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Stundensatzerhöhung bei der Berufsbetreuervergütung: Nutzbarkeit der durch ein Fernstudium in der ehemaligen DDR mit der Fachrichtung Sozialistische Betriebswirtschaft des Transportwesens vermittelten Kenntnisse für die Führung der Betreuung
Ein an der Ingenieursschule für Verkehrstechnik Dresden (in der früheren DDR) absolviertes Fernstudium in der Fachrichtung Sozialistische Betriebswirtschaft/Ingenieurökonomie des Transportwesens vermittelt in seinem Kernbereich keine besonderen, für die Führung der Betreuung nutzbaren Kenntnisse.
Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 2 wird der Beschluss der 7. Zivilkammer des [X.] vom 2. Juli 2020 aufgehoben.
Auf die Beschwerde des weiteren Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des Amtsgerichts Königs [X.] vom 11. Dezember 2018 dahin abgeändert, dass die der Betreuerin für ihre Tätigkeit in der [X.] vom 26. bis 30. November 2014 von der Staatskasse zu erstattende Vergütung auf 32,40 € festgesetzt wird.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei.
Wert: 20 €
I.
Die Beteiligte zu 1 (nachfolgend: Betreuerin) wurde mit Beschluss des Amtsgerichts zur vorläufigen Betreuerin des mittellosen Betroffenen bestellt. Sie ist [X.] und verfügt über ein an der [X.] absolviertes Fernstudium in der Fachrichtung Sozialistische Betriebswirtschaft/Ingenieurökonomie des Transportwesens, das sie gemäß Zeugnis vom 18. April 1980 mit dem Fachschulabschluss als Ingenieurökonom abschloss. Das [X.] erteilte ihr unter Berücksichtigung einer mindestens dreijährigen einschlägigen Berufstätigkeit durch Urkunde vom 3. Dezember 1998 die Berechtigung, den Grad „Diplom-Wirtschaftsingenieur (Fachhochschule)“ zu führen.
Für den Abrechnungszeitraum vom 26. bis 30. November 2014 beantragte die Betreuerin für ihre Tätigkeit die Festsetzung einer pauschalen Betreuervergütung für 1,2 Stunden in Höhe von 52,80 €, der sie im Hinblick auf ihre Ausbildung einen Stundensatz nach der höchsten Vergütungsstufe von 44 € zugrunde legte.
Das Amtsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2 (Bezirksrevisor) ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Beteiligte zu 2 die Herabsetzung der Vergütung auf 32,40 € nach einem Stundensatz von 27 €.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
1. Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Betreuerin stehe der erhöhte Stundensatz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 [X.] in der bis 26. Juli 2019 geltenden Fassung zu, weil die Ausbildung, die die Betreuerin berechtige, die Bezeichnung „Diplom-Wirtschaftsingenieur (Fachhochschule)“ zu tragen, mit einem Hochschul- bzw. Fachhochschulstudium im Sinne der betreuungsrechtlichen Vergütungsregelungen vergleichbar sei.
Das Studium Sozialistische Betriebswirtschaft des Transportwesens sei quantitativ wie qualitativ betreuungsrelevant. Zwar seien in dem Studium hauptsächlich Kenntnisse ohne Betreuungsrelevanz wie Marxismus-Leninismus, Kulturtheorie/Ästhetik, [X.], Mathematik, Naturwissenschaftliche Grundlagen, Sozialistische Arbeitswissenschaften, Statistik, Technische Grundlagen für Ingenieurökonomen und Technologie des Transportwesens vermittelt worden. Aus dem eingereichten Stundenplan ergebe sich aber auch ein Studienanteil an Fächern mit Betreuungsrelevanz, dessen Umfang bei circa einem Drittel liege. Dies seien die Fächer [X.] (52 Stunden), Verwaltungsorganisation/Informationsverarbeitung (316 Stunden), Sozialistische Betriebswirtschaft (708 Stunden), Leitung der [X.] Wirtschaft (84 Stunden) sowie Wirtschafts- und Verkehrsrecht (402 Stunden, jeweils inklusive Selbststudium). Das Fach Sozialistische Betriebswirtschaft beinhalte allgemein die betrieblichen Funktionen bezogen auf die Produktionsbetriebe im planwirtschaftlichen Umfeld der damaligen [X.] inklusive Investitions- und Kapazitätsberechnung. Im Rahmen der [X.] Wirtschaft seien die Organisation der Leitung der [X.] Produktion, Methoden der Leitung der [X.] Produktion und die wissenschaftliche Organisation der Leitung gelehrt worden. Das Fach Verwaltungsorganisation/Informationsverarbeitung umfasse „Arbeitsweise von [X.]“, „Nutzung von [X.]“, Programmierung [X.] 4200 sowie Verwaltungsorganisation und sei damit augenfällig betreuungsrelevant. Der Umgang mit EDV und Programmierung sei hilfreich für eine bessere und effektivere Führung der Betreuung und auch die Verwaltungsorganisation sei im Hinblick auf die Abwicklung einer Vielzahl von Vorgängen innerhalb einer Betreuung fördernd.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Die Frage, unter welchen Umständen ein Berufsbetreuer im Einzelfall die Voraussetzungen erfüllt, unter denen ihm gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 [X.] a.F. eine erhöhte Vergütung zu bewilligen ist, obliegt einer wertenden Betrachtungsweise des Tatrichters. Dessen Würdigung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren zwar nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob er die maßgebenden Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt, Rechtsbegriffe verkannt oder Erfahrungssätze verletzt und die allgemein anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und richtig angewandt hat ([X.]sbeschlüsse vom 17. Juni 2020 - [X.] 350/18 - juris Rn. 16 und vom 7. Dezember 2016 - [X.] 346/15 - FamRZ 2017, 479 Rn. 12 mwN). Vorliegend ist die tatrichterliche Würdigung aber nicht frei von [X.]. Das Beschwerdegericht hat bei seiner Bewertung der beruflichen Ausbildung der Betreuerin maßgebliche Tatsachen nicht berücksichtigt.
