Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14.06.2012, Az. 2 B 13/12

2. Senat | REWIS RS 2012, 5615

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Gegenstand

Übergangsgebührnisse; gesetzesimmanenter Rückforderungsvorbehalt; Überzahlungsrisiko; Rückforderung


Gründe

1

Die Nichtzulassungsbeschwerde der [X.]eklagten kann keinen Erfolg haben. Aus ihrer [X.]eschwerdebegründung ergibt sich nicht, dass ein [X.] (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 VwGO; § 127 Nr. 1 [X.]RRG) vorliegt.

2

Die [X.]eklagte bewilligte dem Kläger durch [X.]escheid vom 24. April 2005 für die Dauer von zwei Jahren nach [X.]eendigung seines Dienstverhältnisses als Soldat auf [X.] ab 1. Juni 2005 monatliche [X.] in Höhe von 75 % der letzten Dienstbezüge. Durch [X.]escheid vom 9. August 2006 setzte sie diese [X.]ezüge mit Wirkung ab 1. Juni 2005 auf 60 % der letzten Dienstbezüge herab und forderte die gezahlten Differenzbeträge in Höhe von insgesamt 6 495,30 € zurück. Dieses Vorgehen hatte seinen Grund darin, dass der Kläger seit 1. Juni 2005 ein monatliches [X.]ruttogehalt von 3 900 € bezog, das nach der am gleichen Tag in [X.] getretenen neuen Anrechnungsvorschrift des § 11 Abs. 3 Satz 4 des Soldatenversorgungsgesetzes - SVG - in der Fassung des Gesetzes vom 4. Mai 2005 ([X.]) zu einer Verminderung des [X.] um 15 % führte.

3

Das Oberverwaltungsgericht hat den angefochtenen [X.]escheid vom 9. August 2006 aufgehoben. In dem [X.]erufungsurteil heißt es, der [X.]eklagten stünden die festgesetzten Rückforderungsansprüche nicht zu, weil der [X.]escheid vom 24. April 2005 nach wie vor Rechtsgrundlage für die Zahlungen an den Kläger sei. Zwar sei dieser [X.]escheid durch die Einführung des § 11 Abs. 3 Satz 4 SVG rechtswidrig geworden. Die in dem [X.]escheid vom 9. August 2006 jedenfalls konkludent ausgesprochene Rücknahme sei aber als rechtswidrig aufzuheben, weil die [X.]eklagte kein Ermessen ausgeübt habe. Es liege kein Fall der Ermessensreduktion auf Null vor, weil der Kläger die bevorstehende Gesetzesänderung bei Erlass des ursprünglichen [X.] weder gekannt habe noch habe kennen müssen. Nach der Rechtsprechung des [X.] stehe die Zahlung von Versorgungsbezügen nicht unter dem [X.], dass die [X.] das [X.] unrichtig angewandt habe. Dies gelte auch, wenn die [X.]ehörde wie im vorliegenden Fall Gesetzesänderungen nicht umsetze, die nach der Festsetzung der Versorgungsbezüge in [X.] getreten seien.

4

Die [X.]eklagte hält die Rechtssache für rechtsgrundsätzlich bedeutsam, weil das Oberverwaltungsgericht in [X.]ezug auf die Reichweite des gesetzesimmanenten Vorbehalts von der Rechtsprechung des [X.] (Urteil vom 25. November 1985 - [X.]VerwG 6 [X.] 37.83 - [X.] 238.41 § 49 [X.] = NVwZ 1986, 745) und des [X.] ([X.]eschluss vom 17. Februar 2009 - 1 L 2/08 - juris) abgewichen sei. Sie habe den Festsetzungsbescheid vom 24. April 2005 ohne Ausübung von Ermessen rückwirkend aufheben können, weil der Vorbehalt auch Überzahlungen aufgrund nachträglicher Gesetzesänderungen umfasse.

