Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 28.07.2020, Az. 1 ABR 18/19

1. Senat | REWIS RS 2020, 434

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Gegenstand

Duldung von Überstunden - Mitbestimmung des Betriebsrats


Leitsatz

Eine - das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG verletzende - Duldung von Überstunden liegt vor, wenn hinreichende Anhaltspunkte für das Fehlen gebotener Gegenmaßnahmen durch den Arbeitgeber bestehen, um seine Untätigkeit als Hinnahme werten zu können.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des [X.] vom 21. März 2019 - 4 [X.] - aufgehoben.

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des [X.] vom 29. Juni 2018 - 36 [X.] - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

[X.]. Die Beteiligten streiten über einen Unterlassungsanspruch.

2

Die [X.]rbeitgeberin erbringt logistische Dienstleistungen. Mit dem in ihrem Betrieb gewählten Betriebsrat hat sie die „Betriebsvereinbarung [X.]rbeitszeiten“ ([X.]) geschlossen. Diese lautet auszugsweise:

        

IV.   

Schichtarbeit

        

1.    

[X.]nwendungsbereich

                 

Die nachfolgenden Regelungen gelten für alle Mitarbeiter der Betriebsteile [X.] und Product Modification Center ([X.]). …

        

2.    

[X.]rbeitszeit/Schichtmodelle

                 

Die betriebsübliche wöchentliche [X.]rbeitszeit (derzeit 40 Stunden) kann in den Betriebsteilen [X.] (ohne Bereich MHS) und [X.] wie in den Schichtmodellen jeweils festgelegt verteilt werden.

        

2.1     

Schichtmodelle des Betriebsteils [X.] (ohne Bereich MHS)

        

a)    

Die Schichtmodelle des Betriebsteils [X.] (ohne Bereich MHS) ergeben sich aus [X.]nlage 3 dieser Betriebsvereinbarung.

                 

…       

        

2.2     

Schichtmodelle des Betriebsteils [X.]

        

a)    

Die Schichtmodelle des Betriebsteils [X.] ergeben sich aus [X.]nlage 4 dieser Betriebsvereinbarung.

                 

…       

        

4.    

Überstunden

        

4.1     

Definition von Überstunden

        

Überstunden sind die [X.]rbeitsstunden, die ein Vollzeit-Mitarbeiter auf [X.]nordnung von [X.] über die in der Schichteinteilung festgelegte [X.] hinaus arbeitet. …

        

4.2     

Überstundenregelung

        

a)    

Flex-Überstunden

                 

[X.]us betriebsbedingten Gründen, insbesondere bei [X.]uftragsspitzen kann [X.] von den Mitarbeitern freiwillig zu leistende Flex-Überstunden anordnen.

                 

Der Betriebsrat stimmt vorab zu, dass jeder Lager-Mitarbeiter in jedem Quartal bis zu 20 Flex-Überstunden leisten kann …

                 

…       

                 

[X.] informiert Mitarbeiter und Betriebsrat in Textform spätestens zwei Wochen zuvor darüber, dass voraussichtlich Flex-Überstunden anfallen werden.

                 

…“    

3

In der den Betriebsteil [X.] (einschließlich [X.]) betreffenden [X.]nlage 3 zur [X.] sind für die Früh-, Tag-, Spät- und Nachtschicht der jeweilige Schichtbeginn und das jeweilige Schichtende sowie die Lage von jeweils drei Pausen festgelegt. Entsprechendes gilt für die den Betriebsteil [X.] betreffende [X.]nlage 4 zur [X.] und die dort geregelte Früh-, Spät- und Nachtschicht. Die tägliche [X.]rbeitszeit in den Schichtmodellen beträgt acht Stunden.

