Bundessozialgericht, Urteil vom 12.09.2018, Az. B 14 AS 7/18 R

14. Senat | REWIS RS 2018, 3894

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 11. Januar 2018 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte verpflichtet wird, über den Anspruch des [X.] auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 1. Oktober 2016 bis 31. März 2017 erneut abschließend zu entscheiden.

Der Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten sind eine abschließende Entscheidung nach § 41a [X.] und die Erstattung von Leistungen.

2

Der 1971 geborene, alleinstehende Kläger bezog als Selbständiger [X.], das ihm vom beklagten Jobcenter für den streitbefangenen Zeitraum von Oktober 2016 bis März 2017 vorläufig bewilligt worden war. Der Beklagte forderte ihn mit Schreiben vom [X.] zur Vorlage von Unterlagen sowie der Anlage [X.] bis zum 31.5.2017 auf und belehrte ihn über Folgen bei Nichtvorlage. Mit Bescheid vom 19.6.2017 stellte der Beklagte fest, dass kein Leistungsanspruch bestanden habe, weil der Kläger sich nicht geäußert habe, und forderte die Erstattung von [X.] Euro. Der Kläger legte umgehend Widerspruch ein behauptete die Unterlagen schon am [X.] beim Beklagten persönlich eingereicht zu haben und legte sie nochmals vor. Nach einer internen, erfolglosen Umfrage wies der Beklagte den Widerspruch zurück, weil die Unterlagen nicht innerhalb der gesetzten Frist eingereicht worden seien (Widerspruchsbescheid vom 18.9.2017).

3

Das [X.] hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an den Beklagten zurückverwiesen (Urteil vom [X.]): Entgegen der Ansicht des Beklagten seien die im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen zu berücksichtigen, weil § 41a Abs 3 [X.] keine Präklusionsvorschrift enthalte.

4

Mit der vom [X.] zugelassenen und mit Zustimmung des [X.] eingelegten Sprungrevision rügt der Beklagte eine Verletzung von § 41a Abs 3 [X.]. Dieser enthalte ein eigenes Rechtsfolgensystem mit einer dauerhaften materiell-rechtlichen Präklusion, wie sich aus dem Wortlaut der Vorschrift, der Intention des Gesetzgebers und den Fachlichen Hinweisen der BA ergebe.

5

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom 11. Januar 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Der Kläger verteidigt die angegriffene Entscheidung und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision des [X.]n ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 [X.]). Die vom [X.]läger beanspruchten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sind nicht deshalb abschließend abzulehnen, weil er die geforderten Nachweise über die Einnahmen und Ausgaben aus selbständiger Arbeit erst im Widerspruchsverfahren vorgelegt hat.

8

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist neben dem Urteil des [X.] vom 19.6.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.9.2017, durch den der [X.] die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von Oktober 2016 bis März 2017 gestützt auf § 41a Abs 3 Satz 3 und 4 [X.]B II idF des [X.] zur Änderung des [X.] - sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht (9. [X.]B [X.]) vom [X.] ([X.] 1824) mit der Festsetzung des Leistungsanspruchs auf null Euro ("Nullfeststellung") der Sache nach abschließend abgelehnt und den [X.]läger zur Erstattung vorläufig erbrachter Leistungen in Höhe von 3581,69 Euro verpflichtet hat.