a) Nach §§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB erhält der Betreuer für seine Tätigkeit eine Vergütung, wenn das Gericht bei der Bestellung des Betreuers feststellt, dass die Betreuung berufsmäßig geführt wird. Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem zu [X.] (§ 5 [X.] a.F.) und dem nach § 4 Abs. 1 [X.] a.F. maßgeblichen Stundensatz, der nach § 4 Abs. 1 Satz 1 [X.] a.F. grundsätzlich 27 € betrug. Verfügt der Betreuer über besondere Kenntnisse, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, erhöhte sich der Stundensatz auf 33,50 €, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Lehre oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] a.F.), und auf 44 €, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 [X.] a.F.; vgl. [X.]sbeschluss vom 4. April 2012 - [X.] 447/11 - NJW-RR 2012, 774 Rn. 14).
b) Zu Recht ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass der von der Betreuerin in der ehemaligen [X.] erzielte Studienabschluss in der Fachrichtung Sozialistische Betriebswirtschaft des Transportwesens einem Fachhochschulabschluss gleichsteht.
Nach Art. 37 Abs. 1 des [X.] ([X.]) stehen in der ehemaligen [X.] erworbene Bildungsabschlüsse den in den alten Bundesländern abgeschlossenen Ausbildungen gleich und verleihen die gleichen Berechtigungen, wenn die Ausbildungen gleichwertig sind, wobei die Gleichwertigkeit auf Antrag von der jeweils zuständigen Stelle festgestellt wird.
Eine solche Feststellung ist hier erfolgt. Das [X.] hat bescheinigt, dass der von der Betreuerin in der ehemaligen [X.] erzielte Studienabschluss in der Fachrichtung Sozialistische Betriebswirtschaft des Transportwesens einem Fachhochschulabschluss gleichsteht und die Betreuerin berechtigt, den Grad einer Diplom-Wirtschaftsingenieurin FH zu führen.
c) Rechtlich unzutreffend ist demgegenüber die Annahme des [X.], die durch das Studium vermittelten besonderen Kenntnisse seien für die Führung der Betreuung nutzbar.
aa) Besondere und für die Führung der Betreuung nutzbare Kenntnisse im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 [X.] a.F. sind solche, die über das jedermann zu Gebote stehende Wissen hinausgehen und den Betreuer in die Lage versetzen, seine Aufgaben zum Wohl des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen (vgl. [X.]sbeschluss vom 29. Januar 2020 - [X.] 530/19 - FamRZ 2020, 787 Rn. 10 mwN). Solche Kenntnisse sind im Hinblick darauf, dass es sich bei der Betreuung um eine rechtliche Betreuung handelt, regelmäßig Rechtskenntnisse (vgl. [X.]sbeschluss vom 7. Dezember 2016 - [X.] 346/15 - FamRZ 2017, 479 Rn. 10 mwN).