4

In der [X.] von März bis Mai 2017 wies das elektronische [X.]erfassungssystem für zwei im Betriebsteil [X.] in der Frühschicht eingesetzte [X.]rbeitnehmer wiederholt [X.]en von arbeitstäglich mehr als acht Stunden aus. Der Betriebsrat beanstandete dies als Überstundenleistung und forderte die [X.]rbeitgeberin unter Fristsetzung bis 12. Juni 2017 auf, den Sachverhalt zu klären und Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Die [X.]rbeitgeberin teilte dem Betriebsrat - nach [X.] Fristverlängerung - in einer E-Mail vom 28. Juni 2017 mit, die zwei [X.]rbeitnehmer seien bei der Erfassung ihrer [X.]rbeitszeiten technisch versehentlich einem nicht für sie geltenden [X.]rbeitszeitmodell ([X.] statt Schichtmodell) zugeordnet worden; man habe den Fehler behoben und die beiden Mitarbeiter auf die Einhaltung der für sie nach der [X.] geltenden [X.]rbeitszeiten hingewiesen. [X.]m 17. Oktober und 12. Dezember 2017 fanden Betriebsversammlungen statt; an beiden Tagen arbeitete ein als Teamleader tätiger [X.]rbeitnehmer im Bereich [X.] jeweils länger als acht Stunden.

5

[X.]uf der Grundlage eines am 1. Juni 2017 gefassten Beschlusses hat der Betriebsrat Ende Juni 2017 das vorliegende Verfahren eingeleitet und - soweit für die Rechtsbeschwerde noch von Belang - einen auf die Verletzung seines Mitbestimmungsrechts nach § 87 [X.]bs. 1 Nr. 3 [X.] gestützten Unterlassungsanspruch geltend gemacht. Die [X.]rbeitgeberin habe wiederholt die [X.]bleistung nicht mitbestimmter Überstunden geduldet.

6

Der Betriebsrat hat - soweit für die Rechtsbeschwerde noch von Interesse - beantragt,

        

der [X.]rbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, von Mitarbeitern der [X.]bteilungen [X.] und [X.] die [X.]bleistung von Überstunden zu dulden oder entgegenzunehmen, ohne dass hierüber eine Einigung mit ihm herbeigeführt worden wäre oder die fehlende Einigung mit ihm durch eine Entscheidung der [X.] ersetzt worden wäre oder ein Notfall im Sinne der Rechtsprechung des [X.] oder eine [X.]bwehrmaßnahme im [X.]rbeitskampf vorliegt;

        

der [X.]rbeitgeberin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen diese Verpflichtung jeweils ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, anzudrohen.

7

Die [X.]rbeitgeberin hat beantragt, die [X.]nträge abzuweisen. Sie hat die [X.]uffassung vertreten, das Begehren sei bereits unzulässig. Der Betriebsrat verfolge sein Rechtsschutzziel missbräuchlich. Jedenfalls sei der Unterlassungsantrag unbegründet. Im Hinblick auf die [X.]nlassfälle könne nicht von einer Duldung von Überstunden unter Missachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats ausgegangen werden.

8

Das [X.]rbeitsgericht hat die - bei ihm auch noch auf die Durchführung der [X.] gestützten - [X.]nträge abgewiesen. Das [X.] hat dem ordnungsgeldbewehrten Unterlassungsantrag auf die - darauf beschränkt eingelegte - Beschwerde des Betriebsrats stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der [X.]rbeitgeberin, mit der sie die vollumfängliche Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Beschlusses begehrt.

9

B. Die Rechtsbeschwerde der [X.]rbeitgeberin hat Erfolg. Das [X.] hat dem Begehren zu Unrecht entsprochen. Der zulässige Unterlassungsantrag ist unbegründet. Der nach seinem Inhalt nur für den Fall des Obsiegens mit dem Unterlassungsantrag erhobene [X.]ntrag auf [X.]ndrohung eines Ordnungsgelds fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.

