Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.06.2013, Az. I ZR 201/11

1. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 4846

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Gegenstand

Ergänzender wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz für einen Briefmarkenkatalog-Verlag wegen Rufausbeutung: Haftung der Gesellschafter einer konkurrierenden BGB-Gesellschaft für Zuwiderhandlungen gegen eine vertragliche Unterlassungsverpflichtung der Gesellschaft - Markenheftchen II


Leitsatz

Markenheftchen II

1. Besteht eine vertragliche Unterlassungsverpflichtung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, haften ihre Gesellschafter regelmäßig allein auf das Interesse und nicht persönlich auf Unterlassung, falls die Gesellschaft das Unterlassungsgebot verletzt.

2. Wird eine Unterlassungserklärung für eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts abgegeben, nachdem sie vom Gläubiger abgemahnt worden ist, ist es grundsätzlich nicht treuwidrig, wenn sich ihre Gesellschafter darauf berufen, dass für sie keine vertragliche Unterlassungspflicht begründet worden ist.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten zu 2 wird das Urteil des 29. Zivilsenats des [X.] vom 20. Oktober 2011 insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten zu 2 erkannt worden ist.

Auf die Berufung des Beklagten zu 2 wird das Urteil des [X.], 7. Zivilkammer, vom 2. August 2007 weitergehend abgeändert.

Die Klage gegen den Beklagten zu 2 wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger und die [X.] zu 1 sind Verlage, in denen Briefmarkenkataloge für Briefmarkensammler, Händler und Auktionshäuser erscheinen. Sie verwenden in ihren Katalogen jeweils ein Nummernsystem, das es den Sammlern ermöglicht, die einzelnen Briefmarken allein anhand einer individuellen Nummer zuzuordnen. Im Verlag des [X.] erscheinen die sehr bekannten und weit verbreiteten Briefmarkenkataloge „M“.

2

Der [X.] zu 2 (nachfolgend: der [X.]) ist im Unternehmen der [X.]n zu 1 für den Vertrieb der Kataloge verantwortlich. Zuvor war er einer der beiden Gesellschafter der [X.] (nachfolgend: [X.]). Der damalige anwaltliche Vertreter der [X.] unterzeichnete am 20. August 1998 in deren Namen eine strafbewehrte Unterlassungserklärung, in der es unter anderem heißt:

Hiermit verpflichtet sich der [X.], …, es zugunsten der Firma [X.], …, zu geschäftlichen Zwecken zu unterlassen, die Briefmarken-Katalognummern der M.-Kataloge, insbesondere der Briefmarken der BRD, zu verwenden oder Werke, die diese Briefmarken-Katalognummern enthalten, in Verkehr zu bringen oder zu vertreiben. …

3

Im Juli 2006 veröffentlichte die [X.] zu 1 in erster Auflage ihren "[X.] 2006". In diesem Katalog findet sich hinter einer Klassifizierungsnummer für das jeweilige Markenheftchen die in Klammern gesetzte [X.] aus dem im Frühsommer 2006 erstmals vom Kläger veröffentlichten "M. Handbuch-Katalog Markenheftchen Bundesrepublik und [X.] 2006/2007". Für die in den Markenheftchen enthaltenen Briefmarken gibt die [X.] zu 1 nach ihrer Klassifizierungsnummer ebenfalls jeweils die Nummer des [X.] an.

4

Der Kläger hat die [X.] mit seinen Nummern im [X.] der [X.]n zu 1 für urheber- und wettbewerbsrechtlich unzulässig gehalten. Er hat beide [X.] auf Unterlassung der Verwendung seiner Briefmarken-Nummerierung, auf Erstattung von Abmahnkosten und den [X.]n darüber hinaus im Wege der Stufenklage auf Auskunft, eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der zu erteilenden Auskunft sowie Schadensersatz in Anspruch genommen.

5

Das [X.] hat durch Teil- und Endurteil den Unterlassungsanspruch unter Beschränkung auf die konkrete Verletzungsform zuerkannt, den Auskunftsanspruch auf die Angabe gewerblicher Empfänger beschränkt und die Abmahnkosten zugesprochen. Die Berufung der [X.]n ist ohne Erfolg geblieben. Auf die Revision der [X.]n hat der Senat das erste Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen ([X.], Urteil vom 19. Mai 2010 - I ZR 158/08, [X.], 79 = [X.], 55 - Markenheftchen I).

6

Das Berufungsgericht hat daraufhin die Klage gegen die [X.] zu 1 abgewiesen und die Verurteilung des [X.]n hinsichtlich Unterlassung und Auskunftserteilung bestätigt.