9

Mit der [X.]lage hiergegen beansprucht der [X.]läger eine [X.]orrektur der Entscheidung des [X.]n über die abschließend festzustellenden und die zu erstattenden vorläufigen Leistungen. Demgemäß richtet sich das [X.]lageziel neben der Änderung der Bescheide darauf, den [X.]n zu verpflichten auszusprechen, dass ihm abschließend höhere Leistungen zustehen als mit dem Bescheid vom 19.6.2017 festgesetzt. Für eine isolierte Anfechtung des abschließenden Leistungsbescheids mit dem Ziel, die vorläufig bewilligten Leistungen weiter behalten zu dürfen, fehlt dagegen das Rechtsschutzbedürfnis, weil der [X.] die eingeleitete abschließende Feststellung des Leistungsanspruchs für den streitbefangenen [X.]raum durch Verwaltungsakt abzuschließen hat (arg § 41a Abs 5 Satz 1 [X.]B II) und daher die Aufhebung der [X.] allein den Rechtsstreit nicht dauerhaft beenden könnte (vgl zum fehlenden Rechtsschutzinteresse an der isolierten Anfechtung eines Leistungsbescheids etwa B[X.] vom 3.10.1973 - 1 RA 61/72 - [X.], 181, 183 = [X.] [X.] zu § 1613 [X.]; B[X.] vom [X.] - B 2 U 15/11 R - [X.] 4-5671 § 3 [X.] RdNr 16; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2014, § 54 RdNr 127 mwN; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 12. Aufl 2017, § 54 Rd[X.]a mwN; vgl dagegen zur isolierten Anfechtbarkeit einer endgültigen Elterngeldfestsetzung B[X.] vom 8.3.2018 - B 10 EG 8/16 R - vorgesehen für [X.] 4-7837 § 2c [X.] RdNr 18).

Zutreffende [X.]lageart hierfür ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 [X.]), soweit das [X.]lagebegehren auf weitere Zahlungen über die vorläufig erbrachten Leistungen hinaus zielt, und ansonsten die (kombinierte) Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 Alt 1 und 2, § 56 [X.]; vgl dazu B[X.] vom [X.] - [X.] [X.]/16 R - NJW 2017, 2493 RdNr 10 f). Dabei beschränkt sich der Streitstoff hier aufgrund der Zurückverweisungsentscheidung des [X.] nach § 131 Abs 5 [X.] auf die Frage, ob dem [X.]läger - ähnlich der Situation beim Grundurteil im Höhenstreit (§ 130 Abs 1 [X.]; vgl nur B[X.] vom 16.4.2013 - [X.] [X.]/12 R - [X.] 4-4225 § 1 [X.] RdNr 10) - im streitbefangenen [X.]raum voraussichtlich existenzsichernde Leistungen abschließend zuzuerkennen sein werden und ihre Bemessung weitere Sachverhaltsermittlungen erfordert.

2. Die Sprungrevision ist zulässig. Nach § 161 Abs 1 Satz 1 [X.] steht den Beteiligten die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und sie vom [X.] im Urteil oder auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird; nach § 161 Abs 1 Satz 3 [X.] ist die Zustimmung des Gegners der Revisionsschrift beizufügen, wenn die Revision im Urteil zugelassen ist. Das [X.] hat die Sprungrevision im Urteil vom [X.] zugelassen, der [X.]läger hat ihr zugestimmt.

3. [X.] nach § 131 Abs 5 [X.] begründet keinen Verfahrensmangel.

a) Nach § 131 Abs 5 Satz 1 und 5 [X.] kann das Gericht, hält es eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid innerhalb eines [X.]raums von sechs Monaten seit Eingang der Behördenakten aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Das gilt nach § 131 Abs 5 Satz 2 Halbsatz 1 [X.] auch bei [X.]lagen auf Verurteilung zum Erlass eines Verwaltungsakts und bei [X.]lagen nach § 54 Abs 4 [X.].

b) Die nach der Rechtsprechung des B[X.] zunächst auf die Fälle der reinen Anfechtungsklage beschränkt gewesene (B[X.] vom 17.4.2007 - B 5 RJ 30/05 R - B[X.]E 98, 198 = [X.] 4-1500 § 131 [X.], RdNr 8 ff) und durch das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom [X.] ([X.] 444) ausdrücklich auf Anfechtungs- und Leistungsklagen sowie [X.] erstreckte Regelung des § 131 Abs 5 [X.] begründet eine Ausnahme von der Verpflichtung der Gerichte, die bei ihnen anhängigen Sachen grundsätzlich selbst spruchreif zu machen (hierzu vgl nur [X.] in [X.], [X.], § 131 [X.], RdNr 114 mwN, Stand August 2011). In Anlehnung an die Vorschriften des § 113 Abs 3 Satz 1 VwGO und § 100 Abs 3 Satz 1 FGO soll sie den Gerichten im Interesse einer zügigen Erledigung des Rechtsstreits eigentlich der Behörde obliegende zeit- und kostenintensive Sachverhaltsaufklärungen ersparen und einer sachwidrigen Aufwandsverlagerung entgegenwirken, wenn die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist (vgl BT-Drucks 15/1508 S 29).