I. Der Unterlassungsantrag ist zulässig.

1. Er bedarf allerdings der [X.]uslegung. [X.]usgehend von dem gebotenen anlassfallbezogenen [X.]ntragsverständnis (dazu zB B[X.]G 22. Oktober 2019 - 1 [X.]BR 17/18 - Rn. 15) geht es dem Betriebsrat um die Verpflichtung der [X.]rbeitgeberin, die Duldung nicht mitbestimmter zeitlicher Überschreitungen der täglichen [X.] nach Ziff. IV Nr. 2.1 Buchst. a und Nr. 2.2 Buchst. a [X.] iVm. deren [X.]nlage 3 bzw. [X.]nlage 4 zu unterlassen. Die anlassfallbildenden Konstellationen sind keine, die den bereits mitbestimmt festgelegten Regularien nach Ziff. IV Nr. 4.2 [X.] unterfallen. Es handelt sich nicht um Überstunden iSv. Ziff. IV Nr. 4.1 [X.], denn diese setzen die „[X.]nordnung von [X.]“ voraus. Eine solche hat der Betriebsrat nicht behauptet, sondern - im Gegenteil - sich auf die „Hinnahme“ von [X.]rbeitsleistungen, die über die in der Schichteinteilung festgelegten werktäglichen [X.]en hinausgehen, berufen. Die Herausnahme von notfall- oder arbeitskampfbedingten Sachverhalten ist eine unnötige (dazu B[X.]G 20. März 2018 - 1 [X.]BR 70/16 - Rn. 29, B[X.]GE 162, 98), wenngleich unschädliche Beschreibung der erstrebten Unterlassungsverpflichtung.

2. Mit diesem Inhalt ist der [X.]ntrag zulässig.

a) Er ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 [X.]bs. 2 Nr. 2 ZPO. Dem steht nicht entgegen, dass der [X.]ntrag auf die Unterlassung einer Duldung von Überstunden gerichtet ist. Eine Unterlassungsverpflichtung ist nicht notwendig darauf beschränkt, bestimmte Handlungen des Unterlassungsverpflichteten zu untersagen (vgl. B[X.]G 29. September 2004 - 1 [X.]BR 29/03 - zu [X.] 2 a der Gründe, B[X.]GE 112, 87). Das streitbefangene Unterlassen der Duldung richtet sich darauf, die [X.]rbeitgeberin anzuhalten, mögliche und zumutbare Maßnahmen zu ergreifen, um zu verhindern, dass sich anlassfallgleiche Überschreitungen der [X.] wiederholen. Eine nähere Konkretisierung dieser Maßnahmen kann und muss im Erkenntnisverfahren nicht verlangt werden (vgl. B[X.]G 29. [X.]pril 2004 - 1 [X.]BR 30/02 - zu [X.]V 1 der Gründe, B[X.]GE 110, 252).

b) Für den [X.]ntrag besteht das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Dieses ergibt sich bei [X.] regelmäßig bereits aus dem behaupteten [X.]nspruch. Nur ausnahmsweise können besondere Umstände das Verlangen als nicht schutzwürdig erscheinen lassen. Solche Umstände sind - entgegen der [X.]nsicht der Rechtsbeschwerde - nicht gegeben. Sie liegen weder in der „vorfristigen“ Beschlussfassung des Betriebsrats über die Verfahrenseinleitung noch in dem seitens der [X.]rbeitgeberin dem Betriebsrat zugeschriebenen inadäquaten [X.]. Die [X.]rbeitgeberin verkennt, dass der - ohnehin nicht prozess-, sondern materiell-rechtliche - Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nach § 2 [X.]bs. 1 [X.] den Unterlassungsansprüchen des Betriebsrats aus § 87 [X.]bs. 1 und § 23 [X.]bs. 3 [X.] nur in besonders schwerwiegenden und eng begrenzten [X.]usnahmefällen entgegenstehen kann (B[X.]G 12. März 2019 - 1 [X.]BR 42/17 - Rn. 41 ff., B[X.]GE 166, 79).

II. Der [X.]ntrag ist unbegründet. Dem Betriebsrat steht ein allgemeiner Unterlassungsanspruch aus § 87 [X.]bs. 1 [X.] nicht zu. Es fehlt es an einem betriebsverfassungswidrigen Verhalten der [X.]rbeitgeberin, das auch der Unterlassungsanspruch nach § 23 [X.]bs. 3 [X.] voraussetzt.

