Bundespatentgericht, Beschluss vom 11.02.2014, Az. 27 W (pat) 13/13

27. Senat | REWIS RS 2014, 8005

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Wild Coyote Night/Coyote Nacht" – teilweise Dienstleistungsidentität und –ähnlichkeit – teilweise Verwechslungsgefahr durch gedankliche Verbindung


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke Nr. 30 2010 058 454

hat der 27. Senat ([X.]) des [X.] am 11. Februar 2014 durch [X.] [X.], [X.] [X.] und [X.] k.A. Schmid

beschlossen:

1. Die Beschlüsse der Markenstelle für [X.] vom 18. Juni 2012 und vom 22. Januar 2013 werden aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Marke Nr. 307 06 205 bezogen auf die für die angegriffene Marke registrierten Dienstleistungen

Organisation und Durchführung von Werbeveranstaltungen; Organisation und Durchführung von kulturellen und sportlichen Veranstaltungen; Party-Planung [Unterhaltung]; Veranstaltung von Unterhaltungsshows; Betrieb eines Clubs [Unterhaltung]

zurückgewiesen worden ist.

2. Im Umfang der in Ziffer 1. angegebenen Dienstleistungen wird die Marke Nr. 30 2010 058 454 gelöscht.

3. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Gegen die am 24. Februar 2011 eingetragene Wortmarke Nr. 30 2010 058 454

2

Wild [X.]

3

ist in vollem Umfang aus der prioritätsälteren, am 12. März 2007 eingetragenen Wortmarke Nr. 307 06 205

4

[X.] Nacht

5

deren Schutz

6

Klasse 32:

7

Alkoholfreie Getränke, Fruchtextrakte, [X.], [X.], Fruchtsäfte, Apfelsaft, Gemüsesäfte, isotonische Getränke, Limonaden, Limonadensirupe, Mandelmilch, Tafelwasser, kohlensäurehaltige Wässer, Mineralwässer, [X.], Sodawasser, Tomatensaft; Bier; Brausepulver für Getränke, Brausetabletten; Erzeugnisse für die Herstellung von Mineralwässern und/oder kohlensäurehaltiger Wässer; Essenzen für die Zubereitung von Getränken; Ingwerbier; Malzbier; Präparate für die Zubereitung von Getränken; Sirupe; Traubenmost

8

[X.]:

9

Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten; Aufzeichnung von [X.]; Bereitstellen von elektronischen Publikationen (nicht herunterladbar); Betrieb eines Clubs (Unterhaltung oder Unterricht); Betrieb von Tonstudios; Coaching; Demonstrationsunterricht in praktischen Übungen; Dienstleistungen bezüglich Freizeitgestaltung; Dienstleistungen eines Ton- und Fernsehstudios; Dienstleistungen eines Verlages (ausgenommen Druckarbeiten); Durchführung von Live-Veranstaltungen; Durchführung von Spielen im [X.]; Erstellen von Bildreportagen; Erstellen von Untertiteln; Erziehung und Unterricht; Fernsehunterhaltung; Filmproduktion; Filmverleih; Glücksspiele; Herausgabe von Texten (ausgenommen Werbetexte); Herausgabe von [X.] in elektronischer Form, auch im [X.]; Herausgabe von Zeitschriften und Büchern in elektronischer Form, auch im [X.]; Information über Veranstaltungen (Unterhaltung); Montage von [X.]; online angebotene Spieldienstleistungen; Organisation und Durchführung von kulturellen und/oder sportlichen Veranstaltungen; Party-Planung (Unterhaltung); Produktion von Shows; Rundfunkunterhaltung; Synchronisation; Theateraufführungen; Unterhaltung; Veranstaltung von Ausstellungen für kulturelle oder Unterrichtszwecke; Veranstaltung von [X.]; Veranstaltung von Unterhaltungsshows; Veranstaltung von Wettbewerben; Vermietung von Tonaufnahmen; Veröffentlichung von Büchern; Videofilmproduktion; Zusammenstellung von Fernsehprogrammen und Rundfunkprogrammen

Klasse 43:

Dienstleistungen zur Beherbergung und Verpflegung von Gästen; Betrieb einer Bar; Betrieb von Feriencamps (Beherbergung); Betrieb von Hotels; Catering; Hotelreservierung; Vermietung von Gästezimmern; Verpflegung von Gästen in [X.], Cafés, Kantinen, Restaurants, Schnellimbissrestaurants (Snackbars) und [X.]; Zimmerreservierung

umfasst, Widerspruch erhoben worden.

Der Schutz der angegriffenen Marke bezieht sich auf:

Klasse 35:

Organisation und Durchführung von Werbeveranstaltungen; Dekoration von Messeständen; Schaufensterdekoration

[X.]:

Organisation und Durchführung von kulturellen und sportlichen Veranstaltungen; Party-Planung [Unterhaltung]; Veranstaltung von Unterhaltungsshows; Betrieb eines Clubs [Unterhaltung]; Vermietung von Bühnendekoration

Klasse 42:

Dienstleistungen eines Innendekorateurs.

