Bundesfinanzhof, Urteil vom 15.10.2015, Az. III R 15/13

3. Senat | REWIS RS 2015, 3867

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Gegenstand

Zulagenschädlicher Einsatz von Brennerstationen und Notebooks außerhalb des Fördergebiets


Leitsatz

NV: Die im BMF-Schreiben vom 8. Mai 2008 (BStBl I 2008, 590, Tz. 72) enthaltenen Grundsätze über den zulagenunschädlichen Einsatz von Baugeräten außerhalb des Fördergebiets, der sich zusammengerechnet auf bis zu fünf Monate belaufen kann, sind auf Brennerstationen und Notebooks nicht übertragbar. Es kann daher offen bleiben, ob durch diese Verwaltungsregelung die gesetzlichen Bindungsvoraussetzungen in zutreffender Weise interpretiert werden .

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 29. Januar 2013  3 [X.]/11 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine im Fördergebiet ansässige GmbH mit abweichendem Wirtschaftsjahr, befasst sich mit der Projektierung, dem Bau und dem Vertrieb von Ausrüstungen für Industrieöfen. Sie erbringt darüber hinaus mit Hilfe von Thermoprozessöfen Industriedienstleistungen für die Glasindustrie, Metallurgie und Betriebe der Abfallverwertung. Die Klägerin entwickelte und baute sechs mobile Brennerstationen, die bei ihren Kunden eingesetzt wurden. Die Geräte werden zur Inbetriebnahme, Wartung und für kleinere Reparaturen von Großanlagen eingesetzt. Sie wurden am Betriebssitz der Klägerin gewartet und gelagert. Für die Einsätze vor Ort benötigen die Mitarbeiter der Klägerin auch [X.] mit Notebooks.

2

Im Mai 2009 beantragte die Klägerin für das Wirtschaftsjahr 2007/2008 die Gewährung einer Investitionszulage von 27,5 %, u.a. für die Brennerstationen, für welche sie eine Bemessungsgrundlage von 130.774 € angab, ebenso für die Anschaffung zweier Notebooks für zusammen 910 €.

3

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) gewährte für die Brennerstationen und die Notebooks keine Zulage, weil diese Wirtschaftsgüter entgegen § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b des [X.] 2007 ([X.]) nicht während des [X.] in einer Betriebsstätte des Anspruchsberechtigten im Fördergebiet verblieben seien. Das [X.] setzte durch Bescheid vom 17. November 2009 für andere Wirtschaftsgüter eine Zulage von 6.175,95 € fest. Der dagegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg.

4

Das Finanzgericht ([X.]) gab der anschließend erhobenen Klage statt und setzte die Investitionszulage unter Berücksichtigung der Aufwendungen für die Brennerstationen und die Notebooks um 36.213,10 € herauf (Urteil vom 29. Januar 2013  3 K 125/11, Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 1874). Es war der Ansicht, die im Schreiben des [X.] ([X.]) vom 8. Mai 2008 (BStBl I 2008, 590 [X.]. 72) enthaltenen Grundsätze über den zulagenunschädlichen Einsatz von Baugeräten außerhalb des [X.], der sich zusammengerechnet auf bis zu fünf Monate belaufen könne, seien nicht auf das Baugewerbe zu beschränken. Der Grund für die Ausnahme von der strengen Verbleibensvorschrift bei Baugeräten treffe auch auf die Klägerin zu, die Dienstleistungen bei baulichen Anlagen von Kunden erbringe. Im Streitfall sei keines der Wirtschaftsgüter mehr als fünf Monate im Jahr außerhalb des [X.] eingesetzt worden, wie sich aus den von der Klägerin vorgelegten Aufzeichnungen ergebe. Auch die weiteren Voraussetzungen des § 2 [X.] seien erfüllt. Es handele sich um einen Betrieb der technischen, physikalischen und chemischen Untersuchung nach § 2 Abs. 1 Satz 9 Nr. 7 [X.] und somit um einen Betrieb der produktionsnahen Dienstleistungen. Darüber hinaus sei ein Erstinvestitionsvorhaben i.S. von § 2 Abs. 3 Nr. 2 [X.] (Betriebsstättenerweiterung) anzunehmen, da mit der Beschaffung der Wirtschaftsgüter eine Produktionserweiterung einhergegangen sei. Unstreitig gehöre die Klägerin zu den kleinen und mittleren Betrieben i.S. von § 5 Abs. 2 [X.], auch liege der Betrieb im Randgebiet nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 [X.] i.V.m. Anlage 3 zum [X.], was den erhöhten [X.] von 27,5 % rechtfertige.