c) Hiernach ist die fristgerechte (§ 131 Abs 5 Satz 5 [X.]) Zurückverweisungsentscheidung des [X.] im Rahmen seines Ermessens nach § 131 Abs 5 [X.] ("kann es ... den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben") nicht zu beanstanden. Vielmehr durfte es die weiteren Ermittlungen für die zu treffende abschließende Entscheidung (dazu 4. und 5.) nach Art und Umfang als erheblich und den [X.]n dafür als besser ausgestattet ansehen. Hinzu kommt, dass der [X.] die Unterlagen des [X.] bislang ganz ungeprüft gelassen hat und sie deshalb zur sachgerechten Prozessvertretung genauso durchzuarbeiten hätte, wenn das [X.] die Sachen selbst spruchreif machen würde. Dass die damit intendierte Entlastung des Gerichts mit den Interessen des [X.] nicht vereinbar wäre, ist ebenfalls weder ersichtlich noch von ihm geltend gemacht. Jedenfalls bei einer derart vollständig unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung (vgl dazu etwa [X.] vom 14.7.2015 - [X.]VR 77/13 - [X.]Z 206, 229 RdNr 13) ist der Ausnahmecharakter des § 131 Abs 5 [X.] (vgl B[X.] vom [X.] [X.] 21/11 R - [X.] 4-3500 § 43 [X.] RdNr 14 f) mit der Zurückverweisung in die Verwaltung nicht verkannt.

4. Zutreffend ist das [X.] davon ausgegangen, dass für die abschließende Entscheidung weitere Ermittlungen erforderlich sind.

a) Rechtsgrundlage des vorläufigen Leistungsbescheids für den Bewilligungszeitraum von Oktober 2016 bis März 2017 war § 41a Abs 1 Satz 1 Nr 1 [X.]B II. Hiernach ist über die Erbringung von Geld- und Sachleistungen vorläufig zu entscheiden, wenn - wie hier wegen der ungewissen Einnahmen und Ausgaben des [X.] aus selbständiger Tätigkeit - zur Feststellung der Voraussetzungen des Anspruchs auf Geldleistungen voraussichtlich längere [X.] erforderlich ist, die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen und kein Ausnahmefall nach § 41a Abs 1 Satz 3 [X.]B II (Vertretenmüssen der einer sofortigen abschließenden Entscheidung entgegenstehenden Umstände durch den Leistungsberechtigten) vorliegt. Dies zielt ebenso wie zuvor die Rechtslage nach § 40 Abs 2 Nr 1 [X.]B II (in der ab 1.4.2011 geltenden und insoweit bis zur Aufhebung durch das 9. [X.]B [X.] unveränderten Fassung der Bekanntmachung vom 13.5.2011, [X.] 850) iVm § 328 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.]B III auf eine (Zwischen-)Regelung bis zur endgültigen [X.]lärung der Sach- und Rechtslage. Vorläufig bewilligte Leistungen bilden daher ein aliud gegenüber endgültigen Leistungen, deren Bewilligung keine Bindungswirkung für die endgültige Leistung entfaltet (vgl zusammenfassend zur früheren Rechtslage B[X.] vom [X.] [X.]/14 R - [X.] 4-4200 § 40 [X.] Rd[X.]3 mwN) und die daher zur Beseitigung der Unklarheit über die den Leistungsberechtigten endgültig zustehenden Leistungen auf eine abschließende Entscheidung über deren ursprünglichen Leistungsantrag angelegt sind (zur neuen Rechtslage vgl nur B[X.] vom 12.9.2018 - B 4 AS 39/17 R - vorgesehen für B[X.]E und [X.] 4 Rd[X.]0 f).

b) Rechtsgrundlage der für den hier streitbefangenen Bewilligungszeitraum noch zu treffenden abschließenden Entscheidung ist in materiell-rechtlicher Hinsicht § 19 iVm §§ 7 ff und §§ 20 ff [X.]B II idF, die das [X.]B II insoweit vor dem streitbefangenen [X.]raum durch das 9. [X.]B [X.] erhalten hat (vgl Art 4 Abs 1 9. [X.]B [X.]); denn in Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene [X.] ist das zum damaligen [X.]punkt geltende Recht anzuwenden (Geltungszeitraumprinzip, vgl B[X.] vom 19.10.2016 - [X.] [X.]/15 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.] RdNr 15 mwN).

