Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.10.2013, Az. XII ZB 429/13

12. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 1759

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Gegenstand

Vergütung des Berufsbetreuers: Stundensatzerhöhung wegen eines Hochschulstudiums in der ehemaligen DDR mit einem Abschluss zum Diplomlehrer


Leitsatz

Durch die im Rahmen eines erfolgreichen Hochschulstudiums in der ehemaligen DDR zur Diplomlehrerin für Russisch und Geschichte erfolgte Ausbildung in den Bereichen Pädagogik, Psychologie, Didaktik und Methodik wurden besondere, für die Führung der Betreuung nutzbare Kenntnisse im Sinn des § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG vermittelt.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des [X.] vom 12. Juli 2013 wird auf Kosten des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.

Verfahrenswert: 63 €.

Gründe

I.

1

Die Beteiligte zu 2 (im [X.]olgenden: Betreuerin) ist seit dem [X.] als Mitarbeiterin des Beteiligten zu 3, eines Betreuungsvereins, als Berufsbetreuerin der Betroffenen bestellt. Die Betreuung für die unter [X.] und [X.] leidende Betroffene umfasst unter anderem die [X.] der Gesundheits- und der Vermögenssorge sowie der Aufenthaltsbestimmung und der Wohnungsangelegenheiten.

2

Die Betreuerin erwarb im Jahr 1982 in der ehemaligen [X.] den Hochschulabschluss als Diplomlehrerin für die [X.]achkombination [X.] und Geschichte und erhielt damit die Lehrbefähigung zur Erteilung des entsprechenden [X.]achunterrichts an den allgemeinbildenden polytechnischen Oberschulen der [X.]. [X.] schloss sie zudem eine Ausbildung an einer [X.]achschule für Sozialpädagogik zur staatlich anerkannten Erzieherin ab.

3

[X.]ür den Abrechnungszeitraum vom 20. Juli 2012 bis zum 19. Oktober 2012 hat die Betreuerin für ihre Tätigkeit die [X.]estsetzung einer Betreuervergütung für sechs Stunden in Höhe von 264 € beantragt, der sie im Hinblick auf ihre Ausbildung einen Stundensatz nach der höchsten Vergütungsstufe von 44 € zugrunde gelegt hat.

4

Das Amtsgericht hat dem Antrag stattgegeben und die Beschwerde zugelassen. Die Beschwerde der Staatskasse (Beteiligter zu 1), mit der diese unter Berücksichtigung des Abschlusses der Betreuerin als staatlich anerkannte Erzieherin geltend gemacht hat, eine Abrechnung auf der Basis eines Stundensatzes in Höhe von 33,50 € sei zutreffend, hat das [X.] zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Staatskasse ihr Beschwerdebegehren weiter.

II.

5

Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 70 Abs. 1 [X.]am[X.]G) und auch im Übrigen zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

6

1. Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Betreuerin habe im Rahmen ihres Studiums psychologische und pädagogische Kenntnisse erworben, die für die ihr übertragene Betreuung nutzbar seien. Sie könnten hilfreich sein, aus der Erkrankung der Betroffenen folgende Schwierigkeiten im persönlichen Kontakt zu überwinden. Neben den [X.]ächern Pädagogik und Psychologie einschließlich des Vertiefungsfachs Diagnostik der [X.] sei auch die Methodik des Unterrichts teilweise betreuungsrelevant. Die entsprechende Ausbildung sei nicht lediglich bei Gelegenheit des Studiums erfolgt, sondern habe angesichts der praktischen Bedeutung für den geplanten späteren Beruf und des zeitlichen und inhaltlichen Umfangs sowie der [X.] Anteil am Kernbereich des Studiums.

7

2. Diese Ausführungen sind rechtlich nicht zu beanstanden.

8

a) Die [X.]rage, unter welchen Umständen ein Berufsbetreuer im Einzelfall die Voraussetzungen erfüllt, die gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 [X.] die Bewilligung einer erhöhten Vergütung rechtfertigen, obliegt einer wertenden Betrachtung des Tatrichters. Dessen Würdigung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob er die maßgebenden Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt, Rechtsbegriffe verkannt oder Erfahrungssätze verletzt und die allgemein anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und richtig angewandt hat (Senatsbeschlüsse vom 22. August 2012 - [X.] 319/11 - NJW-RR 2012, 1475 Rn. 9 und vom 4. April 2012 - [X.] 447/11 - NJW-RR 2012, 774 Rn. 13).

9

b) Einer solchen Überprüfung hält die tatrichterliche Würdigung des [X.] stand, wonach die abgeschlossene Hochschulausbildung der Betreuerin besondere, für die [X.]ührung der Betreuung nutzbare Kenntnisse vermittelt hat.

aa) Dass die Betreuerin über eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 [X.] verfügt, wird von der Rechtsbeschwerde zu Recht nicht in Zweifel gezogen.

bb) Ohne Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde dagegen, dass das Beschwerdegericht das Vorliegen auch der weiteren Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 [X.] angenommen hat.

(1) Besondere und für die Betreuung nutzbare Kenntnisse im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 [X.] sind solche, die über das jedermann zu Gebote stehende Wissen hinausgehen und den Betreuer in die Lage versetzen, seine Aufgaben zum Wohl des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen. Angesichts der Pflichten des Betreuers, auf den Willen des Betreuten einzugehen, um seine Wünsche zu erkennen und ihnen weitgehend zu entsprechen (§ 1901 Abs. 2, Abs. 3 BGB), sind unter anderem [X.]achkenntnisse, die den Umgang mit und das Verständnis für die besondere Situation von psychisch Kranken oder Behinderten fördern, als für die Betreuung nutzbar anzusehen.