5

Zur Begründung der Revision trägt das [X.] vor, aufgrund der von der Klägerin vorgelegten Aufstellungen sei davon auszugehen, dass jede Brennerstation in mindestens einem Wirtschaftsjahr des [X.] vollständig außerhalb des [X.] eingesetzt worden sei. Es könne daher dahingestellt bleiben, ob die Grundsätze über das Verbleiben von Baugeräten im Fördergebiet anzuwenden seien.

6

Das [X.] beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

8

Die Klägerin trägt vor, die Zwecke, die der Gesetzgeber mit der Investitionszulage habe fördern wollen, würden durch ihren Betrieb erreicht. Die Verbleibensvoraussetzungen dienten der Verhinderung von Missbräuchen, die im vorliegenden Fall jedoch nicht erkennbar seien. Der Art nach seien die von ihr eingesetzten Wirtschaftsgüter am ehesten mit Baugeräten vergleichbar. Der [X.] ([X.]) habe der von der Finanzverwaltung aufgestellten [X.] nicht widersprochen. Außerhalb der Einsätze befänden sich die Wirtschaftsgüter ständig im Fördergebiet. Eine dauerhafte zeitliche, räumliche und tatsächliche Bindung zur Betriebsstätte im Fördergebiet sei zu bejahen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zu Unrecht angenommen, die Brennerstationen und die Notebooks seien während des [X.] in der Betriebsstätte der Klägerin im Fördergebiet verblieben.

1. Neue abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens sind --bei Vorliegen der weiteren zulagenrechtlichen [X.] nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und [X.] 2007 begünstigt, wenn sie mindestens fünf Jahre nach Beendigung des [X.] (Bindungszeitraum) zum Anlagevermögen eines Betriebs oder einer Betriebsstätte des verarbeitenden Gewerbes, der produktionsnahen Dienstleistungen oder des [X.] des Anspruchsberechtigten im Fördergebiet gehören und in einer Betriebsstätte eines solchen Betriebs des Anspruchsberechtigten im Fördergebiet verbleiben. Der Bindungszeitraum verkürzt sich auf drei Jahre, wenn das Erstinvestitionsvorhaben nach dem 31. Dezember 2006 begonnen worden ist und der Betrieb des Investors --wie hier-- die Begriffsdefinition der [X.] für kleinere und mittlere Unternehmen erfüllt (§ 2 Abs. 1 Satz 4 InvZulG 2007).

2. Nach ständiger Rechtsprechung verlangt der Begriff des Verbleibens eine dauerhafte zeitliche und räumliche bzw. tatsächliche Beziehung des begünstigten Wirtschaftsguts zu der Betriebsstätte im Fördergebiet (vgl. z.B. [X.] vom 12. März 1998 III B 22/97, [X.] 1998, 1528, m.w.N.). Dies setzt ein Verbleiben des Wirtschaftsguts im räumlichen Bereich der Betriebsstätte voraus ([X.]surteil vom 7. Februar 2002 III R 14/00, [X.], 164, [X.], 312). Eine lediglich funktionale Bindung an das Fördergebiet genügt nicht ([X.]surteil vom 28. November 2002 III R 4/00, [X.], 370, [X.] 2003, 365). Ein Wirtschaftsgut verbleibt grundsätzlich nicht im Fördergebiet, wenn es auch nur kurzfristig außerhalb des [X.] zum Einsatz kommt ([X.]surteile in [X.], 164, [X.], 312, sowie vom 19. Oktober 2006 III R 52/05, [X.] 2007, 974).

a) In engen Grenzen hat die Rechtsprechung bei Wirtschaftsgütern, die ihrer Art nach nicht dazu bestimmt sind, im räumlich abgegrenzten Bereich der Betriebsstätte eingesetzt zu werden und deshalb typischerweise außerhalb der Betriebsstätte Verwendung finden, Ausnahmen von den strengen Verbleibensregeln zugelassen (z.B. [X.]-Urteil vom 15. Mai 1997 III R 264/94, [X.] 1997, 898; [X.] vom 5. Februar 1998 III B 60/97, [X.] 1998, 1128; [X.]surteile vom 10. Dezember 1998 III R 113/95, [X.] 1999, 965, und in [X.], 370, [X.] 2003, 365).