1. Zwar ist nicht nur die [X.]nordnung, sondern ebenso die Duldung von [X.]rbeitnehmern geleisteter Überstunden nach § 87 [X.]bs. 1 Nr. 3 [X.] mitbestimmungspflichtig, wenn ein kollektiver Tatbestand vorliegt (bereits B[X.]G 22. Februar 1983 - 1 [X.]BR 27/81 - zu [X.] 1 der Gründe, B[X.]GE 42, 11; grds. B[X.]G 27. November 1990 - 1 [X.]BR 77/89 - zu [X.]I 1 b der Gründe; bestätigt durch B[X.]G 24. [X.]pril 2007 - 1 [X.]BR 47/06 - Rn. 18, B[X.]GE 122, 127; vgl. ferner auch B[X.]G 16. Juli 1991 - 1 [X.]BR 69/90 - zu [X.]I 1 der Gründe). [X.]uch schließt die vorübergehende Änderung der [X.]n [X.]rbeitszeit einzelner [X.]rbeitnehmer einen kollektiven Tatbestand nicht grundsätzlich aus, denn sie betrifft die kollektiven Interessen der Belegschaft des Betriebs. Des Weiteren liegt eine vorübergehende Verlängerung der [X.]n [X.]rbeitszeit iSd. § 87 [X.]bs. 1 Nr. 3 [X.] vor, wenn das für einen bestimmten Wochentag regulär festgelegte [X.]rbeitszeitvolumen überschritten wird (vgl. B[X.]G 14. November 2006 - 1 [X.]BR 5/06 - Rn. 32, B[X.]GE 120, 162). Entsprechend steht dem Betriebsrat bei Nichtbeachtung seines Mitbestimmungsrechts nach § 87 [X.]bs. 1 Nr. 3 [X.] ein allgemeiner Unterlassungsanspruch und - wenn darin ein grober Verstoß des [X.]rbeitgebers gegen seine betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten liegt - ein Unterlassungsanspruch nach § 23 [X.]bs. 3 [X.] zu.

2. Die [X.]nlassfälle tragen allerdings nicht die [X.]nnahme einer Duldung von Überstunden durch die [X.]rbeitgeberin.

a) Ebenso wie die [X.]nordnung von Überstunden ist deren Duldung ein tatsächliches Verhalten des [X.]rbeitgebers. Es ist durch Unterlassen von gebotenem [X.] gekennzeichnet. Hiervon kann regelmäßig ausgegangen werden, wenn der [X.]rbeitgeber in Kenntnis der Überstundenleistungen durch [X.]rbeitnehmer untätig bleibt und diese über einen längeren [X.]raum hinnimmt. Entsprechend ist der Duldungstatbestand beispielsweise erfüllt, wenn Monat für Monat eine Vielzahl von [X.]rbeitnehmern immer wieder in erheblichem Maße Überarbeit leistet und der [X.]rbeitgeber diese Stunden „entgegennimmt und bezahlt“ (B[X.]G 27. November 1990 - 1 [X.]BR 77/89 - zu [X.] und [X.]I 1 b der Gründe) oder es die betrieblich-organisatorischen Gründe bedingen, dass [X.]rbeitnehmer häufig über das mitbestimmt festgelegte Schichtende hinaus arbeiten und diese Mehrarbeit „angenommen und vergütet“ wird (vgl. B[X.]G 22. Februar 1983 - 1 [X.]BR 27/81 - zu [X.] und [X.] 1 b der Gründe, B[X.]GE 42, 11).

b) [X.]uf eine Duldung kann nur unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände geschlossen werden. In aller Regel ist ihr ein zeitlicher Moment immanent. Einzelne oder besonderen einmaligen Umständen geschuldete Überschreitungen der [X.]n [X.]rbeitszeit sprechen für sich gesehen nicht dafür, dass der [X.]rbeitgeber diese hinnimmt. Die positive Kenntnis des [X.]rbeitgebers von Überstundenleistungen durch [X.]rbeitnehmer ohne Ergreifen von Gegenmaßnahmen deutet regelmäßig auf deren Duldung hin (vgl. für den [X.] der Vergütung von Überstunden B[X.]G 10. [X.]pril 2013 - 5 [X.]ZR 122/12 - Rn. 21 mwN). [X.]ndererseits ist sie - ebenso wie die Vergütung der Überstunden - keine zwingende Voraussetzung für die [X.]nnahme einer Duldung von Überstunden im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn. [X.]uch Überschreitungen der [X.]n [X.]rbeitszeit, die nicht vergütet werden oder die der [X.]rbeitgeber nicht billigt oder ignoriert oder - trotz entsprechender Möglichkeit - nicht zur Kenntnis nimmt, unterfallen dem Mitbestimmungsrecht des § 87 [X.]bs. 1 Nr. 3 [X.]. Insgesamt lässt sich auf eine Duldung von Überstunden nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls schließen. Es muss hinreichende [X.]nhaltspunkte für das Fehlen gebotener Gegenmaßnahmen durch den [X.]rbeitgeber geben, um dessen Untätigkeit als ein Hinnehmen werten zu können.