c) Danach erlauben die bislang getroffenen Ermittlungen des [X.]n noch keine abschließende Entscheidung über die dem [X.]läger endgültig zuzuerkennenden Leistungen. Der [X.]läger erfüllt die Grundvoraussetzungen, um [X.] zu erhalten (§ 7 Abs 1 Satz 1 [X.]B II); ein [X.] lag ebenfalls nicht vor. Ebenso spricht nach den Feststellungen zu seinen Angaben im Widerspruchsverfahren über die betrieblichen Einnahmen und Ausgaben im Bewilligungszeitraum nichts dafür, dass er in dieser [X.] nicht hilfebedürftig war (§ 9 Abs 1 [X.]B II); darauf stellt auch der [X.] nicht ab. Das ist schließlich nicht deshalb unbeachtlich, weil der [X.]läger für diesen [X.]raum mit den erst im Widerspruchsverfahren vorgelegten Angaben nach § 41a Abs 3 Satz 4 [X.]B II vom Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen wäre. Zwar findet die am [X.] in [X.] getretene Regelung auf den hier streitbefangenen Bewilligungszeitraum von Oktober 2016 bis März 2017 uneingeschränkt Anwendung (zur Maßgeblichkeit der alten Rechtslage für zuvor beendete [X.] vgl B[X.] vom 12.9.2018 - B 4 AS 39/17 R - vorgesehen für B[X.]E und [X.] 4 Rd[X.]8 ff). Jedoch reicht die Vorlage der nach § 41a Abs 3 Satz 2 [X.]B II vorzulegenden Unterlagen im Widerspruchsverfahren (dazu sogleich 5.). In welcher Höhe existenzsichernde Leistungen abschließend zuzuerkennen und inwieweit vorläufig erbrachte Leistungen zu erstatten sind, erfordert daher weitere Ermittlungen insbesondere zu den Einnahmen und den davon abzusetzenden betrieblichen Ausgaben des [X.].

5. Im Widerspruchsverfahren vorgelegte Unterlagen zum Nachweis leistungserheblicher Tatsachen sind bei abschließenden Entscheidungen nach § 41a Abs 3 [X.]B II zu berücksichtigen.

a) Richtet sich die abschließende Entscheidung über eine vorläufig bewilligte Leistungen nach § 41a [X.]B II (zum zeitlichen Anwendungsbereich vgl B[X.] vom 12.9.2018 - B 4 AS 39/17 R - vorgesehen für B[X.]E und [X.] 4 Rd[X.]1 ff), gelten dafür nach dessen Abs 3 ergänzend zu den allgemeinen Vorschriften besondere Vorgaben zu den [X.] der Leistungsberechtigten sowie zu den Folgen ihrer Verletzung. Danach ist in [X.]onkretisierung von § 60 [X.]B I ausdrücklich geregelt, dass die leistungsberechtigte Person und die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nach Ablauf des Bewilligungszeitraums verpflichtet sind, die von den Grundsicherungsträgern zum Erlass einer abschließenden Entscheidung geforderten leistungserheblichen Tatsachen nachzuweisen (Satz 2 Halbsatz 1). [X.]ommen sie dem "bis zur abschließenden Entscheidung nicht, nicht vollständig oder trotz angemessener Fristsetzung und schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen nicht fristgemäß nach", ist der Leistungsanspruch nur für die Monate und in der Höhe abschließend festzusetzen, in welcher seine Voraussetzungen nachgewiesen wurden (Satz 3). Ansonsten ist festzustellen, "dass ein Leistungsanspruch nicht bestand" (Satz 4).