Besondere betreuungsrelevante Kenntnisse eines Betreuers rechtfertigen einen erhöhten Stundensatz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 [X.] a.F. indessen nur, wenn sie durch die dort genannten Ausbildungen erworben wurden. Es genügt daher nicht, wenn die Ausbildung gleichsam am Rande auch die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse zum Inhalt hat. Erforderlich ist vielmehr, dass sie in ihrem Kernbereich hierauf ausgerichtet ist. Davon ist auszugehen, wenn ein erheblicher Teil der Ausbildung auf die Vermittlung solchen Wissens gerichtet ist und dadurch das erworbene betreuungsrelevante Wissen über ein Grundwissen deutlich hinausgeht (vgl. [X.]sbeschlüsse vom 29. Januar 2020 - [X.] 530/19 - FamRZ 2020, 787 Rn. 11 mwN und vom 7. Dezember 2016 - [X.] 346/15 - FamRZ 2017, 479 Rn. 11 mwN). Wissen, das durch Lebenserfahrung, Fortbildungen oder Berufspraxis erworben wurde, führt dagegen nicht zu einer erhöhten Vergütung ([X.]sbeschluss vom 29. Januar 2020 - [X.] 530/19 - FamRZ 2020, 787 Rn. 11 mwN).
bb) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat das Beschwerdegericht die der Betreuerin durch das Studium vermittelten Kenntnisse zu Unrecht als betreuungsrelevant bewertet.
Nach den getroffenen Feststellungen entfiel kein erheblicher Teil der - auch nach Ansicht des [X.] im Wesentlichen technisch und planwirtschaftlich ausgerichteten - Ausbildung auf betreuungsrelevante Fächer. Das gilt insbesondere für die vom Beschwerdegericht als relevant bezeichneten Fächer Leitung der [X.] Wirtschaft und Verkehrsrecht, aber auch für wesentliche Bereiche der festgestellten Lerninhalte der Fächer Verwaltungsorganisation/Informationsverarbeitung und Sozialistische Betriebswirtschaft (vgl. dazu bereits [X.]sbeschluss vom 25. März 2015 - [X.] 558/14 - BtPrax 2015, 155). Die danach verbleibenden Fächer wie [X.] und Wirtschaftsrecht sowie geringe Anteile der Fächer Verwaltungsorganisation/Informationsverarbeitung und Sozialistische Betriebswirtschaft vermitteln nur in untergeordnetem Umfang betreuungsrelevante Kenntnisse und sind nicht als Kernbereich des Studiums anzusehen.
3. Da das Beschwerdegericht diese Gesichtspunkte bei seiner Beurteilung nicht berücksichtigt hat, kann die angegriffene Entscheidung keinen Bestand haben. Sie ist daher aufzuheben. Der [X.] kann in der Sache abschließend entscheiden, weil weitere tatsächliche Feststellungen nicht erforderlich sind.
Soweit das Amtsgericht hilfsweise einen Vergütungssatz in Höhe 33,50 € gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] a.F. erwogen hat, fehlt es an konkreten Darlegungen der Betreuerin, inwieweit die als gleichwertig anerkannte Ausbildung in der [X.] als Bürokauffrau ihr betreuungsrelevante Kenntnisse vermittelt hat.
Auf Vertrauensschutzgesichtspunkte kann sich die Betreuerin schon angesichts des nur 20,40 € betragenden Streitgegenstands nicht berufen (vgl. insoweit auch [X.]sbeschluss vom 22. August 2012 - [X.] 319/11 - NJW-RR 2012, 1475 Rn. 21 f.).
Dose |
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Schilling |
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Günter |
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Nedden-Boeger |
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Guhling |
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Meta
21.10.2020
Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat
Beschluss
Sachgebiet: ZB
vorgehend LG Cottbus, 2. Juli 2020, Az: 7 T 113/19
§ 4 Abs 1 S 2 Nr 2 VBVG vom 21.04.2005, § 1836 Abs 1 S 2 BGB, § 1908i Abs 1 S 1 BGB
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.10.2020, Az. XII ZB 363/20 (REWIS RS 2020, 1137)
Papierfundstellen: REWIS RS 2020, 1137
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
XII ZB 539/21 (Bundesgerichtshof)
Vergütung des Berufsbetreuers: Erhöhter Stundensatz nach Absolvierung eines Studiums der Wirtschaftsinformatik
XII ZB 319/11 (Bundesgerichtshof)
Erhöhte Berufsbetreuervergütung: Vorliegen besonderer, für die Betreuung nutzbare Kenntnisse eines Diplombetriebswirts aus der ehemaligen DDR)
XII ZB 559/14 (Bundesgerichtshof)
Berufsbetreuervergütung: Erhöhter Stundensatz für einen Betreuer mit dem Fachschulabschluss "Ökonom" und der Ausbildung zum Industriekaufmann
XII ZB 558/14 (Bundesgerichtshof)
Betreuervergütung: Erhöhter Stundensatz bei 1977 erworbenem Studienabschluss als "Diplom-Betriebswirt (FH)" an der Fachschule für Ökonomie
XII ZB 558/14 (Bundesgerichtshof)