c) Gemessen daran hat das [X.] die [X.]nlassfälle rechtsfehlerhaft als eine Duldung von Überstunden durch die [X.]rbeitgeberin gewertet. Diese bieten hierfür keine hinreichenden [X.]nhaltspunkte.

aa) Soweit es um die Überschreitungen der täglichen [X.]rbeitszeit durch die beiden [X.]rbeitnehmer im Betriebsteil [X.] im [X.]raum von März bis Mai 2017 geht, fällt auf, dass - auch nach dem eigenen Vorbringen des Betriebsrats - nicht nur die in der [X.] für diese Mitarbeiter geltenden Schichtendzeiten, sondern ebenso die [X.] (maßgebend war nach Ziff. IV Nr. 2.2 Buchst. a [X.] iVm. deren [X.]nlage 4 eine festgelegte Frühschicht von 08:15 Uhr bis 16:45 Uhr) sowie die Pausenzeiten (auch dazu enthält [X.]nlage 4 zur [X.] konkrete Maßgaben) nicht beachtet worden sind. Die [X.]rbeitnehmer haben die Schicht zum Teil später und zum Teil früher begonnen, ein „Kommen“ und „Gehen“ außerhalb festgelegter Pausenzeiten gebucht und das Schichtende teilweise um Minuten, teilweise aber auch um Stunden überschritten, wobei ein [X.]rbeitnehmer dennoch sein monatliches Stundensoll nicht erreichte. Das spricht gegen die [X.]nnahme, dass die [X.]rbeitgeberin eine [X.]bleistung von Überstunden hingenommen hat. [X.]uch hat sie Überstunden weder bezahlt - gemessen am monatlichen [X.]rbeitsumfang waren nach den eingereichten Unterlagen bei einem [X.]rbeitnehmer sogar „Minusstunden“ zu verzeichnen - noch bestehen [X.]nhaltspunkte, dass das Überschreiten der täglichen [X.] organisatorisch oder durch das [X.]rbeitspensum bedingt war. Der [X.]nnahme einer Duldung steht außerdem entgegen, dass es - was sich aus den vom Betriebsrat nicht substantiiert in [X.]brede gestellten Einlassungen der [X.]rbeitgeberin ergibt - zu einer technischen Verwechslung der für die beiden [X.]rbeitnehmer maßgeblichen [X.]rbeitszeiterfassung gekommen ist (Gleit- statt Schichtzeit). Die [X.]rbeitgeberin hat damit allenfalls das [X.]rbeiten der [X.]rbeitnehmer in einem für diese nicht geltenden [X.]rbeitszeitsystem - nach ihrer Behauptung unbemerkt - hingenommen und keine Überstunden geduldet. Das könnte ggf. einen Durchführungsanspruch des Betriebsrats bezogen auf die Einhaltung der Regelungen der [X.] begründen, nicht aber einen Unterlassungsanspruch wegen der Nichtbeachtung seines Mitbestimmungsrechts nach § 87 [X.]bs. 1 Nr. 3 [X.]. Hinzu kommt, dass die [X.]rbeitgeberin auf die entsprechende Beanstandung des Betriebsrats - wenngleich nicht unverzüglich, aber jedenfalls zeitnah - die [X.]rbeitszeiterfassung korrigiert und beide [X.]rbeitnehmer auf das für sie geltende Schichtsystem hingewiesen hat. [X.]uch das hat der Betriebsrat nicht in [X.]brede gestellt. Für ein Hinnehmen der Überstunden ohne Gegenmaßnahmen fehlt es an jeglichen [X.]nhaltspunkten.