b) Welche Rechtsfolgen diesen Regelungen im Einzelnen zukommen, ist hier nicht abschließend zu klären. Offen bleiben kann ua, ob und ggf inwieweit ihnen materielle Präklusionswirkung zukommt, obschon sie jedenfalls dem Wortlaut nach verglichen mit typischen Präklusionsvorschriften wie etwa § 106a Abs 3 [X.], § 87b VwGO, § 79b FGO oder § 296 ZPO eine Präklusionsregelung nicht erkennen lassen. Nicht zu entscheiden ist ebenfalls, welche - aus den Regelungswirkungen abzuleitenden - Anforderungen an die Fristsetzung und die Belehrung nach § 41a Abs 3 Satz 3 [X.]B II zu stellen sind. Denn jedenfalls tragen weder Wortlaut (dazu c) noch Regelungszweck (dazu d) noch Entstehungsgeschichte (dazu e) den Schluss, dass erstmals im Widerspruchsverfahren vorgelegte Unterlagen bei abschließenden Entscheidungen nach dem Regime des § 41a [X.]B II unberücksichtigt zu bleiben haben; das lässt die Regelung auch nicht funktionslos werden (dazu f).

c) Anderes folgt bereits aus dem Wortlaut nicht zweifelsfrei. Danach ist zwar für eine Nullfeststellung nach § 41a Abs 3 Satz 4 [X.]B II ("Für die übrigen [X.]alendermonate wird festgestellt, dass ein Leistungsanspruch nicht bestand.") gemäß § 41a Abs 3 Satz 3 [X.]B II einerseits beachtlich, dass die nachweis- und auskunftsverpflichteten Personen der Aufforderung zum Nachweis der leistungserheblichen Tatsachen "nicht fristgemäß" nachgekommen sind. Voraussetzung dieser Feststellung ist dem Wortlaut nach andererseits aber auch, dass die Auskunftspflicht "bis zur abschließenden Entscheidung" nicht erfüllt worden ist. Dass unter diesen zwei [X.]vorgaben - der datumsmäßig gesetzten Frist und dem [X.]punkt der abschließenden Entscheidung -, der gesetzten Frist Vorrang zukäme, ist nicht zu erkennen.

d) Das kann auch dem Regelungszweck nicht entnommen werden. § 41a Abs 3 Satz 2 bis 4 [X.]B II zielt - wie der ergänzende Verweis auf die §§ 60, 61, 65 und 65a [X.]B I (§ 41a Abs 3 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]B II) und die Materialien (vgl BT-Drucks 18/8041 [X.]) verdeutlichen - auf ein besonderes Regime von [X.] im [X.] an den Bezug vorläufig bewilligter Leistungen (vgl nur Formann, [X.]b 2016, 615, 618: § 41a Abs 3 Satz 2 [X.]B II ist spezielle Ausprägung des § 60 Abs 1 Satz 1 [X.]B I). Soweit sich dies in Übereinstimmung mit den allgemeinen Regularien der §§ 60 ff [X.]B I zunächst darauf richtet, den [X.] [X.]enntnis von denjenigen (der Sphäre der Leistungsbezieher zuzuordnenden) Tatsachen zu vermitteln, welche die Grundlage für die Entscheidung über den endgültigen Leistungsanspruch bilden, und sie überhaupt erst in die Lage zu versetzen, ihrer Amtsermittlungspflicht nach § 20 [X.]B X nachzukommen (vgl zu § 60 Abs 1 Satz 1 Nr 1 [X.]B I nur B[X.] vom [X.] [X.]/12 R - B[X.]E 113, 177 = [X.] 4-1200 § 60 [X.], RdNr 16 mwN), ist dem mit der Vorlage der angeforderten leistungserheblichen Unterlagen "bis zur abschließenden Entscheidung" (§ 41a Abs 3 Satz 3 Halbsatz 1 [X.]B II) genügt. Soweit die Regelung weiterhin insbesondere mit der Nullfeststellung nach Satz 4 eine Verfahrensvereinfachung bei fehlender Mitwirkung bewirken soll, kommt es auf die gesetzte Frist (ebenso) nicht an, wenn die Mitwirkung vollständig verweigert wird und die geforderten Unterlagen auch bis zur abschließenden Entscheidung nicht vorliegen; insofern wirkt die Vorschrift auch dann in erheblichem Maße verfahrensvereinfachend und -beschleunigend, wenn sie beim [X.]punkt der abschließenden Entscheidung ansetzt (dazu unter f). Dass mit ihr darüber hinaus eine Verfahrensbeschleunigung auch bei Vorlage der angeforderten Unterlagen nach Ablauf der gesetzten Frist, aber vor der abschließenden Entscheidung bezweckt wäre, ist hingegen nicht zu erkennen.

