Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 18.04.2012, Az. 3 AZB 22/11

3. Senat | REWIS RS 2012, 7173

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Gegenstand

Anfall und Erstattungsfähigkeit der Verfahrensgebühr im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vor dem BAG


Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des [X.] vom 24. März 2011 - 3 Ta 37/11 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

1

I. Der Kläger wendet sich gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss, wonach er der Beklagten wegen eines von ihm eingeleiteten [X.]s eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3506 VV-[X.] zu erstatten hat.

2

Die [X.]en hatten ursprünglich darüber gestritten, ob der Kläger ab dem 1. Oktober 2006 eine Vergütung nach der tariflichen Gehaltsgruppe [X.] 8 beanspruchen kann. Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen; das [X.] hatte die Berufung des [X.] zurückgewiesen und die Revision gegen seine Entscheidung nicht zugelassen. Vor dem [X.] war die Beklagte durch Rechtsanwälte R vertreten worden. Gegen das Urteil des [X.]s legte der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde ein und begründete diese mit Schriftsatz vom 17. August 2010. Abschriften der Nichtzulassungsbeschwerdeschrift wurden den Rechtsanwälten R am 27. Juli 2010, Abschriften der Beschwerdebegründungsschrift wurden ihnen am 27. August 2010 zugestellt. Mit Beschluss vom 25. August 2010 wies das [X.] die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision kostenpflichtig zurück. Abschriften dieses Beschlusses gingen den Rechtsanwälten R am 9. September 2010 zu. Bereits zuvor, nämlich am 6. September 2010, war beim [X.] der Schriftsatz der Rechtsanwälte R vom 3. September 2010 eingegangen, in welchem sich diese für die Beklagte gemeldet und beantragt hatten, die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] zurückzuweisen.

3

Auf Antrag der Beklagten und nach Anhörung des [X.] hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 16. Dezember 2010 die vom Kläger an die Beklagte zu erstattenden Kosten auf 989,60 Euro (nebst Zinsen) festgesetzt. Dieser Betrag beinhaltet eine Verfahrensgebühr gem. Nr. 3506 VV-[X.] sowie die Pauschale für Post und Telekommunikation nach Nr. 7002 VV-[X.] in Höhe von 20,00 Euro. Gegen diesen Beschluss hat der Kläger Erinnerung eingelegt. Das Arbeitsgericht hat die Erinnerung als sofortige Beschwerde ausgelegt, ihr nicht abgeholfen und sie dem [X.] zur Entscheidung vorgelegt. Das [X.] hat die sofortige Beschwerde des [X.] zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zum [X.] zugelassen. Mit der Rechtsbeschwerde macht der Kläger weiterhin geltend, zur Erstattung der Verfahrensgebühr nicht verpflichtet zu sein.

4

II. Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässige (§ 575 ZPO) Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das [X.] hat die sofortige Beschwerde des [X.] gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Das Arbeitsgericht hat die nach dem Beschluss des [X.]s vom 25. August 2010 vom Kläger an die Beklagte zu erstattenden Kosten nach § 104 ZPO zu Recht auf insgesamt 989,60 Euro festgesetzt. Neben der Pauschale für Post und Telekommunikation nach Nr. 7002 VV-[X.] in Höhe von 20,00 Euro, über deren Berechtigung und Erstattungsfähigkeit die [X.]en nicht streiten, war bei der Kostenfestsetzung die Verfahrensgebühr nach Nr. 3506 VV-[X.] in unstreitiger Höhe von 969,60 Euro zu berücksichtigen. Die Rechtsanwälte R können für ihr Tätigwerden im [X.] eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3506 VV-[X.] beanspruchen. Die Verfahrensgebühr ist auch erstattungsfähig iSd. § 91 ZPO.

5

1. Die Verfahrensgebühr nach Nr. 3506 VV-[X.] ist in voller Höhe entstanden. Der Gebührenanspruch der Rechtsanwälte R im [X.] bestimmt sich nach Nr. 3506 VV-[X.]. Danach beläuft sich die Verfahrensgebühr auf das 1,6-fache der Gebühr nach § 13 [X.]. Bei einem Gegenstandswert von 17.408,52 Euro sind dies 969,60 Euro.

6

a) Entgegen der Rechtsauffassung des [X.] scheitert die Entstehung der Gebühr nicht an einer fehlenden [X.] der Rechtsanwälte R für das [X.]. Die [X.], die die Beklagte ihren Prozessbevollmächtigten für das Berufungsverfahren erteilt hatte, ermächtigte diese zur Führung „des ganzen Prozesses“ in allen Instanzen, mithin auch im [X.].