5

Damit hat die [X.]eklagte nicht dargelegt, dass der [X.] der Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO gegeben ist. Der [X.]eschluss des [X.] ist nach dem Wortlaut des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von vornherein nicht geeignet, eine derartige Divergenz zu begründen. Das [X.]erufungsurteil weicht nicht von dem angeführten Urteil des [X.] ab. Das Oberverwaltungsgericht hat keinen das [X.]erufungsurteil tragenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt, der in Widerspruch zu einem Rechtssatz des [X.] steht (vgl. zu den Voraussetzungen der Divergenz: [X.]eschluss vom 19. August 1997 - [X.]VerwG 7 [X.] 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26). Vielmehr steht die von der [X.]eklagten angegriffene Rechtsauffassung des [X.] inhaltlich in Einklang mit der Rechtsprechung des [X.].

6

In dem Urteil vom 25. November 1985 (a.a.O). hat der 6. Senat des [X.] entschieden, dass Versorgungsbezüge und damit auch [X.] unter dem gesetzesimmanenten Vorbehalt gezahlt werden, dass sich die Einkommensverhältnisse des Versorgungsempfängers in einer für die Anrechnung erheblichen Weise ändern. Ein ausdrücklicher Vorbehalt in der Versorgungsfestsetzung oder in der Ruhensberechnung ist nicht erforderlich. Aufgrund des gesetzesimmanenten Vorbehalts muss der Versorgungsempfänger die zuviel gezahlten [X.]eträge auch dann erstatten, wenn er sie im Rahmen der Lebensführung verbraucht hat (sog. verschärfte Haftung nach § 49 Abs. 2 Satz 1 SVG, § 818 Abs. 4, § 820 Abs. 1 Satz 2 [X.]G[X.]). Diesem Vorbehalt liegt die Erwägung zugrunde, dass aus Sicht der [X.] ungewiss ist, wie sich die Einkommensverhältnisse des Versorgungsempfängers während des [X.] entwickeln. Die [X.] kann nicht vorhersehen, ob und in welchem Umfang ein Versorgungsempfänger anrechenbares Erwerbseinkommen erzielt. Andererseits muss sich der Versorgungsempfänger darauf einstellen, dass die Höhe der ausgezahlten Versorgungsbezüge von seinem Erwerbseinkommen abhängt.

7

Ein gesetzesimmanenter [X.] mit der Folge der verschärften Haftung des Versorgungsempfängers für die Erstattung gesetzwidrig gezahlter [X.]eträge besteht jedoch nicht, wenn die Überzahlungen darauf zurückzuführen sind, dass die [X.] aufgrund einer rechtsfehlerhaften Anwendung des Versorgungsgesetzes überhöhte Versorgungsbezüge festgesetzt hat. [X.] der [X.] gehören nicht zum Risikobereich des Versorgungsempfängers. Es kann ihm nicht zum Nachteil gereichen, dass die [X.] eine einschlägige Rechtsvorschrift übersehen oder fehlerhaft ausgelegt hat.

8

Der nunmehr für das [X.]eamten- und Soldatenversorgungsrecht ausschließlich zuständige 2. Senat des [X.] hat sich der Rechtsauffassung des 6. Senats angeschlossen. Auch er hat entschieden, dass sich der gesetzesimmanente [X.] bei der Gewährung von [X.]ezügen nicht darauf erstreckt, dass die zuständige [X.]ehörde die einschlägigen gesetzlichen Vorschriften nicht beachtet oder unzutreffend angewandt hat ([X.]eschluss vom 2. April 1990 - [X.]VerwG 2 [X.] 182.89 - [X.] 239.1 § 57 [X.]eamtVG Nr. 4).