Dagegen spricht schon, dass - anders als bei [X.] von [X.] wegen vorausgesetzt - die Fristvorgabe des § 41a Abs 3 Satz 3 [X.]B II nicht hinreichend eindeutig ist (vgl nur [X.] <[X.]ammer> vom 19.3.2003 - 2 BvR 1540/01 - NJW 2003, 3545, 3546 mwN: Präklusionsvorschriften müssen sich durch ein besonderes Maß an [X.]larheit auszeichnen). Zudem müsste bei einer ausschließlich an den Fristablauf anknüpfenden Nullfeststellung sichergestellt sein, dass nicht zu vertretende [X.] keine nachteiligen Rechtsfolgen auslösen (vgl nur [X.] vom 21.2.1990 - 1 BvR 1117/89 - [X.]E 81, 264, 269 ff mwN). Eine solche Vorgabe ist indes weder der Norm selbst zu entnehmen - etwa in der Art von § 106a Abs 3 [X.] - noch folgt sie aus der Wiedereinsetzungsregelung des § 27 [X.]B X (so aber die Fachlichen Weisungen der [X.] zu § 41a [X.]B II, Rd[X.]1a.26), weil diese nur die Versäumung gesetzlicher Fristen betrifft (§ 27 Abs 1 Satz 1 [X.]B X; vgl nur Vogelgesang in [X.]/[X.], [X.]B X, [X.] § 27 [X.]B X RdNr 5 ff, Stand der [X.]ommentierung April 2012). Dass anstelle dessen nach der gesetzlichen [X.]onzeption allein auf die Möglichkeit der rückwirkenden Verlängerung behördlich gesetzter Fristen nach § 26 Abs 7 Satz 2 [X.]B X abgestellt werden sollte, erscheint demgegenüber angesichts der unbestimmten Voraussetzungen dafür einerseits ("insbesondere wenn es unbillig wäre, die durch den Fristablauf eingetretenen Rechtsfolgen bestehen zu lassen") und der [X.] des Gesetzgebers andererseits nicht als naheliegend.

e) Dafür geben auch die - insoweit allerdings knappen - Gesetzesmaterialien keinen Anhalt. Sie deuten im Gegenteil darauf hin, dass für die [X.]onzeption der Regelung vor allem der [X.]punkt der abschließenden Entscheidung maßgeblich war. Dafür spricht insbesondere, dass die Vorschrift in der maßgeblichen Drucksache allein mit der Wendung erläutert worden ist, danach bleibe Vorbringen unberücksichtigt, sofern die leistungsberechtigte Person trotz angemessener Fristsetzung ihren Nachweisobliegenheiten "bis zur abschließenden Entscheidung" nicht oder nicht vollständig nachkomme (vgl BT-Drucks 18/8041 [X.]). Das deckt sich mit der - unter Hinweis auf die Amtsermittlungspflichten der [X.] formulierten - Einschränkung, dass der Leistungsanspruch in diesem Fall so festzustellen sei, wie "dies ohne die Mitwirkung der Leistungsberechtigten möglich ist" (ebenda); das lässt sich nur so verstehen, dass die Berücksichtigung von nach Fristablauf ermittelten Tatsachen nicht ausgeschlossen sein soll. Dass Unterlagen der Leistungsberechtigten selbst dabei wegen Fristversäumnis unberücksichtigt zu bleiben hätten, ist dem nicht zu entnehmen.