bb) Ebenso liegt dem - nach Einleitung des Verfahrens aufgetretenen - einzigen weiteren [X.]nlassfall im Bereich [X.] keine Duldung von Überstunden durch die [X.]rbeitgeberin zugrunde. Die Umstände, die das Überschreiten des werktäglichen [X.]rbeitszeitrahmens des betroffenen [X.]rbeitnehmers bedingt haben, mögen zwar betrieblich-organisatorischer [X.]rt sein. Es fehlt aber an einer gewissen Permanenz und Redundanz, um auf das Unterlassen gebotener Gegenmaßnahmen durch die [X.]rbeitgeberin schließen zu können, was seinerseits eine Würdigung ihres Nichthandelns als eine Hinnahme von Überstunden rechtfertigen könnte. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass es bei der [X.]rbeitgeberin im Zusammenhang mit Betriebsversammlungen regelhaft oder systematisch oder auch nur häufiger zu Mehr- oder Überarbeit von [X.]rbeitnehmern kommt.

3. Im Übrigen bestünden auch Zweifel an der - für den allgemeinen Unterlassungsanspruch wegen der Nichtbeachtung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats nach § 87 [X.]bs. 1 [X.] erforderlichen - Wiederholungsgefahr.

a) Verletzt der [X.]rbeitgeber ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 [X.]bs. 1 [X.], entspricht es dem negatorischen Rechtsschutz zur Sicherung des Mitbestimmungsrechts, den [X.]rbeitgeber auf Unterlassung der nicht mitbestimmten Maßnahme als Verletzungshandlung in [X.]nspruch zu nehmen. Dabei zielt der Unterlassungsanspruch auf die Unterbindung künftiger Verletzungshandlungen. Die Verletzungshandlung in der Vergangenheit indiziert die für den allgemeinen Unterlassungsanspruch notwendige Wiederholungsgefahr (vgl. B[X.]G 20. März 2018 - 1 [X.]BR 70/16 - Rn. 54, B[X.]GE 162, 98). In den Fällen der Unterlassung einer Duldung umfasst die Unterlassungsverpflichtung allerdings die Pflicht zur Vornahme von Handlungen zur Beseitigung des Duldungszustands, weil dem Unterlassungsgebot allein dadurch entsprochen werden kann (vgl. ausf. auch [X.] 14. Dezember 2017 - I [X.]/15 - Rn. 22 mwN). Hat der Unterlassungsverpflichtete Maßnahmen zur Beseitigung des Störungszustands ergriffen, ist eine Gefahr künftiger Beeinträchtigungen durch das Hinnehmen eines gleichartigen Störungszustands nicht ohne Weiteres zu befürchten. [X.]uch vermag der [X.]nspruchsinhaber mit einem gerichtlichen [X.]usspruch nichts [X.] mehr zu erreichen, wenn eine Duldung durch [X.] beendet oder abgestellt ist.

b) Hiervon ausgehend spräche jedenfalls der unstreitig gebliebene Vortrag der [X.]rbeitgeberin, sie habe die beiden [X.]rbeitnehmer im Betriebsteil [X.] nach der entsprechenden Intervention durch den Betriebsrat über das für sie geltende [X.]rbeitszeitregime belehrt sowie für diese das technisch zutreffende - und den Regelungen der [X.] adäquate - [X.]erfassungssystem hinterlegt und damit eine Fortsetzung der entsprechenden Überschreitungen deren täglicher [X.] unterbunden, gegen eine wiederholte, anlassfallgleiche Hinnahme der Erbringung nicht mitbestimmter Überstunden durch die [X.]rbeitgeberin.

        

    Schmidt    

        

    [X.]hrendt    

        

    K. Schmidt    

        

        

        

    H. Schwitzer    

        

    Rose    

                 

Meta

1 ABR 18/19

28.07.2020

Bundesarbeitsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG München, 29. Juni 2018, Az: 36 BV 217/17, Beschluss

§ 87 Abs 1 Nr 3 BetrVG, § 23 Abs 3 BetrVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 28.07.2020, Az. 1 ABR 18/19 (REWIS RS 2020, 434)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 434

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