7

Mit der vom Senat zugelassenen Revision des [X.]n verfolgt dieser seinen Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe

8

I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung hinsichtlich des [X.] wie folgt begründet:

9

Der Beklagte sei aufgrund der Unterlassungsverpflichtungserklärung der [X.] vom 20. August 1998 unmittelbar in eigener Person verpflichtet, die Verwendung der Briefmarken- und [X.] des [X.] zu unterlassen. Die von der [X.] übernommene Verpflichtung sei da-hin auszulegen, dass sie auch die [X.] umfasse, weil diese im [X.]punkt der Abgabe der Unterlassungserklärung noch in den allgemeinen Katalogen des [X.] enthalten gewesen und damit als Briefmarken-Katalognummern im Sinne der Erklärung anzusehen seien. Da der Beklagte zur [X.] der Unterzeichnung der Unterwerfungserklärung [X.]er der [X.] gewesen sei, sei er durch die von Rechtsanwalt [X.] als Vertreter der [X.] unterzeichnete Unterwerfungserklärung unmittelbar in eigener Person verpflichtet worden. Als verantwortlicher Vertriebsleiter der [X.] zu 1 habe der Beklagte an der Verbreitung des vom Kläger angegriffenen Katalogs mitgewirkt und dadurch gegen die Unterlassungserklärung verstoßen. Daher sei auch der [X.] auf Auskunftserteilung gegen den [X.] begründet.

II. Die Revision des [X.] hat Erfolg und führt zur Abweisung der gegen ihn gerichteten Klage. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass der Beklagte unabhängig von seiner Stellung als [X.]er der [X.] auch persönlich an die Unterlassungserklärung gebunden ist.

1. Die Unterlassungserklärung wurde ausschließlich im Namen der [X.] abgegeben. Soweit der Beklagte für die Verbindlichkeiten dieser [X.] auch persönlich haftet, ist der jeweilige Bestand der [X.] analog § 128 HGB also auch für seine persönliche Haftung maßgebend ([X.], Urteil vom 29. Januar 2001 - II ZR 331/00, [X.]Z 146, 341, 358). Er haftete daher für die Verbindlichkeiten der [X.] in deren jeweiligem [X.] grundsätzlich unbeschränkt und persönlich (vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.], Stand [X.], § 714 Rn. 24; [X.] in [X.]/Boujong/[X.]/[X.], HGB, 2. Aufl., § 128 Rn. 5). Allerdings hat die Unterlassung durch einen [X.]er zwangsläufig einen anderen Inhalt als diejenige der [X.]. Eine mit der [X.] deckungsgleiche Verpflichtung der [X.]er kann bei [X.] nicht bestehen (vgl. [X.] in Henssler/[X.], [X.]srecht, 2011, HGB § 128 Rn. 28). Der [X.]er persönlich kann daher grundsätzlich nicht unmittelbar für eine strafbewehrte Verpflichtung der [X.] in Anspruch genommen werden, die darauf gerichtet ist, eine Handlung zu unterlassen. Er haftet vielmehr im Regelfall allein auf das Interesse des Gläubigers, falls die [X.] verletzt (vgl. [X.] in [X.]/Boujong/[X.]/[X.] aaO Rn. 29).

Danach hatte der Beklagte im Rahmen seiner Haftung als [X.]er dafür einzustehen, dass die [X.] ihre Unterlassungsverpflichtung einhielt. Eine von dieser unabhängige Verpflichtung in eigener Person hat der Beklagte aber nicht übernommen. Die [X.]sgläubiger können die [X.]er nur für die von der [X.] geschuldete Leistung in Anspruch nehmen. Demgegenüber treffen die Haftungsfolgen bei individuellem Auftreten einzelner [X.]er nach außen in eigenem Namen jeweils nur den Handelnden, der Vertragspartner oder Deliktsschuldner wird (vgl. [X.].[X.]/[X.], 6. Aufl., § 714 Rn. 11). Ein solches individuelles Auftreten des [X.] liegt vor, wenn er - wie im Streitfall - unabhängig von der [X.] in ein Anstellungsverhältnis bei der [X.] zu 1 eintritt und in dessen Rahmen bestimmte Handlungen vornimmt.

2. Entgegen der Ansicht des [X.] ist eine von dieser Rechtslage abweichende Auslegung der Unterlassungsverpflichtungserklärung mit der Folge einer persönlichen Verpflichtung des [X.] nicht deshalb geboten, weil die Rechtsprechung des [X.] sich erst im Jahr 2001 der Akzessorietätstheorie angeschlossen hat.