f) Gleichwohl ist § 41a Abs 3 Satz 2 bis 4 [X.]B II nicht funktionslos, wenn verspätet vorgelegte Nachweise bei der abschließenden Entscheidung nach § 41a Abs 3 Satz 1 [X.]B II ebenfalls zu berücksichtigen sind. Machten Selbständige bis zum Inkrafttreten des 9. [X.]B [X.] keine Angaben über ihre betrieblichen Einkünfte und Ausgaben, konnte das Einkommen im Bewilligungszeitraum für die abschließende Entscheidung geschätzt werden, wenn das tatsächliche Einkommen nicht innerhalb eines [X.]raums von zwei Monaten nach Ende des Bewilligungszeitraums nachgewiesen wurde (§ 3 Abs 6 [X.]-V in der bis zur Aufhebung durch die Siebte Verordnung zur Änderung der [X.]/Sozialgeld-Verordnung vom [X.], [X.] 1858 zum [X.] geltenden Fassung). Hatten die [X.] danach bei fehlender Mitwirkung von Amts wegen Ermittlungen zu den Grundlagen einer Schätzung nach § 3 Abs 6 [X.]-V anzustellen und die dazu maßgeblichen Überlegungen im Bescheid über die abschließende Bewilligung im Einzelnen wiederzugeben (zu den Anforderungen an Schätzungen im Rahmen der [X.] vgl nur B[X.] vom 24.11.2011 - [X.] [X.]/10 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] Rd[X.]3 mwN; zu § 3 Abs 6 [X.]-V vgl nur L[X.] Baden-Württemberg vom [X.] AS 5120/14 - juris, Rd[X.]7 ff mwN; [X.] in LP[X.]-[X.]B II, 5. Aufl 2013, § 11 Rd[X.]0: Schätzung muss so genau wie möglich den zu ermittelnden Umständen entsprechen), so hat sich dies durch die Einführung von § 41a Abs 3 [X.]B II grundlegend geändert. Liegen die Voraussetzungen für eine Nullfeststellung nach § 41a Abs 3 Satz 4 [X.]B II vor, können die [X.] nach dem Bezug vorläufig bewilligter Leistungen abschließende Entscheidungen ohne jeden weiteren Ermittlungs- und [X.] treffen. Dadurch ist auch der Anreiz zu einer Mitwirkung an der Einkommensfeststellung auf Seiten der Leistungsbezieher erheblich verstärkt, ohne dass er entfällt, wenn nach Ablauf der vom [X.] gesetzten Frist vorgelegte leistungserhebliche Nachweise bei der abschließenden Entscheidung noch zu berücksichtigen sind.

g) Hiernach kann das Tatbestandsmerkmal "[X.]ommen die leistungsberechtigte Person oder die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen ihrer Nachweis- oder Auskunftspflicht … nicht fristgemäß nach" nicht dahin verstanden werden, dass es die Berücksichtigung von nach Fristablauf vorgelegten Nachweisen im Verwaltungsverfahren ausschließt. Vielmehr kann der von dem Grundsicherungsträger gesetzten Frist nur die Bedeutung beigemessen werden, dass vor ihrem Ablauf eine abschließende Entscheidung nicht ergeht und die Leistungsberechtigten sie zur Vorlage der angeforderten Unterlagen ausnutzen können. Gehen bis zur letzten Verwaltungsentscheidung und damit bis zum Abschluss eines Widerspruchsverfahrens noch Unterlagen ein, sind sie aber vom Grundsicherungsträger ungeachtet des Fristablaufs zu berücksichtigen, weil nach den insoweit zu berücksichtigenden verfassungsrechtlichen Maßgaben im Zweifel der schonenderen Auslegung der Fristbestimmung der Vorzug zu geben ist (im Ergebnis ebenso [X.] in Oestreicher, [X.]B II/[X.]B XII, § 41a [X.]B II Rd[X.]2, Stand Februar 2018; dahin tendierend auch [X.] in [X.], G[X.]-[X.]B II, [X.] § 41a [X.], Stand November 2017; ähnlich [X.]emper in Eicher/[X.], [X.]B II, 4. Aufl 2017, § 41a Rd[X.]9 f: ablehnende Entscheidung nach § 41a Abs 3 Satz 4 [X.]B II hat keine materielle Wirkung und schließt Nachholung im Widerspruchsverfahren nicht aus).

Die [X.]ostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 [X.].

Meta

B 14 AS 7/18 R

12.09.2018

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Dresden, 11. Januar 2018, Az: S 52 AS 4070/17, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 12.09.2018, Az. B 14 AS 7/18 R (REWIS RS 2018, 3894)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 3894

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