b) Die Finanzverwaltung trifft bei derartigen Wirtschaftsgütern eine Unterscheidung nach drei Fallgruppen (BMF-Schreiben in [X.], 590 [X.]. 71 ff.):

Bei Transportmitteln ([X.]. 71, z.B. Kraftfahrzeuge, Schiffe, Container) kommt es darauf an, ob sie innerhalb eines Jahres des Verbleibenszeitraums überwiegend, d.h. an mindestens 183 Tagen im [X.]verkehr eingesetzt werden. Bei Baugeräten ([X.]. 72, z.B. Bagger, Radlager, Betonmischfahrzeuge, Kräne) ist darauf abzustellen, ob sie innerhalb eines Jahres mehr als fünf Monate außerhalb des [X.] eingesetzt werden und bei den anderen Wirtschafsgütern, die ihrer Art nach nicht zu einem Einsatz im abgegrenzten Bereich einer Betriebsstätte bestimmt sind ([X.]. 73, z.B. Messestände, Messgeräte, Kameras), darauf, ob sie innerhalb eines Jahres länger als 30 Tage außerhalb des [X.] zum Einsatz kommen.

3. Im Streitfall war das [X.] der Meinung, die zu den Baugeräten ergangene Verwaltungsvorschrift und die [X.] seien auch auf die Brennerstationen und die Notebooks anzuwenden. Der [X.] teilt diese Ansicht nicht. Die [X.] zu den Baugeräten ist großzügiger als die für die "anderen" Wirtschaftsgüter, weil Baugeräte wie Bagger u.ä. üblicherweise nicht nur für wenige Tage oder Wochen auf einzelnen Baustellen eingesetzt werden. Die Einsatzzeit bemisst sich hier in der Regel nach Monaten. Mit Baugeräten, die über Monate hinweg außerhalb der Betriebsstätte des Investors eingesetzt werden, sind die Brennerstationen nicht zu vergleichen. Der [X.] braucht daher nicht zu entscheiden, ob durch die zu Baugeräten ergangene Verwaltungsanweisung die gesetzlichen Bindungsvoraussetzungen in zutreffender Weise interpretiert werden. Zweifel daran hat er im [X.]surteil vom 20. Oktober 2005 III R 23/03 ([X.] 2006, 980) geäußert. Die Notebooks sind ohnehin keine Wirtschaftsgüter, die ihrer Art nach dazu bestimmt sind, außerhalb der Betriebsstätte des Investors eingesetzt zu werden.

4. Aus den im finanzgerichtlichen Verfahren vorgelegten Übersichten, auf welche sich das [X.] im angefochtenen Urteil bezogen hat und die damit Bestandteil der Tatsachenfeststellung sind (s. Beschluss des Großen [X.]s des [X.] vom 17. Juli 1967 GrS 3/66, [X.] 91, 213, [X.] 1968, 285; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 118 Rz 37), ist zu ersehen, dass die jeweiligen Einsätze vor Ort im Regelfall wenige Tage umfassten, in einzelnen Fällen bis zu drei Wochen. Aus den Aufstellungen geht auch hervor, dass die Voraussetzungen für eine Anwendung der zu den "anderen" Wirtschaftsgütern ergangenen [X.], wonach solche Wirtschaftsgüter während des [X.] innerhalb eines Jahres an nicht mehr als 30 Tagen außerhalb des [X.] eingesetzt werden dürfen, deutlich nicht erfüllt sind. Von einem kurzfristigen Einsatz außerhalb des [X.] (vgl. [X.]surteil in [X.], 164, [X.], 312) kann daher nicht mehr gesprochen werden. Die gesetzlichen Bindungsvoraussetzungen wurden nicht eingehalten.

5. Die Brennerstationen und die Notebooks verblieben somit im Bindungszeitraum entgegen § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. [X.] 2007 nicht in einer Betriebsstätte der Klägerin im Fördergebiet. Die Gewährung einer Investitionszulage scheidet insoweit aus.

6. [X.] beruht auf § 143 Abs. 1, § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

III R 15/13

15.10.2015

Bundesfinanzhof 3. Senat

Urteil

vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 29. Januar 2013, Az: 3 K 125/11, Urteil

§ 2 Abs 1 S 1 Nr 2 Buchst a InvZulG 2007, § 2 Abs 1 S 1 Nr 2 Buchst b InvZulG 2007

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 15.10.2015, Az. III R 15/13 (REWIS RS 2015, 3867)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 3867

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