Nach Sinn und Zweck des § 4 Abs. 1 Satz 2 [X.] ist ein erhöhter Stundensatz jedoch nicht bereits gerechtfertigt, wenn die Ausbildung gleichsam am Rande auch die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse zum Inhalt hat. Erforderlich ist vielmehr, dass sie in ihrem Kernbereich hierauf ausgerichtet ist. Davon ist auszugehen, wenn ein erheblicher Teil der Ausbildung auf die Vermittlung solchen Wissens gerichtet und dadurch das erworbene betreuungsrelevante Wissen über ein Grundwissen deutlich hinausgeht (Senatsbeschluss vom 22. August 2012 - [X.] 319/11 - NJW-RR 2012, 1475 Rn. 16 ff. mwN).

(2) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat das Beschwerdegericht zu Recht das Vorliegen besonderer und für die Betreuung nutzbarer Kenntnisse der Betreuerin bejaht.

(a) Nach den [X.]eststellungen des [X.] absolvierte die Betreuerin im zweiten Studienjahr ein dreiwöchiges pädagogisch-psychologisches Praktikum und im vierten Studienjahr ein 13-wöchiges "Großes Schulpraktikum". Ab dem fünften Semester belegte sie vertiefend das [X.]ach Psychologie/Lehrgebiet Diagnostik der [X.] mit 188 Stunden. Weitere 116 der insgesamt 3.056 vorgesehenen Stunden entfielen auf Psychologie, 134 Stunden auf Pädagogik und 250 Stunden auf Methodik des Unterrichts. Gegenstand der von der Betreuerin absolvierten Abschlussprüfung waren unter anderem Pädagogik, Psychologie sowie Methodik des Haupt- und Nebenfachs. Im Abschlusszeugnis sind als "Abschlussprüfungen und Belege" unter anderem die [X.]ächer "Diagnostik d. [X.]" und "Päd. psych. Praktikum" aufgeführt.

(b) Ohne Rechtsfehler ist die Beurteilung des [X.], dass die durch das Studium vermittelten pädagogischen und psychologischen Kenntnisse für die [X.]ührung der Betreuung nutzbar sind. Denn sie können für die Betreuerin die Grundlage darstellen, um aus der Erkrankung der Betroffenen resultierende Schwierigkeiten im persönlichen Kontakt zu überwinden, die Bedürfnisse der Betroffenen zu erkennen und auf sie in sinnvoller Weise einzuwirken (vgl. [X.] 2008, 60, 62; [X.] NJW-RR 2002, 654, 655; [X.] [X.] 2002, 21, 22; BayObLG [X.]amRZ 2001, 306, 307; [X.] [X.]amRZ 2000, 847, 848; vgl. auch [X.] Beschluss vom 21. Januar 2008 - 20 W 378/05 - juris Rn. 5; [X.]/[X.] 6. Aufl. § 4 [X.] Rn. 11; [X.] Betreuungsrecht [Stand: 1.9.2011] § 4 [X.] Rn. 26; [X.]/[X.] 3. Aufl. Teil [X.] Rn. 118). Dies gilt entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde auch für das [X.]ach Diagnostik der [X.].

(c) In rechtlicher Hinsicht ebenfalls nicht zu beanstanden ist, dass das Beschwerdegericht darüber hinaus auch die durch das Studium vermittelten Kenntnisse in den Bereichen Didaktik und Methodik als zumindest teilweise betreuungsrelevant eingestuft hat. Denn sie können die Bewältigung der für die Kommunikation mit psychisch Kranken häufig besonders wichtigen, aber auch anspruchsvollen Aufgabe der situationsgerechten Aufbereitung und Weitergabe von Inhalten wesentlich befördern.

(d) Schließlich hat das Beschwerdegericht zu Recht die betreuungsrelevanten [X.]ächer dem Kernbereich des von der Betreuerin absolvierten Hochschulstudiums zugeordnet und damit als erheblichen Teil der Ausbildung angesehen.

Dem steht nicht entgegen, dass die Ausbildung schwerpunktmäßig eine andere Zielrichtung hatte und im überwiegenden Teil der Gesamtstundenzahl auf die Wissenserlangung in den zu unterrichtenden [X.]ächern [X.] und Geschichte ausgerichtet war. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, dass die im Rahmen des von der Betreuerin absolvierten Studiums erworbenen psychologischen und pädagogischen Kenntnisse auch in Anbetracht des prozentualen Anteils der entsprechenden Ausbildungsteile an der Gesamtstundenzahl als zentraler Teil des Lehrerstudiums anzusehen seien. Mit Blick auf den zeitlichen Umfang der insbesondere in den Bereichen Psychologie, Pädagogik und Diagnostik der [X.] absolvierten Ausbildung sowie darauf, dass das dabei vermittelte Wissen selbständiger und maßgeblicher Bestandteil der Abschlussprüfung war, ist das nicht zu beanstanden (vgl. auch [X.] Beschluss vom 15. August 2006 - 15 W 139/06 - juris Rn. 11; BayObLG [X.]amRZ 2001, 187, 188; [X.] [X.]amRZ 2000, 1303, 1304; [X.] [X.]amRZ 2000, 846, 847).

Dose                      Schilling                        Günter

             Botur                          Guhling

Meta

XII ZB 429/13

23.10.2013

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Dresden, 12. Juli 2013, Az: 2 T 79/13

§ 4 Abs 1 S 2 VBVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.10.2013, Az. XII ZB 429/13 (REWIS RS 2013, 1759)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1759

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