Die Markenstelle für [X.] hat mit Beschlüssen vom 18. Juni 2012 und – im Erinnerungsverfahren – vom 22. Januar 2013 den Widerspruch zurückgewiesen.

Nach den Entscheidungsgründen des [X.] sei gegenüber der durchschnittlich kennzeichnungskräftigen Widerspruchsmarke ein deutlicher [X.] einzuhalten, soweit eine Begegnung der Marken im Bereich identischer Dienstleistungen der [X.] in Betracht komme. Dem trage die angegriffene Marke Rechnung, da die sprachliche Abweichung in den Ausdrücken „Night“ bzw. „Nacht“ sowie das der jüngeren Marke eigene Element „Wild“  die sichere Abgrenzung der Zeichen als Ganzes gewährleisteten. Auch werde die angegriffene Marke nicht durch die Komponenten „[X.]“ geprägt, da „Wild [X.]“ als zusammengehöriger und von der Widerspruchsmarke verschiedener [X.] in Bedeutung einer „wilden [X.]-Nacht“ aufgenommen werde.

Das Publikum werde ferner nicht mit der angegriffenen Marke gekennzeichnete Waren oder Leistungen irrtümlich für ein weiteres Produkt der Widersprechenden halten. Die [X.] seien in verschiedener Weise gebildet. Ferner benutzten auch andere Unternehmen den Markenbestandteil „[X.]“.

Gegen den Erinnerungsbeschluss der Markenstelle hat die Widersprechende Beschwerde erhoben, die sie im Laufe des Beschwerdeverfahrens auf die Dienstleistungen

Organisation und Durchführung von Werbeveranstaltungen; Organisation und Durchführung von kulturellen und sportlichen Veranstaltungen; Party-Planung [Unterhaltung]; Veranstaltung von Unterhaltungsshows; Betrieb eines Clubs [Unterhaltung]; Vermietung von Bühnendekoration

beschränkt hat.

Sie ist der Auffassung, „[X.]“ trete in beiden Marken prägend hervor. „Nacht“ und „night“ sagten dasselbe aus. Die damit in beiden Zeichen angesprochene „[X.] Nacht“ werde im angegriffenen Zeichen als „wild“ bezeichnet, wodurch eine Verwechslungsgefahr nicht ausgeschlossen werde. Das [X.] habe der Widersprechenden dementsprechend in einem anderen Fall gegen die Verwendung von „Night of [X.]“ durch einen [X.] recht gegeben.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß,

die Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben, soweit der Widerspruch gegen Eintragung der angegriffenen Marke im o.g. beschränkten Umfang zurückgewiesen worden ist und insoweit die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Der Markeninhaber beantragt sinngemäß,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Markeninhaber hat lediglich mitgeteilt, dass er an einer Einschränkung des Verzeichnisses der Dienstleistungen nicht interessiert sei.

II.

Die zulässige Beschwerde, über die ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann, weil die Beteiligten eine solche nicht beantragt haben und auch der [X.] eine Verhandlung für entbehrlich erachtet (vgl. § 69 [X.]), hat in der Sache teilweise Erfolg.

Hinsichtlich der im Tenor unter Ziffer 1. genannten Dienstleistungen besteht die Gefahr von Verwechslungen zwischen den Vergleichsmarken nach § 42 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.].

Dem Begriff der Verwechslungsgefahr liegt eine Wechselwirkung zwischen [X.] im Einzelfall erheblichen Faktoren zugrunde, insbesondere dem Grad der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie dem Grad der Ähnlichkeit zwischen den streitbefangenen Marken und zwischen den damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen (vgl. [X.] GRUR 1998, 387, 389 – Sabèl/[X.]; [X.], 859, 860 – Malteserkreuz).

Nachdem der Inhaber des angegriffenen Zeichens die Benutzung der Widerspruchsmarke nicht bestritten hat, ist bei der Beurteilung der Identität oder Ähnlichkeit der Dienstleistungen auf Seiten der Widerspruchsmarke von den Dienstleistungen auszugehen, für die sie registriert ist.

Die auf Werbeveranstaltungen bezogenen Dienstleistungen des angegriffenen Zeichens, die insbesondere als Mittel einer Produktpräsentation auch Elemente einer Unterhaltungsveranstaltung aufweisen können, sind zu den für die Widerspruchsmarke eingetragenen Dienstleistungen im Bereich Unterhaltung, Sport und Kultur sowie zu den Live-Veranstaltungen überdurchschnittlich ähnlich. Die jeweils beanspruchten Dienstleistungen der [X.] sind weitgehend identisch und im Übrigen in hohem Maße ähnlich.

Die für die angegriffene Marke registrierte Dienstleistung „Vermietung von Bühnendekoration“, die in Einzelfällen die Eigennutzung einer Bühnendekoration im Rahmen der für die Widerspruchsmarke geschützten Dienstleistungen „Betrieb eines Clubs (Unterhaltung oder Unterricht); Betrieb von Tonstudios; Dienstleistungen eines Ton- und Fernsehstudios; Durchführung von Live-Veranstaltungen“ ergänzen mag, weist jedenfalls deutlichen Abstand zu den für die Widerspruchsmarke geschützten Dienstleistungen auf.