Schon bei Unterzeichnung der Erklärung im Jahr 1998 unterschied die Rechtsprechung des [X.] zwischen der Verpflichtung der [X.] als Gesamthand und der persönlichen Haftung ihrer [X.]er (vgl. etwa [X.], Urteil vom 15. Dezember 1980 - [X.], [X.]Z 79, 374, 378 f.; [X.].[X.]/[X.], 3. Aufl., § 714 Rn. 3 f. mwN). Jedenfalls seit Ende 1991 hat der [X.] auch angenommen, dass die (Außen)[X.] als Teilnehmer am Rechtsverkehr grundsätzlich jede Rechtsposition einnehmen kann (vgl. [X.], Beschluss vom 4. November 1991 - [X.], [X.]Z 116, 86, 88). Um die persönliche Haftung der [X.]er zu begründen, war nach damals herrschender Auffassung ein besonderer Verpflichtungsgrund erforderlich. Beim rechtsgeschäftlichen Handeln der Geschäftsführer namens der [X.] wurde dieser häufig in der Mitverpflichtung der [X.]er kraft gewillkürter Vertretungsmacht gesehen (sogenannte Theorie der Doppelverpflichtung, vgl. [X.].[X.]/[X.] aaO § 714 Rn. 31; § 718 Rn. 38 f.). Grundsätzlich konnte der Gläubiger danach zwar von allen [X.]ern persönlich Erfüllung verlangen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wurde aber insbesondere für Unterlassungsverpflichtungen der [X.] angenommen, die von vornherein nur durch die [X.] erfüllbar sind, weil ihre Erfüllung durch einen [X.]er persönlich nicht ohne Änderung des [X.] möglich ist (vgl. [X.].[X.]/[X.] aaO § 714 Rn. 52; Soergel/Hadding, [X.], 11. Aufl., § 714 Rn. 35; H. [X.] Westermann in Erman, [X.], 9. Aufl., § 714 Rn. 16; [X.], Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 1. Bd., 1. Teil, 1977, [X.], 327). Da die personenbezogenen [X.] der [X.] nur von dieser erfüllt werden konnten, hafteten die [X.]er auch nach damaliger Auffassung bei Verstößen der [X.] gegen die Unterlassungspflicht nur auf das [X.]. Dementsprechend wurde zwischen [X.] oder Unterlassen des [X.]ers und der von der [X.] zu erbringenden Leistung unterschieden, so dass zur persönlichen Verpflichtung der [X.]er ein besonderer Rechtsgrund für erforderlich gehalten wurde (vgl. [X.] aaO [X.], 327).

3. Auch die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 [X.]) gebieten keine Erstreckung der Unterlassungsverpflichtungserklärung auf den [X.] persönlich. Ein Rückgriff auf § 242 [X.] zur Begründung eigenständiger Hauptleistungspflichten kann von vornherein nur zurückhaltend erwogen werden. Im Streitfall kommt er nicht in Betracht. Dem Kläger waren die Rechtsform der [X.] und ihre [X.]er bekannt. Gleichwohl hat sie nur die [X.] abgemahnt und nicht auch ihre [X.]er. Dementsprechend ist die Unterlassungserklärung auf die [X.] beschränkt. Unter diesen Umständen kann es nicht als treuwidrig angesehen werden, wenn sich der Beklagte darauf beruft, dass durch die Unterlassungspflicht der [X.] für ihn persönlich - außerhalb des Handelns für diese [X.] - keine entsprechende vertragliche Unterlassungspflicht begründet worden ist.

4. Da der Beklagte gegen keine Unterlassungspflicht verstoßen hat, schuldet er dem Kläger auch weder Auskunft noch Schadensersatz. Weil damit auch den weiteren, im Rahmen der Stufenklage geltend gemachten Ansprüchen auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und Schadenersatz (Klageanträge zu [X.] und 3) die Grundlage entzogen ist, kann das Rechtsmittelgericht die Klage in vollem Umfang abweisen ([X.], Urteil vom 8. Mai 1985 - [X.], [X.]Z 94, 268, 275).

III. [X.] folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Büscher                       Pokrant                   Schaffert

               [X.]                     [X.]

Meta

I ZR 201/11

20.06.2013

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 20. Oktober 2011, Az: 29 U 4480/07

§ 242 BGB, § 705 BGB, § 128 HGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.06.2013, Az. I ZR 201/11 (REWIS RS 2013, 4846)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4846

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Wettbewerbsverstoß: Vorbehaltskäufer als Erfüllungsgehilfe des Vorbehaltsverkäufers bei der Einhaltung einer auf einem Vertragsstrafeversprechen beruhenden Unterlassungspflicht; …


Referenzen
Wird zitiert von

V ZR 221/15

V ZR 221/15

I ZR 201/11

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