7

Dem steht nicht entgegen, dass gem. § 16 Nr. 11, § 17 Nr. 9 [X.] das Verfahren über ein Rechtsmittel und das Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels verschiedene Angelegenheiten sind. Diese Bestimmungen des [X.] haben nur Bedeutung für die Frage, ob im Beschwerdeverfahren über die Nichtzulassung des Rechtsmittels gesonderte Gebühren entstehen. Sie regeln nicht den Umfang der [X.]. Dieser bestimmt sich ausschließlich nach §§ 81, 82 ZPO. Nach § 81 ZPO ermächtigt die [X.] zu allen den „Rechtsstreit“ betreffenden Prozesshandlungen, einschließlich derjenigen, die durch eine Widerklage, eine Wiederaufnahme des Verfahrens, eine Rüge nach § 321a und die Zwangsvollstreckung veranlasst werden, zur Bestellung eines Vertreters sowie eines Bevollmächtigten für die höheren Instanzen, zur Beseitigung des Rechtsstreits durch Vergleich, Verzichtsleistung auf den Streitgegenstand oder Anerkennung des von dem Gegner geltend gemachten Anspruchs sowie zur Empfangnahme der vom Gegner oder aus der Staatskasse zu erstattenden Kosten. Nach dieser Bestimmung ermächtigt die [X.] demnach zur Führung des ganzen Prozesses („Rechtsstreit“) in allen Instanzen (vgl. [X.] 26. Mai 2009 - 1 [X.] - Rn. 10, [X.] BetrVG 1972 § 112 Nr. 203 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 32).

8

Der Antrag der Prozessbevollmächtigten der Beklagten auf Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] ist auch eine Prozesshandlung iSd. § 81 ZPO. Der Begriff der Prozesshandlung iSd. § 81 ZPO ist weit zu verstehen. Hierzu gehören alle Handlungen, die nach ihrer Zweckbestimmung den Rechtsstreit betreiben, fördern oder beendigen oder der Durchsetzung einer ergangenen Entscheidung dienen sollen. Dazu gehören auch Anträge oder Erklärungen in Schriftsätzen (vgl. [X.] 10. August 1977 - 5 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.] ZPO § 81 Nr. 2 = EzA ZPO § 81 Nr. 1; [X.]/v. [X.] 3. Aufl. § 81 Rn. 3).

9

b) Die Gebühr ist entgegen der Rechtsauffassung des [X.] nicht nach Nr. 3507 VV-[X.] iVm. Nr. 3201 VV-[X.] auf den 1,1-fachen Gebührensatz zu ermäßigen. Der Auftrag wurde nicht vorzeitig beendet. Zwar haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten den Schriftsatz vom 3. September 2010 erst zu einem Zeitpunkt gefertigt und beim [X.] eingereicht, als das [X.] bereits den Beschluss vom 25. August 2010, mit dem die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen wurde, gefasst hatte; nach außen wirksam wurde der Beschluss des [X.]s vom 25. August 2010 jedoch erst mit seiner Zustellung. Abschriften des Beschlusses des [X.]s sind den Rechtsanwälten R erst am 9. September 2010 zugegangen, also zu einem Zeitpunkt, als ihr Schriftsatz bereits beim [X.] eingegangen war.

2. Die Kosten der Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten der Beklagten sind auch erstattungsfähig. Zwar hat die unterliegende [X.] die dem Gegner erwachsenen Kosten - nur - insoweit zu erstatten, als sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung objektiv notwendig waren, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Maßstab dafür ist, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige [X.] die kostenauslösende Maßnahme im damaligen Zeitpunkt als sachdienlich ansehen durfte ([X.] 26. Januar 2006 - III [X.]/05 - Rn. 20, [X.]Z 166, 117). Allerdings gelten gem. § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden [X.] als zweckentsprechende Kosten der Rechtsverteidigung („sind in allen Prozessen zu erstatten“). Aus dieser Bestimmung folgt, dass eine [X.] im Prozess einen Rechtsanwalt zu Hilfe nehmen darf und die dadurch entstandenen Kosten auch erstattungsfähig sind ([X.] 17. Dezember 2002 - [X.]/02 - zu [X.] der Gründe, NJW 2003, 756). Eine Ausnahme von der Erstattungsfähigkeit für die gesetzlichen Rechtsanwaltsgebühren kommt nur mit Blick auf das allgemeine Gebot sparsamer Prozessführung in Betracht. Danach trifft die [X.] aufgrund des [X.] die Verpflichtung, die Kosten möglichst gering zu halten (vgl. [X.] 3. Juni 2003 - VIII ZB 19/03 - zu [X.] der Gründe, NJW 2003, 2992). Demzufolge kann eine Erstattung der Anwaltsgebühren dann nicht verlangt werden, wenn für die Tätigkeit des Anwalts ausnahmsweise kein Anlass bestand ([X.] 26. Januar 2006 - III [X.]/05 - Rn. 20, aaO). Da der Kläger die Nichtzulassungsbeschwerde nicht lediglich zur Fristwahrung eingelegt, sondern sie bereits begründet hatte und die Prozessbevollmächtigten der Beklagten erst am 9. September 2010 Kenntnis vom Beschluss des [X.]s über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde erlangt haben, durften sie die Fertigung des Schriftsatzes vom 3. September 2010 zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung der Beklagten für erforderlich halten.

3. Auf die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob § 544 Abs. 3 ZPO auch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vor dem [X.] Anwendung findet, kam es vorliegend nicht an.

III. [X.] folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Gräfl    

        

    Schlewing    

        

    Spinner    

        

        

        

        

        

        

                 

Meta

3 AZB 22/11

18.04.2012

Bundesarbeitsgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AZB

vorgehend ArbG Kaiserslautern, 16. Dezember 2010, Az: 8 Ca 782/09 KL, Beschluss

Nr 3506 RVG-VV

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 18.04.2012, Az. 3 AZB 22/11 (REWIS RS 2012, 7173)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7173

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

VII ZB 81/16

VII ZB 81/16

11 W 1556/16

11 W 1761/16

11 WF 733/16

25 W 245/16

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