Die Widerspruchsmarke verfügt von Haus aus über durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Dass die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke erhöht ist, hat die Widersprechende in keiner Weise durch tatsächliches Vorbringen substantiiert. Auch die Markenstelle und der [X.] konnten keine tatsächlichen Anzeichen in dieser Hinsicht feststellen.

Um eine Verwechslungsgefahr im markenrechtlichen Sinn mit hinreichender Zuverlässigkeit auszuschließen, sind unter Berücksichtigung durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke im Bereich der identischen und in überdurchschnittlich ähnlichen Dienstleistungen gehobene Anforderungen an den erforderlichen Markenabstand zu stellen. Diesen entspricht das angegriffene Zeichen nicht, soweit es als Veranstaltungsbezeichnung allgemeine Verkehrskreise anspricht.

Vom Schrift- und Klangbild her unterscheiden sich die Marken in ihrer Gesamtheit zwar ausreichend. Allerdings liegt die Annahme einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr nicht fern, weil Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Gesamteindruck der mehrteiligen Marken insoweit jeweils durch „[X.]“ geprägt wird und die übrigen Bestandteile demgegenüber weitgehend als Erläuterungen in den Hintergrund treten. Letztlich kann dies jedoch dahin gestellt bleiben.

Jedenfalls besteht die Gefahr, dass die Vergleichsmarken im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 2. Halbs. [X.] gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden.

Diese Form von Verwechslungsgefahr setzt voraus, dass die Verbraucher die Unterschiede zwischen beiden Marken zwar wahrnehmen, auf Grund von Gemeinsamkeiten in der Zeichenbildung jedoch Anlass haben, das angegriffene Zeichen (irrtümlich) der Inhaberin der Widerspruchsmarke zuzuordnen oder auf sonstige wirtschaftliche oder organisatorische Verbindungen zwischen den Markeninhabern, vor allem im Sinne einer gemeinsamen Verantwortung für das Waren- und Dienstleistungsangebot zu schließen.

Die Zeichen sind wegen der analogen Zeichenbildung und des stark angenäherten Sinngehalts aufeinander bezogen (vgl. [X.], 779, 782 – Zwilling / Zweibrüder, m.w.Nachw.).

Der englischsprachige Begriff „Night“ wird begrifflich ohne Weiteres mit „Nacht“ gleichgesetzt. Der Ausdruck „Night“ wird im [X.] Sprachgebrauch vielfach benutzt. In Zusammenhang mit dem aus dem [X.] stammenden Begriff „[X.]“, der wegen der phonetischen Nähe zum [X.] Begriff „Kojote“ unmittelbar verstanden wird, führt die Verwendung des Begriffs „Night“ der angegriffenen Marke insgesamt zu keiner klaren Abgrenzung gegenüber der Widerspruchsmarke. Der identisch übereinstimmende Bestandteil „[X.]“ wird als ein einprägsamer [X.] aufgenommen.

Beide Begriffspaare stehen, wenn sie auch – anders als etwa „blaue Nacht“, „[X.]“ etc. – nicht zu einem unmittelbar sinnfälligen [X.] verbunden sind, dennoch in innerem Zusammenhang derart, dass der Nacht – symbolisiert durch einen Kojoten und dessen typisches Geheul - unheimliche Stimmung eigen ist. Dadurch ist es abweichend von der Bewertung der Markenstelle gerechtfertigt, auch die strukturelle und begriffliche Übereinstimmung in den Bestandteilen „[X.]“, die bei isolierter Betrachtung als schutzunfähige und für die Herkunftszuordnung unbeachtliche Elemente einzuordnen wären, als verwechslungsfördernden Umstand einzubeziehen.

Die Zuschreibung als „wild“, die auf der Grundlage des geläufigen Ausdrucks „wilde Nacht“ intuitiv dem Begriff „Night“ zugeordnet wird, lässt in diesem [X.] ein gegenüber den mit der älteren Marke gekennzeichneten Veranstaltungsleistungen modifiziertes, insbesondere ausgedehntes oder in anderer Hinsicht gesteigertes Leistungsangebot desselben Anbieters erwarten.

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen. Der [X.] hat nicht über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung des [X.] und des [X.] über einen Einzelfall entschieden. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist auch nicht zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, weil nicht von Entscheidungen anderer [X.]e des [X.] oder anderer nationaler Gerichte abgewichen worden ist, sondern eine Einzelf[X.]tscheidung anhand von tatsächlichen Gegebenheiten getroffen worden ist.

Zu einer Kostenauferlegung besteht kein Anlass (§ 71 Abs. 1 [X.]). Nachdem die Markenstelle in zwei Beschlüssen eine Verwechslungsgefahr verneint hat, kann dem Inhaber des angegriffenen Zeichens nicht vorgeworfen werden, in einer aussichtslosen Sache Kosten verursacht zu haben, zumal der Widerspruch nicht in vollem Umfang Erfolg hat.

Meta

27 W (pat) 13/13

11.02.2014

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 11.02.2014, Az. 27 W (pat) 13/13 (REWIS RS 2014, 8005)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8005

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