9

Das Oberverwaltungsgericht hat diese Rechtsprechung des [X.] in dem [X.]erufungsurteil zutreffend dargelegt und sich ihr angeschlossen (vgl. Seite 15 f. des Urteilsumdrucks). Es hat daraus den zutreffenden Schluss gezogen, dass ein gesetzesimmanenter [X.] auch dann nicht besteht, wenn ein Versorgungsfestsetzungsbescheid wie im vorliegenden Fall aufgrund einer nach seinem Erlass in [X.] getretenen Verschärfung der gesetzlichen Anrechnungsvorschriften rechtswidrig geworden ist. Auch in diesem Fall kann das Überzahlungsrisiko nicht dem Versorgungsempfänger auferlegt werden, weil er keine Ursache für die gesetzwidrig zu hohen Zahlungen gesetzt hat. Demzufolge muss die [X.] über die Rücknahme eines derartigen Versorgungsfestsetzungsbescheids rückwirkend für die [X.] ab Inkrafttreten der Gesetzesänderung nach billigem Ermessen unter [X.]erücksichtigung der [X.]elange des Versorgungsempfängers entscheiden, soweit der Schutz des Vertrauens in den [X.]estand der Festsetzung nicht nach Maßgabe des § 48 Abs. 2 Satz 3 VwVfG ausgeschlossen ist. Die Rückforderung der gesetzwidrig gezahlten Versorgungsbezüge setzt die Rücknahme des Versorgungsfestsetzungsbescheids für den [X.]raum der Zahlungen voraus.

Nach alledem kann die Revision nicht wegen grundsätzlicher [X.]edeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen werden. Die von der [X.]eklagten aufgeworfene Rechtsfrage zur Reichweite des gesetzesimmanenten Vorbehalts der Rückforderung von Versorgungsbezügen ist nicht rechtsgrundsätzlich bedeutsam, weil sie durch die dargestellte Rechtsprechung des [X.] geklärt ist. Daran vermag der von der [X.]eklagten angeführte [X.]eschluss des [X.] vom 17. Februar 2009 nichts zu ändern. Dieses Oberverwaltungsgericht hat sich für seine Rechtsauffassung, der gesetzesimmanente [X.] erstrecke sich auf den Fall einer nachträglichen Verschärfung der gesetzlichen Anrechnungsvorschriften, zu Unrecht auf das Urteil des [X.] vom 25. November 1985 (a.a.[X.]) berufen. Der Senat verweist insoweit auf die zutreffenden Ausführungen in dem [X.]erufungsurteil (Seite 16 des Urteilsumdrucks) und sieht von einer weiteren [X.]egründung ab (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

Die Revisionszulassung nach § 127 Nr. 1 [X.]RRG, § 63 Abs. 3 Satz 2 [X.]eamtStG kommt nicht in [X.]etracht, weil diese Vorschrift nach ihrem Wortlaut nur für Klagen aus dem [X.]eamtenverhältnis gilt. Das Klagebegehren muss nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Rechtsgrundsätzen zu beurteilen sein (Urteil vom 31. März 2011 - [X.]VerwG 2 A 3.09 - [X.] 402.8 § 5 [X.] Nr. 24 Rn. 18 = NVwZ-RR 2011, 682). Klagen von Soldaten, die Auslegung und Anwendung des Soldatenversorgungsgesetzes betreffen, fallen hierunter nicht. Im Übrigen könnte die Abweichung des [X.]erufungsurteils von dem [X.]eschluss des [X.] auch deshalb nicht zur Revisionszulassung nach § 127 Nr. 1 [X.]RRG führen, weil in der aufgeworfenen Rechtsfrage die dargestellten Entscheidungen des [X.] ergangen sind. Danach ist die Rechtsfrage im Sinne des [X.]erufungsgerichts geklärt.

Der Vortrag der [X.]eklagten, der Kläger habe den [X.]ezug des Erwerbseinkommens erst lange nach dem 1. Juni 2005 mitgeteilt, betrifft die rechtliche Würdigung des Einzelfalls, insbesondere die unterbliebene Ausübung des Rücknahmeermessens. Der Vortrag ist ohne [X.]edeutung für die [X.]eantwortung der generellen Frage, ob der gesetzesimmanente [X.] bei der Verschärfung von Anrechnungsvorschriften eingreift.

Meta

2 B 13/12

14.06.2012

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 26. Oktober 2011, Az: OVG 6 B 8.09, Urteil

§ 11 Abs 3 S 4 SVG vom 04.05.2005

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14.06.2012, Az. 2 B 13/12 (REWIS RS 2012, 5615)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5615

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