indungsfrist zulagenunschädlich ausgeschieden. Sie seien wirtschaftlich verbraucht gewesen, weil mit ihnen keine mangelfreien Helme mehr hätten produziert werden können.

4

Das Finanzgericht ([X.]) führte zur [X.]egründung aus, nach der Produktionsverlagerung sei kein [X.]etrieb des verarbeitenden Gewerbes im Fördergebiet mehr vorhanden gewesen. Ein Ausnahmefall, in dem das Ausscheiden eines Wirtschaftsguts vor Ablauf des [X.]indungszeitraums unschädlich sei, liege nicht vor. Die von der Rechtsprechung zugelassenen Ausnahmen bei wirtschaftlichem Verbrauch des geförderten Wirtschaftsguts beträfen ersichtlich nur solche Fälle, in denen das Wirtschaftsgut zunächst zum Einsatz gekommen sei und erst nachträglich hinzugekommene Umstände dazu geführt hätten, dass mit ihm weitere Aufträge nicht zu erlangen gewesen seien. Dies sei hier jedoch nicht der Fall. Die Werkzeuge seien zu keinem Zeitpunkt in einem Zustand gewesen, um damit mangelfreie Helme herzustellen.

5

Zur [X.]egründung der Revision trägt der Kläger vor, ein vorzeitiges Ausscheiden eines durch Investitionszulage geförderten Wirtschaftsguts aus dem [X.]etrieb des Investors sei unschädlich, wenn es technisch abgenutzt oder wirtschaftlich verbraucht sei und auch für Dritte keinen oder nur noch einen sehr geringen Wert habe. Das [X.] sei zu Unrecht der Ansicht gewesen, dass die Produktion mangelfreier Helme mit den Werkzeugen nicht möglich gewesen sei. Das [X.] habe darüber trotz eines entsprechenden Antrags keinen [X.]eweis erhoben.

6

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil, die [X.] vom 1. September 2009 sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 1. November 2010 aufzuheben.

7

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zu Recht einen Anspruch auf Investitionszulage auch insoweit verneint, als diese auf diejenigen Werkzeuge entfiel, die zur Produktion der [X.], [X.] und [X.] eingesetzt wurden.

9

1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 [X.] sind neue abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens u.a. dann begünstigt, wenn sie mindestens fünf Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung zum Anlagevermögen eines [X.]etriebs oder einer [X.]etriebsstätte im Fördergebiet gehören und während des [X.] im Fördergebiet in einem [X.]etrieb des verarbeitenden Gewerbes oder der produktionsnahen Dienstleistungen verbleiben. Über die gesetzlich vorgesehenen [X.]indungsvorschriften hinaus müssen die geförderten Wirtschaftsgüter entsprechend dem Zweck der Investitionszulage, die Wirtschaftstätigkeit durch den Einsatz der mit der Zulage geförderten Wirtschaftsgüter zu stärken, während des [X.]indungszeitraums in dem [X.]etrieb tatsächlich eingesetzt werden oder zumindest einsetzbar sein (Senatsurteil vom 7. Februar 2002 III R 14/00, [X.]FHE 198, 164, [X.]St[X.]l II 2002, 312).

2. Zutreffend hat das [X.] einen Anspruch auf Investitionszulage nicht bereits deshalb verneint, weil der Kläger im Rahmen einer [X.]etriebsaufspaltung einen Verpachtungsbetrieb unterhielt und nicht etwa einen [X.]etrieb des verarbeitenden Gewerbes. Wegen der langfristigen Nutzungsüberlassung verblieben die Werkzeuge nicht im [X.]etrieb des [X.], sondern in dem der GmbH (s. Senatsurteile vom 7. März 2002 III R 44/97, [X.]FHE 198, 169, [X.]St[X.]l II 2002, 545, und vom 19. Februar 2004 III R 14/02, [X.]FHE 204, 537, [X.]St[X.]l II 2004, 570), der unstreitig dem verarbeitenden Gewerbe zuzurechnen war. Die Grundsätze über die zulagenrechtliche Merkmalsübertragung in Fällen der [X.]etriebsaufspaltung brauchen nicht herangezogen zu werden (s. hierzu z.[X.]. Senatsurteil vom 10. Dezember 1998 III R 50/95, [X.]FHE 188, 176, [X.]St[X.]l II 1999, 607).

3. Erfüllt ein durch Investitionszulage gefördertes Wirtschaftsgut nicht während des gesamten [X.]indungszeitraums die zulagenrechtlichen Verbleibens-, Zugehörigkeits- und [X.], so führt dies grundsätzlich zu einem Erlöschen des Anspruchs auf Investitionszulage. Für einzelne Fallgruppen hat der [X.]undesfinanzhof jedoch eng begrenzte Ausnahmen zugelassen und einen Zulagenanspruch bejaht, obwohl die [X.]indungsvoraussetzungen nicht (mehr) erfüllt waren. So ist das Ausscheiden eines Wirtschaftsguts aus dem [X.]etrieb des Investors vor Ablauf der [X.]indungsfrist zulagenunschädlich, wenn es entweder technisch abgenutzt oder wirtschaftlich verbraucht ist und auch für Dritte keinen oder nur noch einen sehr geringen Wert hat (Senatsurteil vom 9. Dezember 1999 III R 49/97, [X.]FHE 190, 559, [X.]St[X.]l II 2000, 434, m.w.N., sowie Senatsbeschluss vom 29. März 2006 III [X.] 180/05, [X.]FH/NV 2006, 1512). Entsprechendes gilt, wenn ein Wirtschaftsgut wegen technischer Abnutzung oder wirtschaftlichen Verbrauchs nicht mehr genutzt werden kann (Senatsurteil vom 31. August 2006 III R 26/04, [X.]FH/NV 2007, 103). Eine Ausnahme von den [X.]indungsvoraussetzungen kommt nur in [X.]etracht, wenn das Wirtschaftsgut aufgrund eines unvorhergesehenen und unabwendbaren Ereignisses, das dem üblichen unternehmerischen [X.]ereich nicht zugeordnet werden kann, vorzeitig technisch oder wirtschaftlich verbraucht ist (Senatsurteile vom 19. September 2001 III R 84/97, [X.]FHE 196, 447, [X.]St[X.]l II 2002, 106, sowie vom 29. Mai 2008 III R 45/05, [X.]FH/NV 2008, 1878).

4. Die Grundsätze über das zulagenunschädliche Ausscheiden kommen jedoch nicht zur Anwendung, wenn der [X.]etrieb, in dem das durch Investitionszulage geförderte Wirtschaftsgut für die Dauer der [X.]indungsfrist verbleiben soll, noch während des [X.]indungszeitraums seine Eigenschaft als [X.]etrieb des verarbeitenden Gewerbes im Fördergebiet verliert. Darauf, ob ein Wirtschaftsgut noch vor diesem Zeitpunkt technisch abgenutzt oder wirtschaftlich verbraucht war, kommt es dann nicht an. Das [X.] macht die Förderung von Wirtschaftsgütern durch Investitionszulage von Voraussetzungen abhängig, die entweder das Wirtschaftsgut selbst betreffen oder den [X.]etrieb, zu dem es gehört. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 [X.] sollen nur solche beweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens gefördert werden, bei denen eine längere [X.]indung an einen [X.]etrieb des verarbeitenden Gewerbes oder der produktionsnahen Dienstleistungen im Fördergebiet besteht. Dieser [X.]indungszeitraum beträgt bei Investitionen, die --wie im [X.] nach dem 31. Dezember 1999 begonnen worden sind, fünf Jahre (§ 10 Abs. 4a [X.]). Der Gesetzgeber ging davon aus, dass der [X.]etrieb, an den die geförderten Wirtschaftsgüter gebunden sein sollen, noch mindestens fünf Jahre nach der Anschaffung oder Herstellung existiert und zum verarbeitenden Gewerbe gehört oder produktionsnahe Dienstleistungen erbringt. Auch muss es sich um einen aktiv am [X.] teilnehmenden [X.]etrieb handeln (Senatsurteil in [X.]FH/NV 2007, 103, m.w.N.). Nur dann wird ein nachhaltiger [X.]eitrag der Investition zur Regionalentwicklung geleistet, insbesondere im Hinblick auf die Schaffung von Arbeitsplätzen (vgl. [X.]TDrucks 16/1409, S. 8, zum [X.]). Ist dies nicht der Fall, z.[X.]. weil der [X.]etrieb innerhalb des [X.]indungszeitraums seine Eigenschaft als [X.]etrieb des verarbeitenden Gewerbes verloren hat, so entfällt nachträglich die Zulagenbegünstigung. Sofern das vom Kläger zitierte Senatsurteil vom 27. April 1999 III R 32/98 ([X.]FHE 188, 475, [X.]St[X.]l II 1999, 615) dahin zu verstehen sein sollte, dass ein zulagenunschädliches Ausscheiden bei technischer Abnutzung oder wirtschaftlichem Verbrauch unabhängig vom späteren zulagenrechtlichen "Schicksal" des [X.]etriebs möglich ist, hält der Senat hieran nicht mehr fest.

5. Im Streitfall verblieben die in den Jahren 2003 und 2004 angeschafften Werkzeuge nur bis zur Produktionsverlagerung in das Ausland im Januar 2006 in einem [X.]etrieb des verarbeitenden Gewerbes im Fördergebiet (§ 2 Abs. 2 Satz 1 [X.]). Die [X.]indungsfrist von fünf Jahren wurde nicht eingehalten. Es ist somit keine Unterscheidung zu treffen zwischen den hier streitigen Werkzeugen und den anderen Wirtschaftsgütern, für die das [X.] ebenfalls die Investitionszulage wegen der Produktionsverlagerung zurückgefordert hat. Die vom Kläger problematisierte Frage, ob das [X.] zu Unrecht einen wirtschaftlichen Verbrauch der Werkzeuge verneint hat, ist nicht entscheidungserheblich.

6. Der Senat hat die Rüge des [X.], mit der er geltend macht, das [X.] habe zu Unrecht einen angebotenen [X.] nicht erhoben, geprüft; er hat sie jedoch nicht als durchgreifend erachtet. Insoweit sieht er von einer [X.]egründung ab (§ 126 Abs. 6 Satz 1 [X.]O).

Meta

III R 17/12

14.11.2013

Bundesfinanzhof 3. Senat

Urteil

vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 22. Februar 2012, Az: 2 K 1948/10, Urteil

§ 2 Abs 1 S 1 Nr 1 InvZulG 1999, § 2 Abs 1 S 1 Nr 2 InvZulG 1999, § 2 Abs 2 S 1 InvZulG 1999

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.11.2013, Az. III R 17/12 (REWIS RS 2013, 1110)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1110

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